Pilgerreise nach Jerusalem und den heiligen Stätten - Aetheria von Aquitanien - E-Book

Pilgerreise nach Jerusalem und den heiligen Stätten E-Book

Aetheria von Aquitanien

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Beschreibung

Mit der Beschreibung ihrer Pilgerreise der spätantiken Autorin Aetheria in das Heilige Land, ist der Nachwelt einer der ältesten Berichte einer solchen Wallfahrt zu den heiligen Stätten in Palästina überliefert worden. Er gibt einen wertvollen Einblick in das Leben der frühen orientalischen Christen, schildert Aussehen und Lage die heiligen Stätten, und beschreibt anschaulich die Rituale und Gottesdienste während der Weihnachts- und Osterzeit. Er ist somit ein wertvolles und einmaliges Zeugnis über das christliche Pilgerwesen in der sich ihrem Ende zuneigenden römischen Antike.

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Schätze der christlichen Literatur

Band 36

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Literatur

Einleitung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

Reisebeschreibung der Aetheria

I. Besuch des Berges Sinai

II. Rückkehr über Ägypten nach Jerusalem

III. Besuch des Berges Nebo

IV. Ausflug ins Ostjordanland

V. Reise nach Mesopotamien und Rückkehr nach Konstantinopel

Zweiter Teil. (Kap. 24-40.)

Beschreibung der kirchlichen Feste an den hl. Stätten in und bei Jerusalem

Zusatz zu den Anmerkungen

Anhang I. Kirchliche Chronologie 1-400 n. Chr. (Nach Kellners Heortologie.)

Anhang II. Zur Topographie der Pilgerreise der hl. Aetheria. (Aus dem Englischen.)

I. Der Berg Sinai

II. Von Faran bis Klysma (Suez)

III. Gosen, und von Pelusium nach Palästina

IV. Der Ausflug zum Berge Nebo

V. Reise zum Grabe Hiobs im Ostjordanlande

VI. Reise nach Mesopotamien

Vorwort.

UNTER den zahllosen Beschreibungen von Reisen in den Orient und besonders in das hl. Land, die zumal in den letzten Jahrzehnten bei dem steigenden Reiseverkehr sich drängen, nehmen in kulturgeschichtlichem Interesse einen besonders hervorragenden Platz die Berichte der Pilgerreisen aus den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung ein.

Einen der ältesten und wertvollsten Berichte - den einer aquitanischen Pilgerin - aus dem Ende des vierten Jahrhunderts, der erst vor etwas über 30 Jahren1 gefunden wurde, versucht der Herausgeber in der folgenden Übersetzung der deutschen Lesewelt zum ersten Male zugänglich zu machen.

Die Arbeit, die mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden war, hat mehreren befreundeten Dozenten vorgelegen und deren wohlwollende Beurteilung gefunden. Der wertvollen Hilfe philologischer, theologischer und historischer Sachkenner und Schulmänner habe ich noch besonders dankbar zu gedenken.

Nachdem ich selbst vor zehn Jahren als Erfüllung eines Lebenswunsches eine längere Orientreise in anregendster Gesellschaft habe machen und die hl. Stätten habe besuchen dürfen, war es mir eine doppelte Freude, den uralten Bericht einer ähnlichen Fahrt vor 1500 Jahren, der mit Pietät, offenem Blick und warmem Herzen geschrieben ist, zu lesen und mich in die Stimmung der Pilger jener Zeit ein wenig zurückzuversetzen.

Sollte es mir gelingen, ähnliche Gefühle bei dem Leser zu erwecken, so wäre meine Mühe reich belohnt.

Bonn, im Reformationsjubeljahr, den 31. Oktober 1917. Der Herausgeber.

1 Anmerk. d. Hrsg.: Im Jahre 1884.

Literatur.

1. Peregrinatio Silviae ad loca sancta; 1883 in Arezzo gefunden und herausgegeben von Gamurrini, in Rom 1884.

2. The pilgrimage of Silvia, translated; lateinisch und englisch von John Bernhard, London 1891.

3. Peregrinatio ad loca sancta, russische Übersetzung von Pomialowsky, St. Petersburg 1889.

4. Silviae vel potius Aetheria peregrinatio ad loca sancta von Heräus, Heidelberg, Winter 1908.

5. Kurz, Kirchengeschichte, 1. Bd., Leipzig, Neumann, 14. Auflage, 1906. 6. Hergenrother, Kirchengeschichte, 1. Band, Freiburg, Herder, 4. Auflage, 1902.

7. Schanz, Römische Literaturgeschichte, 4. Band, München, Müller. 8. Ebert, Allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters bis 1000 n. Chr. 3 Bände, 2. Auflage 1889; 1. Band.

9. Geyer, Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum Band 39; Itineraria, Wien 1898.

10. Geyer, Programm des Anna-Gymnasiums in Augsburg 1890. Die wirkliche Verfasserin der Peregrinatio Silviae.

11. Heinrich Kellner, Bonn, Heortologie, Geschichte der kirchlichen Feste 3. Auflage, Freiburg, Herder, 1911.

12. Hauk, Theologische Enzyklopädie (Art. Silvia).

13. Tübinger Theologische Quartalschrift 1888; Weymann, Über die Pilgerfahrt der Silvia in das hl. Land, S. 3450 (70. Jahrgang).

14. Rheinisches Museum 1909; Karl Meister, De Peregrinatione Silviae perperam addicta.

15. Kölnische Volkszeitung vom 25. Dezember 1910 (Nr. 108); Baumstark, Die Weihnachtsfeier in Jerusalem im 5. Jahrhundert.

16. Stolz, Geschichte der lateinischen Sprache, Leipzig, Goeschen, 1910, Kap. 12, Das Vulgärlatein.

17. Baumstark, Oriens christianus, Aufsatz über die Peregrinatio Silviae.

18. E. Löfstedt, Kommentar zur Peregrinatio Aetheriae. Upsala 1911 (Leipzig, Harrassowitz).

19. Mommsen, in den Sitzungsberichten der Königl. Preuß. Akademie 1887; philos.-histor. Klasse S. 357-64.

20. Eduard Wölfflin, Archiv für lateinische Grammatik und Lexikographie, Bd. 4, 8. 259-77 und Literarisches Zentralblatt 1887; 2. Juli, Über die Latinität der Peregrinatio ad loca sancta.

21. Teuffel, Geschichte der römischen Literatur, Leipzig, Teubner, III § 412; Die Itinerarien.

22. Felix Dahn, Geschichte der germanischen Könige, Bd. 5 u. 6.

23. Aschbach, Geschichte der Westgoten, Frankfurt a. M., 1827.

24. Die Kultur der Gegenwart, I. Abt. 8, Die griechische und lateinische Literatur und Sprache. 3. Die lateinische Sprache von Skutsch, Leipzig, Teubner, 2. Auflage 1907; S. 464.

25. Mickley, Arculf, eines Pilgers Reise nach dem hl. Land, (um 670) Aus: Das Land der Bibel II. 34. Leipzig, Hinrichs 1917. (42 und 64 S.) Mit 4 Grundrissen und 2 Abbildungen.

Einleitung.

KAUM war das Christentum unter Konstantin dem Großen im Jahr 313 n. Chr. im Staate anerkannte Religion geworden, kaum hatten die Christenverfolgungen aufgehört, so begann ein mächtiger Wandertrieb und eine gewaltige Sehnsucht nach dem hl. Lande sich zu regen nach den Stätten, wo der Erlöser und seine Jünger gewandelt und gewirkt haben. Unter den ersten dieser Pilger befand sich die Kaiserin Helena, Konstantins Mutter, die nach der Sage das Kreuz Christi in Jerusalem gefunden hat und nach Eusebius drei prächtige Kirchen an jener Stätte - der heutigen Grabeskirche - errichten ließ. Dieser Pilgertrieb wurde fast zur krankhaften Sucht, so daß einsichtige Kirchenväter, wie Gregor von Nyssa (Epistola 3), davor warnten. Hieronymus (Ep. 46) allerdings glaubte im Namen seiner frommen Freundinnen, in rhetorischer Weise, niemand könne „ohne dieses unser Athen“ das Ziel seiner geistlichen Bestrebungen erreichen.

1.

Von den ältesten Reise- und Pilgerberichten sind uns folgende acht in lateinischem Text erhalten:

1. „Itinerarium Burdigalense“, Reiseweg von Burdigala (Bordeaux) bis Jerusalem, vom Jahre 333, eine bloße dürftige Aufzeichnung der einzelnen Reisestationen (mutationes) und ihre Entfernungen und Gasthäuser (mansiones) (Geyer S. 133). Der Reiseweg geht von Burdigala nach Jerusalem und zurück über Rom und Mailand; nur hier und da werden einige Merkwürdigkeiten angegeben, aber es ist keine Reisebeschreibung.

2. „Peregrinatio Aetheriae (Silviae)“, Pilgerreise der Aetheria (Silvia), wohl zwischen 380-395 n. Chr., der bedeutendste und wertvollste Reisebericht; ihn bringt unsere Übersetzung.

3. Eucherius (Bischof von Lyon um 450): „de situ Hierosolymae urbis atque ipsius Judaeae epistola ad Faustum presbyterum“, ein Brief an den Presbyter Faustus über die Lage Jerusalems und Judäas (Geyer 123-134), lediglich eine unselbständige Zusammenstellung aus mündlichen und schriftlichen Reiseberichten.

4. Theodosius (um 550): „de situ terrae sanctae“, über die Lage des hl. Landes (Geyer 135-150 und Gildemeister, Bonn 1882), nebst einem kurzen Anhang „Breviarius de Hierosolyma“, Kurzer Bericht über Jerusalem. Die Schrift hat selbständigen Wert.

5. Antoninus Placentinus Martyr oder Anonymus von Piacenza „Itinerarium“, Reisebeschreibung, um 580 geschrieben (Geyer 157-191) auch ein guter Bericht.

6. Adamnanus († 704) „de locis sanctis libri tres“, 3 Bücher über die hl. Stätten, im 7. Jahrhundert, um 675 geschrieben nach Berichten des gallischen Bischofs Arculfus, auch auf guten Quellen beruhend (Geyer 219-297).

7. Beda Venerabilis, Abt in England um 750: „liber de locis sanctis“, das Buch über die hl. Stätten (Geyer 299-324), ein einfacher Auszug aus Eucherius, Adamnanus und Hegesippus.

8. Petrus Diakonus, Abt in Monte Cassino um 1137: „de locis sanctis“, über die hl. Stätten. Er schöpfte aus Beda und der „peregrinatio Aetheriae (Silviae)“; daher kann letztere in ihren großen Lücken durch den Bericht des Petrus Diakonus vielfach ergänzt werden.

2.

Was nun unsere Schrift, die sogenannte „peregrinatio Aetheriae (Silviae)“ betrifft, so wurde das Manuskript 1883 in einem Kodex der Bibliothek der Marienbruderschaft in Arezzo durch den dortigen Stadtbibliothekar Gamurrini gefunden, zugleich mit Bruchstücken von Hymnen des Hilarius von Poitiers und seines Traktates „de mysteriis.“

Der Charakter der Schrift ist langobardisch und weist auf das 11. Jahrhundert hin. Der Finder gab das Manuskript 1884 in Rom in Druck. Leider fehlen bedeutende Teile der Schrift, so der Bericht über die Hinreise sowie der über den ersten längeren Aufenthalt in Jerusalem; dann fehlt zweimal in der Mitte des Textes je ein Blatt mit der Beschreibung der Weihnachtsfeiern in Bethlehem und in Jerusalem, und endlich die Rückkehr von Konstantinopel in die Heimat. Dafür sind uns aber sehr interessante und wichtige Berichte erhalten bei Petrus Diakonus. Durch ihn erfahren wir, daß die Pilgerin Jerusalem zum Standort für ihre Ausflüge wählte. Sie betete in Bethlehem, in den Gräbern Davids und Salomons und in der Hirtenkapelle. Sie besuchte Hebron und sämtliche Stätten aus der Patriarchenzeit, sie durchquerte ganz Palästina bis zum Berg Tabor und Karmel; Nazareth und Nain, Tiberias und Kapernaum hat sie gesehen. Dann zog sie nach Ägypten, aber Sehnsucht trieb sie wieder nach Jerusalem und zum Sinai und zu den Stätten des Moses zurück.

Hier beginnt unsere Schrift. Im ersten Teil (cap. 1-23) beschreibt die Pilgerin ausführlich den Berg Sinai, seine gewaltige Größe, seinen herrlichen Rundblick; sie läßt sich von den Mönchen den Dornbusch, den Wasserfelsen zeigen; diese wissen auch, wo es Manna regnete, wo die Wachteln erschienen, wo Moses das Feuer löschte. Sie rastet in Pharan, berührt Klysma (Suez), besucht das Land Gosen und Tanis, Moses Geburtsort. Von hier geht es zurück nach Jerusalem.

Doch die Ruhelose hält nicht lange still, sie unternimmt einen zweiten Abstecher zum Berg Nebo, von dem Moses vor seinem Tod das hl. Land sah, und wo sein Grab verehrt wurde; die Säule von Loths Weib am Toten Meer war verschwunden, aber die Stelle wurde noch gezeigt.

Nach einiger Zeit beginnt sie den dritten Pilgerzug über den Jordan zum Grab Hiobs und zur Stadt Melchisedeks im Ostjordanland. Auch die Stelle, wo Johannes am Jordan taufte, wurde ihr gezeigt.

So vergehen drei Jahre und die Zeit der Heimkehr naht. Aber ihre zähe Wißbegier (ut jam satis curiosa) führt sie noch über Antiochien und Hierapolis bis über den Euphrat, um in Edessa das Grab des Apostels Thomas zu besuchen. Dort läßt sie sich vom Bischof eine Abschrift des legendenhaften Briefwechsels zwischen Christus und dem König Abgar von Persien mitgeben; sie nimmt die Briefe mit, obgleich sie schon ein Exemplar in der Heimat hat, ne quid forsitan minus ad nos in patriam pervenisset, nam vere amplius est, quod hic accepi - sie meint also, das zweite Exemplar sei vollständiger. Die Briefe enthielten die Verheißung, daß kein Feind je die Stadt betreten solle. Der Bischof erzählte dazu der Pilgerin die Legende, wonach infolge jener Verheißung die Perser vom Angriff auf die Stadt hatten ablassen müssen.

Von Charrae, dem äußersten Punkte, geht die Reise über Antiochien nach Tarsus. Von hier macht die Pilgerin einen Abstecher nach Seleucia in Pisidien, wo sich das Grab der hl. Thekla befindet, und wo sie deren Märtyrerakten liest. Dann geht es durch Kleinasien auf den bekannten römischen Staats- und Pilgerstraßen zurück nach Chalcedon, wo sie das Grab der hl. Euphemia besucht, und von da nach Konstantinopel. Von hier sendet sie ihren Reisebericht ab.

Im zweiten, noch wichtigeren und bedeutsameren Teile (Kap 24-49) gibt die Pilgerin ihren Leserinnen und lieben, verehrten Schwestern (vestra affectio) d. h. den Nonnen ihres heimatlichen Klosters (sorores venerabiles) eine Beschreibung der Gottesdienste in Jerusalem von Weihnachten bis Pfingsten. Dieser Bericht ist um so wertvoller, als er außer Kyrills „Katechesen“ der einzige ausführliche hierüber aus dem vierten Jahrhundert ist. Besonders anschaulich ist die Beschreibung der Gottesdienste in der Fasten- und Osterzeit. Bei der Feier der Kirchweihe (14. September), dem dies encaeniarum, dem Gedächtnisfest der Einweihung der zwei Kirchen Anastasis und Martyrium, wo Tausende weither zu diesem achttägigen Freudenfeste herzuströmten, bricht der Bericht plötzlich ab.

Auch die Sakramente, Taufe und Abendmahl, sowie der Religionsunterricht der Katechumenen und Taufbewerber werden dabei anschaulich beschrieben.

Dieser Abschnitt läßt uns einen klaren Blick in die Einfachheit und Eigenart des christlichen und kirchlichen Lebens in den ersten Jahrhunderten tun und bestätigt und vervollständigt die hierüber schon vorhandenen Berichte bei den Kirchenvätern und in Eusebius Kirchengeschichte. Auf diese damaligen kirchlichen Verhältnisse kommen wir noch zurück.

3.

Über die Verfasserin unseres Reiseberichtes ist man bisher über Vermutungen nicht hinausgekommen.

Gamurrini glaubte in derselben eine Pilgerin namens Silvia oder Silvania gefunden zu haben, eine Schwester des römischen Präfekten Rufinus, die bei Palladius in seiner „Historia Lausitana“ cap. 143 erwähnt wird.

Diese Vermutung ruht freilich auf sehr unsicherer Grundlage; bedenklich jedenfalls stimmt, was Palladius in der „Historia Lausitana“ p. 143 jene Pilgerin Silvia von sich selbst sagen läßt: „Ich bin jetzt 60 Jahre alt; außer den Spitzen meiner Finger (und dies bloß zur Vornahme der Kommunion) hat nie Wasser mein Gesicht, meine Füße noch eins meiner Glieder berührt. Selbst wenn ich, mit verschiedenen Krankheiten behaftet, von den Ärzten gedrängt wurde ein Bad zu nehmen, konnte ich es nicht ertragen, dem Fleische seine Gebühr zu geben. Ich habe nie auf einem Bette geschlafen, noch bin ich je in einer Sänfte gereist usw.“

Diese ganz asketische Abtötung des Fleisches, sogar auf Kosten der Reinlichkeit und Gesundheit, entspricht unseres Erachtens nicht dem Bilde und dem Charakter unserer Pilgerin, die, wenn sie auch die Fasten und Kasteiungen von Eremiten schildert, das nie von sich sagt, die auch zu Pferde reist und sich öfters in einer Sänfte tragen läßt. Auch ihr offenes Auge für die Schönheiten der Natur auf dem Sinai, im Lande Gosen und im fruchtbaren Ostjordanland zeugen von einem weltoffenen Sinn und einer Schätzung auch irdischer reiner und edler Genüsse und Gottesgaben.

Mit größerer Wahrscheinlichkeit hat Férotin („le véritable auteur de la „Peregrinatio Silviae“, la „vierge espagnole Etheria“, in der „Revue des Questions Historiques“ 1903) als Verfasserin der Schrift eine spanische oder aquitanische Nonne oder Äbtissin Eucheria oder Aetheria angenommen, die als Tochter des Konsuls Eucherius mit dem Kaiser Theodosius verwandt war. Mit voller Deutlichkeit geht aus der Schrift hervor, daß die Verfasserin eine angesehene Frau von höherer Stellung gewesen ist, was jedenfalls ihrer nahen Verwandtschaft mit hohen römischen Beamten entspricht. Überall kommt man der Reisenden höflich und bereitwillig entgegen, Kleriker und Mönche begleiten sie und erklären ihr alle denkwürdigen Stätten, Bischöfe empfangen sie mit Ehren und bieten sich als Führer an. Gelegentlich wird Militär zu ihrem Schutze auf unsicheren Wegen in Ägypten und Mesopotamien beordert. Sie reist mit mancher Bequemlichkeit, wenn auch die Ausdauer zu bewundern ist, mit der sie sich, um alles zu sehen, den Strapazen der anstrengenden Reise unterzieht.

Wenn demnach auch größere Wahrscheinlichkeit für Eucheria oder Aetheria spricht, so ist doch ein bestimmter Nachweis bisher noch nicht gelungen. Jedenfalls ist die S. Silvia aus Aquitanien nach Butler (Historia Laus.) „a purely mythical personage.“ Wir gebrauchen daher, solange der Name der Verfasserin nicht mit Sicherheit festgestellt ist, vorläufig den wahrscheinlichen Namen der Aetheria, und setzen den früher gebrauchten Silvia in Klammer.

4.

Eine sehr wichtige und vielumstrittene Frage ist die Zeit der Abfassung unserer Schrift. Gamurrini nahm dafür das Ende des 4. Jahrhunderts, speziell die Zeit zwischen 380 und 390 n. Chr. in Anspruch und stützte sich dabei auf gewichtige Gründe. Neuerdings aber haben Weymann (in der Tübinger theologischen Quartalschrift 1908) und Karl Meister (im Rheinischen Museum 1909) sich bemüht, ein erheblich jüngeres Datum der Schrift zu erweisen und sie ins 6. Jahrhundert versetzt.

Für die frühere Abfassungszeit sprechen im wesentlichen folgende Gründe:

1. Während bei der Beschreibung der Gottesdienste in Jerusalem die drei gottesdienstlichen Gebäude, die im 4. Jahrhundert vorhanden waren, immer wieder erwähnt werden, wird die im 5. Jahrhundert erbaute Kirche St. Stephan und St. Maria nie genannt und war also auch wohl noch nicht vorhanden. Die Reise wird also vor ihrer Erbauung stattgefunden haben.

2. Der Bischof von Charrae berichtet der Pilgerin (cap. XX, 12), die Gegend von Nisibis und Ur hätten die Perser im Besitz, dorthin sei kein Zugang mehr (modo) für die Römer. Diese ganze Gegend war 363 n. Chr. vom Kaiser Jovinian an die Perser abgetreten worden - nach des Bischofs Wort: modo d. h. vor nicht langer Zeit. Das paẞt gut zu Gamurrinis Zeitbestimmung, nach der die Abtretung etwa 20 Jahre vor der Reise erfolgte. Freilich deutet modo nach Meister nicht die nächste Vergangenheit, sondern meist eine längere Zeit an, daß aber ein Zeitraum von 150 Jahren noch so bezeichnet werden könnte, ist nicht wahrscheinlich.

3. Die Pilgerin sah in Edessa2 die Kirche St. Thomas im Neubau, in nova dispositione, der unter Kaiser Valens 372 n. Chr. vollendet wurde (Socrates, Hist. eccles. 18). Zwar beruft sich Meister auf die Chronik von Edessa 12, 14, daß dort eine neue Kirche im Jahr 324/5 gebaut worden sei, aber das kann die Angabe der Aetheria, daß sie in Edessa eine Kirche in nova dispositione gesehen habe, nicht entkräften.

4. In Edessa besuchte die Pilgerin die neue Kirche und die Märtyrergrabstätte des hl. Thomas (ecclesia et martyrium, cap. XIX, 2); sie unterscheidet also anscheinend zwei Gebäude. Da nun im Jahr 394 die Gebeine des Apostels (Chronik. Edessa bei Assemann B. O. i. p. 399) in die neue Kirche übertragen wurden, muß ihr Besuch wohl schon vorher stattgefunden haben. - Freilich hat dieser Grund keine starke Beweiskraft, denn es ist Meister zuzugeben, daß das durch et verbundene zweite Substantivum das erste oft näher bestimmt; Kirche und Martyrium wären in diesem Fall also nicht verschiedene Gebäude.

5. Die Bischöfe von Bathmae, Edessa und Charrae werden Bekenner, confessores, genannt. Diesen Ehrennamen haben sie von der Zeit der Verfolgung durch die Arianer unter Kaiser Valens († 378), unter dem fast alle rechtgläubigen Bischöfe im Orient abgesetzt und verjagt wurden. Der Bischof Eulogius von Edessa starb 387 n. Chr.; ihm folgte Cyrus, der unter Theodosius und Arkadius nicht mehr verfolgt wurde, also kein Bekenner war. Daher war der Bischof, der die Pilgerin begrüßte, wahrscheinlich Eulogius und ihr Besuch in Edessa muß vor 388 stattgefunden haben.

6. Die Pilgerin erwähnt bei den Gottesdiensten als ihr auffällig, neu und bewundernswert (cap. 47, 5), daß die Psalmen, Lektionen und Gebete bei den verschiedenen Festen stets der betreffenden Festzeit und dem betreffenden hl. Orte passend und entsprechend seien. Diese Sitte wurde in der gallischen Kirche erst durch einen Presbyter Musaeus in Massilia um 450 n. Chr. eingeführt. Auch dies weist auf eine frühere Abfassung der Schrift hin.

Meister hat die Gründe, die ihn bestimmen, die Reise der Pilgerin in die Jahre 533 bis 539 zu verlegen, also 150 Jahre später anzusetzen als Gamurrini, im Rheinischen Museum für Philologie 64, Band 1909, ausführlich und scharfsinnig entwickelt. Indem wir für eingehende Studien auf seine Ausführungen verweisen, gehen wir hier nur auf die Hauptpunkte ein.

a) Die Angabe Meisters, Hilarion habe erst 371 das Klosterwesen in Palästina begründet, scheint für die Herabsetzung der Schrift ins sechste Jahrhundert nicht beweiskräftig zu sein. Zwar ist die Zahl der Mönche, die die Pilgerin an vielen Orten trifft, auffallend groß, aber diese Mönche sind nicht in organisierten Klöstern zu suchen, wie Hilarion sie einrichtete, sondern sie leben als Eremiten in Grotten und einzelnen Hütten. Dieser Unterschied erklärt wohl auch den Widerspruch bezüglich der Bewohnung des Sinai. Postumianus nämlich soll, wie Sulpicius Severus, ein Schüler des Martin von Tours berichtet, vor 400 n. Chr. den Berg einsam und unbewohnt gefunden haben; ein Zeitgenosse des Sulpicius Severus aber, Nilus, berichtet, daß er als Eremit im Sinai gesessen habe und daß bei einem Einfall der Araber 411 sein Sohn gefangen und verschiedene Mönche getötet wurden. Organisierte Klöster mit großen klösterlichen Gebäuden und unter geistlicher Leitung, wie sie Meister voraussetzt, gab es, von einzelnen selteneren Fällen abgesehen, erst später, und fast nur in Städten und bewohnten aber nicht in wüsten und gebirgigen Gegenden.

Im Abendland verhielt es sich in dieser Beziehung anders. Das Mönchtum ist hier im vierten Jahrhundert aufgekommen, aber gleich weniger in der Form des Eremitentums, sondern in der von organisierten Klöstern unter geistlicher Leitung. Es ist also nicht auffallend, daß Aetheria um 380390 als Vorsteherin eines organisierten Klosters in Aquitanien erscheint.

b) Der Bischof von Edessa schenkte der Pilgerin (cap. XIX, 19) den legendarischen Briefwechsel Christi mit König Abgar, und sie nimmt ihn hocherfreut, obwohl sie schon in ihrem Kloster ein Exemplar besitzt, denn das geschenkte ist vollständiger. Diese Briefe hat Eusebius (270-340) aus dem Syrischen ins Griechische und Rufinus nach 390 ins Lateinische übersetzt. Die lateinische Übersetzung konnte in Gallien erst im 5. Jahrhundert bekannt sein und die Pilgerin hätte von ihr um 385 nicht sprechen können, es käme also für ihre Reise nur der spätere Termin in Betracht. Aber sie versteht griechisch und wie der Zusammenhang ergibt, ihre Klosterschwestern auch. Daher kann die im Besitz des Klosters befindliche Übersetzung sehr wohl die griechische des Eusebius gewesen sein.

c) Die Pilgerin kam auf der Rückreise nach Chalcedon3 (cap. XXIII, 7) und verweilte dort wegen der hochberühmten Märtyrerstelle der Euphemia. Nach Meister ist das Beiwort „famosissimus“ nur durch die hohe Bedeutung der Stadt als Ort des Konzils von 451 zu erklären, dessen Akten im Martyrium niedergelegt waren; und durch diese Beziehung wäre man wieder genötigt, den späteren Reisetermin anzunehmen. Indessen ist die Beziehung auf das Konzil im Text gar nicht erwähnt und der Superlativ könnte einfach gewählt sein, um das Martyrium einer jungfräulichen Märtyrerin hervorzuheben.

d) Petrus Diakonus erwähnt in einer Stelle seines Reiseberichtes, indem er unserer Pilgerin wörtlich folgt, bei Klysma, d. h. Suez, daß von hier jährlich ein Legat nach Indien geschickt werde jussu imperatoris Romani, auf Befehl des römischen Kaisers. Hieraus schließt Meister, der Bericht der Pilgerin müsse nach 476 fallen, da sie nur einen Kaiser erwähne. Der Beweis ist aber hinfällig, wenn die Abfassung, wie Gamurrini annimmt, vor 395 unter die Zeit der Herrschaft Theodosius des Großen fällt, denn dieser Kaiser hatte zwar bis 394 Nebenkaiser, aber er selbst behielt die Oberleitung des ganzen Reiches in seiner Hand.

e) Große Schwierigkeit macht die Mitteilung der Pilgerin (cap. XXVII, 1), sie habe hic