Planetenroman 47 + 48: Gucky und das Zeitraumschiff / Die schwarze Macht - Klaus Fischer - E-Book

Planetenroman 47 + 48: Gucky und das Zeitraumschiff / Die schwarze Macht E-Book

Klaus Fischer

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Beschreibung

Der Weltraum hat nicht nur unendliche Weiten - sondern ebenso unendliche Zeiten. Und so kann es vorkommen, dass Menschen nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit ins Unbekannte verschlagen werden. Der Mausbiber Gucky begibt sich auf eine unfreiwillige Expedition ins Ungewisse, die durch das geheimnisvolle Schiff eines unbekannten Volkes ausgelöst wird. Zusammen mit einem Major der USO und einem fernen Nachfahren Reginald Bulls muss er sich den Wanderern zwischen den Welten stellen … Im zweiten Roman endet eine Fernreise in einer Katastrophe. Während ihr Raumschiff im Zentrum einer Sonne verdampft, erreichen die Überlebenden der ERNSTO HOFFMANN II mit Mühe einen fremden Planeten. Dort begegnen sie dem Lavaleben - und der schwarzen Macht … Diese beiden Romane wurden von Klaus Fischer geschrieben. Sie sind seine einzigen Beiträge für den PERRY RHODAN-Kosmos und entsprechend gefragt.

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Band 47/48

Gucky und das Zeitraumschiff

Die schwarze Macht

Klaus Fischer

Verschollen in den Weiten der Zeit

Der Weltraum hat nicht nur unendliche Weiten – sondern ebenso unendliche Zeiten. Und so kann es vorkommen, dass Menschen nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit ins Unbekannte verschlagen werden.

Der Mausbiber Gucky begibt sich auf eine unfreiwillige Expedition ins Ungewisse, die durch das geheimnisvolle Schiff eines unbekannten Volkes ausgelöst wird. Zusammen mit einem Major der USO und einem fernen Nachfahren Reginald Bulls muss er sich den Wanderern zwischen den Welten stellen ...

Im zweiten Roman endet eine Fernreise in einer Katastrophe. Während ihr Raumschiff im Zentrum einer Sonne verdampft, erreichen die Überlebenden der ERNESTO HOFFMANN II mit Mühe einen fremden Planeten. Dort begegnen sie dem Lavaleben – und der schwarzen Macht ...

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch

Gucky und das Zeitraumschiff

Zweites Buch

Gucky und das Zeitraumschiff

Kinder der Unsterblichen – Dynastiesicherung oder Zufall?

Von Atlan ist überliefert, dass er im Jahre 331 vor Christus der alten Zeitrechnung Alexander dem Großen einen Zellaktivator übergab. Der auf der Erde gestrandete Arkonidenadmiral hatte das Potenzial des jungen Makedonen erkannt und ihn gleichsam als Abkürzung zur Einigung des Planeten gesehen. Dies hätte ihn seinem Ziel, nach Arkon zurückzukehren, näher gebracht.

Wer die entsprechenden Sektionen von Cyr Aescunnars »Annalen der Ewigkeit« gelesen hat, weiß, dass und warum dieser Plan letztlich scheiterte. Unter Alexanders Generälen, den Diadochen, ging das große Reich unter und wurde fast unauffällig von den Römern übernommen. Alexanders Nachfolgern, die mangels lebender Söhne an die Macht kamen, war keine große Rolle im Lauf der Weltgeschichte bestimmt; sie verblassten neben ihrem früheren Anführer.

Generationen von Herrschern in der Geschichte der Menschheit haben sich seitdem über Alexander den Großen definiert oder sich als seine Nachfolger angesehen. Von Perry Rhodan ist dies nie überliefert worden, selbst in der größten Ausdehnungsphase des Solaren Imperiums nicht, als dieses sich als galaktisches Großreich ähnlich des Imperiums der Arkoniden etablieren wollte.

Perry Rhodan war schon sehr früh biologisch unsterblich geworden, hat sich also nie ernsthaft mit der Frage nach einem Nachfolger oder – besser – einem Erben befassen müssen. Vielleicht liegt es auch (mit) daran, dass er für ein Leben seiner Länge nur so wenige Kinder gezeugt hat. Alexander wurde 32 Jahre alt und hatte zwei Söhne (einen davon illegitim), die er beide überlebte – Perry Rhodan kommt im etwa Hundertfachen dieser Spanne auf vier Söhne und zwei Töchter. Der Chronist ist allein aufgrund dieser Zahlen geneigt, den Aspekt der Dynastiesicherung in der Rhodanschen Nachwuchsplanung auszuschließen. Falls es denn tatsächlich eine Planung war.

Wir wollen hier nicht darüber diskutieren, ob Perry Rhodan ein guter Vater war oder nicht. Aber die Frage muss erlaubt sein, wie es um die Qualitäten seiner Kinder bestellt war, insbesondere unter dem Aspekt, einst in die Fußstapfen des Vaters treten zu wollen oder zu müssen.

Keiner der Söhne schneidet dabei besonders gut ab: Thomas Cardif konnte nicht verkraften, dass ihm die Wahrheit über seine Abstammung vorenthalten wurde, und wurde zum Feind seines Vaters. Michael Rhodan im Gegensatz konnte nicht verkraften, der Sohn des Großadministrators zu sein, und machte sich selbstständig. Immerhin übernahm er später in seinem Leben mehrfach Positionen mit Verantwortung, konnte aber den Eindruck einer gewissen Unstetheit nie verwischen. Kantiran schließlich war weder für den politischen noch den militärischen Bereich geschaffen und verabschiedete sich schnell wieder von der galaktischen Bühne.

Suzan Betty, Michaels Schwester, waren die Fähigkeiten des Vaters im Bereich der Politik wohl am ehesten in die Wiege gelegt – Eirene können wir hier nicht zählen, da sie als Tochter eines Unsterblichen und der Inkarnation einer Kosmokratin von vornherein nicht mit menschlichen Maßstäben gemessen werden konnte. Aus dem gleichen Grund können wir auch Delorian nur streifen, der nie die Chance hatte, ein Mensch zu werden.

Erging es den anderen Unsterblichen besser? Haben sie Nachkommen gezeugt, die an die Leistungen der Eltern anknüpfen konnten? Kann man zumindest im übertragenen Sinne von »Unsterblichendynastien« reden?

1.

»Nun sehe sich einer das an!« Kopfschüttelnd blickte der Bekleidungsoffizier des USO-Stützpunktes auf den kleinen Raumanzug in seinen Händen. »Entweder führte die OKINAWA Kinder mit sich, oder eine Missgeburt trieb sich an Bord herum!«

Sergeant Wiener stoppte das Band, auf dem er die Kleidungsstücke der Raumschiffbesatzung katalogisierte.

»Ich würde an Ihrer Stelle etwas vorsichtiger sein, Sir«, sagte er, »was Sie mit ›Missgeburt‹ bezeichnen ...«

»Wollen Sie mir ein Privatissimum in Ausdruckslehre erteilen, junger Mann?«, unterbrach ihn der Leutnant scharf.

»... ist Sonderoffizier Guck«, fuhr Wiener ungerührt fort. »Und der ist bekanntlich Telepath und Teleporter ...«

Der Leutnant erschrak. Er hatte nicht daran gedacht, dass der Mausbiber an Major Maurers Vorstoß in die Carnezzini-Dunkelwolke teilgenommen hatte.

»... und Telekinet«, vollendete der Sergeant und beobachtete genüsslich den Wechsel im Mienenspiel seines Vorgesetzten.

Der warf ihm einen giftigen Blick zu.

»Na wenn schon«, knurrte er. »Mutanten sind auch Menschen. Sie kochen letzten Endes auch nur mit Wasser.«

Wiener lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er schien diesen Disput ausweiten zu wollen, vermutlich in der stillen Hoffnung, den Mausbiber aufmerksam zu machen und auf diese Weise seinem Vorgesetzten eins auszuwischen.

»Der erste Teil Ihrer Feststellung ist nicht korrekt, Sir«, sagte er langsam, »nicht alle Mutanten sind Menschen. Sonderoffizier Guck, zum Beispiel ...«

»Sergeant!«, sagte der Leutnant eisig, und deutete auf den Stapel Kassetten, der sich auf Wieners Schreibtisch türmte, »Ihre Kaffeepause beginnt, nachdem Sie das erledigt haben!«

Der Gegenstand dieses Dialogs stand unter der Dusche seiner Unterkunft und ließ sich das warme Wasser auf den Pelz rieseln.

Plötzlich hielt er den Kopf schief, ein abwesender Blick trat in seine Augen. Er brummte etwas vor sich hin, das wie »Na, warte!« klang. Schon schickte er sich an, einen kurzen Teleportersprung durchzuführen. Da sah er an seinem triefenden Fell hinunter. Nackt wollte er diesem Ignoranten von einem Kammerbullen auch nicht gerade gegenübertreten! Es würde sich schon noch eine Gelegenheit finden.

Er drehte die Dusche ab und aktivierte die Heißlufttrockenanlage.

Als er wenig später in seine Freizeitkombination schlüpfte, gellte der Alarm durch die Station.

Die Rundsprechanlage des Interkom knackte, und die ruhige Stimme des Ortungsoffiziers klang auf: »Hier Zentrale. Unbekanntes Flugobjekt im Anflug auf Jurijpawlosk. Entfernung 4,6 Lichtminuten, Geschwindigkeit 40.800 Sekundenkilometer, gleichbleibend. Reagiert nicht auf Anruf! ... Ich wiederhole ...«

Gucky überlegte nicht lange. Er schloss die Magnetverschlüsse und sprang ...

Leutnant Braddock und Sergeant Wiener fuhren hoch, als der Ilt plötzlich zwischen ihnen materialisierte.

»Gaffen Sie mich nicht so an, Leutnant!«, fuhr Gucky den verdatterten Offizier an. »Geben Sie mir meinen Raumanzug! Wir sprechen uns später ...!«

Sprach's, ergriff seine Kombination und verschwand wieder. Nachdem er in seiner Unterkunft Zwischenstation gemacht hatte und seine leichte Kombination mit dem Raumanzug vertauscht hatte, sprang er von Neuem.

Diesmal rematerialisierte er in der Zentrale, genau auf dem Schoß des Stützpunktkommandanten Oberst Jorunde Mbawassa.

»Wo brennt's, Jorunde?«, fragte Gucky in seiner respektlosen Art.

Der USO-Offizier, ein Afro-Terraner, deutete auf den Hauptschirm, auf dem sich ein verwaschener Fleck dem Zentrum näherte.

»Sie antworten nicht«, sagte er in seinem etwas harten Terranisch.

»Sir«, erkundigte sich der Feuerleitoffizier, »wollen wir ihnen nicht eins vor den Bug setzen?«

Der schwarzhäutige Oberst schüttelte den Kopf.

»Wir rufen noch einmal. Zeigen die Fremden wiederum keine Reaktion, schießen Sie ihnen eine Warnsalve leicht steuerbord versetzt in die Bahn, Captain Cusca!«

»In Ordnung Sir.«

Der Feuerleitoffizier speiste das entsprechende Programm in die Waffenpositronik ein, während der Funker noch einmal versuchte, mit dem fremden Raumschiff Kontakt zu bekommen.

»Soll ich springen, Jorunde?«, fragte Gucky, der sich inzwischen in einen freien Sessel der Zentrale gehockt hatte.

»Noch nicht, Gucky«, sagte der Oberst. »Wir versuchen es erst auf die konventionelle Weise. Außerdem«, fügte er hinzu, als er durch einen Seitenblick bemerkte, wie der Mausbiber ungeduldig hin- und herrutschte, »wollen wir den großen Trumpf, zu dem wir durch dein Gastspiel bei uns gelangt sind, nicht zu früh aus der Hand geben.«

Gucky blickte zu dem Kommandanten hinüber. Schnell versuchte er, in dessen Gedanken zu espern, um festzustellen, ob das mit dem großen Trumpf ernst gemeint war. Aber als USO-Offizier war Oberst Mbawassa mentalstabilisiert. Sein Geist blieb durch eine undurchdringliche Blockade abgeschirmt.

Seufzend gab Gucky seinen Versuch auf.

»Entfernung noch 56 Millionen km«, kam die ruhige Stimme des Ortungsoffiziers. »Geschwindigkeit 40.800, gleichbleibend.«

»Eine verdammt hohe Geschwindigkeit innerhalb eines Systems«, bemerkte einer der Offiziere in der Zentrale. »Es müsste längst abbremsen.«

»Wenn es kann ...«, antwortete ein anderer.

Jorunde Mbawassa sah, wie der Mausbiber sich konzentrierte, nach einer Weile die Augen, die er dabei geschlossen gehalten hatte, öffnete und auf des Kommandanten fragenden Blick den Kopf schüttelte.

»Nichts – keine Impulse! Warum habt ihr das Ding erst so spät geortet?«, wollte er dann wissen.

Jorunde Mbawassa wies auf eine Projektion des Planetensystems.

»Hier sind wir – Jurijpawlosk«, er deutete auf einen Punkt. »Hier steht das Zentralgestirn«, er zeigte auf einen Kreis, »und von dort ...«, er zog mit der Hand eine imaginäre Verbindungslinie zwischen Planet und Fixstern und verlängerte sie über die Sonne hinaus, »von dort kam das Objekt, direkt aus dem Ortungsschatten der Sonne. – Cusca!«

Der Feuerleitoffizier nickte. »In Ordnung, Sir!« Er drückte eine rote Taste.

Achtzigtausend Kilometer vom Bug des fremden Schiffes entfernt, aber nur etwa einen Kilometer zu seiner Flugbahn nach Steuerbord versetzt, entstand plötzlich der gleißende Ball einer Atomsonne.

Zwei Sekunden später passierte das Raumschiff die Stelle der Detonation, ohne, wie die Instrumente auswiesen, Bahn oder Geschwindigkeit zu verändern.

Captain Cusca sah seinen Chef fragend an. Der schüttelte den Kopf.

»Wir wissen nicht, was mit den Fremden los ist. Wie Leutnant Kerete bereits sagte: Vielleicht können sie nicht anders. – Kerete!«, wandte er sich an den jungen Leutnant. »Errechnen Sie die Bahn des Objektes und projizieren Sie sie auf die Systemkarte!«

»Ja, Sir!«

»Cusca, ich brauche sicher nicht zu fragen, ob alle Defensivwaffen gefechtsklar sind?«

»Nein, Sir, das brauchen Sie nicht!« Der Captain grinste.

Der Kommandant, Gucky und die Männer und Frauen der Zentrale, die nicht unmittelbar mit der Instrumentenbeobachtung zu tun hatten, wandten sich der Systemprojektion zu.

Vom rechten Rand kommend erschien ein kleiner schwarzer Kreis und näherte sich in einer allmählich enger werdenden Parabel dem vierten Planeten des Systems.

»Bei Beibehaltung der Bahn Landungsorbit über dem zwölften Breitengrad Nord«, erläuterte Leutnant Kerete. »Genaue Bestimmung erst möglich während der Bremsphase.«

»Natürlich«, nickte Mbawassa.

»Es fragt sich eben nur, ob es noch bremsen kann.« Er sah, wie Gucky erneut die Augen schloss, um sich besser zu konzentrieren.

Enttäuscht schüttelte der Mausbiber nach einer Weile wiederum den Kopf. »Nichts – absolut nichts«, murmelte er.

Jorunde Mbawassa überlegte.

Entweder war die Besatzung nicht mehr am Leben, oder aber, es handelte sich um ein robotgelenktes Schiff.

Im ersteren Falle war die Station unmittelbar gefährdet. Sie lag zwar elf Grad vierundvierzig Minuten nördlicher planetarer Breite. Doch bei der ungeheuren Geschwindigkeit, mit der das Schiff auf den Planeten aufschlagen würde, würde es zu einer Katastrophe kommen, über deren geografische Ausmaße sich noch absolut nichts sagen ließ.

»Entfernung 18 Kilometer«, sagte der Ortungsoffizier, »Landung in zwölf Komma drei-drei Minuten.«

Jemand lachte bitter auf. »Landung ist gut!«

»Wir bauen ein Abfangfeld auf«, vernahmen sie die Stimme des Kommandanten. »Major Pittstein, übernehmen Sie das!«

Ein breitschultriger, untersetzter, etwa vierzigjähriger Mann mit kurz geschorenem, in der Mitte gescheiteltem rotblondem Haar, salutierte.

»Jawohl, Sir – die Werte ...?«

Mbawassa betrachtete den Major sinnend. Dann sagte er: »Die Werte müssen Sie selbst herausfinden, Pittstein – aber vielleicht meinen Sie die Lokalisierung des Feldes ... Nun ja«, fuhr er fort, währenddessen Gucky bemerkte, wie sich die Röte des Ärgers auf dem grobporigen Gesicht des Majors ausbreitete, »über dem zwölften Breitengrad natürlich, die Korrekturdaten wird Ihnen Kerete laufend übermitteln. Halten Sie das Kraftfeld dynamisch, sodass wir es im Notfall noch etwas versetzen können!«

Major Pittstein salutierte abermals. Dann ging er zur Rechenanlage hinüber.

Gucky sah ihm nach. Sekundenlang kreuzte sich der Blick des Mausbibers mit dem des Kommandanten. Ein kaum merkliches Lächeln lag um die Mundwinkel des Obersten.

Da ertönte die Stimme des Ortungsoffiziers: »Ich glaube, das Landeauffangfeld wird nicht nötig sein.«

Alles starrte auf den Orterschirm.

Der Impuls hatte seine Bahn abrupt und unerwartet in einem Winkel von fünfzehn Grad geändert und gleichzeitig seine Geschwindigkeit drastisch herabgesetzt.

Jemand las die Werte ab: »Nur noch 4010 Sekundenkilometer – unglaublich! – Eine Dezeleration von fast neunzig Prozent!«

»Kerete!«, kam die Stimme des Kommandanten. »Neue Bahnbestimmung!«

»Sofort, Sir.«

Die Geschwindigkeit des fremden Objekts verringerte sich weiter.

Als die Bahnbestimmung vorlag, zeigte es sich, dass das Schiff nicht auf dem Planeten direkt landen würde. Der Landepunkt lag auf einem Orbit hundertfünfundfünfzig Kilometer über der planetaren Oberfläche direkt über dem Nordpol.

Und so geschah es. Zwölf Minuten später ging das fremde Raumschiff in einen stationären Orbit 155,650 Kilometer über dem planetaren Nordpol.

Auch alle weiteren Funkkontaktversuche scheiterten.

Ein Enterkommando, das zwei Stunden lang versuchte, in das Schiff einzudringen, kehrte ohne Erfolg zurück.

Guckys Stunde war gekommen.

Aber Jorunde Mbawassa war ein gründlicher Mann. Er bestand darauf, dass der Mutant zwei Begleiter mitnahm, von deren Hilfe er sich eine umfassende Aufklärung des Geheimnisses versprach, das die Fremden umgab.

Gucky, der anfangs protestiert hatte, da er, wie er erklärte, als »Retter des Universums« und als »Überall-zugleich-Töter« mit ganz anderen Sachen fertig geworden wäre, gab schließlich nach. Er mochte Jorunde Mbawassa, und er wollte es mit dem Kommandanten der einsamen USO-Station am Rande der Galaxis nicht verderben.

Der Oberst bestimmte, wer Gucky begleiten sollte.

»Major Pittstein, machen Sie sich fertig! In einer Viertelstunde werden Sie mit Sonderoffizier Guck in das fremde Schiff springen. Als Triebwerkspezialist werden Sie sich mit dem Antrieb beschäftigen. Ausrüstung: Kampfanzug mit Deflektor, Strahl- und Narkosewaffen.«

Ausgerechnet dieser Kommisskopf, dachte Gucky.

»Jawohl, Sir«, salutierte der Offizier.

Der Kommandant sprach in ein Mikrofon: »Kadett Archibald Bull, kommen Sie in fünfzehn Minuten in die Zentrale. Bringen Sie eine Mikropositronik 3 C 51, eine Handwaffe und einen Translator mit, Ende!«

Gucky war dabei, die Funktionen seines Kampfanzuges zu überprüfen. »Archibald Bull?«, fragte er gedehnt. »Ist das ein Verwandter Bullys?«

Jorunde Mbawassa machte plötzlich einen verlegenen Eindruck.

»Ja, Archibald Ladislaus Reginald Bull – wie er mit vollständigem Namen heißt – ist ein indirekter Nachkomme Staatsmarschall Bulls. Er stammt von dessen Onkel ab. Er ist Angehöriger der Flotte. – Nun ja ...«

»Also, was ist los mit dem Mann?«, fragte Gucky, der längst gemerkt hatte, dass irgendetwas nicht stimmte mit diesem sagenhaften Kadetten. »Ist er ein Trinker, Falschspieler, sonst ein Verbrecher ...?«

Der Oberst hob abwehrend beide Hände. »Nein, nein, um Gottes willen! – Nur ... nun ja, er ist ein wenig ... äh, weltfremd, ungeschickt, könnte man vielleicht auch sagen.«

»Und so was schickst du in das Schiff, Jorunde?«, fragte der Ilt verwundert.

»Das ist es ja eben«, Mbawassa machte ein unglückliches Gesicht. »Sieh mal, Gucky, wir brauchen unter allen Umständen einen Positronik-Experten. McKeenzie, mein Spezialist, liegt mit einem Beinbruch im Hospital.«

»Und dieser Bull versteht was von dem positronischen Kram?«

»Er ist ein Genie!« Der Oberst wurde für einen Moment enthusiastisch. »Aber leider – nur auf diesem einen Gebiet«, wurde er sofort wieder nüchtern. »Ich habe keinen anderen!«

»Also gut«, erklärte sich Gucky einverstanden, »du musst wissen, wer die Nuss knacken soll. Wann springen wir?«

»In zehn Minuten«, sagte der Kommandant erleichtert. »Wenn Kadett Bull pünktlich ist«, schränkte er dann vorsichtig ein.

Kadett Archibald Ladislaus Reginald Bull war zwar pünktlich in der Zentrale. Aber er hatte den Mikrocomputer vergessen.

Das fängt ja gut an, dachte Gucky. Er betrachtete den jungen, schlaksigen Mann, der unsicher mitten im Raum stand und vor Verlegenheit nicht wusste, wo er seine Hände unterbringen sollte. Schließlich steckte er sie in die Taschen seines Kampfanzuges, der um die hagere Figur schlotterte.

»Sie werden sich erkälten!«

Major Pittstein deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die linke Brusttasche des Kadetten, an der der Magnetverschluss offenstand.

»Entschuldigen Sie, Sir!«, stotterte Archibald Bull und nestelte verlegen an der Taschenklappe. »Dann werde ich die Positronik holen ...«

Jorunde Mbawassa sah Gucky an.

Der Mausbiber verstand den Blick. »Bleib hier, Archibald!«, sagte er gönnerhaft. »Bis du zurückkommst, ist das Schiff wieder abgeflogen.«

Klatschend fuhr die Luft in das entstandene Vakuum.

Sekunden später war er wieder zurück, einen kleinen Kasten unter dem Arm.

»Da hast du dein Gehirn«, sagte er, während er dem Kadetten die Mikropositronik überreichte. »Scheinst ja einen Verstärker zu brauchen.«

Die Männer und Frauen in der Zentrale brachen in ein befreiendes Gelächter aus, während der Kadett das Gerät mit hochrotem Kopf und einem »Danke, Sir!« in Empfang nahm.

»Na, dann gib mir mal dein Händchen, Archi!« Der Mausbiber trat zwischen den Major und den Kadetten. »Teleportiert hast du wohl noch nie, wie? – Nein? Na, macht nichts. Keine Angst, es passiert dir nichts! Gucky hält dich fest. Und du, Major Pittschwein ...!«

»Sonderoffizier Guck ...!«, begann der Offizier mit hochrotem Kopf. Aber Gucky konzentrierte sich bereits, und mitten in die entrüsteten Worte des Majors entmaterialisierten sie.

2.

Als die Männer wiederverstofflichten, vergaßen sie alles, was vorher gesprochen worden war. Die absolute Fremdheit der neuen Umgebung nahm sie augenblicklich gefangen.

Sie befanden sich in einem Raum, der schon von der Form her fremdartig war. Er passte in keinerlei geometrisches Schema. Man konnte bestenfalls von einem liegenden, unregelmäßigen, sich am Ende stark verjüngenden Trichter sprechen. Aus diesem und anderen naheliegenden Gründen kam Gucky die Assoziation »Mohrrübe« in den Sinn.

Die stark gekrümmten Wände der »Mohrrübe« waren aus einem unbekannten Material gefertigt. Sie schimmerten matt goldbraun und waren über und über von linearen, aber auch von körperhaften Mustern bedeckt.

Die Männer sahen sich um.

Dort, wo der Raum in eine sich stark verjüngende Spitze auslief, gab es keine Muster. Dort bildete er einen nahezu elliptischen Querschnitt, und das matte Rotbraun ging in ein stumpfes Grau über, das die Übergänge zwischen Wand und Decke verwischte.

Und von dieser Decke – die auch im übrigen Raum an einigen Stellen von den Wänden nicht zu unterscheiden war – hingen silberfarbene Gebilde in den Raum herunter. Diese Gebilde hatten entfernte Ähnlichkeit mit Stalaktiten. Sie waren von einer zerbrechlich wirkenden Zartheit. Teilweise hingen sie isoliert im Raum, teils waren sie auf eine skurrile, labyrinthene Weise miteinander verbunden. Dazwischen glänzten massiv wirkende goldfarbene Stangen, die Löcher und Vertiefungen besaßen.

Gucky sah auf seine Instrumente.

»Wir können die Helme aufklappen«, sprach er ins Helmmikrofon. »Die Atmosphäre ist erdähnlich.«

Der Major schaltete den Telekom ein.

Sofort meldete sich die Stützpunktzentrale. Auf dem Monitor erschien das Gesicht Jorunde Mbawassas.

»Ja ...?«

»Sir«, sprach Major Pittstein in das Mikrofon, »wir sind in einem Raum materialisiert, den zu beschreiben mir die Worte fehlen. Sehen Sie selbst!«

Er bewegte die Aufnahmeoptik seiner Kamera langsam umher, um den Männern und Frauen in der Stationszentrale ein Bild von der Fremdartigkeit und Skurrilität des Raumes zu übermitteln.

Nach einer Weile meinte der Kommandant: »Dazu kann man wirklich noch nichts sagen. Was meinst du, Gucky?«

»Ich meine, wir sehen uns erst noch ein wenig mehr um. Mit dem Glasspargel an der Decke kann ich auch nichts anfangen. – Was ist das ...?«

Kadett Bull hatte sich von dem Schreck seiner ersten Teleportation erholt. Ein ununterdrückbarer Trieb, alles zu ergründen, was irgendwie mit Elektronik zusammenhing oder zusammenhängen konnte, sowie der Wagemut des im Umgang mit extraterrestrischer Intelligenz Unerfahrenen ließen ihn kopfüber in ein Abenteuer stürzen, von dessen Ausmaß und Gefahren er zu diesem Zeitpunkt noch nicht das mindeste ahnte.

Weiter hinten, dort wo der Raum sich stärker zu verengen begann, hing an der Decke, zwischen zwei goldenen Stangen, eine tiefblau leuchtende Halbkugel.

Der Kadett begab sich ohne Zögern dorthin, langte nach oben – seine Körpergröße von 1,96 m erlaubte ihm, die blaue Halbkugel in die Hand zu nehmen, ohne sich recken zu müssen.

Das Gebilde hing an einem Stab, hauchdünn und elastisch, aber stahlhart. Er legte seine Finger auf die Halbkugel. Sie fühlte sich kühl an.

Die Hände des Kadetten waren warm ...

Plötzlich gab es einen hellen, summenden Ton, der schnell zu einem durchdringenden Singen anschwoll, das den gesamten Raum erfüllte und die hängenden Stäbe zum Klirren brachte.

»Was ist das?«, hörte Archibald Bull den Mausbiber rufen.

Dann brach die Verbindung zur Station ab.

Der trichterförmige Raum erwachte zum Leben.

Zunächst wurden Wände und Boden transparent. Die Linien und Muster begannen in den verschiedensten Farben zu erstrahlen und dadurch lineare und körperhafte Muster zu bilden, die vorher nicht zu erkennen gewesen waren. Einige der Muster gerieten in Bewegung.

Dann begannen die silbernen Glasstäbe an der Decke sich zu bewegen, sie krümmten sich, verknoteten sich miteinander oder bildeten neue, seltsame und undefinierbare Formen. Gleichzeitig brachen aus unsichtbaren Membranen zirpende, quietschende und pfeifende Töne, die nach einiger Zeit jedoch wieder aufhörten.

Auch die Bewegungen der Glasstäbe kamen zum Stillstand.

Doch die plötzliche Stille und Bewegungslosigkeit war nur eine scheinbare.

»Der Boden ...!«, rief Gucky, der als Erster die feinen Vibrationen spürte, die von unten zu kommen schienen. Dann hörten alle drei ein dunkles Summen, dessen Quelle sich ebenfalls unter ihren Füßen zu befinden schien.

»Triebwerke!«, sagte Major Pittstein laut. »Das Schiff wird starten!«

»Aber ohne uns!« Gucky lachte schrill. »Komm Archi, lass deine blaue Blumenvase los, wir springen!«

Bedauernd blickte Archibald Bull empor zu der Ansammlung der mysteriösen Gebilde an der Decke.

»Ich muss doch ...«, begann er. Aber Gucky packte ihn mit der Linken resolut am Arm. Mit der Rechten hielt er eine Hand des Majors umklammert.

Dann konzentrierte er sich auf die USO-Zentrale.

Nichts geschah ...

Der Mausbiber versuchte es noch einmal.

Wieder nichts!

Da ließ Gucky entmutigt die Hände der beiden Männer los. Jemand oder etwas hatte seine Teleporterfähigkeit blockiert. Die Teleporterfähigkeit ...? Hastig versuchte er, die Gedanken des jungen Kadetten zu espern.

Nichts – auch seine telepathischen Fähigkeiten waren ausgeschaltet.

Seltsam nur – bisher waren solche Erlebnisse anders verlaufen. Meist hatte er beim Sprung schmerzhafte Bekanntschaft mit Paraschirmen, Anti-Psifeldern oder dergleichen gemacht. Diesmal dagegen war seine psionische Energie einfach neutralisiert worden, ohne dass er dies gewahr geworden war.

Gucky sah die beiden Männer an.

»Meine Psi-Kräfte sind blockiert«, sagte er kleinlaut. »Wir können nicht springen. Wir können das Schiff vorläufig nicht verlassen.«

»Die Halbkugel ist weg!«, bemerkte der Major.

Gucky und Archibald Bull blickten zu der Stelle hin, an der sich zwischen den goldenen Stangen das blaue Gebilde befunden hatte.

Es war verschwunden.

»Ein thermo-sensorischer Schalter«, sagte der Kadett. »Dadurch, dass ich ihn in die Hand nahm, habe ich die Triebwerke aktiviert.«

»Und wahrscheinlich noch einiges mehr«, versetzte der Major und nickte grimmig mit seinem kantigen Schädel.

»Jedenfalls ist das Ding weg!«, stellte Gucky fest. »Auf diesem Wege können wir die Triebwerke nicht mehr ausschalten.«

Der Major hob die Augenbrauen.

»Es gibt noch andere Wege, hier herauszukommen«, sagte er mit einem überlegenen Lächeln und hob einen Strahler. »Wir werden uns einen Weg freischießen. Unsere Anzüge sind raumflugfähig, und ...«

»Gar nichts wirst du tun!«, fuhr Gucky den Offizier an. »Eine Technologie, die in der Lage ist, Psi-Energie zu orten und auszuschalten, verfügt ganz bestimmt auch über die Mittel, mit deinem Strahlenspucker fertig zu werden!«

Aber sei es, dass Pittstein die Gefahr unterschätzte, sei es, dass er sich von Gucky nicht bevormunden lassen wollte, der Major ließ die Sicherung herausschnappen und visierte eine Stelle in der Decke schräg oberhalb seines Kopfes an.

Instinktiv packte der Mausbiber telekinetisch zu.

Verblüfft sah der Major, wie der Sicherungshebel des Desintegrators wieder einschnappte, die Waffe sich seinen Händen entwand und auf den Mutanten zuschwebte.

»Telekinese ...!«, stieß Archibald Bull hervor, der mit aufgerissenen Augen der Auseinandersetzung gefolgt war.

»Was ist daran so komisch?«, fragte der Mausbiber wütend, während er den Desintegrator mit der Rechten auffing.

»Telekinese ...«, wiederholte der Kadett, »sie funktioniert!«

Gucky blieb vor Staunen der Mund offen. »Bei allen Geistern des Universums ...!«

Tatsächlich! Daran hatte er überhaupt nicht gedacht. Von Rechts wegen hätte auch diese Parafähigkeit versagen müssen, wenn seine psionische Energie lahmgelegt war. Oder war sie es nicht mehr?

Schnell versuchte er einen kurzen Teleportersprung, aber er rührte sich nicht von der Stelle.

»Teleportieren können Sie also immer noch nicht, Sonderoffizier Guck«, stellte der Kadett fest.

»Woher weißt du das?«, schnappte der Mausbiber.

»Ich sah es an Ihrem Gesichtsausdruck«, antwortete Archibald Bull.

Gucky sah ihn erstaunt an. »Hm – du kannst übrigens ruhig ›Gucky‹ zu mir sagen«, erklärte er.

Der Kadett errötete.

»Wenn ich nur wüsste, warum von allen Parafähigkeiten nur die Telekinese funktioniert!«, sagte er dann und starrte abwesend auf einen grün fluoreszierenden Ball in dem komplizierten Muster an der gegenüberliegenden Wand.

»Darüber kannst du dir später einmal dein kluges Köpfchen zerbrechen«, erklärte der Mausbiber ungeduldig. »Im Moment haben wir andere Sorgen.«

Aber der Kadett hörte ihn nicht. Wie hypnotisiert blickte er auf das Muster. Die bizarren Elemente schienen in Bewegung geraten zu sein. Sie verformten sich, durchdrangen einander, wobei sie flächen- oder körperhafte Formen annahmen, und der junge Offiziersanwärter hatte plötzlich die ihm selbst unsinnig erscheinende Vorstellung, dass sich die Linien, Flächen und Körper zu einem Muster zu vereinigen suchten, das zu ihm selbst, zu seinen Wünschen und Zielen, eine Beziehung ausdrückte. Dieser Versuch – wenn es ein solcher tatsächlich war – schien zu scheitern; plötzlich verschwanden die dynamischen Formen, nur der grüne Ball blieb als leuchtendes Etwas bestehen.

Im gleichen Augenblick bemerkte Archibald Bull, wie die Schwerkraft, die bisher ein Gravo betragen hatte, sich verringerte und allmählich vom Boden zur Decke emporwanderte.

»Achtung! Das Schiff startet ...!«, rief Major Pittstein.

»Da haben Sie ausnahmsweise recht, Major«, sagte Gucky und zeigte seinen Nagezahn.

Es sah aber auch zu komisch aus, wie Pittstein und der junge Bull langsam nach oben schwebten, sich dabei einmal um sich selbst drehend und hilflos mit den Armen rudernd.

Der Kadett geriet mit seinen dünnen Beinen zwischen die Stangen, die zu klirren begannen und sich nach verschiedenen Seiten verbogen.

Archibald Bull versuchte, sich mit den Händen festzuhalten. Aber die silbernen Stangen gaben nach, und ehe er sich's versah, hatte er sich zwischen den dünnen Gebilden verstrickt.

Gucky, der sich telekinetisch an seinem Platz festhielt und mit seinem Körper nur eine Drehung um 180 Grad gemacht hatte, lachte, bis ihm die Tränen kamen.

»Archibald«, prustete er, »du siehst aus wie ein gestrandeter Storch im Gläserwald!«

»Das reimt sich sogar!«, lachte Major Pittstein meckernd. Er hatte eine der goldenen Stangen zu fassen bekommen und hielt sich daran fest. Sie besaßen nur eine geringe Elastizität und saßen unverrückbar in der Decke fest.

Oder vielmehr im Boden; denn mit der Verlagerung der Schwerkraft hatte sich auch ein Tausch der Begriffe ergeben. Was vorher »Decke« war, musste man jetzt mit »Boden« bezeichnen und umgekehrt.

»Gucky!«, flehte Archibald Bull, »hilf mir! Befreie mich aus diesem Lianengewirr!«

Einer solchen Bitte konnte der gutmütige Gucky nicht widerstehen. Während er sich langsam zu Boden schweben ließ, bog er einige der Stangen, zwischen denen sich der Kadett verfangen hatte, telekinetisch auseinander, sodass dieser sich jetzt leicht selbst befreien konnte.

Anscheinend hatte der Mausbiber dabei zu kräftig zugepackt. Einer der Stäbe zerbrach klirrend.

Aus dem hohlen Innern spritzte eine dicke, blaugrüne Flüssigkeit dem Kadetten mitten ins Gesicht. Archibald Bull schrie auf und fuhr sich mit dem Handrücken über Mund und Nase.

Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck, in seine Augen trat ein verklärter Ausdruck.

»Schmeckt gut ...«, sagte er lakonisch und leckte sich über die Lippen.

Der Mausbiber, der mit einem erneuten Lachanfall zu kämpfen hatte, wurde plötzlich nachdenklich.

Wenn in den anderen Röhren auch Nahrung enthalten war ...

»Ein Speisesaal ...«, sagte er laut.

»Die Besatzung könnte auch in der Zentrale mit Nahrung versorgt werden«, wandte Major Pittstein ein.

»Eins zu null für Sie«, anerkannte Gucky wider Willen.

»Um Näheres darüber herauszufinden, was der Raum darstellt, in dem wir uns aufhalten, müssten wir zunächst noch weitere Räume erkunden«, fuhr der USO-Major fort. Er begann, sich vorsichtig durch die Glasstäbe zu bewegen und die Wände abzutasten. »Irgendwo muss es eine Verbindung zu diesen anderen Räumen geben.«

Schritt für Schritt arbeitete er sich an der Wand entlang. So gelangte er schließlich in jenen Teil des Trichter-Raumes, der sich so stark verengte, dass ein Mensch kriechen musste, um in ihn einzudringen.

Pittstein ließ sich auf seine Hände nieder und kroch der Spitze des Trichters entgegen, die in einem so eigentümlich farblosen Grau schimmerte.

Zu seiner Linken bedeckte ein Muster die graue Wand, das aus einer ziemlich symmetrischen Ansammlung von farbigen Flecken bestand, die von einer Linie zusammengehalten wurden, deren Form den Major an einen menschlichen Knochen erinnerte.

Fasziniert starrte er auf das Muster.

Einer der Flecken, dunkelrot leuchtend und von rechteckiger Form, zog seinen Blick ganz besonders auf sich.

Einige Sekunden lang starrte Major Pittstein auf das dunkelrote Rechteck.

Gucky, der den USO-Offizier mit seinen Blicken verfolgt hatte, sah plötzlich, wie Major Pittstein sich von einem Augenblick zum anderen in Nichts auflöste.

»Der Major – er ist weg!«, rief er.

Hastig watschelte er in die Richtung, in der Pittstein verschwunden war.

Vor dem engen Sektor blieb er vorsichtig stehen und betrachtete prüfend die grauen Wände. Sein Blick fiel auf die bunten Muster, die sich aus dem eintönigen Grau hervorhoben.

Gucky konnte sich genau erinnern, dass der Major nichts berührt hatte. Er hatte nur darauf geblickt, ziemlich lange allerdings. Sollte ...

»Eine bildtelepathische Transmitterschaltung.«

Gucky fuhr herum. Hinter ihm stand, mit dem Zeigefinger auf das Muster deutend, Archibald Bull und lächelte verlegen.

»Junge, manchmal hast du brauchbare Ideen«, konstatierte der Mausbiber. »Nur – wo ist der Transmitter?«

Sie drangen weiter in den enger werdenden Gang vor. Dabei hüteten sie sich, das Muster anzusehen.

Gucky betrachtete die grauen Wände genauer.

Und jetzt sah er, dass ein bestimmter Streifen, der sich quer über die Decke zog, kaum merklich pulsierte. Das Grau dort flimmerte.

Der Transmitter!

Sie standen mittendrin.

Die graue Farbe – eine Spiegelung, Tarnung, Dekoration, so wie man aus ähnlichen Gründen auf Terra vor eine Regalwand eine Tapete projizierte.

Gucky blickte den jungen Bull an. Dann zeigte er nach oben.

»Der Transmitter!«, sagte der Kadett.

Sie entfernten sich wieder aus seinem Wirkungsbereich.

»Damit erhebt sich die Frage«, fuhr der Kadett fort, »wohin der Transmitter führt. Im Zusammenhang mit diesem Gebilde ...«, er zeigte auf das Fleckenmuster, »das wir als bildtelepathische Transmitterschaltung erkannt haben, ergibt sich mit zwingender Notwendigkeit ...«

»Ja ...?«, fragte Gucky lauernd.

»..., dass dieses Muster eine grafische Skizze des Raumschiffes ist.«

»Kluges Kind«, rief der Mausbiber und schlug dem errötenden Kadetten auf die Schulter. Dann schaute er wieder auf das Muster. Und jetzt fiel ihm auch die Form der Linie auf, die das fleckige Gebilde zusammenhielt: Sie entsprach genau der knochenförmigen Kontur, die das fremde Raumschiff auf den Bildschirmen der Station gebildet hatte.

Das Muster bestand aus dreizehn größeren und sechs kleinen verschiedenfarbigen Flecken. Die Form der großen Flecken konnte man je nachdem als flach elliptisch, rechteckig, abgerundet quadratisch, oder dreieckig bezeichnen. Die kleinen befanden sich am Rande des Musters. Sie waren dunkelrot. In der Mitte befand sich ein lang gestrecktes Dreieck mit abgerundeten Winkeln, das, als einzige der Flächen, farblos war. Gucky stellte sich das Dreieck räumlich vor – und wusste, was es war: der Raum, in dem sie sich befanden – die »Mohrrübe!«

Aus naheliegenden Gründen hatte man ihn farblos gelassen.

Die farbigen Flecken waren also Sektionen des Schiffes, und sie waren mit dem Transmitter zu erreichen.

Gucky erklärte dem Kadetten, wie er sich die Bedeutung der farbigen Formen vorstellte.

Der nickte eifrig. »Und in den einzelnen Räumen befindet sich eine Gegenstelle und eine ebensolche Schaltkarte.«

»Nicht unbedingt«, widersprach der Mausbiber, »es kann genauso gut sein, dass alle Transmittersprünge über eine Zentrale geleitet werden.«

»Dann wäre das hier die Zentrale«, folgerte Archibald Bull.

»Genau«, bekräftigte Gucky, »und dann gäbe es in den Sektoren keine Schaltkarten wie diese hier.«

»Es gäbe dann einen anderen Aktivierungsmechanismus ...«, begann der Kadett.

»Und den wollen wir uns einmal ansehen«, versetzte der Mausbiber. »Los, Archi, was stehst du noch hier herum?«

»Ich ... ja, natürlich«, stotterte der Kadett und stolperte hinter Gucky her, der in den Transmitterbereich watschelte.

»Wir konzentrieren uns auf das da!«, entschied der Mutant, als Archibald Bull neben ihm stand, und deutete auf ein gelbes Dreieck, das sich über dem farblosen Dreieck befand und dieses an Größe erheblich übertraf.

Sechs Sekunden, stellte Gucky fest, hatten sie auf den Flecken geblickt, als die Umgebung vor ihren Augen verschwamm.

Als sie den Entzerrungsschmerz spürten, befanden sie sich schon am Zielort.

Es war – wie Gucky entsprechend der Dreiecksform des Fleckens erwartet hatte – ein Raum von der gleichen trichterartigen Form wie der, den sie gerade verlassen hatten, nur war er in den Abmessungen bedeutend größer.

Mehr als hundert massive goldene Stangen waren in den Boden eingelassen, und an einer Wand dehnten sich mehrere Reihen der dünnen, elastischen »Nahrungsstäbe«.

»Da!«, rief Archibald Bull aus und zeigte triumphierend auf die Wand. Auf dem matten Grau befand sich eine zweite Schaltkarte, deren Formen und Farben mit der anderen identisch waren, bis auf zwei Ausnahmen: Das große Dreieck der ersten Karte besaß hier eine goldbraune Tönung, während das gelbe Dreieck, auf das sie sich konzentriert hatten, in dem hiesigen Muster farblos geblieben war.

Die Schaltkarten- und Transmittertheorie war bestätigt.

Aber was nutzte ihnen dies, dachte Gucky, der zwischen zwei goldenen Stangen auf dem Boden saß. Das Schiff raste – womöglich überlichtschnell – durch den Raum, einem unbekannten Ziel entgegen, und sie hatten keine Möglichkeit, in irgendeiner Weise auf diesen verrückten Flug Einfluss zu nehmen.

Wo war die Besatzung geblieben? Das Schiff hatte eine organische Crew besessen; das bewiesen die Oxygenatmosphäre sowie die flüssige Nahrung in den Stäben.

Vielleicht existierten noch lebende Wesen irgendwo in diesem Schiff.

Gucky sprang auf.

»Archi!«, rief er dem Kadetten zu, der an der Wand lehnte und in tiefsinnigen Betrachtungen versunken schien. »Archi, wir müssen uns alle Räume ansehen. Kann sein, dass sich irgendwo noch lebende Wesen aufhalten.«

»Und Major Pittstein?«, fragte Bull, nachdem er einige Sekunden gebraucht hatte, um wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden.

»Der Kommisskopf wird sich selbst zu helfen wissen. USO-Leute sind mit allen Wassern des Universums gewaschen. Sie finden in jeder Lage noch einen Ausweg. – Komm!«

3.

Der Mann, dem Gucky so viel zutraute, war allerdings in eine Lage geraten, die selbst Optimisten als fast unlösbar bezeichnet haben würden.

Pittstein war Pessimist, und zu dieser Zeit gab er keinen Pfifferling mehr für sein Leben.

Als er auf die »Schaltkarte« geblickt hatte, hatten sich seine Augen unglücklicherweise eine der kleinen Rundformen am Rande des Musters ausgesucht. Er hatte den Transmitter aktiviert, der ihn in eine der sechs Reparaturschleusen in der Peripherie des Schiffes abgestrahlt hatte.

Das allein hätte noch keinerlei negative Auswirkungen zu haben brauchen. Aber die Schleusenkammern waren nicht für Menschen erbaut worden – sondern für Wesen, die erheblich kleiner sein mussten.

Die Folgen waren verheerend.

Major Pittstein rematerialisierte in einem Raum, in den er nicht hineinpasste!

Der Prozess der Wiederverstofflichung ist von keiner Kraft im Universum aufzuhalten, da er von den mächtigsten Kräften eben dieses Universums bewirkt wird.

So geschah es, dass der USO-Offizier, als er in der zylindrischen Kammer zu sich kam, sich den linken Fuß gebrochen, mehrere Rippen gequetscht hatte und kaum noch Luft bekam.

Er steckte eingekeilt in der röhrenförmigen Kammer und konnte in den ersten Sekunden vor Schmerzen weder klar denken, noch etwas sehen.

Als sich sein Blick etwas geklärt hatte, bemerkte er genau in Blickrichtung vor sich einen schwarzen Fleck an der runden Wand des Zylinders. Etwas warnte ihn davor, diesen Fleck anzusehen. Aber die rasenden Schmerzen, der Luftmangel und seine Bewegungsunfähigkeit ließen ihn in eine Willenlosigkeit sinken, der er sich nicht entziehen konnte.

Apathisch starrte er auf den schwarzen Fleck.

Nach sechs Sekunden setzte die bildtelepathische Schaltung ein. In der Schleusenkammer begann die Luft zu entweichen.

Schmerzen, Atemnot und der Druckabfall in der Kabine ließen den Major ohnmächtig werden.

Dieser Umstand rettete ihm das Leben.

Kopf und Hals waren die einzigen Körperteile, die noch eine gewisse Bewegungsfreiheit besaßen.

Als der Kopf des Majors nach hinten fiel und an der Kammerwand aufschlug, klappte der Helm herunter. Die Verriegelung rastete ein, und die automatische Luftversorgung schaltete sich ein. Die Schleuse wurde luftleer.

Minuten später öffnete sich das Außenschott.

Major Pittstein kam wieder zu sich.

In seinem Kopf dröhnte es. Die Schmerzen schienen unerträglich. Die Atemnot war unverändert groß.

Dann bemerkte er, dass sich der Raumhelm geschlossen hatte und er Oxygen aus der Anzugversorgung atmete.

Das Schott stand offen, und er blickte in den Weltraum, vor dessen samtener Schwärze die Sterne wie Perlen schimmerten.

Stand das Schiff?

Nein! Rechts am Rande der Schottöffnung glänzte der Feuerball eines blauweißen Riesensterns, und dieser bewegte sich langsam schräg nach oben aus dem Blickfeld heraus.

Das Schiff flog »Unterlicht«.

Major Pittstein zwang sich zu ruhigem, folgerichtigem Denken.

Soviel stand fest: Er war von einem Transmitter hierher befördert worden.

Wer – so fragte er sich – hatte diesen Transmitter aktiviert?

Eine Aktivierung durch ein bloßes Sich-Hineinbegeben, wie bei einem terranischen Transmitter, fiel aus. Sowohl Gucky wie auch der Kadett hatten bereits an derselben Stelle gestanden, ohne dass eine Abstrahlung erfolgt war.

Er selbst musste den Transmitter aktiviert haben.

Wodurch?

Es blieb nur eine Möglichkeit: das Muster!

So kam auch der USO-Major zu dem gleichen Ergebnis, zu dem Gucky und Bull bereits früher gelangt waren.

Wenn er durch eine Bild-Impulsschaltung hierhergekommen war, musste er auf die gleiche Weise wieder zurück können.

Der schwarze Fleck fiel ihm ein.

Wahrscheinlich war er genau wie die Flecken auf dem Schaltmuster in dem Raum, aus dem er gekommen war, ein Orientierungspunkt, ein Impulssammler, der, auf intensives Anblicken hin, die Schleuse evakuierte.

Er war ohnmächtig geworden und mit dem Kopf aufgeschlagen. Dadurch hatte sich der Helm geschlossen, und die Oxygenversorgung war angelaufen. Nachdem die Kammer luftleer war, hatte sich das Außenschott automatisch geöffnet.

Er starrte in den schwarzen Weltraum hinaus.

Was wäre geschehen, wenn sie sich gerade im Librationsraum befunden hätten? Vermutlich hätte in diesem Fall der Öffnungsmechanismus blockiert.

Es war jedoch fruchtlos, im Augenblick sich über solche Fragen den Kopf zu zerbrechen. Er musste hier heraus, zurück in den Trichterraum. Aber wie?

Der schwarze Fleck war vielleicht nicht der einzige Impulssammler. Zumindest die Rückkehrschaltung musste es noch geben! Wo befand sie sich?

Der Major versuchte sich in seinem engen Gefängnis zu drehen. Vergebens, er steckte fest wie in einer stählernen Röhre. Außerdem verursachte jede noch so geringe Bewegung neue heftige Schmerzen.

Seine Füße waren allerdings jetzt frei. Sie ragten etwas aus dem offenen Schott in den Weltraum hinaus.

Es gab nur eine Richtung, in der eine, wenn auch langsame und ungemein beschwerliche Bewegung möglich war: durch das geöffnete Schott hinaus in den Weltraum!

Und je mehr der USO-Offizier darüber nachdachte, um so mehr stieg seine Überzeugung, dass der Weg hinaus in den Raum der einzige Weg war, der wenigstens eine kleine Rettungschance bot.

Da er sich nicht drehen und somit keine Schaltung, wie immer sie geartet war, erreichen konnte, bestand keine Möglichkeit für ihn, aus eigener Kraft sein Gefängnis zu verlassen.

Auf der anderen Seite wusste er genau, dass Gucky und der Kadett nach einer gewissen Zeit beginnen würden, ihn zu suchen. Da sie inzwischen das Geheimnis der Transmitterschaltung vermutlich ebenfalls gelöst hatten, würde einer von den beiden früher oder später hier in der Kammer rematerialisieren.

In diesem Fall war es für ihn egal, ob Gucky oder der Kadett wiederverstofflichen würden. Der Neuankommende würde ihn, Pittstein, auf jeden Fall in den Weltraum hinausschleudern, wo er, von dem dahinrasenden Schiff hinweggetrieben, sich noch ein paar Tage am Leben halten konnte, bis die lebenserhaltenden Systeme seines Anzugs erschöpft waren – wenn er nicht vorher schon in den Anziehungsbereich einer Sonne geriet.

Vielleicht suchten sie ihn schon?

Bei diesem Gedanken wurde ihm heiß.

Er wusste nicht, wie lange er bewusstlos gewesen war. Jeden Augenblick konnte einer der beiden rematerialisieren!

Nein! Es gab nur einen einzigen Weg: Er musste sich Zentimeter um Zentimeter mit den Füßen zuerst aus der Röhre in den Leerraum hinausschieben. Und dann – kurz bevor er ganz und gar hinausglitt – musste er an die Magnettrosse gelangt sein, um sich mit ihrer Hilfe an der Schleusenkammer – am besten am Außenschott – zu verankern.

Dann – nur dann bestand eine Chance, dass er gerettet wurde. Und Voraussetzung zu dieser Rettung war, dass es Gucky war, der in der Schleusenkammer verstofflichte und nicht der Kadett. Der Mausbiber war klein genug, um die Rematerialisation ohne Schaden zu überstehen und außerdem noch genügend Bewegungsfreiheit zu behalten, um die entsprechenden Schaltungen zu betätigen und Maßnahmen zu seiner, Pittsteins, Rettung einzuleiten.

Wie diese Maßnahmen aussehen sollten, darüber war sich der Major noch nicht im Klaren.

Major Pittstein befand, die Chancen für seine Rettung stünden etwa 1:500.

Nichtsdestoweniger begann er, sich unter Mobilisierung seiner letzten Kräfte rückwärts aus der Schleusenkammer hinauszuschieben.

Die Wirkung des schmerzstillenden Mittels hatte längst nachgelassen. Der gebrochene Fuß und die zerquetschten Rippen bereiteten ihm höllische Qualen, und in der Lungengegend spürte er beim Atmen einen stechenden Schmerz, der sich im Laufe der Zeit verstärkte.

Je mehr er sich der kritischen Stelle näherte, an der er versuchen musste, die Magnettrosse von seinem Anzug zu lösen, um so katastrophaler wurde sein Zustand.

Und dann, als es so weit war, als er spürte, wie die Beine und ein Teil seines Unterkörpers bereits ins Leere hinausragten, verließen ihn wiederum die Kräfte.

Seine Rechte tastete nach der Trosse.

4.

Gucky und Archibald Bull, die von dem verzweifelten Überlebenskampf des Majors nichts ahnten, hatten der Reihe nach fast alle auf der »Schaltkarte« angegebenen Räumlichkeiten des Schiffes aufgesucht.

Dabei hatten die beiden als vorläufiges Ergebnis Folgendes festgehalten:

Das Raumschiff hatte etwa die Form eines überdimensionalen Knochens. Es bestand aus siebzehn Sektionen. Vier von ihnen besaßen die gleiche ellipsoide Form und Größe und befanden sich – wie die Skizze zeigte – jeweils paarweise einander gegenüber an den verdickten Enden des »Knochens«. Zwei weitere, ebenfalls in der gleichen Eiform, jedoch kleiner, lagen zwischen den größeren Räumen. Außerdem befanden sich an dem sich verjüngenden Mittelstück des Schiffes »oben« und »unten« zwei fast kugelförmige Kammern.

Diese acht Räume hatten einiges gemeinsam:

Einmal befand sich in ihnen keinerlei »Glasspargel« – wie Gucky die biegsamen Silberstäbe getauft hatte –, sondern nur einige wenige goldene Stangen mit den bereits bekannten Vertiefungen, Löchern und Griffen.

Zum anderen war jeder der acht Räume von einer mattgrauen Wand begrenzt, die sich bei genauerer Untersuchung als ein Energievorhang erwies. Daneben befand sich ein unregelmäßiger schwarz-gelber Fleck, von dem der Kadett behauptete, es handelte sich um eine bt-Schaltung zur Neutralisierung des Energievorhangs.

Zu erreichen waren diese acht Räume, wie alle anderen, nur von der »Mohrrübe« aus und umgekehrt. Die einzige Ausnahme bildete der große gelbe Trichterraum.

Daraus ergab sich die Folgerung, dass die »Mohrrübe« mit großer Wahrscheinlichkeit die Kommandozentrale des Raumschiffes war.

Die acht Räume dagegen, die teilweise in Form und Größe einander genau glichen, mochten zu den verschiedenen Triebwerken führen. Diese Vermutung wurde durch ihre symmetrische Verteilung an ganz bestimmten triebwerkgünstigen Stellen entlang der Schiffsperipherie, sowie durch die Existenz des Energieschirms in jedem dieser Räume, gestützt. Der Schirm hatte vermutlich die Aufgabe, die todbringenden Emissionen der Strahltriebwerke von organischen Wesen abzuhalten.

Von diesen organischen Wesen war allerdings nicht eine Spur gefunden worden. Immer wieder tauchte die Frage auf:

Wo war die Besatzung des Schiffes geblieben?

Und – dies war vielleicht das größte Rätsel: Warum hatte die Besatzung das Schiff ohne Not verlassen?

Eine weitere Frage: Wie sahen die Erbauer dieses Raumschiffes aus?

Gucky und der Kadett hatten diese Frage mehrmals durchdiskutiert und waren zu folgendem Teilergebnis gekommen:

Die Fremden waren non-humanoid. Sie schienen die Glasstäbe wenigstens teilweise – der junge Bull hatte in seiner Ungeschicklichkeit noch mehrere von ihnen zerbrochen, und zweimal waren verschiedene Flüssigkeiten aus ihnen gequollen – als Nahrungsspender zu benutzen. Die Nahrung war mehr oder weniger flüssig. Da außer den flexiblen Glasstäben und den starren goldenen Stangen keinerlei Einrichtungsgegenstände gefunden worden waren, schien es keineswegs so weit hergeholt zu sein, dass diese Stangen die »Aufenthaltsmöbel« der Fremden waren. Löcher und Vertiefungen besaßen dann Funktionen, die den Körperformen der Letzteren entsprechen mussten.

Eine solche Ausdeutung des »Mobiliars« dieses Schiffes zog fast zwangsläufig den Schluss nach sich, dass dann der große, gelbe Trichterraum die Mannschaftsunterkunft war.

Hierein passte auch der Umstand, dass außer von der Zentrale nur noch vom Unterkunftsraum aus alle Sektionen des Raumschiffes direkt zu erreichen waren.

Die übrigen erreichbaren Räume mochten Rechenzentren, Geräte- und Waffen- oder Lagerräume sein. Die sechs kleineren Räume, die sich, der Schaltkarte nach, an der äußersten Peripherie des Schiffes befanden, konnten Schleusen sein.

So schoben Gucky und Archibald Bull die Vermutungen und Hypothesen wie Mosaiksteinchen hin und her, und es schien, als ob sich der Anfang des komplizierten Bildes geformt hatte.

Und doch war da ein Umstand, der in dieses Bild absolut nicht hineinpassen wollte und der das ganze mühsam gewonnene Konzept über den Haufen zu werfen drohte.

Wo waren die Einrichtungen, die den Wesen, die dieses Schiff steuerten, sagten, was draußen geschah? Wo waren die Bildschirme, die Ortungsanlagen, die Mess- und Datenanzeigen?

Gewiss, Kadett Bull hatte auf das Mustergewirr entlang den Wänden der »Mohrrübe« gezeigt und behauptet, das wären Schaltungen, Daten- und Ortungsanzeigen, Oszillografen, astronomische Karten und dergleichen mehr.

Das mochte alles stimmen. Gucky war im Laufe seines langen Lebens schon auf Rassen gestoßen, deren Technologie nichts Vergleichbares mit der terranischen aufwies. Vielleicht waren die Erbauer dieses Schiffes eine Rasse von Telepathen. Und eine solche entwickelte sowieso eine Technologie, die in keinerlei konventionelles Schema hineinpasste.

Und trotzdem! Selbst eine telepathische Lebensform würde nicht auf eine visuelle Übertragung der Außenwelt verzichten. Es sei denn ...

Es sei denn, die Individuen dieser Rasse besaßen überhaupt keine visuellen Empfangsorgane!

Nein! – Gucky korrigierte sich sofort: Die gesamte Einrichtung des Raumschiffes in seiner Differenziertheit und seinem Reichtum an Formen und Farben schied diese Möglichkeit aus.

Wo aber waren dann die Bildschirme?

»Archibald Ladislaus Reginald Bull!«, sagte Gucky. »Wo sind die Bildschirme?«

Der schlaksige Kadett hockte am dicken Ende der »Mohrrübe« auf dem Boden und hantierte an der Positronik.

»Archi!«, rief der Mausbiber. »Ich habe dich was gefragt!«

»Ich habe deine Frage an die Positronik weitergegeben«, gab der Kadett zur Antwort.

Gucky starrte ihn an. Dann schüttelte er die kleine Faust. »Wenn du mich etwa auf den Arm nehmen willst ...«

»Nein, wirklich nicht!«, beteuerte der Kadett. »Ich habe sämtliche bis jetzt verfügbaren Daten sowie unsere Vermutungen und Folgerungen in den Computer eingegeben. Vielleicht liefert er uns eine brauchbare Hypothese ...«

»Wir haben jetzt keine Zeit, darauf zu warten, welche Vorschläge deine Rechenmaschine ausheckt. Wir müssen den Major suchen!«, verkündete Gucky.

Der junge Kadett sah ihn eine Sekunde lang verständnislos an. Er schien total vergessen zu haben, dass sie an Bord zu dritt waren.

»Oh!«, machte er dann. »Ja, natürlich, Major Pittstein!«

Gucky grinste. »Anscheinend habe ich ihm zuviel zugetraut. Er braucht wohl doch unsere Hilfe. – Was ist jetzt schon wieder?«

Archibald Bull kniete neben seiner Positronik und holte aus einem Schlitz eine Folie. »Das ist es!«, flüsterte er, als er einen Blick darauf geworfen hatte. »Das ist es!«

»Was ist was?«, fragte Gucky.

Der Kadett richtete sich auf. Er schlenkerte mit seinen langen Armen und blickte aus seiner stattlichen Höhe von 1,96 m auf den Mausbiber herab.

»Die Positronik ist der Meinung, dass dieses Schiff über bildübertragende Einrichtungen verfügt, dass diese Einrichtungen sich im verdickten Ende der Trichterräume befinden und dass sie durch eine bt-Schaltung, das heißt, eine bildtelepathische Schaltung aktiviert werden.«

Der Mausbiber sah sich ostentativ um. »Siehst du eine bildübertragende Einrichtung, Archi? Ich nicht!«

Aber Archibald Reginald Bull war nahe an die goldbraune Wand herangetreten und schien sie zentimeterweise nach etwas abzusuchen.

»Diese Mohrrübenbauer waren zwar klein«, meinte Gucky verdrossen über die Hartnäckigkeit des Kadetten, denn inzwischen machte er sich ernstlich Sorge um den verschwundenen Major, »aber so klein, dass man ihre Bildschirme mit dem Mikroskop suchen muss, können sie nun auch wieder nicht gewesen sein!«

Plötzlich richtete sich der Kadett ruckartig auf. »Ich hab sie!«, rief er triumphierend.

»Was?«, fragte der Mausbiber verblüfft. »Doch nicht etwa die Bildschirme?«

Archibald Bull deutete mit dem Zeigefinger auf einen unscheinbaren dunkelgrünen Fleck, der sich kurz vor dem Ende der Trichterwand knapp über dem Boden befand.

»Was soll das sein?«

»Die bt-Schaltung«, kam die Antwort des Kadetten. »Pass auf!«

Der junge Elektronentechniker ließ sich platt auf den Boden nieder und begann, den grünen Fleck zu fixieren.

Der Mausbiber stemmte die Arme in die Seiten und schüttelte indigniert den Kopf. »Warum ...«, begann er.

Aber weiter kam er nicht. Plötzlich hörte man ein helles Knistern, und im nächsten Augenblick verschwand die mattgraue Wand, die den Trichterraum scheinbar abgeschlossen hatte, in ihrer gesamten Länge.

Vor Guckys und Archibalds Augen wölbte sich eine halbkugelige transparente Kuppel, die von einem seltsamen milchigen Licht erfüllt war, das von außen kam und in dem sich helle Streifen zu bewegen schienen.

»Der Zwischenraum! Also fliegen wir überlichtschnell!«, stieß der Mausbiber hervor.

Er trat in die Kuppel ein. Der Kadett folgte ihm. Durch das diffuse Licht hindurch erblickten sie entlang der Kuppelwandung einen Wulst, auf dem sich eine Reihe länglicher, ovaler Rahmen befanden, auf denen das Gleiche zu sehen war, was man durch die Kuppel erblickte: das milchige Grau des Librationsraumes.

Gerade als Archibald Bull den Mund öffnete, um etwas zu sagen, geschah etwas Seltsames:

Urplötzlich drang aus verborgenen Sprechern eine Kaskade heller, quiekender und pfeifender Töne, und Sekunden später verwandelte sich das Bild sowohl auf den ovalen Bildschirmen als auch das, das man durch die transparente Kanzel erkannte: Von einem Moment zum anderen verschwand das diffuse Grau. An seine Stelle trat die sternenübersäte Schwärze des Einsteinraumes.

Bull starrte fasziniert auf das unerwartete Bild. Aber Gucky war plötzlich alarmiert. Warum dieser abrupte Wechsel?

»Etwas ist geschehen ...«, flüsterte er. »Der Major ...!«

Er griff den Kadetten am Arm. »Komm! Wir müssen etwas unternehmen, und zwar sofort!«

So schnell er konnte, lief der Mausbiber zu der Stelle, an der sich die Transmitter-Schaltskizze befand. Der Kadett hatte Mühe, ihm zu folgen.

»Archi, wir sind Schlafmützen! Wir hätten längst darauf kommen müssen!«, zeterte der Mausbiber. »Sieh dir das an, und sag mir, wo wir noch nicht gewesen sind!«

Der Kadett zeigte auf einen blauen, leicht verschobenen Rhombus und auf die sechs dunkelroten Flächen längs der Konturlinie. »Hier!«

»Genau! – In einem von diesen Räumen kann der Major nur stecken. Ich fürchte, er ist in einen der kleinen Räume geraten!«

»Was ist dabei zu fürchten, Gucky?«, erkundigte sich der Kadett.

»Archibald Ladislaus! Streng dein Gehirn einmal an, auch wenn du deinen Verstärker nicht dabeihast! Weißt du noch, wie klein dieser Raum hier war?« Er zeigte mit seiner Pfote auf einen elliptischen Fleck.

»Zu zweit gingen wir gerade hinein«, erwiderte Archibald »ah, ich verstehe, wenn man die Größenverhältnisse vergleicht – aber das würde ja bedeuten ...« Sein Gesicht wurde weiß.