Pilger, kommt ihr nach Fulda - Renate Gottschewski - E-Book

Pilger, kommt ihr nach Fulda E-Book

Renate Gottschewski

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Beschreibung

Pilgerwege geben dem Unterwegssein zu Fuß eine ganz besondere Bedeutung. In Mainz war Bonifatius Erzbischof, in Fulda wurde er im Jahr 754 begraben. Der Pilgerweg folgt also über 180 km dem Leichenzug vom Rhein-Main-Gebiet über die Wetterau und den Hohen Vogelberg bis ins Fuldaische. Als Päpstlicher Legat in Germanien hat Bonifatius eine an Rom orientierte Kirchen- und Klosterpolitik im Fränkischen Reich angestoßen. Als Missionar und Kirchenreformer gilt er bis heute als Vorbild in der Weltkirche. Die Autoren erzählen von ihren Erlebnissen beim Pilgern. Sie reflektieren das Leben des Bonifatius und seine Zeit. Einige Psalmen, die von der Jerusalem-Wallfahrt erzählen, sowie das Nachwort von P. Bonifatius Allroggen kommentieren auf ihre Art die Geschichten.

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Pilgerwege geben dem Unterwegssein zu Fuß eine ganz besondere Bedeutung.

In Mainz war Bonifatius Erzbischof, in Fulda wurde er im Jahr 754 begraben. Der Pilgerweg folgt also über 180 km dem Leichenzug vom Rhein-Main-Gebiet über die Wetterau und den Hohen Vogelberg bis ins Fuldaische.

Als Päpstlicher Legat in Germanien hat Bonifatius eine an Rom orientierte Kirchen- und Klosterpolitik im Fränkischen Reich angestoßen. Als Missionar und Kirchenreformer gilt er bis heute als Vorbild in der Weltkirche.

Die Autoren erzählen von ihren Erlebnissen beim Pilgern. Sie reflektieren das Leben des Bonifatius und seine Zeit. Einige Psalmen, die von der Jerusalem-Wallfahrt erzählen, kommentieren auf ihre Art die Geschichten.

Für Ekkehard Pabsch

»Wir wollen nicht stumme Hunde sein, nicht schweigende Späher, nicht Mietlinge, die vor dem Wolf fliehen, sondern besorgte Hirten, die über die Herde wachen, die dem Großen und dem Kleinen, dem Reichen und dem Armen, jedem Stand und Alter, gelegen oder ungelegen den Rat Gottes verkünden.«

Bonifatius, zit. nach Papst Benedikt XVI,, Generalaudienz vom 11. März 2009

Inhalt

Vorwort

Die Vorbereitung – in E-Mail-Schnipseln

I. Bonifatius und seine Zeit

21. Juli 2017 – Von Mainz nach Hochheim

Ein Wallfahrtslied – Psalm 120

22. Juli 2017 – Von Hochheim nach Eschborn

Ein Wallfahrtslied – Psalm 121

23. Juli 2017 – Von Eschborn nach Windecken

Ein Wallfahrtslied – Psalm 124

II. Bonifatius, der Benediktiner und Missionar

24. Juli 2017 – Von Windecken nach Düdelsheim

Ein Wallfahrtslied – Psalm 127

25. Juli 2017 – Von Düdelsheim nach Hirzenhain

Ein Wallfahrtslied – Psalm 128

26. Juli 2017 – Von Hirzenhain zum Hoherodskopf

Ein Wallfahrtslied – Psalm 130

III. Bonifatius, der Päpstliche Legat in Germanien

27. Juli 2017 – Vom Hoherodskopf nach Kleinheiligkreuz

Ein Wallfahrtslied – Psalm 133

28. Juli 2017 – Von Kleinheiligkreuz nach Fulda

Ein Wallfahrtslied - Psalm 134

IV. Bonifatius, der Heilige

Die Aufarbeitung – in E-Mail-Schnipseln

Nachwort von P. Bonifatius Allroggen

Leben und Schaffen des Bonifatius im Überblick

Anhang

Vorwort

Pilgerwege sind keine Handels- oder Wanderwege oder touristische Attraktionen, auch wenn sie als solche genutzt werden. Es sind Wege, die heiliggesprochenen Menschen gewidmet sind oder in enger Verbindung mit ihnen stehen. Auf solchen Wegen verlässt man, mit dem Wissen über die Leistungen der Heiligen, eingetretene Pfade. Wer pilgert, lässt sich auf die Inspiration des Gehens auf eine nicht zufällig gewählte Strecke ein.

Im Christentum werden Menschen als Heilige verehrt, die im Namen des Glaubens Gutes an den Menschen geleistet haben, an denen Gott ganz besonders gewirkt hat. Und wer pilgert, klinkt sich sozusagen in dieses einmal geschehene Wirken ein, um an bestimmten Erfahrungen, Riten und Mythen teilzuhaben.

Selbst wer allein pilgert, ist nie allein. Das Heilige ist zwar spiritueller Natur, kann aber ganz handfest an konkreten Orten bzw. in der eigenen Laufbewegung auf bestimmten Wegen, auf Pilgerwegen, individuell erlebt werden.

Kardinal Ratzinger hat im Gespräch mit Peter Seewald in den neunziger Jahren markant festgestellt: »Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt.« So mancher geht anstrengende Wege durch den Zweifel an Gott, um letztendlich durch Selbsterkennen Gott zu vertrauen.

Wir waren an acht Tagen im Juli 2017 auf der rund 180 km langen Bonifatius-Route in Hessen unterwegs, mit Start im vom Römischen Reich gegründeten Mainz. In der relativ warmen Region säumen alte Weinberge aus jener Zeit den Weg. Die Vororte Frankfurts mit ihren verspielten Fachwerkhäusern aus Holz und Lehm stehen im nachdenklichen Kontrast zur betongewordenen Skyline des Bankenviertels. In der Wetterau, der Kornkammer Hessens, wird das Landschaftsbild mit eingesprenkelten Wäldchen vor allem naturnaher. Der kühlere Vogelsberg weist einsame Wälder und sanfte Hügel auf, bevor der Weg runter in das von Bonifatius aufgebaute kirchliche Zentrum nach Fulda führt. Eine spirituelle Route begleitet durch die verbliebenen Kirchtürme in den Dörfern.

Pilgern, wie wir es erlebt haben, ist eine vielschichtige Erfahrung.

Vor Ihnen, liebe Leser, liegt Geschichtetes.

»Denn Stückwerk ist unser Erkennen….« (1 Kor 13,9)

Grebenhain und Bochum, im November 2021

Jürgen Faitz und Renate Gottschewski

Die Vorbereitung – in E-Mail Schnipseln

09. 01. 2017

Wir können sicherlich an der Strecke noch ein wenig tüfteln.

10. 01. 2017

Also, morgens am 21.07. geht es los. Dass ich den 20.07. genannt habe, war wohl versehentlich – zu viel Sekt an Silvester …. Ja – ich bin dazu übergangen, dass wir morgens gegen achtneun Uhr von Frankfurt aus gemeinsam nach Mainz fahren.

Mainz nach Weilbach – ca. 16 km.

Dieser Kilometer-Angabe traue ich nicht. Selbst auf der bonifatiuswebsite ist die Gesamtlänge einmal mit 172 km und ein andermal mit 185 km angegeben. Heute ist übrigens mein Wanderroutenpaket vom Bonifatius-Verein angekommen. Karte sieht gut aus.

11. 01. 2017

Statt in Hochwaldhausen, schlage ich vor, sollten wir am höchsten Punkt der Route auf dem Hoherodskopf übernachten. Abends treffen sich dort viele Leute, um den herrlichen Sonnenuntergang zu genießen. Hingegen liegt Hochwaldhausen auf der Ostseite. Die Lage am Ende eines Tals ist eher dunkel, da von drei Seiten Wald ist.

Das Hotel in Nidderau hat übrigens heute abgesagt.

12. 01. 2017

Petra hat beschlossen, angesichts ihrer gesundheitlichen Verfassung die Wanderung nicht mit uns mitzumachen.

13. 01. 2017

Toll, dass du die Buchungen machst. Bis ich mich entschieden hätte, wären Wochen drauf gegangen.

Nächste Woche werde ich mal Rucksack und Schuhe kaufen.

16. 01. 2017

Die »Pension zum Sauwirt« habe ich nicht gefunden; das ist m. E. nur ein Lokal, das aber auch einen Link zum »Grünen Paradies« hat.

Für das »Grüne Paradies« habe ich keine Preise gefunden.

Die Liste der gebuchten Pensionen ist vollständig – alles im Lack.

30. 01. 2017

Wie viele Probewanderungen mit Gepäck sollte ich wohl machen?

Am Samstag werde ich Schuhe und Rucksack kaufen – 4 x 20 km sollte ich schon vorher mal mit Gepäck gelaufen sein, denke ich – am besten fange ich in den Osterferien damit an ...

12. 02. 2017

Einen schönen guten Tag Frau Gottschewski, gerne reserviere ich für Sie zwei Einzelzimmer vom 22. – 23.07.. Stornieren Sie bitte eine Woche vorher, weil ich auch im Urlaub bin.

26. 05. 2017

Vom Joggen habe ich eine langsam abklingende Achillessehnenentzündung – das war echt schmerzhaft – muss die Schuhe wechseln ….. jetzt jogge ich seit drei Wochen nicht mehr und habe vor, dies auch bis zur Wanderung zu unterlassen und stattdessen eben einmal die Woche mit Gepäck zügig zu wandern.

Danke für den Hinweis, dass Joggen zu gefährlich ist. Ich lasse das und geh gleich zum Wandertraining über … Ich habe mir vor Wochen den linken Fuß leicht verrenkt …

31. 05. 2017

Oje – zwei Fußlahme auf Pilgertour – das kann ja heiter werden! … Ich suche über den hl. Bonifatius etwas heraus, was lesenswert ist ...

04. 06. 2017

Bei mir war’s der linke Fuß. Wenn es bei dir der rechte ist, können wir uns mit deinem linken und meinem rechten Fuß weiterbewegen, optional. Apropos Fuß: Welche Erfahrungen hast du mit Schuhwerk und Füßen? Dünne Socken und zwei übereinander oder dicke Socken? Ich denke dabei an Blasen.

05. 06. 2017

Mit halbhohen Schuhen habe ich keine guten Erfahrungen – sie drücken mich am Knöchel – alle …. Vielleicht sind meine Füße ganz anders als deine, und du brauchst Bergstiefel selbst in der Tiefebene? … Blasen ... hier hilft Vaseline ...

02. 07. 2017

Jetzt habe ich Rucksack und Schuhe gekauft für die Tour – einen 30 l Rucksack mit Gestell und Halbschuhe, die recht gut aussehen. Die Buchungen sind fertig – vielleicht buche ich schon mal die Fahrtkarte von der Bahn vor – dann ist alles erledigt.

Bonifatius und seine Zeit

Tod im Morgengrauen

Im Morgengrauen des 5. Juni 754 töteten Unbekannte eine Gruppe von Männern in einem Wald bei Dokkum / Friesland. Es gab keine Zeugen. Schnell wurde einer der Toten anhand seiner ungewöhnlichen Körpergröße von 1,90 m und der mitgeführten Kult-Gegenstände für eine Firmung identifi ziert. Auch die vielen christlichen Bücher deuteten darauf hin, dass es sich um seine Exzellenz Bonifatius, den achtzigjährigen Erzbischof von Mainz und Päpstlichen Legaten für Germanien, handelte.

Wurden die Schlafenden im Zeltlager gezielt beiseite geschafft? Der Moment - ein schutzloses Nachtlager in der Natur – war günstig. Wenn ja, wer könnten die Auftraggeber gewesen sein?

Oder war es eine Verwechslung mit einem reichen Reisenden? Oder hat gar Bonifatius selbst das Blutbad beauftragt, um einen Märtyrertod zu sterben? Die genauen Todesumstände des Bonifatius liegen bis heute im Ungewissen.

Wie sah die Welt des Bonifatius im 8. Jahrhundert aus? Wie erklärt sich die spätere Heiligsprechung? Schließlich ist die heutige Bonifatius-Route, auf der unsere Pilger Jürgen und Renate seinem Leichenzug von Mainz nach Fulda nachspüren, Teil dieses Kultes.

Der Schein kann trügen

»Nur der Scheich ist wirklich reich« sang Ideal 1980 in dem Lied »Blaue Augen«. Im Zusammenhang mit Kryptowährungen kursiert der Spruch: »Nur der Schein ist wirklich rein«. Auch der Heiligenschein? »Es ist nicht alles Gold, was glänzt«, weiß der Volksmund. Im Bochumer Schauspielhaus wurde 1984 das Stück »Der Schein trügt« von Thomas Bernhard uraufgeführt. Zwei Brüder treffen sich zweimal in der Woche und reden konsequent aneinander vorbei.

Es ist eine vielfach geteilte Erfahrung, dass selbst die jüngere Vergangenheit einem heute völlig fremd und unverständlich erscheint. Wie konnten Menschen nur so bzw. so denken und handeln? Um wie viel schwieriger ist es, sich in die Zeit vor über 1250 Jahren hineinzudenken?

Gesichert wissen wir heute immer noch recht wenig über die damaligen Lebensumstände. In Germanien gab es keine Schriftkultur. Auch in den ehemaligen römischen Provinzen war der Alphabetisierungsgrad auf unter zehn Prozent in der Bevölkerung gesunken. Zu den Schreibkundigen zählten vor allem die Priester und Ordensleute. Diese schrieben neben religiösen Texten vor allem weltliche Auftragsarbeiten wie Urkunden u.ä.. Das im Römischen Reich verbreitete und preiswerte Schreibmaterial Papyrus war nicht mehr verfügbar. Pergament, der Ersatzstoff aus Tierhäuten, war weitaus teurer als Papyrus.

Bonifatius selbst hat weder Tagebuch geführt noch seine Predigten aufgeschrieben oder Gesprächsprotokolle geführt. Allerdings existieren einige Briefe von bzw. an ihn. Originale sind selten. Das meiste sind Kopien. Die Echtheitsnachweise sind sehr mühselig und zeitaufwendig. Insofern stehen alle folgenden Aussagen über Leben und Wirken des Bonifatius, ja selbst die Protokolle der Synoden, Kloster- und Bistumsgründungen, unter dem Echtheits-Vorbehalt. Wieso sind solche Betrachtungen im 3. Jahrtausend weiterführend? Weil Geschichte gegenwärtig »Geschichtetes« ist.

Was ist Wahrheit?

Die faktische Wahrheit ist an der Wirklichkeit überprüfbar. Entweder sie deckt sich mit dem empirischen Wissenschaftsbegriff. Oder sie bezieht sich auf ein widerspruchsfreies System, wie sie die mathematische Logik darstellt; oder auf einen Konsens, wie ihn beispielsweise Gesetze in Demokratien darstellen. Aufrichtigkeit ist ein weiterer Aspekt von Wahrheit. Dieser subjektive Aspekt von Wahrheit weist darauf hin, dass Irren menschlich ist. Die absolute Wahrheit meint, dass die Wahrheit so hinzunehmen ist, wie sie gesetzt ist. Die göttliche Wahrheit ist einerseits absolut, andererseits jedoch nicht vollständig erkennbar. Und mit der irdischen verhält es sich ähnlich.

Unsere Pilger sind weder Theologen, Philosophen noch Historiker. Und doch wollen sie verstehen, was es mit dem hl. Bonifatius auf sich hat. Was könnte er ihnen heute bedeuten?

Die Idee des Göttlichen und die weltlichen Machthaber

Die Ideen des Göttlichen sind so alt wie die Menschheit selbst. Alle Religionen sind Anbindungen (lat. religare) bzw. Rückbindungen. Sie helfen Menschen, sich zu verorten und sicher zu fühlen, insbesondere in unsicheren Lebenslagen. Eine weitere Funktion von Religion im Sinn eines Glaubens an überirdische oder tiefere Wahrheiten und Kräfte ist die Gemeinschaftsbildung, die »Wir-Funktion«.

In den Gebieten, in denen Bonifatius im 8. Jahrhundert vorrangig wirkte, also im heutigen Friesland, Hessen, Thüringen und Bayern, war das Christentum durchaus bereits bekannt. Gleichzeitig waren mit hoher Wahrscheinlichkeit andere Götterkulte weit verbreitet.

Die Germanen waren keine einheitliche Bevölkerungsgruppe auf einem klar abgegrenzten Gebiet, sondern umfassten sehr verschiedene Stämme wie die Sachsen, Hessen, Angeln u.v.m. Sie opferten in einer »Wie wir dir, so du uns« Mentalität (Tun-Ergehen-Zusammenhang) den Göttern im Freien, vorzugsweise an besonderen Bäumen oder Quellen. Dabei galt es, vor allem die Götter zu besänftigen. Eine persönliche Beziehung zu den Göttern war ihnen unbekannt. Die Religionen der Germanen variierten stark. Der Ahnenkult spielte in der Regel eine besondere Rolle.

Die Erosion des römischen Zentralreichs mit dem Aufstieg des Christentums

Kennzeichnend für das Römische Reich waren eine arbeitsteilige Wirtschaft, funktionierende Infrastruktur und Finanzwesen und ein hoher Alphabetisierungsgrad. Dieser betrug 70 Prozent der gesamten Bevölkerung, schloss die Sklaven also ein. Die antike Gesellschaft war über weite Distanzen hochmobil. Die Kultur war vielfältig. Unbeachtet verhungerten Menschen, wurden missbraucht und zur Abschreckung oder Belustigung zu Tode gemartert. Zwar war Rom das »Zentrum der Macht«, aber es gab gleichzeitig mehrere Kaiser.

Christen wurden in den ersten Jahrhunderten verfolgt. Der griechische Philosoph Kelsos warf im 2. Jahrhundert Christen vor, die im Reich tolerierte jüdische Religion zu verfälschen. Sie trügen dazu bei, sozusagen vaterlandslos als Fremdkörper in bestehende Kulturen einzugreifen. Dies gefährde die Weltordnung. Jedes Volk habe seine Gottheit und jede Gottheit habe diesem Volk ein eigenes Gesetz gegeben.

313 n. Chr. wurde den Christen von Kaiser Konstantin im Mailänder Toleranzedikt die Glaubensfreiheit zuerkannt. Historiker schätzen, dass bis dahin ca. 15 Prozent der Bevölkerung Christen waren. Die Erfolgsgeschichte der Christen von einer geradezu traumatisierten kleinen Jüngerschar nach dem Kreuzestod in Jerusalem zu einer Weltreligion ist erstaunlich. Was waren die Gründe für den Aufstieg? Waren es die gelebte Nächstenliebe, die klare Ethik, die Toleranz insbesondere gegenüber den Frauen und eine fröhliche Ausstrahlung? Oder waren es vor allem das große Räume umspannende Kommunikationsnetz, die Organisationsfähigkeit und die Überwindung von Clan- und Blutsbanden, die für christliche Gemeinschaften typisch waren?

Das Konzil von Nicäa bestätigte im Jahr 325 das bis heute gültige Glaubensbekenntnis. Die konkurrierenden arianischen Christen aus dem Ostreich, die die Göttlichkeit Jesu nicht anerkannten, unterlagen. Wenn Gott in das Menschsein Jesu hat eingreifen können und ihn damit »gottgleich« gemacht hat, dann ist der Weg der Gedanken zum »gottgleichen« menschlichen Herrscher sehr kurz.

Das Christentum wurde unter Kaiser Theodosius im Jahre 391 n.Chr. Staatsreligion. Alle heidnischen Kulte wurden verboten und entsprechende Heiligtümer zerstört bzw. umgenutzt Im Römischen Reich des 3. Jahrhunderts nannten sich die Kaiser Dominus et Deus, Herr mit oberster Gewalt und Gott. Als das Christentum Staatsreligion später wurde, hatte das zur Folge, dass sich die jeweiligen Kaiser vom Papst, dem Bischof von Rom, salben ließen. Dieser tief in der griechisch-römischen Mythologie verankerte Ritus ging durchaus konform mit den Vorstellungen des alttestamentlichen Königtums sowie des gesalbten Jesus, eben Christus. So wurde der Herrschaftsanspruch über das Volk religiös legitimiert.

Ab September 394 war Theodosius der letzte Alleinherrscher über das gesamte römische Imperium. Nach seinem überraschenden Tod im Jahre 395 wurde das Reich unter seinen beiden Söhnen aufgeteilt. Zur damaligen Zeit wurde dieser Teilung keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Es war bereits vorher der Normalfall, dass mehrere Kaiser regierten. Niemand konnte ahnen, dass die Teilung diesmal endgültig und für immer war. Die Kaiser hatten einen starken Einfluss auf die Kirche, wie z.B. die justitianische Kirchengesetzgebung im 6. Jahrhundert zeigt. Mit dieser wurde u.a. eine Zwangs-Kindertaufe eingeführt.

Die Merowinger und Karolinger

Nach der Reichsteilung zerfiel das Weströmische Reich bald in verschiedene germanische Königreiche. Die Franken regierten auf einem größeren Teil des heutigen Deutschlands. Das Gebiet nannte sich Aus-trasien und umfasste sowohl ehemals römisches als auch germanisches Gebiet wie Hessen und Thüringen. Es wurde von den Merowingern regiert. Ihr König Chlodwig aus dem Geschlecht der Merowinger eroberte große Teile des heutigen Frankreichs um 486 und residierte in Paris. Er ließ sich als erster germanischer König taufen.

Beim Aufbau der fränkischen Landeskirche spielte der Bischof von Rom, der am Apostelgrab Petri residierte, zunächst keine Rolle. Bischöfe, also die vom Volk und Klerus gewählten Leiter einer Gemeinde, waren auf dem Gebiet des früher römischen Galliens oft weder getauft noch theologisch ausgebildet. Auch der Zölibat galt nicht für Priester und Bischöfe, die mitten in der Welt mit allen ihren Verquickungen und Zwängen standen. Sie waren wie weltliche Herrscher Stadtherren mit eigener Gerichtsbarkeit und unterstanden doch diesen dahingehend, dass die Bischöfe nicht aus der Mitte des Klerus oder der Gemeinde gewählt, sondern von den Landesherren eingesetzt wurden.

Der fränkische Hofstaat kannte eine strenge Ämterordnung. Und das wichtigste Amt war das des Hausmeiers, eben des Verwaltungsleiter bzw. Präfekten. Diese Stellen waren von Karolingern besetzt.

Mit der Zeit konnten die Karolinger immer mehr Macht gewinnen. Karl Martell (688 – 741) besiegte und unterwarf Friesland, Alemannien, Bayern, Aquitanien, Burgund und die Provence. Nicht ohne Grund war sein Beiname Martell, was Hammer bedeutet. Trotz dieser beachtlichen Expansion war ihm die Königswürde verwehrt. Es galt das Geblütsrecht – und das gehörte den Merowingern. Durch Einheirat war dieses Problem nicht zu lösen. Wie dann?

Die iro-schottische und angelsächsische Mission

Im 3. Jahrhundert erlebte das Mönchtum einen Aufschwung als eine Art Protestbewegung gegen den führenden Kopf der weströmischen Kirche: Cyprian von Karthago. Dieser bestand darauf, dass nur Bischöfe die Kirche leiten dürfen – und es gäbe eben nur die eine Kirche – die römische Kirche. Damit war abweichenden Meinungen die Möglichkeit genommen, sich zu Wort zu melden. Dann eben lieber eine katholische Sonderform leben, eine besondere Gemeinschaft - »ein Herz und eine Seele« sein (Apg 4,32): ein Kloster! Spätestens im 5. Jahrhundert fand das Mönchtum seinen Platz in die kirchliche Gemeinschaft Roms zurück. Den Klöstern wurden gewisse Sonderrechte und Eigenständigkeiten eingeräumt, die u.a. in Irland und England genutzt wurden.