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Voltaires "Dictionnaire philosophique portatif" ist kein Nachschlagewerk: Es ist eine Abrechnung mit Dummheit, Fanatismus und Intoleranz. In 73 Stichworten kann man lernen, was eine kritische Geisteshaltung ausmacht. Eine kluge Kampfschrift, von der noch heute Impulse ausgehen können. Nach der Erstausgabe von 1764 erstmals vollständig ins Deutsche übersetzt. – Mit einer kompakten Biographie des Autors. »Es ist eine Großtat des Reclam Verlags und der Voltaire-Stiftung, diesen zentralen Text unverkürzt ins Deutsche gebracht zu haben. Voltaires kämpferischer Witz, seine bei aller Skepsis unerschütterliche Menschenliebe funkeln frisch wie am ersten Tag.« Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung
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Seitenzahl: 571
Voltaire
Reclam
Herausgegeben im Auftrag der Voltaire-Stiftung, Bad Liebenwerda
(www.voltaire-stiftung.org).
Die Arbeit an der vorliegenden Übersetzung wurde gefördert vom Deutschen Übersetzerfonds.
2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH
Coverabbildung: Porträt von Voltaire, Stich aus dem 19. Jahrhundert © Stefano Bianchetti / Bridgeman Images
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2023
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN978-3-15-962214-9
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020699-7
www.reclam.de
Vorwort und Hinweise zur Benutzung
ABRAHAM
ÂME – Seele
AMITIÉ – Freundschaft
AMOUR – Liebe
AMOUR NOMMÉ SOCRATIQUE – Sokratische Liebe (Homosexualität)
AMOUR PROPRE – Eigenliebe
ANGE – Engel
ANTHROPOPHAGES – Menschenfresser
APIS
APOCALYPSE – Apokalypse
ATHÉE, ATHÉISME – Atheist, Atheismus
BAPTÊME – Taufe
BEAU, BEAUTÉ – Schön, Schönheit
BÊTES – Tiere
BIEN. SOUVERAIN BIEN – Das Gute. Das höchste Gut
TOUT EST BIEN – Alles ist gut
BORNES DE L’ESPRIT HUMAIN – Die Grenzen des menschlichen Geistes
CARACTÈRE – Charakter
CERTAIN, CERTITUDE – Gewiss, Gewissheit
CHAÎNE DES ÉVÈNEMENTS – Die Kette der Ereignisse
CHAÎNE DES ÊTRES CRÉÉS – Die Kette der geschaffenen Lebewesen
LE CIEL DES ANCIENS – Der Himmel in der Antike
CIRCONCISION – Beschneidung
CORPS – Körper
DE LA CHINE – Über China
CATÉCHISME CHINOIS – Chinesischer Katechismus
CATÉCHISME DU JAPONAIS – Katechismus des Japaners
CATÉCHISME DU CURÉ – Katechismus des Landpfarrers
CHRISTIANISME – Christentum
CONVULSIONS – Zuckungen
CRITIQUE – Kritik
DESTIN – Schicksal
DIEU – Gott
ÉGALITÉ – Gleichheit
ENFER – Hölle
ÉTATS, GOUVERNEMENTS – Staats- und Regierungsformen
D’ÉZECHIEL – Über Ezechiel
FABLES – Fabeln
FANATISME – Fanatismus
FAUSSETÉ DES VERTUS HUMAINES – Die Falschheit der menschlichen Tugenden
FIN, CAUSES FINALES – Zweck, Zweckursachen
FOLIE – Verrücktheit
FRAUDE – Betrug
GLOIRE – Ruhm
GRÂCE – Gnade
GUERRE – Krieg
HISTOIRE DES ROIS JUIFS, ET PARALIPOMÈNES – Geschichte der jüdischen Könige und Paralipomena
IDOLE, IDOLÂTRE, IDOLÂTRIE – Götzenbild, Götzendiener, Götzendienst
JEPHTÉ – Jephta
INONDATION – Überflutung
JOSEPH – Josef
DE LA LIBERTÉ – Über die Freiheit
DES LOIS – Über die Gesetze
LOIS CIVILES ET ECCLÉSIASTIQUES – Staatliche und kirchliche Gesetze
LUXE – Luxus
MATIÈRE – Materie
MÉCHANT – Böse
MESSIE – Messias
MÉTAMORPHOSE, MÉTEMPSYCHOSE – Verwandlung, Seelenwanderung
MIRACLES – Wunder
MOÏSE – Mose
PATRIE – Vaterland
PIERRE – Petrus
PRÉJUGÉS – Vorurteile
RELIGION
RÉSURRECTION – Auferstehung
SALOMON
SENSATION – Sinnliche Wahrnehmung
SONGES – Träume
SUPERSTITION – Aberglaube
TIRANNIE – TYRANNEI
TOLÉRANCE – Toleranz
VERTU – TUGEND
Anhang
Zu dieser Ausgabe
Literaturverzeichnis
Personenverzeichnis
Nachwort von Louis Moland
Zeittafel
Voltaires Philosophisches Wörterbuch enthält Beispiele, Probestücke für aufgeklärtes Denken. Am Anfang steht dabei nicht das Wort, sondern die Beobachtung und die Erfahrung. Von diesen ›Eingangspforten‹ der Erkenntnis aus blicke man auf das, was unsere Vielwisser behaupten, die Autoritäten aus Wissenschaft, Politik und Kirche – und lache. Denn oft genug ist nur lächerlich, was sie ihren Schäfchen in voller Inbrunst der eigenen Machtvollkommenheit ein- und als bare Münze in vielen, Bibliotheken füllenden Büchern ausgeben, was doch, bei Licht betrachtet, oft wenig Wert besitzt – heute genauso wie vor 250 Jahren. Jeder einzelne der 73 Artikel ist ein Prüfstein auf diese Methode Voltaires – die Methode der Aufklärung. Hier ist sie am Werk und leitet uns an, Althergebrachtes und Traditionen wegzuräumen, wahr und falsch ganz alleine an der unmittelbar aufgefassten Wirklichkeit abzulesen.
Kurz müssen die Artikel sein, kurz und scharf – wie eine Waffe zum Schuss bereit, auf den Feind zielend, dabei zufällig den Buchstaben des Alphabets folgend, auf einen Feind, der einen einzigen Namen trägt: »l’Infâme«, die Kirche, deren Jahrhunderte altes Monopol auf die menschlichen Gehirne nach langer Zeit endlich verdient, gebrochen zu werden.
Handlich und preiswert musste ein Wörterbuch mit dieser Zielsetzung sein, denn: »Niemals werden zwanzig großformatige Bücher eine Revolution bewirken; es sind die kleinen Taschenbücher zu 30 Sous, die man fürchten muss. Das Christentum würde sich niemals durchgesetzt haben, wenn das Evangelium 1200 Sesterzen gekostet hätte.«a
Wenn Kant empfiehlt: Gebrauche deinen Verstand – würde ihm Voltaire entgegnen: ja, aber wie, wenn die Köpfe voller Unsinn stecken? Und er hat die Lösung bereit: Zurück zu den Quellen unseres Wissens, zur Beobachtung der ungetauften Natur und zur kritisch-historischen Quellenanalyse. Nicht: »Ich denke, also bin ich« ist sein Credo, sondern: »je suis corps et je pense«b – »ich bin Körper und ich denke«, das ist eine Verlagerung des philosophischen Schwerpunkts vom Kopf auf die Füße. Die Körper werden zwar, folgt man der kosmotheistischen Konzeption Voltairesc, von einer allgemein aufgefassten göttlichen Kraft angetrieben und »beseelt«, einer Kraft, über die jedoch aus Prinzip nichts Näheres ausgesagt werden kann, schon gar nicht von selbsternannten Predigern.
So lauten einige Anweisungen Voltaires für den Leser: Geht es um Liebe, beobachte die Natur; stellt sich die Frage, was es mit der geheiligten Beschneidung auf sich hat, vergleiche die Geschichte der Völker, die sie ausüben und erfanden, und willst Du etwas über die Herkunft der ehrwürdigen Vorväter der drei gefährlichen und stets zum Fanatismus neigenden monotheistischen Religionen erfahren, konsultiere die Quellen, vergleiche etwa die Textstellen der Bibel zum Leben Abrahams, erlaube Dir, dabei nachzurechnen, und: wundere Dich!
Diese Ausgabe folgt der Erstausgabe des Philosophischen Taschenwörterbuchs von 1764d, die damit erstmals vollständig in deutscher Übersetzung vorliegt.
In deutscher Sprache hat man meist ausgewählte Artikel des Dictionnaire mit anderen Artikeln Voltaires, etwa aus der Encyclopédie oder dem Werk L’Opinion en alphabet, gemeinsam veröffentlicht, nach dem Geschmack des jeweiligen Herausgebers. Dadurch ging aber der Charakter dieser antichristlichen und antikirchlichen Kampfschrift der Aufklärung verloren.
Um zu zeigen, wie das Philosophische Wörterbuch bei seiner Erstveröffentlichung, als es europaweit erhebliches Aufsehen erregte, genau aussah, wird hier auch auf die zum Teil sehr ausführlichen Ergänzungen, die Voltaire selbst in den Folgeausgaben des Dictionnaire (1765, 1767, 1769) an den Artikeln der Erstausgabe vorgenommen hat, verzichtet. Manche dieser Ergänzungen waren den Diskussionen der damaligen Zeit geschuldet, bei einigen wollte Voltaire ein Thema aus einer anderen Perspektive beleuchten, niemals hat er jedoch eine vorher gefasste Position widerrufen oder weggelassen.
Die Reihenfolge der Artikel folgt, mit Ausnahme des Artikels Guerre, der dort falsch eingeordnet ist, der französischen Erstausgabe (dabei sind I und J nach alter, aus dem klassischen Latein stammender Tradition derselbe Buchstabe). Im Inhaltsverzeichnis werden die französischen Stichwörter, sofern erforderlich, mit ihrer deutschen Übersetzung aufgeführt. Am Ende des Buches befindet sich zur besseren Orientierung ein Verzeichnis, das die Stichwörter nach ihrer deutschen Übersetzung alphabetisch geordnet auflistet.
Informationen, die für das Verständnis des Textes notwendig sind, stehen in den Fußnoten, Quellennachweise und Hintergrundinformationene sind in den Anmerkungen am Ende des Bandes platziert. Dazu ergänzend befindet sich im Anhang ein alphabetisches Verzeichnis all der Personen, deren Kenntnis heute nicht mehr, wie zur Zeit Voltaires, vorausgesetzt werden kann bzw. bei denen es interessante Querverweise zu anderen Werken Voltaires gibt. Namen, die in diesem Verzeichnis enthalten sind, werden im Text in leichtem Fettdruck wiedergegeben.
Das Nachwort gibt einen Überblick über die Entstehung des Dictionnaire philosophique und die Verfolgungen, denen die, die das Buch besaßen, ausgesetzt waren.
Die Artikel Abraham; Âme; Amitié; Amour; Amour nommé Socratique; Amour propre; Ange; Apis; Circoncision, Fanatisme, Luxe, Miracles, Préjugés und Tolerance wurden vom Herausgeber übersetzt, bei allen anderen stammt die Übersetzung von Angelika Oppenheimer.
Ausführliche Erklärungen und Informationen, auch zum historischen Hintergrund, werden nach dem Erscheinen dieser Ausgabe fortlaufend auf den Internetseiten der Voltaire-Stiftung (www.correspondance-voltaire.de) veröffentlicht.
Der Herausgeber dankt insbesondere Frau Angelika Oppenheimer für ihre langjährige Arbeit an der Übersetzung des Dictionnaire philosophique und für ihre Bereitschaft, bei den immer wieder sich ergebenden Fragen zur Übersetzung geduldig das Für und Wider einer vorgeschlagenen alternativen Formulierung zu erörtern. Von den Personen, die ihr hilfreich zur Seite gestanden haben, seien hervorgehoben: Professor Dr. theol. Heinz-Josef Fabry, Professor Dr. theol. Hubertus Mynarek, Professorin Dr. Christiane Mervaud von der Voltaire Foundation, Oxford, und vor allem die Germanistin Ingeborg Malivet aus Nantes. Satzstruktur und Sprachstil der einzelnen Artikel prüfte kritisch die Germanistin Heike Monien von der Voltaire-Stiftung, Bad Liebenwerda, die Aufnahme der Grafikelemente besorgte das Fotostudio Chrysoula Limpitaki aus Sitia, Kreta.
Rainer Bauer, Voltaire-Stiftung
Titelseite der Erstausgabe des Dictionnaire philosophique portatif aus der Bibliothek des Grafen Johannn Eustach von Goertz (1737–1821). Zur Geschichte der Bibliothek siehe Norbert Leithold, Graf Goertz. Der große Unbekannte: Eine Entdeckungsreise in die Goethe-Zeit, Osburg, 2010.
Abraham ist einer jener in Kleinasien und Arabien berühmten Namen, wie Thot bei den Ägyptern, der ehrwürdige Zarathustra bei den Persern, Herkules in Griechenland, Orpheus in Thrazien, Odin bei den Völkern des Nordens und so viele andere, die man mehr dem berühmten Namen nach kennt als durch eine gesicherte Geschichtsschreibung. Ich spreche hier nur von weltlicher Geschichtsschreibung, denn was jene der Juden, unsere Meister und unsere Feinde, betrifft, denen wir glauben und die wir verachten,1 so haben wir ihr gegenüber die Empfindungen, die wir haben müssen, da die Geschichte dieses Volkes ganz offensichtlich vom Heiligen Geist selbst geschrieben wurde. Wir gehen an dieser Stelle nur auf die Araber ein; sie rühmen sich, durch Ismael von Abraham abzustammen, sie glauben, dass dieser Patriarch Mekka erbaute und in dieser Stadt verstarb. Tatsache ist, dass das Geschlecht Ismaels unendlich stärker von Gott bevorzugt wurde als das Geschlecht Jakobs. Um die Wahrheit zu sagen, hat der eine wie der andere Stamm Diebe hervorgebracht, aber die arabischen Diebe sind den jüdischen haushoch überlegen gewesen. Die Nachfahren Jakobs eroberten nur ein sehr kleines Land und haben es verloren; die Nachfahren Ismaels haben einen Teil Asiens, Europas und Afrikas erobert, ein Imperium aufgebaut, das größer war als das der Römer, und die Juden aus ihren Höhlen verjagt, die diese das gelobte Land nannten.
Beurteilt man diese Dinge allein nach den Beispielen, die unsere modernen Geschichtsschreiber geben, so erscheint es schwer vorstellbar, dass Abraham der Vater zweier so unterschiedlicher Völker gewesen sein soll. Man sagt uns, er sei in Chaldäa geboren worden und Sohn eines armen Töpfers gewesen, der seinen Lebensunterhalt damit verdiente, kleine Götterfiguren aus Ton herzustellen. Es ist kaum wahrscheinlich, dass der Sohn dieses Töpfers aufgebrochen ist und unwegsame Wüsten durchquert hat, um dreihundert Meilen davon entfernt unter dem Wendekreis Mekka zu gründen. War er ein Eroberer, wandte er sich zweifellos dem schönen Land der Assyrer zu; war er nur der arme Mann, als den man ihn uns beschreibt, hat er außerhalb seiner Heimat keine Königreiche gegründet.
Die Genesisa berichtet, er sei 75 Jahre alt gewesen, als er nach dem Tod seines Vaters Terach, dem Töpfer, das Land Haran verließ. Aber dieselbe Genesis sagt auch, dass Terach Abraham mit 70 Jahren zeugte, selber bis zum Alter von 205 Jahren lebte, und dass Abraham Haran erst nach dem Tode seines Vaters verließ.2 Nach dieser Berechnung erhellt aus der Genesis selbst, dass Abraham 135 Jahre alt war, als er Mesopotamien verließ. Er ging von einem götzendienerischen Land in ein anderes götzendienerisches Land namens Sichem in Palästina. Warum ging er dorthin? Warum verließ er die fruchtbaren Ufer des Euphrat für eine so weit entfernte, so unfruchtbare, so steinige Gegend wie die von Sichem? Das Chaldäische muss sich von der Sprache Sichems stark unterschieden haben, es war kein Handelsplatz; Sichem ist von Chaldäa mehr als hundert Meilen entfernt, und man muss Wüsten durchqueren, um dorthin zu gelangen; aber Gott wollte, dass er diese Reise unternahm, er wollte ihm das Land zeigen, das seine Nachkommen einige Jahrhunderte nach ihm bewohnen würden. Nur schwerlich begreift der menschliche Geist den Sinn einer derartigen Reise.
Kaum ist er in dem kleinen bergigen Sichem angekommen, zwingt ihn eine Hungersnot, es zu verlassen. Er geht mit seiner Frau nach Ägypten, um dort eine Lebensgrundlage zu finden. Von Sichem nach Memphis sind es zweihundert Meilen. Ist es normal, dass man so weit entfernt um Korn bittet, in einem Land, dessen Sprache man überhaupt nicht versteht? Dies sind seltsame Reisen, unternommen im Alter von fast 140 Jahren.
Nach Memphis nahm er seine Frau Sara mit, die im Vergleich zu ihm äußerst jung und fast noch ein Kind war, zählte sie doch nur 65 Jahre. Da sie sehr schön war, beschloss er, sich ihre Schönheit zunutze zu machen: »Tue so, als wärst du meine Schwester«, sprach er zu ihr, »damit man mir deinetwegen Gutes tut.« Er hätte ihr vielmehr sagen sollen: »Tue so, als wärst du meine Tochter.« Der König verliebte sich in die junge Sara und gab dem angeblichen Bruder viele Schafe, Rinder und Esel, Eselinnen, Kamele, Diener, Dienerinnen: was beweist, dass Ägypten damals ein sehr mächtiges und zivilisiertes Land war, also schon sehr lange bestand, und dass man Brüder großartig belohnte, wenn sie ihre Schwestern den Königen von Memphis anboten.
Die junge Sara war der Heiligen Schrift zufolge 90 Jahre alt, als Gott ihr versprach, dass Abraham, mittlerweile 160 Jahre alt, ihr binnen Jahresfrist ein Kind machen werde.
Abraham, der gern umherzog, begab sich in die schreckliche Wüste Kadesch, zusammen mit seiner schwangeren, immer noch jungen, immer noch schönen Frau. Es blieb nicht aus, dass sich ein Wüstenkönig dort, ebenso wie der König Ägyptens, in Sara verliebte. Der Vater aller Gläubigen griff zu derselben Lüge wie in Ägypten: Er gab seine Frau als seine Schwester aus, und dieses Geschäft erbrachte ihm wiederum Schafe, Rinder, Diener und Dienerinnen. Man kann sagen, dass dieser Abraham dank seiner Frau sehr reich wurde. Die Kommentatoren haben eine erstaunliche Anzahl von Bänden verfasst, um das Verhalten Abrahams zu rechtfertigen und die zeitliche Abfolge ins Reine zu bringen. Wir müssen also den Leser auf diese Kommentare verweisen. Sie sind alle von scharfsinnigen und feinfühligen Geistern verfasst worden, von ausgezeichneten Metaphysikern, vorurteilsfreien Leuten und keinesfalls Pedanten.
Könnte man in seine Seele blicken, so wäre dies eine gute Sache. Erkenne dich selbst ist eine vortreffliche Verhaltensregel, doch Gott allein vermag sie anzuwenden, denn wer außer ihm ist in der Lage, sein eigenes Wesen zu erkennen?
Als Seele bezeichnen wir, was beseelt. Weil unser Verstand beschränkt ist, wissen wir davon kaum mehr. Drei Viertel der Menschheit kommen darüber nicht hinaus und scheren sich nicht um das denkende Wesen, das letzte Viertel sucht, doch hat niemand jemals etwas gefunden, noch wird jemals irgendjemand etwas finden.
Armer Philosoph, du siehst eine Pflanze wachsen und sagst Wachstum oder sogar vegetative Seele.a Du bemerkst, dass Körper sich bewegen und Bewegung erzeugen, und sagst: Kraft; du siehst, wie dein Jagdhund durch dich zu jagen lernt, und da entfährt dir Instinkt, fühlende Seele; du verbindest Vorstellungen miteinander und du sagst Geist.
Aber mit Verlaub, was verstehst du unter den Worten: »Diese Blume wächst«? Aber gibt es ein reales Wesen, das Wachstum heißt? Jener Körper stößt einen anderen an, aber hat er ein von ihm unterschiedenes Wesen in sich, das sich Kraft nennt? Jener Hund bringt dir ein Rebhuhn, aber gibt es ein Wesen namens Instinkt? Würdest du nicht auch über einen Klugschwätzer lachen (und sei er auch der Lehrmeister Alexanders des Großen gewesen), der zu dir sagte: »Alle Tiere leben, also gibt es in ihnen ein Sein, eine substantielle Form, die das Leben ist?«
Wenn nun eine Tulpe sprechen könnte und zu dir sagte: »Mein Wachstum und ich, wir sind offensichtlich zwei miteinander verbundene Wesen« – würdest du die Tulpe da nicht auslachen?
Sehen wir uns zunächst einmal an, was du weißt und worüber du dir sicher bist: nämlich, dass du mit deinen Füßen gehst, mit deinem Magen verdaust, mit deinem ganzen Körper fühlst und mit deinem Kopf denkst. Dann wollen wir sehen, ob allein dein Verstand dir genügend Einsicht verschafft hat und dich – ohne Rückgriff auf Übernatürliches – zu dem Schluss gelangen lässt, dass du eine Seele besitzt.
Die ersten Philosophen, ob es sich nun um Chaldäer oder um Ägypter handelte, sagten: »Es muss in uns etwas geben, das unsere Gedanken hervorbringt, dieses Etwas muss sehr fein sein, es ist ein Hauch, es ist Feuer, es ist Äther, es ist die Essenz von allem, es ist ein flüchtiges Trugbild, es ist eine Entelechieb, es ist eine Zahl, es ist eine Harmonie.« Schließlich, dem göttlichen Platon zufolge,1 ist es die Verbindung des Selbst mit dem Anderen. Es sind die Atome, die in uns denken, hat nach Demokrit auch Epikur gesagt. Aber, mein Freund, wie denkt ein Atom? Gib zu, dass du darüber nichts weißt.
Gewiss muss man sich der Ansicht anschließen, dass die Seele ein immaterielles Wesen ist. Doch worin dieses immaterielle Wesen besteht, versteht ihr bestimmt nicht. »Nein«, antworten die Gelehrten, »aber wir wissen, dass es ihrer Natur entspricht, zu denken.« Und woher wisst ihr das? »Wir wissen es, weil sie denkt.«c O ihr Gelehrten! Ich fürchte wohl, ihr seid ebenso unwissend wie Epikur: es entspricht der Natur eines Steins, zu fallen, weil er fällt – aber ich frage euch, was bewirkt, dass er fällt?
»Wir wissen«, fahren sie fort, »dass ein Stein keine Seele hat.« Einverstanden, davon bin ich genauso überzeugt wie ihr. »Wir wissen auch, dass eine Negation und eine Affirmation nicht teilbar, also nicht materiell sind.«d Da bin ich ganz eurer Ansicht. Aber die Materie, die uns im Übrigen unbekannt ist, besitzt auch nicht-materielle Eigenschaften, die nicht teilbar sind. So wird sie von der Schwerkraft gegen ein Zentrum hingezogen, das Gott ihr gegeben hat. Nun hat diese Gravitation keine Teile und ist in keiner Weise teilbar. Die Kraft, die Körper bewegt, ist kein aus Teilen zusammengesetztes Wesen. Das Wachstum belebter Körper, ihr Leben, ihr Instinkt, sind ebenfalls keine Einzelwesen, Wesen, die man teilen kann. Das Wachstum einer Rose, das Leben eines Pferdes, den Instinkt eines Hundes könnt ihr ebenso wenig zerteilen wie eine Empfindung, eine Negation, eine Affirmation. Euer schönes Argument, das ihr aus der Unteilbarkeit des Denkens gewinnt, beweist folglich gar nichts.
Was also nennt ihr eure Seele? Welche Vorstellung habt ihr davon? Ohne Offenbarung könnt ihr in euch nichts anderes annehmen als eine euch unbekannte Kraft, zu fühlen und zu denken.
Und nun sagt mir ehrlich, ob diese Kraft zu fühlen und zu denken dieselbe ist, die euch die Fähigkeit verleiht, zu verdauen und zu gehen? Ihr gebt zu, dass das nicht der Fall ist, denn es wäre vergeblich, wenn euer Verstand zu eurem Magen sagte: verdaue – er würde nichts dergleichen tun, wenn er krank ist; vergebens würde euer immaterielles Wesen den Füßen befehlen, zu gehen – wenn sie die Gicht haben, verharren sie an Ort und Stelle.
Den Griechen war sehr wohl bewusst, dass das Denken oftmals nichts mit dem Zusammenwirken unserer Organe zu tun hat. Den Organen haben sie eine animalische Seele zugewiesen und dem Denken eine feinere, subtilere Seele, ein nous.e
Doch da ist nun diese denkende Seele, die bei tausend Gelegenheiten über die animalische Seele die Aufsicht führt. Die denkende Seele befiehlt ihren Händen zu greifen, und sie greifen. Doch befiehlt sie ihrem Herzen nicht, zu schlagen, dem Blut nicht, zu fließen, dem Verdauungsbrei nicht, sich zu bilden, all dies geschieht ohne ihre Einwirkung: da wären nun zwei recht verlegene Seelen, die recht wenig Herr im eigenen Hause sind.
Diese erste, animalische Seele existiert somit gewiss nicht, denn sie ist nichts anderes als die Bewegung eurer Organe. Gib Acht, o Mensch, denn deine schwache Vernunft liefert dir auch nicht mehr Beweise dafür, dass die andere Seele existiert. Du kannst es allein durch den Glauben wissen. Du wirst geboren, du lebst, du handelst, du denkst, du wachst, du schläfst, ohne zu wissen, warum. Gott hat dir die Fähigkeit zu denken gegeben, wie er dir auch alles Übrige gab, und wäre er nicht gekommen, dich zu der Zeit, die er vorherbestimmt hatte, zu lehren, dass du eine immaterielle und unsterbliche Seele besitzt, so hättest du keinen einzigen Beweis dafür.
Lasst uns nun die großartigen Systeme betrachten, die deine Philosophie über diese Seelen verfertigt hat.
Das eine besagt, dass die menschliche Seele Teil des göttlichen Wesens selbst ist,2 das andere, dass sie ein Teil des großen Ganzen ist,3 ein Drittes, dass sie seit eh und je erschaffen ist,4 ein Viertes, dass sie gemacht und nicht erschaffen ist.5 Andere wiederum versichern, dass Gott die Seelen in dem Maße anfertigt, wie man es benötigt, und dass sie zum Zeitpunkt der Begattung eintreten.6 »Sie lassen sich in den Samentierchen nieder«, ruft dieser. – »Nein«, sagt jener, »sie bewohnen den Eileiter.« – »Ihr habt alle unrecht«, meint einer, der zufällig dazukommt, »die Seele wartet sechs Wochen, bis sich der Fötus herausgebildet hat, dann besetzt sie die Zirbeldrüse, stößt sie aber auf eine Fehlgeburt, zieht sie sich zurück und wartet auf eine bessere Gelegenheit.« Die letzte Meinung ist, dass das Corpus callosumf ihre Behausung ist, dies ist der Ort, den ihr La Peyronie zuweist; man musste Erster Chirurg des Königs von Frankreich sein, um solcherart über den Aufenthalt der Seele bestimmen zu können. Jedoch war seinem Corpus callosum nicht die gleiche Karriere beschieden wie dem Chirurgen selbst.
Der heilige Thomas sagt in der 75. und den folgenden seiner Quaestiones, dass die Seele eine für sich selbst existierende Form ist, dass sie das Ganze selbst ist, dass sich ihr Wesen von ihrer Kraft unterscheidet; dass es drei vegetative Seelen gibt, nämlich die ernährende, die vermehrende, die erzeugende; dass die Erinnerung an geistige Dinge geistig ist, die an körperliche körperlich; dass die vernünftige Seele ein Gebilde ist immateriell hinsichtlich der Handlungen und materiell hinsichtlich des Seins. Der heilige Thomas hat mit solcher Kraft und Deutlichkeit 2000 Seiten geschrieben, und deshalb ist er auch der Engel der Scholastik.7
Nicht weniger Systeme hat man über die Art gemacht, wie diese Seele fühlt, wenn sie ihren Körper, mit dem sie fühlte, verlassen hat; wie sie hört ohne Ohren, riecht ohne Nase und berührt ohne Hand; welchen Leib sie dann wieder annehmen wird, ob es derjenige ist, den sie im Alter von zwei, oder jener, den sie im Alter von achtzig Jahren hatte; wie das Ich, die Identität der Person, überdauern wird. Wie die Seele eines Mannes, der mit fünfzehn Jahren schwachsinnig wurde und im Alter von siebzig Jahren schwachsinnig starb, an die Gedanken anknüpfen wird, die sie hatte, als er in der Pubertät war. Durch welchen geschickten Kniff findet eine Seele, deren Bein in Europa abgetrennt wurde und die einen Arm in Amerika verlor, dieses Bein und diesen Arm wieder, welche, da sie sich unterdessen in Gemüse verwandelt haben, ins Blut irgendeines anderen Tieres übergegangen sind? Man würde nie ein Ende finden, wollte man von all den Narrheiten berichten, die sich die arme Menschenseele über sich selbst eingebildet hat.
Was allerdings sehr bemerkenswert ist: In den Gesetzen des auserwählten Volkes wird nicht ein einziges Wort über die Geistesnatur oder die Unsterblichkeit der Seele verloren, weder in den Zehn Geboten noch im Levitikus und auch nicht im Deuteronomium.g
Es ist absolut unbezweifelbar, dass Mose den Juden nirgendwo Belohnungen oder Strafen in einem anderen Leben in Aussicht stellt, er spricht nie zu ihnen von der Unsterblichkeit ihrer Seelen, er macht ihnen keine Hoffnung auf den Himmel, droht ihnen nicht mit der Hölle: alles ist vergänglich.
Bevor er stirbt, sagt er zu ihnen in seinem Deuteronomium: »Wenn ihr Kinder und Kindeskinder gezeugt haben werdet und vergesst eure Pflichten, werdet ihr aus dem Land ausgetilgt und werdet unter den Völkern zerstreut werden.«
»Ich bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter bis in die dritte und vierte Generation heimsucht.«
»Ehret euren Vater und eure Mutter, damit ihr lange lebt.«
»Ihr werdet zu essen haben, ohne jemals Mangel zu leiden.«
»Wenn ihr fremden Göttern dient, werdet ihr zerstört …«
»Wenn ihr gehorcht, werdet ihr Regen im Frühjahr, Weizen im Herbst haben, Öl, Wein, Heu für euer Vieh, damit ihr esst und satt werdet.«
»Tragt diese Worte im Herzen, an euren Handgelenken, auf eurer Stirn, schreibt sie über eure Türen, damit sich eure Tage vermehren.«
»Tut, was ich euch befehle, ohne etwas hinzuzufügen noch wegzunehmen.«
»Wenn sich ein Prophet erhebt, der Wunderdinge weissagt, und wenn seine Weissagung wahrhaftig ist und was er gesprochen hat, eintritt, und er sagt zu euch: ›Lasst uns fremden Göttern folgen‹, tötet ihn auf der Stelle, und das ganze Volk schlage ihn nach euch.«
»Wenn der Herr euch Völker ausgeliefert hat, erwürgt jeden, ohne einen einzigen Mann zu verschonen, und habt mit niemandem Mitleid.«
»Esst keine unreinen Vögel wie den Adler, den Greif, den Ixion.«
»Esst keine Tiere, die wiederkäuen und deren Klauen nicht gespalten sind wie das Kamel, den Hasen, das Stachelschwein usw.«
»Befolgt ihr all die Gebote, werdet ihr gesegnet sein in der Stadt und auf dem Land, die Früchte eures Leibes, eurer Erde, eures Viehs werden gesegnet sein.«
»Wenn ihr nicht alle Gebote und alle Zeremonien befolgt, werdet ihr in der Stadt und auf dem Land verflucht sein, ihr werdet Hunger und Armut erleiden, werdet an Elend, Kälte, Armut, Fieber sterben. Ihr werdet den Grind, die Krätze, Fisteln bekommen, ihr werdet Geschwüre an Knien und Schenkeln bekommen.«
»Der Fremde wird euch zu Wucherzinsen leihen, ihr werdet ihm nicht auf Wucherzinsen leihen können, weil ihr dem Herrn nicht gedient habt.«
»Und ihr sollt die Frucht eures Leibes essen und das Fleisch eurer Söhne und eurer Töchter«, usw.
Ganz offensichtlich handeln alle diese Verheißungen und Drohungen von nichts als Vergänglichem, und man findet darin kein Wort über die Unsterblichkeit der Seele oder das zukünftige Leben.
Mehrere hochberühmte Kommentatoren haben geglaubt, dass Mose über diese beiden wichtigen Dogmen bestens Bescheid wusste, und sie beweisen dies mit den Worten Jakobs, der, als er seinen Sohn von Tieren verschlungen glaubte, in seinem Schmerz ausrief: Ich werde mit meinem Schmerz in die Grube fahren, ins Inferno, in die Hölle; das heißt: Ich werde sterben, da mein Sohn tot ist.
Sie beweisen es noch mit Passagen aus Jesaja und Ezechiel – aber die Hebräer, zu denen Mose sprach, konnten weder Ezechiel noch Jesaja, die erst mehrere Jahrhunderte danach lebten, gelesen haben.
Es ist völlig unnütz, über Moses verborgene Gefühle zu streiten: Tatsache ist, dass er in seinen Gesetzen, die er dem Volk gab, nie über ein zukünftiges Leben sprach und alle Strafen oder Belohnungen auf das gegenwärtige Leben begrenzt. Wenn er von dem künftigen Leben wusste, warum hat er dann dieses wichtige Dogma nicht ausdrücklich erwähnt? Und falls er es nicht kannte, was war dann der Zweck seiner Mission? Dies ist eine Frage, die viele große Persönlichkeiten stellen. Sie antworten, dass Moses und aller Menschen Herr sich das Recht vorbehielt, den Juden zu einer von ihm bestimmten Zeit eine Lehre zu erklären, die sie während ihres Aufenthalts in der Wüste nicht imstande gewesen seien zu verstehen.
Wenn Mose das Dogma der Unsterblichkeit verkündet hätte, so wäre es nicht von einer der großen Gelehrtenschulen der Juden immerfort bekämpft worden. Die große Schule der Sadduzäer wäre vom Staat nicht zugelassen, nicht mit den erstrangigen Staatsaufgaben betraut worden, und man hätte keine Hohenpriester aus ihrer Mitte gewählt.
Es scheint, als hätten sich die Juden erst nach der Gründung Alexandrias in drei Sekten aufgeteilt: die Pharisäer, die Sadduzäer und die Essener. Der Historiker Flavius Josephus, ein Pharisäer, erklärt uns im 13. Buch seiner Jüdischen Altertümer, dass die Pharisäer an die Seelenwanderung glaubten, die Sadduzäer an den Untergang der Seele mit dem Körper, die Essener – sagt ebenfalls Josephus – hielten die Seele für unsterblich. Ihnen zufolge kamen die Seelen aus den höchsten Schichten der Atmosphäre in luftiger Form zu den Körpern herunter, wo sie von einer gewaltigen Anziehungskraft festgehalten werden, und nach dem Tod bleiben diejenigen, welche guten Menschen angehört haben, jenseits des Ozeans, in einem Land, wo es weder warm noch kalt ist, wo es weder Wind noch Regen gibt. Die Seelen der Bösen kommen in ein völlig entgegengesetztes Klima. Solcherart war die Theologie der Juden.
Derjenige aber, der alleine die ganze Menschheit lehren sollte, verurteilte alle drei Sekten, aber ohne ihn hätten wir niemals etwas über unsere Seele erfahren können, weil ja die Philosophen niemals eine präzise Vorstellung von ihr hatten, und Mose, der einzige wirkliche Gesetzgeber der Welt vor dem unseren, Mose, der mit Gott von Angesicht zu Angesicht sprach und ihn dabei nur von hinten sah, hat die Menschen in einer tiefen Unkenntnis über diesen erhabenen Gegenstand gelassen. Daher ist man sich erst seit siebzehnhundert Jahren der Existenz der Seele und ihrer Unsterblichkeit gewiss.
Cicero hatte nur Vermutungen, sein Enkel und seine Enkelin konnten die Wahrheit von den ersten Galiläern, die nach Rom kamen, erfahren.
Aber vor dieser Zeit und seither auch in der ganzen übrigen Welt, wo die Apostel nicht hinkamen, sagte jedermann zu seiner Seele: Wer bist du, woher kommst du, was tust du, wohin gehst du? Du bist ich weiß nicht was, du denkst und fühlst, aber auch wenn du hunderttausend Millionen Jahre fühlen und denken würdest, wirst du doch niemals aus eigener Erkenntnis, ohne die Hilfe eines Gottes, mehr darüber wissen können.
O Mensch, dieser Gott hat dir den Verstand gegeben, damit er dich gut leite, aber nicht, damit du in das Wesen der Dinge dringst, die er geschaffen hat.
Das ist ein stillschweigender Vertrag zwischen zwei füreinander offenen und aufrichtigen Personen. Ich sage offen, weil ein Mönch, ein Einsiedler, keineswegs bösartig sein muss und doch lebt, ohne die Freundschaft zu kennen. Ich sage aufrichtig, weil die Bösartigen nur Komplizen haben, Wollüstlinge haben Kumpane ihrer Ausschweifungen, Gewinnsüchtige Teilhaber, Politiker versammeln Parteigänger, der gewöhnliche Müßiggänger hat seine Beziehungen, Prinzen haben Höflinge, allein aufrichtige Menschen haben Freunde. Cethegus war der Komplize von Catilina und Maecenas der Höfling von Octavius, aber Cicero war der Freund von Atticus.
Wozu führt dieser Vertrag zwischen zwei zartfühlenden und aufrichtigen Seelen? Die Verpflichtungen sind je nach dem Grad ihrer gegenseitigen Offenheit und der Anzahl der erwiesenen Dienste usw. stärker oder schwächer.
Die Begeisterung für die Freundschaft war bei den Griechen und bei den Arabern stärker als bei uns. Die Erzählungen über die Freundschaft, die sich diese Völker ausgedacht haben, sind bewundernswert, wir haben nichts Vergleichbares, wir sind in allem ein wenig trockener.
Die Freundschaft war bei den Griechen Bestandteil der Religion und der Gesetzgebung. Die Thebaner hatten das Regiment der Liebendena: ein schönes Regiment! Einige haben es für ein Regiment von Sodomiten gehalten; sie irren und halten die Nebensache für die Hauptsache. Die Freundschaft war bei den Griechen durch Gesetz und Religion geboten. Die Päderastie wurde bedauerlicherweise von ihren Sitten toleriert, man sollte einem Gesetz aber nicht den schändlichen Missbrauch anlasten. Wir werden später darauf zurückkommen.
Amor omnibus idem.a Hier müssen wir uns auf körperliche Dinge beziehen, denn Liebe ist ein Stoff der Natur, den die Fantasie bestickt hat. Willst du eine Vorstellung von der Liebe bekommen, so schau auf die Spatzen in deinem Garten, auf deine Tauben; betrachte den Stier, welchen man zu deiner Jungkuh bringt; sieh den stolzen Hengst, den zwei Stallburschen der friedlichen Stute zuführen, die ihn erwartet und ihren Schweif zur Seite dreht, um ihn zu empfangen; sieh, wie seine Augen sprühen; höre sein Gewieher; betrachte dies Springen und Tänzeln, die gespitzten Ohren, das Maul, wie es sich unter kurzen Zuckungen öffnet, die geblähten Nüstern, den entflammten Atem, der daraus entweicht, die Mähne, die sich sträubt und wogt, diese ungestüme Bewegung, mit der er sich auf das Objekt stürzt, das seine Natur ihm bestimmt hat. Du aber sei bloß nicht eifersüchtig, sondern gedenke der Vorzüge der menschlichen Gattung: sie entschädigen in der Liebe für alles, was die Natur den Tieren mitgab: Kraft, Schönheit, Zwanglosigkeit, Schnelligkeit.
Es gibt sogar Tiere, welche die Sinneslust überhaupt nicht kennen. Die schuppigen Fische sind dieser Wonne beraubt, das Weibchen wirft Millionen von Eiern in den Schlamm; das Männchen, das darauf stößt, zieht darüber hin und befruchtet sie mit seinen Samen, ohne sich zu bekümmern, welchem Weibchen sie zugehören.
Die meisten der Tiere, die sich paaren, kosten die Lust nur mit einem einzigen Sinn aus, und sobald dieses Verlangen gestillt ist, erlischt alles. Kein Lebewesen außer dir kennt die Umarmung; dein ganzer Leib ist empfindsam; deine Lippen vor allem genießen eine Wollust, die nichts ermüdet, und diese Lust gehört deiner Gattung allein. Schlussendlich kannst du dich jederzeit der Liebe hingeben, während die Tiere nur einen bestimmten Zeitraum haben. Wenn du diesen Vorrang bedenkst, wirst du mit dem Grafen von Rochester sagen: »Die Liebe brächte noch ein Land von Atheisten dahin, das Göttliche anzubeten.«1
Weil die Menschen die Gabe erhalten haben, alles, was die Natur ihnen gewährt hat, zu vervollkommnen, haben sie auch die Liebe vervollkommnet. Die Sauberkeit, die Körperpflege, die die Haut zarter machen, erhöhen die Lust am Berühren, und die Sorge um unsere Gesundheit macht die Organe der Lust empfindsamer.
Alle anderen Empfindungen münden schließlich in die der Liebe, so wie Metalle, die sich mit Gold verbinden: die der Freundschaft, der Achtung kommen verstärkend hinzu; die Gaben des Körpers und des Geistes sind zusätzliche Bande.
Nam facit ipsa suis interdum faemina factis,
Morigerisque modis, et mundo corpore cultu,
Ut facile insuescat secum vir degere vitam.b
LUKREZ
Vor allem die Eigenliebe lässt all diese Bande immer fester werden. Man beglückwünscht sich selbst zu seiner Wahl, und die Illusionen schmücken zuhauf dieses Werk aus, dessen Grundlagen die Natur geschaffen hat.
Das also ist es, was du den Tieren voraus hast, doch wenn du so viele Freuden genießt, die sie nicht kennen, so auch viele Leiden, von denen sich die Tiere überhaupt keine Vorstellung machen! Das Schreckliche für dich ist, dass die Natur in drei Vierteln der Erde die Liebesfreuden und die Quellen des Lebens mit einer scheußlichen Krankheit vergiftet hat, die nur den Menschen trifft und die nur bei ihm die Fortpflanzungsorgane infiziert!
Es ist mit dieser Pest nicht so wie mit zahlreichen anderen Krankheiten, die eine Folge unserer Maßlosigkeit sind. Es ist mitnichten die Ausschweifung, die sie in die Welt gebracht hat. Phryne, Lais, Flora, Messalinac wurden nicht von ihr befallen, sie ist auf Inseln entstanden, wo die Menschen in Unschuld lebten, und hat sich von dort aus in der Alten Welt ausgebreitet.
Wenn es jemals einen Grund gab, die Natur anzuklagen, dass sie ihr eigenes Werk missachtet, ihrem eigenen Plan widerspricht, gegen ihre eigenen Absichten handelt, dann aus diesem Anlass. Ist dies die beste aller möglichen Welten? Wie das? Wenn jene Krankheit Cäsar, Antonius, Octavius nicht befiel, hätte es dann nicht sein können, dass sie auch François I verschonte? Nein, sagt man, die Dinge wurden so zum Besten eingerichtet: Ich möchte es glauben, aber es fällt schwer.
Wie hat es geschehen können, dass ein Übel, Vernichter des Menschengeschlechts, wäre es allgemein, ein schändliches Attentat auf die Natur, trotzdem so natürlich ist? Es scheint der letzte Grad bewusster Verderbtheit zu sein und ist doch übliche Praxis von Leuten, die noch gar nicht die Zeit hatten, verderbt zu werden. Es hat in ganz frische Herzen Eingang gefunden, die noch gar nicht Ehrgeiz, Täuschung noch Geldgier kannten; es ist die blinde Jugend, die sich gleich am Ausgang der Kindheit aus fehlgeleitetem Instinkt dieser Verwirrung hingibt.
Früh offenbart sich die Neigung der beiden Geschlechter zueinander; aber was man auch immer über Afrikanerinnen und die Asiatinnen des Südens gesagt haben mag, diese Neigung ist im Allgemeinen sehr viel stärker beim Mann als bei der Frau, dies ist ein Gesetz, das von Natur aus für alle Tiere gilt, es ist immer das Männchen, das das Weibchen angeht.
Die jungen Männchen unserer Art fühlen die Kraft, die die Natur in ihnen entfaltet, und finden, da sie gemeinschaftlich erzogen werden, kein natürliches Objekt für ihren Trieb; so begnügen sie sich mit dem, was ihm gleicht. Oft gleicht ein Knabe mit der Frische seines Teints, seinem plötzlichen Erröten, der Sanftheit seiner Augen zwei oder drei Jahre lang einem schönen Mädchen; wenn man ihn liebt, so geschieht das, weil die Natur einen Fehlgriff begeht; man huldigt dem Geschlechtlichen, indem man sich an das bindet, was dessen Schönheit aufweist, und wenn mit dem Alter diese Ähnlichkeit geschwunden ist, hat der Fehlgriff ein Ende.
Citraque juventam,
Atatis breve ver et primos carpere flores.a
Man weiß zur Genüge, dass dieser Fehlgriff der Natur im Süden viel verbreiteter ist als im eisigen Norden, weil dort das Blut hitziger ist und die Gelegenheit häufiger: daher ist, was beim jungen Alkibiades nur als Schwäche erscheint, eine widerliche Schändlichkeit bei einem holländischen Matrosen oder einem Moskauer Marketender.
Ich kann es nicht hinnehmen, dass man behauptet, die Griechen hätten diese Zügellosigkeit gutgeheißen. Man zitiert Solon, den Gesetzgeber, weil er in zwei schlechten Versen gesagt hat:
Zärtlich liebe einen schönen Knaben,
Solange er keinen Bart am Kinn trägt.
Aber wahrhaftig, handelte Solon als Gesetzgeber, als er diese beiden lachhaften Verse schrieb? Er war damals noch jung. Und als der Lüstling weise wurde, hütete er sich, seinen republikanischen Gesetzen eine derartige Schändlichkeit einzufügen. Es ist wie wenn man Théodore de Bèze bezichtigte, er habe in seiner Kirche die Knabenliebe gepredigt, weil er in seiner Jugend Verse für den jungen Candide verfasst hat, in denen es heißt:
Amplector hunc et illam.b
Man missbraucht einen Text Plutarchs, der in den Plaudereien seines Dialog über die Liebe einen Gesprächspartner sagen lässt, dass die Frauen der wirklichen Liebe nicht wert seien, ein anderer Gesprächsteilnehmer jedoch unterstützt die Seite der Frauen, wie es seine Pflicht ist.
Es ist gewiss, soweit die Wissenschaft von der Antike es sein kann, dass die sokratische Liebe keineswegs schändlich war; hier hat der Begriff der Liebe getäuscht. Was man die Liebhaber eines jungen Mannes nannte, war genau das, was bei uns die Edelknaben der Fürsten sind, was die Ehrenkinder waren: junge Männer, die für die Erziehung einem Kind aus hohem Hause zur Seite gestellt wurden, gemeinsam dieselben Studien machten, dieselben militärischen Übungen, eine kriegerische und heilige Einrichtung, die man zu nächtlichen Festen und Orgien missbrauchte.
Das Heer der Liebenden, das Laios schuf,c war eine unbesiegbare Einheit junger Krieger, die durch Eid verpflichtet waren, ihr Leben füreinander zu geben; und es war das disziplinierteste Heer, das die Antike je hatte.
Sextus Empiricus und andere haben gut reden, wenn sie behaupten, die Knabenliebe sei von den Gesetzen Persiens empfohlen worden. Sie sollten den Text des Gesetzes zitieren, sie sollten das Gesetzbuch vorzeigen, und würden sie es vorzeigen, so glaubte ich es noch immer nicht und würde sagen, die Geschichte sei falsch, und zwar deshalb, weil sie unmöglich ist. Nein, in der Natur des Menschen liegt es nicht, ein Gesetz zu verfassen, das der Natur widerspricht und ihr Schimpf antut, ein Gesetz, welches das Menschengeschlecht auslöschte, würde es buchstabengetreu befolgt. Gewisse Leute haben beschämende Praktiken, die in einem Land toleriert wurden, für ein Gesetz des Landes ausgegeben. Sextus Empiricus, der an allem zweifelte, hätte sehr wohl an einer solchen Rechtsprechung zweifeln sollen. Würde er zu unserer Zeit leben und sehen, wie zwei oder drei junge Jesuiten einige ihrer Schüler missbrauchen, hätte er dann das Recht, zu sagen, dieses Spiel sei ihnen nach den Regeln Ignatius von Loyolas erlaubt?
Die Knabenliebe war in Rom derart verbreitet, dass man nicht darauf kam, diese Geschmacklosigkeit zu bestrafen, der alle Welt mit gesenktem Haupt nachging. Octavius Augustus, dieser lüsterne Mordbube und Feigling, der es wagte, Ovid zu verbannen, fand es sehr gut, dass Vergil den Alexis besangd und dass Horaz kleine Oden auf Ligurinus verfasste,e aber das alte Scantinia-Gesetzf, das die Knabenliebe verbot, bestand noch immer: Kaiser Philippus verhalf ihm wieder zur Geltung und hat alle kleinen Jungen, die diesem Metier nachgingen, aus Rom vergejagt. Schlussendlich glaube ich nicht, dass jemals eine zivilisierte Nation Gesetze gegen die guten Sitten gemacht hat.
Ein Bettler aus der Gegend um Madrid bat mit edler Geste um Almosen. Ein Passant sagte zu ihm: »Schämen Sie sich denn nicht, diesem unwürdigen Beruf nachzugehen, wo Sie doch arbeiten können?« – »Mein Herr, antwortete der Bettler, ich bitte Sie um Geld, und nicht um Ratschläge«; dann drehte er ihm den Rücken zu und bewahrte so seine kastilische Würde. Das war schon ein stolzer Herr, dieser Bettler, ein Weniges genügte, um seine Eitelkeit zu verletzen. Aus Eigenliebe bat er um Almosen und duldete nicht, dass eine andere Eigenliebe ihn rügte.
Ein Missionar reiste durch Indien und traf auf einen Fakir, kettenbehängt, nackt wie ein Affe, der auf seinem Bauch lag und sich für die Sünden seiner indischen Mitbürger auspeitschen ließ, die ihm dafür einige Heller in Landeswährung gaben. »Welche Selbstverleugnung!«, sprach einer der Zuschauer – »Selbstverleugnung?«, erwiderte der Fakir; »Sie sollen wissen, dass ich mir in dieser Welt nur den Hintern versohlen lasse, um es Ihnen in einer anderen zurückzugeben, wenn Sie das Pferd sein werden und ich der Reiter.«
Diejenigen, die gesagt haben, dass die Eigenliebe die Grundlage all unserer Empfindungen und Handlungen sei, haben folglich absolut recht in Indien, in Spanien und auf der ganzen bewohnbaren Erde; und weil man nicht schreibt, um den Menschen zu beweisen, dass sie ein Gesicht haben, braucht man ihnen auch nicht zu beweisen, dass sie Eigenliebe besitzen. Diese Eigenliebe ist das Werkzeug unserer Selbsterhaltung und gleicht dem Werkzeug unserer Arterhaltung; es ist uns unentbehrlich, es ist uns teuer, es bereitet uns Vergnügen, und man muss es verbergen.
Engel heißt auf Griechisch »der Abgesandte«; man ist auch nicht viel klüger, wenn man weiß, dass die Perser Peris hatten, die Hebräer Malachim, die Griechen ihre Daimonoi.
Aber was uns vielleicht klüger macht, ist, dass es schon immer einer der ersten Gedanken der Menschen gewesen ist, zwischen der Gottheit und uns vermittelnde Wesen einzusetzen: Das sind jene Dämonen, jene Genien, welche die Antike sich ausdachte. Der Mensch schuf die Götter immer nach seinem Bilde. Man sah, dass die Fürsten ihre Befehle durch Boten übermitteln ließen, also schickte auch die Gottheit ihre Kuriere, Merkur, Iris waren Kuriere, Sendboten.
Die Hebräer, dieses einzige von der Gottheit selbst geführte Volk, gaben den Engeln, die Gott ihnen schließlich zu schicken geruhte, zunächst keine Namen; sie entlehnten die Namen, die die Chaldäer ihnen gaben, als das jüdische Volk in Babylonien gefangen gehalten wurde. Michael und Gabriel werden zum ersten Mal von Daniel, einem Sklaven dieses Volkes, genannt. Der Jude Tobias, der in Ninive wohnte, wusste vom Engel Raphael, der mit seinem Sohn auf die Reise ging, um ihm das Geld eintreiben zu helfen, das ihm der Jude Gabael schuldete.1
In den jüdischen Gesetzen, das heißt, im Levitikus und im Deuteronomium, findet sich nicht die geringste Bemerkung über die Existenz von Engeln, geschweige denn über ihre Verehrung; daher glaubten die Sadduzäer nicht an Engel.a
Aber in den Geschichten der Juden ist viel von ihnen die Rede. Diese Engel besaßen einen Körper, sie hatten Flügel auf dem Rücken, so, wie die Heiden erfanden, dass Merkur welche an den Fersen hatte; manchmal verbargen sie ihre Flügel unter ihren Gewändern. Wie sollten sie auch keine Körper haben, wo sie doch aßen und tranken und die Einwohner Sodoms die Sünde der Päderastie mit den Engeln begehen wollten, die zu Lot kamen.
Nach Maimonides kannte die alte jüdische Tradition zehn Stufen, zehn Ordnungen von Engeln. 1. Die Chajot Hakodesch, die Reinen, Heiligen. 2. Die Ophanim, die Schnellen. 3. Die Oralim, die Starken. 4. Die Chasmalim, die Flammenden. 5. Die Seraphim, die Brennenden. 6. Die Malakim, Engel, Boten, Abgesandte. 7. Die Elohim, die Götter oder Richter. 8. Die Bene Elohim, Kinder der Götter. 9. Die Cherubim, die Spiegelbilder. 10. Die Ychim, die Beseelten.2
Die Geschichte vom Sturz der Engel findet sich nicht in den Büchern Mose; das erste Zeugnis, von dem man berichtet, ist das des Propheten Jesaja, der den König von Babylon anherrscht: »Was ist aus dem Tributeintreiber geworden? Die Tannen und die Zedern erfreuen sich seines Sturzes; wie bist du vom Himmel gefallen, o Helel, Stern des Morgens?« Man übersetzte dieses Helel mit dem lateinischem Wort Luzifer, und danach hat man den Namen Luzifer in allegorischem Sinn dem Fürsten der Engel gegeben, die im Himmel Krieg führten; und schließlich ist dieser Name, der Träger des Lichts und Morgenröte bedeutet, zum Namen des Teufels geworden.
Die christliche Religion ist auf dem Sturz der Engel aufgebaut. Diejenigen, die sich auflehnten, wurden aus den Sphären, die sie bewohnten, hinabgestürzt in die Hölle im Inneren der Erde und wurden zu Teufeln. Ein Teufel in Schlangengestalt verführte Eva und brachte dem Menschengeschlecht die Verdammnis. Jesus kam zur Erlösung des Menschengeschlechts und um den Teufel zu bezwingen, der uns noch immer in Versuchung führt. Jedoch ist die dem zugrunde liegende Überlieferung nur in dem apokryphen Buch Henoch zu finden, zudem unterscheidet sie sich stark von der traditionellen Überlieferung.
Der heilige Augustinus hat in seinem 109. Brief keinerlei Schwierigkeiten, den guten und den bösen Engeln von allem losgelöste und geschmeidige Körper zuzuordnen.3 Papst Gregor II. hat die zehn von den Juden anerkannten Engelchöre auf neun Chöre, neun Stufen oder Ordnungen, verringert; dies sind die Seraphim, die Cherubim, die Throne, die Herrschaften, die Tugenden, die Gewalten, die Fürsten, die Erzengel und schließlich die Engel, die den acht weiteren Ordnungen ihren Namen geben.b
Die Juden hatten im Tempel zwei Cherubim mit jeweils zwei Köpfen, einen Stier- und einen Adlerkopf, dazu sechs Flügel. Heute stellen wir sie als fliegenden Kopf mit zwei kleinen Flügeln unterhalb der Ohren dar. Die Engel und die Erzengel stellen wir in Gestalt junger Männer dar, mit zwei Flügeln auf dem Rücken. Hinsichtlich der »Throne« und der »Mächte« ist man noch nicht auf den Gedanken gekommen, sie darzustellen.
Der heilige Thomas sagt in seiner Quaestio 108, Artikel 2, die Throne seien ebenso nah bei Gott wie die Cherubim und die Seraphim; sind sie es doch, auf denen Gott sitzt. Scotus hat tausend Millionen Engel gezählt. Nachdem die alte Mythologie von den guten und den bösen Genien vom Orient auf Griechenland und Rom übergegangen war, haben wir diese Ansicht bestätigt, indem wir jedem Menschen einen guten und einen bösen Engel zuordneten, von denen der eine ihm beisteht, der andere ihm von der Geburt bis zum Tode schadet; aber man weiß noch nicht, ob diese guten und bösen Engel andauernd von einem Einsatzort zum anderen wechseln, oder ob sie von anderen Engeln abgelöst werden. Man konsultiere zu dieser Frage die Summa des heiligen Thomas.c
Man weiß nicht genau, wo sich die Engel aufhalten, ob in der Luft, im leeren Raum oder auf den Planeten. Gott wollte nicht, dass wir etwas darüber wissen.
Wir haben von der Liebe gesprochen. Es ist schwierig, einen Übergang zu finden von Leuten, die einander küssen, zu solchen, die einander auffressen. Aber es ist nur allzu wahr, dass es Menschenfresser gab; wir haben welche in Amerika vorgefunden, und vielleicht gibt es sie immer noch; und die Kyklopena waren in der Antike nicht die Einzigen, die sich manchmal von Menschenfleisch ernährten. Juvenal berichtet, dass bei den alten Ägyptern, diesem doch so weisen und für seine Gesetzgebung bekannten Volk, diesem so frommen Volk, das Krokodile und Zwiebeln verehrte, die Tintiritenb einen ihrer Feinde aufaßen, der ihnen in die Hände gefallen war; sein Bericht beruht nicht auf bloßem Hörensagen, dieses Verbrechen geschah nahezu vor seinen Augen, denn er war damals in Ägypten, in der Nähe der Stadt Tentyra. Er erwähnt in diesem Zusammenhang die Gaskognerc und die Sagunterd, die sich früher einmal vom Fleisch ihrer Landsleute ernährten.
1725 brachte man vier Wilde vom Mississippi nach Fontainebleau, ich hatte die Ehre, mich mit ihnen unterhalten zu dürfen. Unter ihnen befand sich eine Dame aus diesem Land, die ich fragte, ob sie Menschenfleisch gegessen habe, und sie antwortete mir in aller Unschuld, dass sie davon gegessen habe. Ich muss etwas schockiert gewirkt haben, woraufhin sie sich damit entschuldigte, dass sie sagte, es sei doch wohl besser, seinen toten Feind aufzuessen, als ihn den Tieren zum Fraß zu überlassen, und dass den Siegern dieses Vorrecht gebühre. Wir töten in einer offenen Schlacht oder in Scharmützeln die Bewohner unserer Nachbarländer und arbeiten für die schäbigste Belohnung daran, die Speisekammer der Raben und Würmer zu füllen. Das ist das Grauenerregende, das ist das wahre Verbrechen. Was macht es schon, wenn man getötet wurde, ob man von einem Soldaten oder einem Raben und einem Hund verspeist wird?
Wir haben mehr Achtung vor den Toten als vor den Lebenden. Doch hätten wir die einen wie die anderen achten sollen. Die Völker, die man zivilisiert nennt, taten recht daran, ihre besiegten Feinde nicht am Spieß zu braten; denn wenn es erlaubt wäre, die Bewohner der Nachbarländer zu essen, so äße man bald auch seine Landsleute, was sehr nachteilige Folgen für die gesellschaftlichen Tugenden hätte. Doch die zivilisierten Völker waren dies nicht schon immer. Alle waren sie lange Zeit Wilde, und während der unendlich vielen Umwälzungen, die diese Erde erlitten hat, war die menschliche Gattung bald zahlreich, bald recht spärlich vertreten. Den Menschen widerfuhr das, was heute mit den Elefanten, Löwen und Tigern geschieht, Tierarten, deren Zahl stark abgenommen hat. In den Zeiten, wo nur wenige Menschen einen Landstrich bevölkerten, kannten sie nicht so viele Techniken, sie waren Jäger. Die Gewohnheit, sich von dem zu ernähren, was sie getötet hatten, führte dann leicht dazu, dass sie ihre Feinde wie ihre Hirsche und ihre Wildschweine behandelten. Aus Aberglauben brachten sie Menschenopfer dar, aus Notwendigkeit aßen sie andere Menschen.
Was ist wohl das größere Verbrechen: sich andächtig zu versammeln, um einem mit Haarbändern geschmückten Mädchen zu Ehren Gottes ein Messer in das Herz zu stoßen, oder einen üblen Kerl aufzuessen, den man notgedrungen getötet hat?
Wir haben jedoch viel mehr Beispiele von geopferten Mädchen und Jungen als von verspeisten Mädchen und Jungen. Fast alle bekannten Völkerschaften haben Jungen und Mädchen geopfert. Die Juden brachten sie zum Opfer dar. Das nannte man Weihegeschenk, es war ein regelrechtes Opfer, und es wird im 27. Kapitel, Vers 29, des Levitikus verfügt, keine Lebewesen, die geweiht waren, zu verschonen; doch nirgends wird den Juden vorgeschrieben, Menschenfleisch zu essen, es wird ihnen nur angedroht. Mose sagt, wie wir gesehen haben,e zu den Juden, dass sie, sollten sie seine Zeremonien nicht einhalten, nicht nur die Krätze bekommen werden, sondern dass die Mütter ihre Kinder essen werden. Es ist wahr, dass zur Zeit Ezechiels die Juden die Gewohnheit gehabt haben müssen, Menschenfleisch zu essen, denn er sagt ihnen im 39. Kapitel voraus, dass Gott ihnen nicht nur die Pferde ihrer Feinde zu essen geben werde, sondern auch die Reiter und die anderen Krieger. Das steht fest.f Und in der Tat, warum sollten die Juden keine Menschenfresser gewesen sein? Es wäre das Einzige gewesen, was dem Volk Gottes noch gefehlt hätte, um das abscheulichste aller Völker der Erde zu sein.
Ich habe in den Anekdoten aus der Geschichte Englands zur Zeit Cromwells gelesen, dass eine Kerzenzieherin in Dublin ausgezeichnete, mit dem Fett von Engländern hergestellte Kerzen verkauft habe. Einige Zeit später beklagte sich ein Stammkunde bei ihr darüber, dass ihre Kerzen nicht mehr so gut seien. »Leider«, sagte sie, »das kommt daher, dass es uns diesen Monat an Engländern fehlte.« Ich frage, wer hat mehr Schuld auf sich geladen, diejenigen, die den Engländern die Kehle durchschnitten, oder die Frau, die aus ihrem Fett Kerzen herstellte?
Verehrte man in Memphis den Stier Apisa als Gott, als Symbol oder als Stier? Es ist anzunehmen, dass die Fanatiker in ihm einen Gott sahen, die Weisen ein schlichtes Symbol, und dass das törichte Volk den Stier verehrte. Tat Kambysesb gut daran, diesen Stier nach der Eroberung Ägyptens eigenhändig zu töten? Warum nicht? Er machte den Einfältigen klar, dass man ihren Gott am Spieß braten konnte, ohne dass die Natur sich erhob, um solchen Gottesfrevel zu rächen. Man hat die Ägypter hoch gerühmt. Ich kenne jedoch kaum ein erbärmlicheres Volk; in ihrem Charakter und in ihrem Herrschaftssystem muss es schon immer ein Grundübel gegeben haben, das zu allen Zeiten ein Volk elender Sklaven aus ihnen machte. Ich räume ein, dass sie in fast unbekannten Zeiten die Welt erobert haben, aber in geschichtlicher Zeit wurden sie von allen unterworfen, die sich die Mühe machen wollten, von den Assyrern, von den Persern, von den Griechen, von den Römern, von den Arabern, von den Mamelucken, von den Türken, schließlich von aller Welt, unsere Kreuzfahrer ausgenommen, und zwar weil deren Unbedachtsamkeit die Feigheit der Ägypter noch übertraf. Es war die Mameluckenmilizc, die die Franzosen besiegte. Es gibt bei dieser Nation vielleicht nur zwei annehmbare Dinge: Das eine ist, dass diejenigen, die einen Stier anbeteten, niemals jene, die einen Affen anbeteten, zwingen wollten, eine andere Religion anzunehmen; das zweite ist, dass sie immer Küken in Öfen ausschlüpfen ließen.
Man lobt ihre Pyramiden, aber das sind Denkmäler eines versklavten Volkes. Es war wohl notwendig, die ganze Nation daran arbeiten zu lassen, anders hätte man es nicht fertiggebracht, diese elenden Steinhaufen zu errichten. Wozu dienten sie? Dazu, in einer kleinen Grabkammer die Mumie irgendeines Fürsten, irgendeines Gouverneurs, irgendeines Verwalters aufzubewahren, die ihre Seele nach tausend Jahren wiederbeleben sollte. Aber wenn sie auf die Wiederauferstehung der Körper hofften, warum wurde ihnen dann vor der Einbalsamierung das Gehirn entfernt? Sollten die Ägypter ohne Gehirn wiederauferstehen?
Der Märtyrer Justinus, der um das Jahr 170 unserer Zeitrechnung schrieb, ist der Erste, der die Apokalypse erwähnte; in seinem Dialog mit dem Juden Tryphon ordnet er sie dem Apostel Johannes, dem Evangelisten, zu. Dieser Jude fragt ihn nun, ob er nicht glaube, dass Jerusalem eines Tages wiedererrichtet werde? Justinus antwortet ihm, dass er dies genauso glaube wie alle Christen, die logisch denken. Es gab, sagt er, bei uns eine gewisse Person namens Johannes, einer der zwölf Apostel von Jesus, der vorhersagte, dass die Gläubigen tausend Jahre in Jerusalem verbringen werden.
Bei den Christen war dieses »Tausendjährige Reich« lange Zeit eine weitverbreitete Lehre. Dieser Zeitraum genoss auch bei den Heiden großes Ansehen. Die Seelen der Ägypter schlüpften nach tausend Jahren wieder in ihre Körper; bei Vergil wurden die Seelen, die sich im Fegefeuer befanden, während des gleichen Zeitraumes geläutert, et mille per annos1. Das neue, tausendjährige Jerusalem sollte in Erinnerung an die zwölf Apostel zwölf Tore haben; seine Form sollte quadratisch sein; seine Länge, seine Breite und seine Höhe sollten je zwölftausend Stadien betragen, das heißt, fünfhundert Meilen, so dass die Häuser auch fünfhundert Meilen hoch sein sollten. Es wäre reichlich unangenehm gewesen, im letzten Stock zu wohnen; aber schließlich ist es das, was im Kapitel 21 der Apokalypse steht.
Auch wenn Justinus der Erste ist, der die Apokalypse dem heiligen Johannes zuordnet, so haben einige Personen sein Zeugnis verworfen, weil er in demselben Dialog mit dem Juden Triphon sagt, nach dem Bericht der Apostel habe Jesus Christus, als er in den Jordan stieg, das Wasser dieses Flusses zum Kochen gebracht und es in Flammen gesetzt, was jedoch in keiner Schrift der Apostel zu finden ist.
Derselbe heilige Justinus zitiert voller Vertrauen das Orakel der Sibyllena; und mehr noch, er behauptet sogar, die Reste der kleinen Häuser gesehen zu haben, in denen die zweiundsiebzig Übersetzer der Bibelb zur Zeit des Herodes beim Leuchtturm von Alexandria vor Ägypten eingeschlossen waren. Das Zeugnis eines Menschen, der das Unglück hatte, diese Häuschen zu sehen, scheint darauf hinzudeuten, dass der Autor selbst dort eingesperrt war.
Der heilige Irenäus, der nach ihm lebte und ebenfalls an das tausendjährige Reich des neuen Jerusalem glaubte, sagt, er habe von einem Greis erfahren, dass der heilige Johannes die Apokalypse verfasst habe. Doch hat man dem heiligen Irenäus vorgeworfen, er habe geschrieben, dass es nicht mehr als vier Evangelien geben dürfe, weil es nicht mehr als vier Erdteile gebe, und vier Hauptwinde, und weil Ezechiel nicht mehr als vier Tiere gesehen habe.c Er nennt diese Überlegungen einen Beweis. Man muss zugeben, dass die Art, in der Irenäus etwas beweist, genauso viel wert ist wie die von Justinus, in der er behauptete, etwas gesehen zu haben.
Clemens von Alexandria spricht in seinen Electa2 nur von einer Apokalypse des heiligen Petrus, von der man damals viel Aufhebens machte. Tertullian, ein großer Befürworter des tausendjährigen Reiches, versichert nicht nur, dass der heilige Johannes die Wiedererrichtung von Jerusalem und dieses tausendjährige Reich vorhergesagt habe, sondern er behauptet sogar, dass dieses Jerusalem schon beginne, sich in der Luft zu formen und dass alle Christen in Palästina und selbst die Heiden es während vierzig aufeinanderfolgenden Tagen am Ende der Nacht gesehen hätten. Doch unglücklicherweise verschwand die Stadt, sobald es hell wurde.
Origenes zitiert in seinem Vorwort zum Johannesevangelium und in seinen Homiliend die Weissagungen der Apokalypse, aber er zitiert gleichfalls die Orakel der Sibyllen. Der heilige Dionysius, Bischof von Alexandria, der um die Mitte des 3. Jahrhunderts schrieb, sagt hingegen in einem seiner von Eusebios überlieferten Fragmente, dass fast alle Gelehrten die Apokalypse als ein Buch ablehnten, das sich von der Vernunft verabschiedet habe; dass dieses Buch nicht vom heiligen Johannes verfasst worden sei, sondern von einem gewissen Kerinthos, der sich eines großen Namens bedient habe, um seinen Träumereien mehr Gewicht zu verleihen.
Das Konzil von Laodikeia, das um 360 abgehalten wurde, zählte die Apokalypse nicht zu den kanonischen Schriften. Es war recht seltsam, dass Laodikeia, wo es eine Gemeinde gab, an die sich die Apokalypse richtete,3 einen solchen ihr zugedachten Schatz zurückwies; und dass der Bischof von Ephesus, der bei dem Konzil anwesend war, dieses Buch des Johannes, der doch in Ephesus begraben liegt, ebenfalls ablehnte.
Für alle Augen war sichtbar, dass Johannes sich noch immer in seinem Grab bewegte, wodurch sich die Erde beständig hob und senkte. Jedoch waren sich die gleichen Leute, die meinten, dass der heilige Johannes nicht wirklich tot sei, genauso sicher, dass er die Apokalypse nicht verfasst hatte. Doch diejenigen, die an dem zukünftigen tausendjährigen Reich festhielten, waren in ihrer Auffassung unerschütterlich. Sulpicius Severus bezeichnet in seiner Heiligen Geschichte Buch 9e diejenigen, die die Apokalypse nicht anerkannten, als Wahnsinnige und Gottlose. Schließlich hat sich nach vielen Zweifeln, Einwänden und Gegenreden von Konzil zu Konzil die Auffassung von Sulpicius Severus durchgesetzt. Nachdem die Sache geklärt war, entschied die Kirche, dass die Apokalypse unbestreitbar vom heiligen Johannes stamme, womit es dagegen keinen Einspruch mehr geben kann.
Jede christliche Gemeinschaft nimmt die in diesem Buch enthaltenen Prophezeiungen für sich in Anspruch; die Engländer haben darin die Revolutionen in Großbritannien gefunden; die Lutheraner die Wirren in Deutschland; die Reformierten in Frankreich die Regierung Karls IX. und die Regentschaft der Katharina von Medici: sie haben alle gleichermaßen recht. Bossuet und Newton haben alle beide die Apokalypse kommentiert; aber im Großen und Ganzen haben die eloquenten Ausführungen des einen und die bewundernswerten Entdeckungen des anderen ihnen mehr Ehre eingebracht als ihre Kommentare.
Früher lief ein jeder, der auf irgendeinem Fachgebiet über ein geheimes Wissen verfügte, Gefahr, als Hexer angesehen zu werden. So wurde auch jede neue Sekte bezichtigt, bei ihren Ritualen Kinder zu schlachten, und jeder Philosoph, der von der Begrifflichkeit seiner Schule abwich, wurde von den Fanatikern und den Schurken des Atheismus bezichtigt und von den Dummköpfen verurteilt.
Wagt Anaxagoras etwa zu behaupten, dass die Sonne nicht von dem auf einem von vier Pferden gezogenen Wagen stehenden Apollon gelenkt wird, so nennt man ihn einen Atheisten, und er ist gezwungen zu fliehen.
Aristoteles wird von einem Priester des Atheismus bezichtigt, und da er die Bestrafung seines Anklägers nicht erreichen kann, zieht er sich nach Chalkis zurück. Doch der Tod des Sokrates ist wohl das Schändlichste, was in der Geschichte Griechenlands je vorgekommen ist.
Aristophanesa, dieser Mann, den die Kommentatoren so bewundern, weil er ein Grieche war, wobei sie nicht bedenken, dass auch Sokrates ein Grieche war, dieser Aristophanes also war der Erste, der die Athener auf den Gedanken brachte, Sokrates als Atheisten zu betrachten.
Diesem Komödiendichter also, der weder komisch noch ein Dichter ist, würden wir heute noch nicht einmal erlauben, seine Farcen auf dem Jahrmarkt von Saint-Laurent aufzuführen. Er scheint mir noch viel gemeiner und verachtenswerter, als Plutarch ihn darstellt. Hier folgt nun, was der weise Plutarch über diesen Spaßvogel sagte: »Der Sprache des Aristophanes