Pfotenglück – Dackel Max sucht Wolke sieben - Sina Beerwald - E-Book

Pfotenglück – Dackel Max sucht Wolke sieben E-Book

Sina Beerwald

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Beschreibung

Turbulente Flitterwochen für Dackel Max und seine Familie!  Endlich: Dackel Max' Frauchen und Goldies Herrchen heiraten auf Sylt! Natürlich bei Traumwetter am Strand. Doch auch Max ist im Hochzeitsstress, denn seine Goldie wünscht sich ebenfalls eine Strandhochzeit. Aber er wäre nicht Max, wenn er nicht schon einen Plan hätte – der garantiert schiefgeht. Geheiratet wird trotzdem, und jetzt gilt es, die Flitterwochen auf dem Campingplatz mit einem aufmüpfigen Teenager, einem energiegeladenen Fünfjährigen und einem hinterlistigen Kater zu überleben. Doch das ist alles nichts gegen die Überraschung, die das Leben von Dackel Max auf den Kopf stellt.  »Rasant, spannend und humorvoll! Eine Sylt-Geschichte voller Inselliebe, die ich Ihnen nur empfehlen kann!« Bestsellerautorin Gisa Pauly Humorvolle Inselabenteuer mit Dackel Max können Sie auch in diesen Pfotenglück-Romanen lesen:  - Band 1: Pfotenglück - Dackel Max sucht seine große Liebe - Band 2: Pfotenglück - Dackel Max auf Spurensuche

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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© Piper Verlag GmbH, München 2025

Lektorat: Lisa Wolf

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence, München mit abavo vlow, Buchloe

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Es geht los! Zum dritten Mal fahren wir nach Sylt auf den Kampener Campingplatz. Im ersten Urlaub habe ich meine große Liebe gesucht und im vergangenen Jahr mit meinem Urlaubsrudel eine abenteuerliche Spurensuche erlebt – oder sagen wir besser: überlebt.

Falls wir uns noch nicht kennen: Mein Name ist Maximilian von Großbeeren, kurz: Max, aber nicht Maxl und schon gar nicht Maxlchen, wie mein Frauchen immer behauptet. Sie ist auch der Meinung, dass ich stur bin, aber was kann ich dafür, dass ihre Kommandos nicht zu meinen Vorhaben passen? Doch bevor hier ein Missverständnis entsteht: Ich bin ein äußerst braver Dackel – solange es nach meinem Kopf geht.

Jetzt hab ich wieder was zu erzählen, denn mein Frauchen Ronja und Christian wollen auf der Insel heiraten und auch diese Flittchenwochen dort verbringen. Das allein verspricht schon genug Erzählstoff, aber da sind ja auch noch die Kinder von Christian, Lisa und Klein-Lasse. Drei Wochen mit einer fünfzehnjährigen Ziege und einem Sack Flöhe im Wohnwagen – das kann heiter werden. Hinzu kommt meine Chaotenbande, ich meine, mein Urlaubsrudel, sowie die Tatsache, dass ich meiner großen Liebe Goldie einen Antrag gemacht habe und sie sich eine Strandhochzeit wünscht. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, wo mir der Kopf steht.

Ich hoffe, dass alles nach Plan laufen wird. Hoffen kann man ja mal. Sie kennen meine Chaotenbande bereits? Na, dann wissen Sie ja, wovon ich spreche. Ich wusste das nicht, als ich vor zwei Jahren den Posten des Rudelführers übernommen habe.

Damit alle im Bilde sind, möchte ich Ihnen meine besten Freunde kurz vorstellen. Auf uns warten:

Camper, der Hund unseres Platznachbarn Jan, der in jeglicher Hinsicht ein besonderer Vierbeiner ist. Das fängt bei seiner seltenen Rasse an, denn er ist ein Chebo, es geht weiter bei seinem Aussehen, mit seinem dichten weißen, langen Fell sowie einem Steh- und einem Schlappohr und endet noch nicht damit, dass er ein ausgebildeter Personenspürhund ist. Denn auf ihn kann man zählen, er hat stets gute Laune und ist immer zur Stelle – auch wenn man ihn nicht braucht. Wir haben uns aber auch schon gegenseitig das Leben gerettet. Deshalb ist er mein bester Freund und wird mein Trauzeuge sein.

Hans-Gert, der afghanische Windhund, besitzt aufgrund seiner Flatulenzen einen eigenen kleinen Wohnwagen, weil sein Herrchen Heinz-Walter nachts den Gestank nicht erträgt. Aber das wisst ihr nicht von mir. Hans-Gert legt großen Wert auf sein Aussehen, weil er von den Genen her ein Show- und kein Rennafghane ist. Er ist für mein Styling bei der Hochzeit zuständig und hat mir versprochen, mit mir in eine Kampener Boutique zu gehen, um Schuhe für mich zu besorgen. Ohne diese Teile kann die Strandhochzeit nämlich nicht stattfinden. Ich hasse Sand zwischen den Pfoten.

Bobbi, der Bobtail, der das Problem hat, dass ständig irgendwelche Dinge vom Himmel fallen und sich ihm in den Weg stellen. Bäume zum Beispiel. Leider vergisst er immer wieder, sich die Sicht freizupusten und tappst deshalb ziemlich blind durchs Leben. Sein Frauchen Barbara ist der festen Überzeugung, dass nur Hündinnen eine Haarspange tragen sollten, um das dichte Fell über den Augen hochzustecken. Alle Fettnäpfchen hingegen findet Bobbi ziemlich treffsicher und hoffentlich auch noch seine große Liebe. Ich kann ihm ja nicht immer sagen, wo’s langgeht.

Chiwa, die Chihuahua-Hündin mit der großen Klappe, die mutig wie eine Löwin sein kann, wenn’s drauf ankommt, sich ansonsten aber lieber hinter ihrem großen Freund Rotti versteckt, sofern ihr Frauchen Judy nicht zur Stelle ist, um das kleine, bis in die Haarspitzen der langen Ohren zitternde Fellknäuel schützend in die Arme zu schließen.

Rotti, der Rottweiler, der Hund des Platzwarts Reiner, ist unser Rudelführer in Rente, nachdem er den Fressnapf am Rande eines Nervenzusammenbruchs hingeworfen und den Posten an mich übergeben hat, weil ich das Kleingedruckte nicht gelesen habe. Er würde seinen Lebensabend gern genießen, aber da hat er die Rechnung ohne uns gemacht.

Herr König, seine Majestät, der Königspudel, der seinem Herrchen Hermann nicht nur die Zeitung bringt, er liest sie auch selbst. Drum denkt Herr König, dass er der Schlauste von uns allen ist. Aber das stimmt nicht. Er behauptet nämlich, dass Mammuts ausgestorben sind. Wir wissen das besser.

Lotti, die durchgeknallteste Dackelhündin, die ich kenne. Sie hatte es lange auf mich abgesehen, bis sie sich stattdessen unsterblich in das Flohtaxi Ronny verliebte. Seine Ankunft auf Sylt wird von ihr bestimmt schon sehnlichst erwartet. Der Straßenkater wurde nämlich zu unserem Adoptivkater, und Frauchen fand es eine tolle Idee, ihn Moritz zu nennen. Weil das so gut zu Max passt. Dass die beiden immer Streiche angestellt haben, daran hat sie wohl nicht gedacht.

Seit zwei Jahren ist die hübscheste aller Golden-Retriever-Damen, meine große Liebe Goldie, stets an meiner Seite. Sie lässt mich keine Sekunde aus den Augen, denn da, wo ich bin, ist das Chaos nicht weit.

Aber noch ist meine Dackelwelt in Ordnung. Noch.

Kapitel 1

Sylt-Urlaub! Was für eine Vorfreude, die auf den letzten Kilometern noch größer geworden ist, vor allem bei meinem Frauchen und Christian. Die beiden kommen aus dem Grinsen nicht mehr raus und können es kaum erwarten, bis wir endlich auf der Insel sind, denn für sie bedeuten die kommenden drei Wochen nicht nur Urlaub, sondern auch, dass sie »Ja« zueinander sagen werden.

Seit einem halben Jahr geht es ständig um diesen »großen Tag« – und das nicht nur bei den beiden.

Seitdem ich Goldie versprochen habe, dass ich sie ebenfalls auf Sylt heiraten werde und auch ihr Traum von einer Strandhochzeit in Erfüllung gehen soll, bin ich so was von nervös. Ich hab nämlich keine passenden Schuhe!

Ja, das ist ein Drama. Ein ganz großes sogar. Auch wenn ich Goldie zuliebe wirklich alles tun würde, aber bei Sand zwischen den Pfoten hört für mich der Spaß auf. Glücklicherweise hat mein Kumpel Hans-Gert, der afghanische Windhund, der am liebsten mit seinem Herrchen auf der Whiskymeile in den Edelbars sitzt, im vergangenen Urlaub versprochen, dass er mit mir in eine Kampener Schuhboutique geht, wo wir seiner Meinung nach fündig werden sollten.

Aus diesem Grund kann ich es kaum erwarten, bis wir endlich auf den Autozug dürfen und ich auf dem Campingplatz nachschnüffeln kann, ob Hans-Gert schon da ist.

Wir sind in Niebüll bei der Autoverladung angekommen und stehen auf diesem endlos langen Zuganhänger, eingepfercht von anderen Autos. Vor uns, hinter uns, über uns – ja, auch da, überall stehen Autos, und wir alle warten darauf, dass der Zug sich endlich in Bewegung setzt, damit wir auf Schienen über den Damm auf die Insel gelangen, wo ganz einfach auch eine Straße sein könnte.

Was für ein Aufwand! Aber so sind die Menschen. Warum einfach, wenn es auch umständlich geht.

Ein wahres Drama durchlebt gerade auch Lisa, die fünfzehnjährige Tochter von Christian. Lisa hat nämlich ihr Handy zu Hause liegen lassen, was einem Weltuntergang gleichkommt – vor allem, weil ihr Vater sich geweigert hat, noch einmal umzukehren. Christian setzte sogar noch eins drauf, indem er meinte, sie könne ja wohl drei Wochen ohne ihr Handy überleben und so ein bisschen »didschital ditox« würde ihr ganz guttun.

Lisa ist stinksauer. Gegen sie sind alle feuerspeienden Drachen und zischelnden Giftschlangen dieser Welt harmlose Kuscheltiere.

Ihre schlechte Laune lässt sie natürlich an ihrem fünfjährigen, halben Bruder aus, der voller Hoffnung war, dass Lisa die Aufmerksamkeit, die sie sonst ihrem Handy schenkt, nun voll und ganz auf ihn richtet. Die gesamte Fahrt über, von München nach Sylt, wollte er wahlweise »Ich sehe was, was du nicht siehst« oder Quartett mit ihr spielen.

Lisa hingegen war nur am Jammern, dass sie ohne ihr Handy bei Snapchat alle ihre Flammen-Symbole verliert, die sie sich mit ihren Freunden teilweise über Jahre hinweg aufgebaut hat. Keine Ahnung, wovon sie redet. Auf der Raststätte wollte Lisa sogar die Notrufsäule betätigen, was Christian gerade noch verhindern konnte.

Ich glaube, Kater Ronny hätte sich ihr am liebsten angeschlossen und den Tierschutz angerufen. Der quakt uns seit Stunden in der Box nebenan die Ohren voll, sodass ich bald zum Frosch, nein, ich meine, zum Brüllaffen werde.

Ich würde ihm echt gern die Meinung bellen, aber dieser arme, arme schwarze Kater darf echt alles, seitdem Frauchen und Christian dieses Flohtaxi im letzten Sylt-Urlaub eingesammelt und mit nach Hause genommen haben, weil dieser arme, arme Streuner sonst bestimmt unter die Räder gekommen wäre.

Nun ja, seitdem sie unsere diversen Streiche erlebt hat, ist sie von ihrer Entscheidung nicht mehr ganz so überzeugt. Armes, armes Frauchen.

Für mich ist und bleibt er Ronny. Da kann Frauchen ihn hundertmal Moritz getauft haben. Ich nenne ihn, wie ich will. Umgekehrt macht Frauchen das bei mir ja auch so, da ist sie ebenfalls beratungsresistent.

»Ist ja guuut, Moritz, wir sind gleich daaa«, sagt Frauchen zum vierundhundertdrölfzigsten Mal.

Lisa seufzt abgrundtief, ebenfalls zum vierundhundertdrölfzigsten Mal. »Boah ey, das sagst du, seitdem wir losgefahren sind.« Wieder lehnt sie den Kopf gegen die Scheibe und starrt vor sich hin. Ihre Haare sind immer noch lila gefärbt, aber mittlerweile kurz geschnitten, so ähnlich wie die blonden Haare von ihrem Vater. Allerdings sind ihre hinten kürzer als vorne. Der Pony hängt ihr ins Gesicht, so als wolle sie meinem Freund Bobbi, dem Bobtail, Konkurrenz machen. Wobei sie sich im Gegensatz zu ihm freiwillig dazu entschieden hat, nichts mehr vom Leben sehen zu wollen.

»Wann sind wir denn daaa?«, kräht Klein-Lasse, dessen blonde Haare an der Stirn auffällig kurz sind, weil er Lisa zeigen wollte, wie man einen Pony schneidet.

Christian seufzt. »An Weihnachten.«

»Was? Sooo lange noch, Papa? Aber Ronja hat gesagt …«

»Alles gut, Lasse. Dauert wirklich nicht mehr lange«, entgegnet Christian lachend. »Wir wollen ja nicht bei Eis und Schnee am Strand heiraten.«

Eigentlich gar keine so schlechte Idee, denke ich. Das würde mein Problem mit dem Sand lösen. Kälte an den Pfoten ist mir gleich. Hitze macht mir dagegen deutlich mehr zu schaffen, das habe ich besonders in den letzten Wochen in München gemerkt. Zum Glück hatte Frauchen ein Einsehen, und so durften Goldie und ich auf der Terrasse schlafen, nachdem Frauchen ihr Lager ebenfalls dort aufgeschlagen hat und Klein-Lasse in den Papa-Ferien mit ihm im Garten zelten durfte.

Lisa bleibt lieber in ihrem Zimmer, wenn sie am Wochenende bei uns zu Besuch ist. Ihr scheinen hohe Temperaturen nichts auszumachen – wobei, als ihr Handy mal heiß wurde, ist sie fast durchgedreht. Ihre Kleidung hat sie jedenfalls dem Sommer angepasst. Christian war bei der Abreise alles andere als begeistert von ihren knappen Shorts und dem bauchfreien Oberteil, aber sie kam wohl leider, leider so spät zum Auto, dass keine Zeit mehr zum Umziehen war.

Christian trägt wie immer eine seiner kurzen ausgefransten Jeans, die aussehen, als hätte ich sie oberhalb des Knies abgebissen, und dazu ein Shirt mit bunten Bügelbrettern drauf, mit denen man übers Wasser fahren kann.

Auch Frauchen hat sich für luftige Kleidung entschieden: ein hellblaues Sommerkleid, das besonders gut zu ihren goldblonden Haaren passt, die sie zum Zopf gebunden hat. In den hat sie ein Tuch geknotet, an dem ich nur allzu gern ziehen würde, wenn ich drankäme.

Goldie ist seit einigen Tagen zu keiner Aktivität mehr zu bewegen. Sie hat sich geweigert, Gassi zu gehen, nicht mal ins Planschbecken wollte sie, und sogar das Spielen mit ihrem Lieblings-Leuchtturm, den ich im vergangenen Urlaub unter Einsatz meines Lebens aus dem Meer gerettet habe, war ihr zu viel. Das höchste der Gefühle war, sich in den Schatten neben den Hundepool zu legen. Nicht mal große Lust zum Fressen hatte sie, und das will echt was heißen.

Im Grunde habe ich Goldie in letzter Zeit nur schlafend erlebt, so wie auch die gesamte Fahrt über, obwohl es im neuen großen Auto schön kühl ist. Wir müssen uns zwar wieder gemeinsam in eine Box quetschen, aber sie hat sich durch mich nicht stören lassen, wenn ich mich immer wieder gedreht und erneut in das Nest eingerollt habe, das sie mit ihrem Körper formte. Hin und wieder hat sie höchstens mal ein Auge aufgemacht, mir einen liebevollen Blick zugeworfen und dann weiter geschnarcht.

Noch ehe ich sie anstupsen kann, rufen Frauchen und Christian gleichzeitig: »Es geht los!«

»Schau mal, Lasse«, fügt Christian voller Begeisterung hinzu und dreht sich zu seinem Sohn um. »Jetzt geht’s auf Schienen durchs Meer. Erinnerst du dich noch, wie wir letztes Jahr über den Hindenburgdamm gefahren sind?«

Lasse schüttelt den Kopf.

»Nicht?«, fragt sein Vater. »Aber da warst du doch schon vier.«

Mir leuchtete das ein, dass der Knirps nichts mehr davon weiß. Das hängt nämlich nicht mit seinem Alter zusammen, sondern mit der Tatsache, dass er sich mit seiner halben Schwester wie die Flickenkessler, oder wie auch immer diese Leute heißen, gestritten und deshalb von der Überfahrt nichts mitbekommen hat. Das hat Christian wohl schon wieder verdrängt.

Ich hingegen kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich mir meine Dackelohren am liebsten in den Gehörgang gestopft hätte, stattdessen jedoch bei dem Geruckel durchgeschüttelt wurde und aus dem Nicken nicht mehr rauskam.

Da hatte ich trotz allem tatsächlich noch Hoffnung, dass der restliche Urlaub geruhsam verlaufen würde, aber die Rechnung hatte ich ohne Lisa und Klein-Lasse gemacht.

Christian dreht sich wieder in Fahrtrichtung, lehnt sich zurück und überkreuzt die Hände am Hinterkopf. »Puh, war das ein Ritt!«

»Hände ans Lenkrad!«, ruft Lasse.

Lisa bricht in schallendes Gelächter aus. »Boah, du bist so doof, ey! Papa hat’s doch gerade erklärt. Wir stehen auf einem Autozug – und der fährt.«

»Papa, Lisa hat gesagt, ich bin doof …«

»Keinen Streit …«, mahnt Christian. »Lisa, sei nett zu deinem kleinen Bruder.«

Lisa seufzt. »Ist doch die Wahrheit.«

»Das geht auch höflicher.«

»Sehr wohl. Liebster kleiner Bruder, dein Gehirn erscheint mir so groß wie eine Erbse zu sein, aber das macht nichts, dafür hast du ja deine schlaue Schwester, die dir gern die Welt erklärt. Besser so?«

Christian schüttelt bloß den Kopf anstelle einer Antwort, und nur ich kann sehen, wie Lasse seiner Schwester die Zunge rausstreckt.

Frauchen gibt Christian einen Kuss. »Schone deine Nerven. Auf dem Weg hast du schon genügend verbraucht. Ich hätte ja spätestens beim Stau vor dem Elbtunnel kapituliert und ein Hotel gesucht. Wie gut, dass du seit Kassel gefahren bist und nicht aufgegeben hast. Ich hätte nicht gedacht, dass wir den letzten Autozug noch erwischen.«

Ich blicke nach draußen. So spät kann es eigentlich noch gar nicht sein, die Sonne geht gerade erst unter.

»Na ja …« Christian gähnt, reibt sich über die Augen und wuschelt sich mit beiden Händen durch die kurzen blonden Haare. »So ganz freiwillig hab ich das nicht durchgezogen. Mal ehrlich, wie lange hätten wir nach einem Hotel gesucht, das außer zwei Erwachsenen noch zwei Hunde, einen Kater, eine fünfzehnjährige Ziege und einen Duracell-Hasen aufnimmt?«

»Sehr witzig, Papa«, knurrt Lisa, tiefer, als ich das je könnte. Klein-Lasse lacht und trommelt auf seine Knie, um den Hasen nachzuahmen.

»Lass dich von deinem Papa nicht ärgern, Lisa«, sagt Frauchen mitfühlend.

Da hat sie gut reden, denke ich. Meiner Meinung nach sind bei den beiden alle Rinderknochen verloren. Die schenken sich nichts. Genauso wenig wie die Geschwister untereinander. Aber so ist das eben in einem Rudel. Da wird gebellt und geknurrt, und eine Sekunde später ist alles wieder in Ordnung.

»Sylt, wir kommen!«, ruft Christian. »Wir haben es geschafft!«

Geschafft?, frage ich mich. Na ja. Ich werfe einen verzweifelten Blick auf Ronny, dessen Gejaule nun nicht mehr vom Motor übertönt wird.

»Meine Nerven!«, knurre ich ihn an. »Halt doch endlich dein Maul!«

Ronny legt den Kopf schräg und guckt mich durch das Gitter mit seinem gelben Auge an. Das andere hat er durch eine fiese Entzündung verloren, was seine frühere Familie dazu veranlasst hat, das nun ungeliebte Weihnachtsgeschenk auf Sylt zurückzulassen. »Warum soll ick aufhörn? Lass mich doch singen.«

»Singen nennst du dieses Gejammer?«

»Det is Katzenmusik, du Kulturbanause.«

»Ich bin keine Kulturbanane!«, knurre ich. »Aber dein Gejaule bringt mich noch um.«

Der Kater zeigt sein zahnloses Grinsen. »Okay, dann biste eben eene Dramaqueen.«

Ich gebe mich unbeeindruckt. »Den Titel trägt Lisa.«

»Dann biste eben een Dramadackel.«

»Verflucht!«, ruft Christian, noch ehe ich etwas entgegnen kann. Er hat sich mit Kaffee bekleckert, als er sich den Rest aus der Thermoskanne eingeschenkt hat, und nun balanciert er den Becher mühsam aus, damit der Inhalt nicht überschwappt. »Sollte sich ›wie auf Schienen‹ nicht anders anfühlen?«

»Vielleicht sollten wir nächstes Mal doch lieber die Fähre nehmen, ist ja nur ein kleiner Umweg über Dänemark«, sagt Frauchen, während sie auf ihrem Sitz vergeblich eine bequeme Position sucht, um die Erschütterungen auszugleichen. »Vor vielen Jahren hab ich das schon mal gemacht. Ist ´ne Stunde länger Fahrt, aber auf dem Schiff schaukelt es definitiv weniger als hier auf dem Zug, und man kann in Ruhe seinen Kaffee trinken.«

Ich kann dazu bloß noch nicken.

Verschlafen hebt Goldie den Kopf und guckt mich an. »Aaach, daa iist jaaa mein süüßer Waaackeldaaackel.«

Ronny singt in den schiefsten Tönen und quietscht dabei wie der Zug auf den Schienen.

Na schön, denke ich ergeben nickend. Dann bin ich eben ein wackelnder Dramadackel. Den Rang macht mir jedenfalls keiner streitig.

»Aber dieser Sonnenuntergang!«, schwärmt Frauchen. »Der entschädigt doch für alles. Was für eine Begrüßung! Schaut doch mal, Kinder.«

»Jou, wäre jetzt ein cooles Selfie für einen Snap«, brummt Lisa.

»Finde den Fehler …«, bemerkt ihr Vater.

»Also wirklich, Christian«, mahnt Frauchen. »Du musst nicht noch den Finger in die Wunde legen.«

»Mach ich doch gar nicht! Aber da wir nicht rückwärtsfahren, sondern auf die Insel zu, die da so malerisch im Sonnenuntergang vor uns liegt, ist ein Selfie wohl kaum möglich.«

»Ich mache ein Selfie von uns allen!«, ruft Frauchen, die immer um Ausgleich bemüht ist, und zückt ihr Handy. »Alle mal herschauen!« Prüfend blickt sie auf das Display. »Das ist super geworden.« Sie hält das Handy nach hinten, damit auch Lasse und Lisa das Foto betrachten können.

Soweit ich das erkennen kann, ist da ein Frauchen zu sehen, deren leuchtend rote Wangen einem Nymphensittich Konkurrenz machen, Christian, der seinen Hals gereckt hat wie ein Erdmännchen, damit er ins Bild kommt, und Lisa, die ihre Lippen aufgeworfen hat wie ein verärgertes Lama, das gleich spuckt. Nur Lasse thront in seinem Autositz und grinst so breit, wie eben nur Lasse grinsen kann, besonders, wenn er etwas ausheckt.

Wann führt dieser kleine Kerl eigentlich mal nichts im Schilde? Ich bin gespannt, was er sich in diesem Urlaub einfallen lässt. Wehe, wenn er mich noch einmal mit Sonnencreme einschmiert und mit diesen klebrigen Mamellos garniert, und er soll sich bloß nicht wieder so gut vor uns verstecken, dass wir ihn wie verrückt suchen müssen. So stelle ich mir keinen Urlaub vor – aber ich befürchte, Lasse hat da so seine ganz eigenen Vorstellungen vom Unterhaltungsprogramm in den Ferien.

Trotzdem halten es Frauchen und Christian für eine wundervolle Idee, im Anschluss an die Hochzeit noch auf ihrer Lieblingsinsel zu bleiben.

Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass wir dieses Mal in einem edlen Hotel übernachten, weil Frauchen und Christian heiraten, so mit Salami, Leberwurst und Rinderknochen vom Büfett, aber es ist wieder der Kampener Campingplatz geworden – sogar für diese Flittchenwochen oder wie sich das nennt.

Unsere Leinenhalter sind jedenfalls der Meinung, dass ein Hauch von Luxus auch zwischen Chemietoilette und Gemeinschaftsdusche weht, und schließlich soll die Feier ganz ungezwungen auf dem Campingplatz stattfinden, auf dem sie viele Freunde gefunden haben.

Die habe ich dort natürlich auch, wir alle fühlen uns sehr wohl auf diesem kleinen, beschaulichen Campingplatz, eingebettet zwischen Wald und Dünen. Drum gebe ich auch nichts auf so ein Hotel – wobei, so ein Büfett wäre wirklich nicht schlecht gewesen.

Ich hoffe, mein Urlaubsrudel ist schon vollzählig angereist. Wie gut, dass die auch allesamt drei Wochen bleiben.

Ich brauche deren seelische, geistige und moralische Unterstützung bis zum Tag meiner Hochzeit, damit ich vor Aufregung nicht durchdrehe – und danach genießen wir eine entspannte Zeit zusammen.

Das bekommt meine Chaotenbande bestimmt hin.

Davon bin ich überzeugt.

Ganz sicher.

Hundertprozentig.

Nicht.

Kapitel 2

»Das fühlt sich an wie nach Hause kommen«, seufzt Frauchen, als wir auf dem Campingplatz im Vorzelt vor unserem Wohnwagen stehen. »Nur, wo ist der Schlüssel?«

Christian greift in die Gesäßtasche seiner Hose, so als wäre er da drin, doch stattdessen zieht er ein Papier hervor. Er entfaltet es und leuchtet mit der Taschenlampe seines Handys drauf.

»Schlüssel steckt bei Anreise in der Tür des Mietwohnwagens«, liest er vor. »So steht’s im Mietvertrag.«

»Und so war es letztes Jahr und vorletztes Jahr«, ergänzt Frauchen.

Christian guckt ratlos und beleuchtet die Tür des Wohnwagens. »Nur dieses Jahr nicht.«

»Und überhaupt, warum haben wir nicht mal Licht?« Frauchen tastet ihren Körper ab, so als ob sich dort ein Schalter befinden würde. »Ich weiß nicht, wo ich mein Handy gelassen habe.«

»Hoffentlich nicht auf der Raststätte vergessen«, sagt Christian.

»Nein, auf dem Autozug hatte ich es ja noch.«

»Stimmt. Ich ruf dich mal an.«

»Hilft nichts. Ich hab’s leider stumm geschaltet. Aber jetzt dämmert es mir. Irgendwo im Vorzelt hab ich’s hingelegt, bevor wir das Gepäck aus dem Auto geholt haben. Ich dachte mir, bevor es verschwindet …«

Typisch, denke ich. Wenn wir zu Hause wären, würde ich sagen, sie soll an den üblichen Stellen nachsehen. Wie zum Beispiel im Kühlschrank oder in der Waschmaschine.

»Wir finden es bestimmt gleich wieder«, sagt Christian. »Wenn wir nur Licht hätten …«, jammert Frauchen.

»Warum wir keinen Strom haben, wird sich hoffentlich gleich am Sicherungskasten draußen klären. Ich guck mal nach. Aber wo bekommen wir den Schlüssel her?«

»Das ist doch Platz siebenundzwanzig, oder?«, fragt Frauchen.

»Ich checke noch mal die Nummer«, sagt Christian beim Hinausgehen. »Nicht dass wir unser Gepäck vor dem falschen Wohnwagen ausgeladen haben«, ruft er über die Schulter.

Gepäck ist ein ziemlich harmloser Ausdruck für das, was sich in einer langen Reihe vom Vorzelt bis zum Auto verteilt. Christian läuft im trüben Schein der Wegbeleuchtung Slalom, fast so wie auf einem Bahnsteig, nur ohne passierte Leute. Also, ich meine, so passende Menschen, die da um die Koffer rumstehen. Denen fehlt dann allerdings der Zug, nicht der Schlüssel.

»Aua!«, ruft Christian. »Mist, verfluchter!«

Hm, denke ich, das klingt nach Zeitstrafe beim Slalomlauf, weil er ein Hindernis mitgenommen hat.

»Hast du dir wehgetan?«, ruft Frauchen erschrocken. Auch bei mir kommen ungute Erinnerungen an den letzten Urlaub hoch, als Christian sich gleich zu Beginn den Fuß gerissen hat, oder so ähnlich.

Klein-Lasse will zu seinem Vater hinauslaufen, aber Lisa hält ihn fest. Frauchen drückt Lisa auch noch meine Leine in die Hand, dann rennt sie los – mangels Handy, ohne sich den Weg zu leuchten.

Das hätte Frauchen mal besser tun sollen, denn so kommt sie nicht weit, nicht mal aus dem Vorzelt raus. Bei ihr hat das nix mit Slalom zu tun, sondern eher mit Skisprung. Wobei sie keine Ski trägt, und einen Sprung hat sie auch nicht gemacht. Dafür den Abflug. Über den Koffer – ohne Schanze. Die Bedingungen hätte sie besser vorher mal checken sollen, dann wäre das keine Bruchlandung geworden.

»Aua, verflucht!«

Ich zerre an der Leine, will unbedingt zu Frauchen, um ihr das Gesicht abzuschlecken, aber Lisa hält mich zurück.

»Also, ick muss sagen«, lässt sich Ronny alias Moritz aus seiner Box vernehmen, »der Stunt war janz schön plump. Und so, wie sie da halb auf dem Koffer liegt, sieht det nich jerade elegant aus.«

Nach dem ersten Schreck kichert nun auch Goldie. »Wie ein Delfin, der Trockenübungen macht.«

Ich lege den Kopf schräg. »Ich hab zwar noch nie einen Delfin auf einem Koffer gesehen, aber stimmt schon, Frauchen gibt ein ziemlich gutes Vorbild ab.«

In dem Moment geht das Licht an, und Christian ruft von draußen: »Das Licht funktioniert!«

Ach was.

Kurz darauf steht er im Eingang des Vorzelts. »Das war die Sicherung, und die Nummer stimmt von unserem … Huch, warum liegst du denn auf dem Koffer?«

Frauchen grinst schief und rappelt sich mithilfe ihres Liebsten auf. »Ich wollte mal testen, ob der sich als Bett eignet.«

»Alles okay?«, fragt Christian besorgt.

»Alles gut, ja.«

»Bist du sicher?«

»Ganz sicher. Nichts passiert. Ich dachte, du wärst gestürzt.«

»Nein, ich hab mich nur an irgendeinem Gepäckstück gestoßen. Also, jedenfalls ist das definitiv unser Platz. Die Nummer ist richtig, außerdem erkenne ich hier drin alles wieder.«

Stimmt, denke ich, als ich mich bei Licht umschaue. In dem riesigen Vorzelt sieht es so aus wie letztes Jahr. Links der Campingtisch mit der blauen Tischdecke und vier Stühlen, wo ich während des Essens wieder testen kann, wie wirksam mein Dackelblick ist. Dann der Kühlschrank, ganz wichtig, und der Platz neben der Arbeitsplatte, wo unsere Futternäpfe stehen werden. Das Sofa, auf das Lisa sich jetzt mit Schwung draufwirft, erkenne ich auch wieder, und da sie mich an der Leine hat, bleibt mir nix anderes übrig, als auch aufs Sofa zu springen. Manchmal kann so eine Leine doch ganz praktisch sein. Lisa holt das Kissen hinter ihrem Rücken vor und legt es neben sich. Ich hoffe, das Kissen weiß, was sich gehört. Das andere hatte sich gleich im ersten Urlaub mit mir angelegt. Ich schwöre, so war das, und natürlich hat es den Angriff nicht überlebt. Mir blieb ja nichts anderes übrig. Reine Notwehr!

»Und was machen wir jetzt?«, fragt Christian in die Stille hinein.

»Ich rufe Reiner an, mal sehen, ob er ans Telefon geht«, sagt Frauchen. »Bestimmt hat er sich vertan und denkt, wir reisen erst morgen an.«

Gute Idee, denke ich, denn Reiner ist nicht nur das Herrchen von Rotti, sondern auch der Platzwart. Und wenn er der Platzwart ist, dann sollte er auch auf dem Platz warten und uns den Schlüssel geben.

»Ach, Mist, ich hab ja mein Handy verlegt. Hast du Reiners private Nummer?«

»Müsste ich noch haben von der Suchaktion letztes Jahr …«, murmelt Christian und wischt auf dem Display herum. »Jou, da isser. Ich ruf mal an …«

Wir sind alle mäuschenmucksstill. Man hätte eine fallende Nadel hören können, wie sie stecken bleibt.

Es tutet, dann höre ich eine Stimme. Frauchen setzt schon zum Luftsprung an, doch Christian legt auf und schüttelt den Kopf. »Mailbox.«

»Gibt’s nicht irgendeine Notfallnummer?«, mischt sich Lisa ein. »Hängt vielleicht ein Zettel an der Rezeption? Das ist doch ein Notfall!«

»Ja, Polizei und Feuerwehr müssen kommen!«, ruft Lasse. »Die müssen alle kommen! Tatüüü, tataaa!«

Beschwöre es nicht, denke ich.

»Lasse, bitte«, mahnt Christian, dem wohl ähnliche Gedanken durch den Kopf gehen. Dann wendet er sich an Lisa. »Das ist die Notfallnummer, die ich habe. Reiners privates Handy. Steht auch so auf dem Mietvertrag. Im Notfall zu erreichen unter … Ich ruf noch mal an und spreche ihm auf die Mailbox.«

Nachdem das erledigt ist, fragt Lisa: »Und was ist, wenn Reiner die nicht abhört? Wenn er schläft?«

Ihr Vater hebt die Schultern. »Dann müssen wir im Auto schlafen.«

»Never ever!«, ruft Lisa. »Das Sofa gehört mir.« Demonstrativ streckt sie sich darauf aus und legt sich das Kissen unter den Kopf.

»Boah, was bin ich müde …«, sagt Goldie und gähnt herzhaft. »Ich geh schlafen.« Kaum ausgesprochen, trottet sie zur Ecke neben dem Sofa, rollt sich ein und macht die Augen zu.

Fassungslos lege ich meine Pfoten auf die Lehne und gucke mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihr runter. »Schon wieder müde? Du hast doch die ganze Fahrt über geschlafen. Und hast du gar keinen Hunger? Mir knurrt der Magen ohne Ende. Letzten Urlaub wolltest du nach der Ankunft ein halbes Rindvieh …«

Anstelle einer Antwort ertönt Goldies Schnarchen.

»Papa!«, ruft Lasse und springt mit Anlauf und ohne weitere Vorwarnung auf den Rücken seines Vaters.

Wow, der fühlt sich offenkundig von Lisas Wurf aufs Sofa zu ähnlichen Taten animiert. »Pferd reiten, hüa! Ich bin ein Cowboy!« Im Gegensatz zum letzten Jahr kann Lasse mittlerweile immerhin das »K« sagen, sein Vater ist von dem Überfall trotzdem nicht begeistert.

»Geh runter! Dafür hab ich jetzt keine Zeit und keine Nerven. Wir brauchen den Schlüssel, die Sache brennt.«

Lasse springt von seinem vermeintlichen Pferd ab und schiebt die Unterlippe vor. Doch da er nun schon mal Feuer gefangen hat, blickt er sich entschlossen nach einer Alternative um, und die hat er auch gleich gefunden. »Dann reite ich eben auf dem Stuhl«, sagt er mit Blick zum Campingtisch.

»Na meinetwegen«, seufzt Christian ergeben.

»Ich könnte mir gut vorstellen«, sagt Frauchen nachdenklich, »dass Reiner bei irgendwem auf dem Platz zum Grillen eingeladen wurde und sich dort festgesessen hat. Wäre ja kein Wunder bei dem lauschigen Abend.«

»Stimmt, das sähe ihm ähnlich. Dass die Mailbox anspringt, könnte aber auch darauf hindeuten, dass er an den Strand gegangen ist, dort ist der Empfang nicht so gut.«

»Bis dahin sind es gut zwanzig Minuten zu Fuß. Wir drehen erst mal eine Platzrunde und gucken, ob wir ihn finden«, sagt Christian. »Einmal im Kreis, das ist ja überschaubar.«

»Da bin ich dabei!«, rufe ich und springe vom Sofa. Denn wo Reiner ist, ist auch Rotti nicht weit. Dasselbe gilt auch in Bezug auf Christian und Frauchen, was ich besser hätte bedenken sollen, denn so lande ich ungebremst von hinten in Frauchens Beinen. Sie macht einen Ausfallschritt nach vorn, und ihrem Schmerzenslaut nach zu urteilen, ist sie mit dem Fuß gegen die Box von Kater Ronny gestoßen. Der wiederum steckt in offenen Schuhen. Der Fuß, nicht der Kater. Ronny hingegen nimmt das kleine Erdbeben in seiner Box mit Gelassenheit hin, den kann so leicht nämlich nichts erschüttern.

Spontan führt Frauchen einen merkwürdigen, einbeinigen Tanz auf und dreht sich dabei im Kreis. Singen kann sie auch sehr schön. Für meine Ohren nur ein bisschen zu hoch. Ronny singt auch mit, aber der will bloß aus seiner Box raus, wird aber nicht beachtet.

Christian versucht, sich das Lachen zu verkneifen, doch seine zuckenden Schultern verraten ihn.

»Das ist nicht lustig«, ruft Frauchen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht greift sie nach ihrem Fuß. »Wofür hat man überhaupt einen kleinen Zeh? Den braucht man doch gar nicht«, fügt sie voller Entrüstung hinzu.

Christian hält sich die Hand vor den Mund. »Doch, damit die anderen was zu lachen haben.«

»Haha«, entgegnet Frauchen, doch sie lacht mit.

»Entschuldige, aber das sah wirklich zu komisch aus. Also, dann gehen wir mal. Lisa und Lasse, ihr bleibt hier und passt auf die Sachen auf. Die Vierbeiner nehmen wir mit.«

Frauchen verzieht das Gesicht. »Ich glaube, du musst ohne mich los. Ich kann nicht auftreten.«

»So schlimm?«, fragt Christian besorgt.

»Kann sein, dass der gebrochen ist …«, murmelt Frauchen, während sie mit schmerzverzerrtem Gesicht zum Sofa hüpft.

Christian ist das Lachen augenblicklich vergangen. »Ach du Sch… Das fängt ja gut an.«

»Ich bleibe hier bei den Kindern und lege den Fuß hoch. Lisa, mach mal Platz.«

»Wow, dein Zeh ist aber echt dick und ganz rot und sogar blau«, bemerkt Lisa erschrocken, als Frauchens Beine auf ihrem Schoß landen. »Damit passt du never ever mehr in einen Schuh rein!«

Schuhe, denke ich panisch. Falsches Thema. Bitte nicht drüber reden – aber auf mich hört ja mal wieder keiner.

»Am Strand brauche ich keine Schuhe«, entgegnet Frauchen, während sie fassungslos ihren Zeh betrachtet, der mit jedem Wimpernschlag noch dicker zu werden scheint.

Wenn ich das mit den Schuhen nur auch von mir behaupten könnte, denke ich verzweifelt.

»Und für den Weg dahin hab ich mir so schicke Flip-Flops gekauft, mit Perlen und weißen Muscheln verziert«, fügt Frauchen hinzu. »War wohl in weiser Voraussicht.« Sie verzieht das Gesicht zu einem Lächeln.

»Cool!«, ruft Lisa. »Flip-Flops zur Hochzeit! Ich finde das überhaupt echt chillig, dass ihr so lässig heiratet und jeder in Beachklamotten kommen kann.«

»Na, zu einem Anzug hätte ich deinen Vater ja ohnehin nicht überreden können«, entgegnet Frauchen und lacht. »Er besitzt ja nicht mal einen.«

Lisa kichert. »Das stimmt! Und weißt du was? Für eine Stiefmutter bist du überhaupt ziemlich okay.«

»Ziemlich okay?«, ruft Christian lachend. »Was soll das denn heißen? Lasse, nicht so wild!«, mahnt er im selben Atemzug seinen Sohn, der den Campingstuhl zum Rennpferd erklärt hat.

»Ronja ist super!«, kräht Lasse, ohne sich zu bremsen.

»Ich freu mich mega für euch«, ergänzt Lisa. »Ihr habt echt alles Glück der Welt verdient.«

Das können die beiden auch brauchen, denke ich. Wenn der Urlaub schon so anfängt …

Christian beugt sich zu Frauchen hinunter und gibt ihr ein zartes Küsschen auf die Wange. Was soll das denn? Ich will auch!

Kaum gedacht, springe ich erneut aufs Sofa. Okay, ich versuche es zumindest. Dieses Mal bleibe ich an der Kante hängen und komme nicht weiter. Was jedoch selbstverständlich nicht an meinem zarten Feinkostgewölbe liegt, mein Bauch ist mir niemals nicht im Weg. Der Grund ist allein der fehlende Schwung.

Mein liebes Frauchen erkennt meine Not, hebt mich hoch, und ich nähere mich zielstrebig ihrem Gesicht.

»Max will dir auch ein Küsschen geben«, sagt Christian schmunzelnd.

Küsschen?, denke ich entrüstet. So ein tolles Frauchen muss man ordentlich abschlecken! Dem zeige ich mal, wie das geht.

»Max, hör auf!«, ruft Frauchen und dreht ihr Gesicht weg. »Nicht so wild!«

Bitte? Ich höre nichts. Ich muss meinem Frauchen doch all meine Liebe zeigen.

Sanft versucht sie, mich wegzuschieben. »Nun ist aber wirklich gut, Maxl. Ja, ich hab dich auch lieb, mein Maxlchen.«

Abrupt lasse ich von ihr ab. Das gibt’s doch wohl nicht. Lernt sie es denn wirklich nie? Es steht doch auf dem roten Herz, das an meinem Halsband baumelt. »Ich heiße Max! Nicht Maxl und schon gar nicht Maxlchen!«, protestiere ich lautstark bellend.

Frauchen setzt mich auf den Boden und hält Christian die Leine hin.

»Gut, dann gehe ich jetzt mal mit Max los«, sagt Christian. »Goldie lasse ich hier. Ich glaube, die ist heute zu nichts mehr zu bewegen«, sagt er mit Blick auf die Ecke neben dem Sofa. »Die ist echt fertig von der langen Fahrt.«

»Lass Moritz noch aus der Box, der kann sich hier frei bewegen«, sagt Frauchen, als Christian meine Leine übernimmt.

»Stimmt, Kampen ist ja sein altes Revier, da kennt er sich aus, und zu uns kommt er immer wieder zurück. Nicht wahr, Moritz?« Christian öffnet die Box, und der Kater stolziert heraus, reckt und streckt sich.

»Max muss aber bitte erst mal an der Leine bleiben, du weißt schon, zur Sicherheit«, ergänzt Frauchen, und Christian nickt.

Ja, ich weiß auch, denke ich. Frauchen hat schon seit dem ersten Urlaub auf Sylt Probleme damit, mich von der Leine zu lassen. Ich kann gar nicht verstehen, warum. Ich bin doch immer zu ihr zurückgekommen.

Ey, was soll das denn jetzt? Täusche ich mich, oder hat mir der Kater gerade die Zunge rausgestreckt?

»Nähnähnähnähnähnäh«, maunzt Ronny schadenfroh.

Boah, wenn ich den erwische! Ich lass mir doch nicht die Butter vom Brot schmieren! Knurrend mache ich einen Sprung auf ihn zu, aber dann hält mich ein Ruck am Halsband von einem weiteren Angriff ab. Christian hat einfach zu viel Kraft. Bei Frauchen hätte es kein Halten mehr gegeben.

»Maxl, wirst du wohl lieb sein zu unserem armen Moritz?«, ruft sie.

Ronny streckt mir schon wieder die Zunge raus. »Jenau, du böser Maxl, wirste wohl lieb zu mir sein, zu dem armen schwarzen Kater?«

»Du bist schon längst kein armer schwarzer Kater mehr. Und das weißt du ganz genau. Okay, schwarz schon, aber arm dran ganz bestimmt nicht.«

»Natürlich weeß ick das – aber ich nutz das Mitleid jern aus, denn beide machen ihren Job als Dosenöffner ziemlich jut. Überhaupt is deen Frauchen ziemlich leicht erziehbar, finde ick. Ick muss nur einmal miauen, und schon erfüllt sie mir alle Wünsche. Heizung an, Spielzeugmaus her, Futternapf voll. Det is dir in all den Jahren nich jelungen. Bist und bleibst eben een doofer Dackel.«

»Na warte, das gibt Rache!«, knurre ich.

Ronny zeigt sein zahnloses Grinsen. »Ick bin bereit. Worauf wartest du?« Betont langsam dreht er mir sein Hinterteil zu und stolziert hinaus. Irgendwo aus der Dunkelheit höre ich erneut seine Stimme. »Wo bleibste denn? Willste mich nicht jagen? Ach so, du bist ja anner Leine. Wat für ein Pech aber auch!«

»Papa, ich muss Pipi!«, kräht Klein-Lasse.

»Lisa, geh mit Lasse bitte zur Toilette«, sagt Christian, »ich muss mich jetzt um den Schlüssel kümmern. Und so wie Max an der Leine zieht, muss er auch mal dringend.«

Jawohl, ich muss. Ganz richtig erkannt. Dem Kater hinterher.

»Ich geh aber nicht mit Lisa!«, protestiert Lasse. »Die darf meinen Pipimann nicht sehen!«

Lisa seufzt theaschauspielerisch. »Mann, Lasse. Wie oft noch? Dein Minirüssel interessiert mich nicht. Komm, ich muss auch. Wir gehen zusammen.«

»Ich will aber nicht!« Lasse schlägt nach der Hand seiner halben Schwester. »Und ich hab keinen Minirüssel!«

Wow, denke ich. Lasse kommt so schnell auf Touren. Das erinnert mich an einen Australian Shepherd, da scheppert’s auch binnen einer Sekunde an der Leine.

»Natürlich hast du einen Minirüssel«, entgegnet Lisa gelassen.

Lasse stimmt ein Indianergeheul an.

»Lisa!«, mahnt Christian.

»Sorry, war nicht so gemeint«, lenkt sie ein. »Komm, Bruderherz, du sollst nicht bei Dunkelheit allein über den Platz laufen.« Erneut streckt sie die Hand nach ihm aus, doch Lasse schlägt wieder nach ihr. »Lass mich!«

»Ihr macht mich noch wahnsinnig!«, ruft Christian. »Lasse, musst du jetzt auf Toilette oder nicht?«

»Ich gehe neben dem Wohnwagen«, beschließt der Kleine.

»Na gut, ausnahmsweise«, seufzt Christian. »Also, bis hoffentlich gleich dann – mit Schlüssel«, sagt er zu Frauchen und wirft ihr eine Kusshand zu.

Kapitel 3

»Achtung!«, ruft jemand, kaum dass wir auf dem schwach beleuchteten Campingplatz-Rundweg stehen.

Ich will Christian mit einem Ruck an der Leine davon überzeugen, dass wir nach rechts gehen. Kann sein, dass ich links meine, also, das andere rechts, aber im Grunde ist das auch egal. Hauptsache, ich bestimme die Richtung.

»Aus dem Weg!«, schreit die männliche Stimme. Ein Licht blendet mich, das in der Dunkelheit schnell näher kommt.

Ich soll aus dem Weg gehen? Jetzt geht’s aber los! Das schlägt doch dem Boden das Fass aus!

Stur bleibe ich stehen und stemme mich gegen die Leine und damit gegen die Richtung, in die Christian mich ziehen will.

»Ich kann nicht bremsen!«, ruft der Mann.

Okay, das ist ein Argument, denke ich. Da könnte ich Christian doch folgen, der sich schon mit einem Sprung zur Seite gerettet hat. Nach rechts oder links, keine Ahnung. Jedenfalls auf den Grasstreifen.

Bremsen quietschen, ein kreischendes Geräusch, in der Tonlage noch höher als Klein-Lasse, wenn der seinen Willen nicht kriegt.

Das Fahrrad hält – der Vorderreifen berührt meine Nase und verpasst mir einen Stups, sodass ich einen Schritt nach hinten machen muss. Unverschämtheit!

»Halleluja, war das knapp! Max, du bist aber auch stur!«

Erstaunt gucke ich hoch, wer da meinen Namen kennt und mit mir schimpft.

Ach, das ist Jan, Campers Herrchen! Unser Platznachbar. Jetzt erkenne ich ihn am Geruch.

Christian hat die Taschenlampe seines Handys angemacht und leuchtet dem Mann ins Gesicht. »Ach, du bist’s!«

Tja, bei den Menschen dauert das immer ein bisschen länger, bis die schalten, wen sie vor sich haben.

Jan wischt sich eine verschwitzte Strähne seiner langen weißen Haare aus der Stirn, klemmt sie sich hinters Ohr und stützt sich schwer atmend mit den Unterarmen auf dem Lenker ab. Der Schreck steht ihm noch sichtlich ins Gesicht geschrieben.

Christian legt ihm die Hand auf die Schulter. »Tut mir leid, Max war zu keinem Schritt zu bewegen.«

»Typisch«, entgegnet Jan, und nach dem ersten Schreck findet er sein Lachen wieder. »Ist ja zum Glück nichts passiert.« Er richtet sich auf und atmet tief durch. »Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass meine Bremsen nicht mehr die Besten sind, wie ich gerade gemerkt hab. Muss ich mal nachziehen …«

»Sag mal, hast du zufällig eine Idee, wo Reiner steckt?«

»Nee, keine Ahnung. Ich komme ja selbst gerade erst von der Arbeit. Bei uns war heute ganz schön Betrieb.«

»Kein Wunder bei dem schönen Wetter.«

Ich trete von einem Bein aufs andere. Können wir jetzt vielleicht mal losgehen? Das ist so typisch – kaum treffen sich zwei Menschen, unterhalten sie sich übers Wetter.

Jan steigt vom Fahrrad ab. »Also, ich würde bei dem Traumwetter ja lieber mit nem schönen kühlen Bier am Strand sitzen, als Champagner im Restaurant zu schlürfen.«

»Immerhin verdienst du durch dieses Klientel dein Geld.«

Auch das werde ich in meinem Dackelleben nicht mehr verstehen. Wenn es nicht ums Wetter geht, dann ums Geld. Noch weniger erschließt sich mir, weshalb Menschen stundenlang mit ihren Trinknäpfen in der Sonne sitzen. Die schlabbert man in einem Zug leer, und fertig. Und vor allem, bitte schön, kann mir mal einer erklären, warum Menschen sich die Trinknäpfe servieren lassen, obwohl sie die im Gegensatz zu uns Hunden selbst befüllen könnten? Dafür bezahlen sie dann auch noch viel Geld!

»Immerhin gab’s heute wieder ordentlich Trinkgeld«, bemerkt Jan, während er in Richtung seines Vorzelts geht. »Da hab ich mir mein Feierabendbier redlich verdient. Möchtest du auch eins? Dann stoßen wir auf eure Ankunft an und spülen den Schreck runter, dass ich Max fast überfahren hätte.« Jan wartet erst gar keine Antwort ab, sondern verschwindet im Vorzelt.

Von drinnen ertönt seine Stimme. »Hey, Camper, du Schnarchnase, bin wieder da. Hallooo, aufwachen! Dein Kumpel Max ist auch hier. Wach auf!«

Das kenne ich, denke ich. Wenn Camper mal schläft, dann schläft er.

»Na schön, dann eben nicht.« Ich höre, wie der Kühlschrank aufgeht, und jetzt weiß ich, wie ich Camper wach bekomme. Das hat schon letztes Jahr funktioniert. »Futter!«, belle ich, so laut ich kann.

»Max, sei leise!« zischt Christian. »Hier schlafen schon viele!«

Mir doch egal, denke ich. Ich will jetzt meinen besten Kumpel begrüßen.

In dem kleinen Wohnwagen poltert es, und danach dauert es noch genau drei Sekunden, bis Camper vor mir steht. Sein langes, dichtes weißes Fell steht am Kopf in alle Richtungen ab. Er sieht aus wie das geplatzte Sofakissen, gegen das ich gekämpft habe.

»Futter? Wo?« Er kann noch kaum aus den Augen gucken.

Camper steht direkt vor mir und hält seine bebende Nase in die Luft. »Spinne ich? Hier riecht es doch nach Max?«

»Na klar, hier bin ich!«, rufe ich.

»Max!« Mit einem Schlag ist Camper hellwach. »Alte Hundehütte! Was freu ich mich, dich zu sehen!« Camper macht Luftsprünge um mich herum und über mich drüber, sodass mir vom Hinterhergucken ganz schwindlig wird.

Unterdessen ist Jan mit zwei Bierflaschen in der Hand aus dem Vorzelt gekommen. »Na, das ist ja eine Wiedersehensfreude!« Er öffnet die Flaschen mit dem Zeugfeuer und hält Christian eine hin. »Ich freu mich auch, dass ihr hier seid, aber du verzeihst, wenn ich nicht um dich herumspringe. Sünhair! Ich hab einen ganz schönen Durst.«

»Gesundheit!«, sagt Christian.

Jan lacht. »Schon wieder vergessen, du Bayer? Sünhair ist friesisch und bedeutet so viel wie ›auf dein Wohl‹«.

»Bei uns in Bayern heißt das: ›Prost, ihr Säcke!‹, und du musst antworten: ›Prost, du Sack.‹«

»Prost, du Sack.«

»Danke.«

»Bitte.«

»Bitte.«

»Danke.«

»Perfekt!«, ruft Christian begeistert. »Aus dir wird noch ein echter Bayer!«

»Ich bleibe lieber in meinem Wohnwagen auf Sylt. Aber schön, dass ihr gut angekommen seid. Ich freu mich schon sehr auf eure Hochzeit und dass ich euer Trauzeuge sein darf. Hattet ihr eine gute Fahrt?«

»Das ja, hatten wir, aber es steckt kein Schlüssel in der Tür vom Wohnwagen, und deshalb muss ich wissen, wo Reiner steckt. Telefonisch erreichbar ist er auch nicht. Ich sehe mich schon im Auto schlafen.« Christian nimmt einen großen Schluck und trinkt dabei fast die halbe Flasche leer. So gehört sich das, denke ich. Der weiß, wie man ordentlich säuft.

»Ach, keine Panik. Reiner ist bestimmt bei einem unserer Freunde zum Grillen eingeladen.«

»Genau das ist meine Hoffnung. Drum wollte ich ihn gerade suchen gehen und bei der Gelegenheit ´ne Runde mit Max drehen.«

»Na, da schließe ich mich euch doch glatt an. Camper muss auch raus. Der könnte sich zwar allein die Beine vertreten, aber alleine Bier trinken macht ja keinen Spaß. Sünhair!«

Ja, Camper hat es gut, denke ich. Der genießt seine Freiheit in vollen Zügen, so wie meine anderen Kumpels, die auf dem Campingplatz ohne Leine herumlaufen dürfen. Nur ich muss mein Frauchen erst noch überzeugen.

Camper rührt sich nicht vom Fleck. Hechelnd sitzt er da, aber nicht nur das, nach der ersten Wiedersehensfreude guckt er mich entsetzt an, so als ob ich gerade frisch geschoren vom Hundefriseur komme. Nein, so als ob ich gar kein Fell mehr hätte.

»Was ist denn los?«, frage ich und gucke mich selbst prüfend an, soweit man das als Dackel mangels Beweglichkeit kann, finde aber nichts Auffälliges.

»Du bist echt tapfer, Max. Aber meinetwegen musst du nicht den Helden spielen, kannst dich ruhig bei mir ausjaulen.«

»Hä? Wovon redest du?«

Camper spitzt sein rechtes Ohr, so als hätte er nicht richtig gehört. Sogar sein Schlappohr zuckt, das zeigt, dass er so richtig erstaunt ist.

»Ich rede davon, dass es gut ist, sich den Kummer von der Seele zu jaulen.«

»Wovon redest du überhaupt?« Ich verstehe so viel, wie wenn Frauchen mir ein Kommando gibt.

Camper schüttelt den Kopf. »Max, jetzt mal ganz ehrlich. Goldie weicht dir normalerweise keinen Zentimeter von der Seite …«

Ich muss kurz nachdenken, aber dann fällt bei mir die Leine. Jetzt muss ich lachen. »Es ist alles gut zwischen uns! Goldie liegt in unserem Vorzelt, sie ist platt von der Fahrt.«

Camper hebt seine buschigen Augenbrauen, wo ähnlicher Wildwuchs herrscht wie bei Bobbi, nur mit dem Unterschied, dass Camper noch was sehen kann. Wobei der momentan ganz offenkundig nicht glauben will, was er sieht und hört.

»Also bitte, Max, Goldie würde dich niemals allein über den Platz gehen lassen – und wenn sie dabei schlafwandeln müsste. Sie weiß, dass der Abstand zwischen zwei Katastrophen eine Dackellänge beträgt. Deine Dackellänge.«

Ich verziehe die Lefzen. »Nun übertreib mal nicht. Zwischen uns ist alles gut.«

»Wenn das so ist, dann muss Goldie krank sein. Das ist doch nicht normal …«, sagt Camper im Brustton der Überzeugung.