Praxislam - Samet Er - E-Book

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Samet Er

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Beschreibung

Es gibt viele Bücher über die islamische Religionspraxis. Die meisten von ihnen sind aus anderen Sprachen übersetzt und sprechen daher muslimische Jugendliche in Deutschland kaum an. Dem Theologen Samet Er gelingt es in diesem Buch, die deutsche Perspektive einzubringen und somit auf wichtige praxisbezogene Fragen der Jugendlichen hierzulande verständliche Antworten zu geben. Produktinformation Verlag: DEFINE Verlag (März 2019) Autor: Samet Er Taschenbuch: 192 Seiten Sprache: Deutsch ISBN: 9783946871125 Größe und/oder Gewicht: 14 x 21 cm

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PRAXISLAM

Handbuch zum islamischen Gottesdienst

Samet Er

PRAXISLAM Handbuch zum islamischen Gottesdienst

Copyright © Define Verlag, 2019

Es ist nicht gestattet, Teile dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder in PCs/Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Vorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Erschienen im Define-Verlag

Korrespondenz:Wilhelmstr. 26-30 Haus 24 - 13593 BerlinTel: +49 69 / 83-83-8000

www.deinbuchshop.de

DIJITAL ISBN:978-3-946871-12-5

Vorwort

Wie jeder Jugendliche in Deutschland hatte auch ich im Alter von 15 bis 17 Jahren ein Bedürfnis nach Antworten. Ich wollte mich daher viel intensiver mit Religion auseinandersetzen. Ich habe danach gefragt, was Sinn und Zweck meines Aufenthalts im Diesseits ist. Mich beschäftigten Fragen rund um die Themen Gott, Propheten, Universum, Engel, Existenz von Geisterwesen, Gebet … Nur hatte ich keine Antworten – obwohl ich seit meinem achten Lebensjahr in einer Moschee wöchentlich religiös unterrichtet wurde.

Da der Unterricht in der Moschee auf Türkisch erfolgte, fiel es mir schwer, das Gelernte in den hiesigen deutschen Kontext einzubringen. Ich brauchte kurze, schnelle und leicht formulierte Antworten, die ich auch an meine nichtmuslimischen Freunde, die mich ständig über das Gebet und das Fasten befragten, weitergeben konnte.

Mit Beginn meiner Tätigkeit als muslimischer Berater in Justizvollzugsanstalten sah ich viele religiös-theologische Analphabeten, die nur oberflächlich mit ihrer Religion vertraut waren. Kaum einer kannte sich mit mekruh,mendūb etc. aus. „Es kann nur haram und halal geben!“, war die Aussage eines Gefangenen. Ich war in direkter Weise mit der klassisch-islamischen Theologie im alltäglichen religiösen Leben konfrontiert, sodass ich sehen konnte, dass die Radikalisierung mit einem Mangel an religiösem Austausch zusammenhängt. „Warum soll ich den Gefängnisimam besuchen? Er kann doch nur Türkisch …“, habe ich öfters zu hören bekommen.

Dies war unter anderem der Grund dafür, das vorliegende Buch zu verfassen und jungen Menschen, die ebenfalls nach Antworten suchen, eine Art Leitfaden für ein an religiösen Werten und Vorstellungen orientiertes Leben an die Hand zu geben. Dieses Buch verdankt seine Form den Anfragen muslimischer Jugendlicher, die sich immer wieder an mich und mein Umfeld wenden. Das Buch nimmt das hanefitische Verständnis des Korans und der Sunna als Grundlage.

Ich habe mich an Jugendlichen zwischen dem 8. und 16. Lebensjahr orientiert und mich bemüht, mich möglichst in einem flüssigen, einfachen und verständlichen Sprachstil auszudrücken und keine arabischen Fachbegriffe zu verwenden. Hierzu habe ich den von mir geschätzten Autor und Islamwissenschaftler Arhan Kardaş zurate gezogen, indem wir uns für mehrere Tage von weltlichen Belangen zurückgezogen und jeden einzelnen Begriff ausdiskutiert haben. Zum besseren Verständnis haben wir zu wichtigen Begrifflichkeiten sowohl die türkische als auch die arabische Übersetzung angefügt. Die Koranübersetzungen stammen von Ali Ünal, dessen Werk Herr Kardaş und Herr Abdullah Aymaz überarbeitet haben.1 Zusätzlich wurden kurze Suren aus der Übersetzung von Friedrich Rückert übernommen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Buch junge Muslime über viele Jahre begleiten wird, sodass diese Begriffe in ihr Vokabular eingehen werden. Ich hoffe, dass dieses Buch zur Sensibilisierung und Immunisierung in Bezug auf radikale Angebote, zur Verbesserung des Wortschatzes, zur Klärung der Fragen und zum besseren Verständnis des Islams beiträgt.

Samet Er

1 Ali Ünal, Der Koran, Vollständige Übersetzung mit umfangreichem Kommentar, Frankfurt am Main 2015.

1. Kapitel

„Die sieben Himmel und die Erde und wer auch immer in ihnen ist preisen Ihn. Es gibt nichts, das Seine Herrlichkeit nicht rühmt (und verkündet, dass aller Lobpreis nur Ihm allein gebührt), auch wenn ihr (dazu neigt), deren Lobpreisung nicht zu verstehen. Er ist fürwahr der Nachsichtige, Vergebende“ (17:44).

Der Gottesdienst

Der Gottesdienst ist die Handlung, die in völliger Harmonie mit dem Willen Gottes steht. Er enthält die Verehrung Gottes und die Befolgung seiner den Menschen auferlegten Pflichten und fördert die persönliche und gesellschaftliche Entwicklung. Er ist die Suche nach dem Wohlgefallen Gottes und das Fernbleiben von Dingen, die dem Menschen und seiner Umwelt schädlich und daher verboten sind.

Der Geist des Gottesdienstes ist die Aufrichtigkeit, er wird lediglich für Gott vollzogen. Die innere Zufriedenheit des Menschen, welche unter anderem aus dem Gefühl der Durchführung des Gottesdienstes entsteht, führt ebenfalls zur geistigen Gesundheit des Menschen. Er bewirkt den Rückgang negativer Charaktereigenschaften und Handlungsweisen wie Arroganz, Überheblichkeit, Hochmut und Friedensstörung, da der Mensch sich immerwährend an Gott erinnert und sich seiner Bedürfnisse und Abhängigkeiten von dem Allmächtigen Allbarmherzigen Einen bewusst ist.

Wieso bedarf der Mensch des Gottesdienstes?

„Und dein Herr gab der Biene ein: ‚Nehmt euch Wohnstätten in den Bergen und in den Bäumen und in dem, was sie (die Menschen) sich bauen und weben mögen. Dann hole dir Nahrung von all den Früchten, und folge, indem du mit deinen Lasten heimkehrst, den Wegen deines Herrn, die dir leicht gemacht sind.‘ Aus ihren Leibern kommt ein Trank hervor von unterschiedlicher Farbe, in dem Heilung für die Menschen ist. Darin ist fürwahr ein Zeichen für Menschen, die nachdenken“ (16:68–69).

Wie der erhabene Gott uns in der Sure „Die Biene“ (En-Nahl) mitteilt, hat Er die Bienen erschaffen, damit sie Honig produzieren und Blumen bestäuben. Jedes Lebewesen wurde für eine bestimmte Aufgabe erschaffen. In diesem Universum, in dem alles vollkommen geordnet ist und perfekt zusammenhängt, gibt es nichts, was sinnlos wäre. Gott hat jedem Lebewesen einen bestimmten Auftrag erteilt, der auch gleichzeitig dessen Gottesdienst ist. Die Biene verrichtet ihren Dienst, indem sie Honig herstellt, die Kuh, indem sie Milch produziert, die Bäume, indem sie Sauerstoff abgeben und die Sonne, indem sie Licht und Wärme spendet. Der Schöpfer drückt diese Tatsache in der Sure El-Isra wie folgt aus:

„Die sieben Himmel und die Erde und wer auch immer in ihnen ist preisen Ihn. Es gibt nichts, das Seine Herrlichkeit nicht rühmt, auch wenn ihr (dazu neigt,) deren Lobpreisung nicht zu verstehen. Er ist fürwahr der Nachsichtige, Vergebende“ (17:44).

So erfüllen, von den Atomen bis zu den Sternen, alle Geschöpfe ihre von Gott auferlegten Pflichten. Während das ganze Universum, ganz gleich, ob lebendig oder leblos, Ihn lobpreist, wäre es mit dem Verstand und dem Gewissen nicht vereinbar, würden die Menschen Gott nicht preisen, obwohl Er sie doch in vollkommenster Weise erschaffen und mit unzähligen Gaben ausgestattet hat.

Der erhabene Gott ermöglicht uns, das Licht, das wir brauchen, von der Sonne zu bekommen, und den Sauerstoff, den wir benötigen, aus der uns umgebenden Luft aufzunehmen. Er hat uns Augen zum Sehen, Ohren zum Hören und einen Verstand gegeben. Darüber hinaus hat Er die Erde für uns mit unzählig vielen Gaben und Gütern versehen. Die größte Gabe ist es jedoch, als Mensch mit einem Verstand erschaffen worden zu sein. Gott hat den Menschen als Vornehmsten und Schönsten unter allen Wesen und als Seinen verantwortlichen Sachwalter2 auf Erden erschaffen. Als Gegenleistung für diese endlos vielen Gaben und für Seine Güte verlangt Er von uns lediglich, den Gottesdient durchzuführen.

Gottesdienst bedeutet, sich Gott zu ergeben, Seine Befehle zu befolgen und von Ihm verbotene Dinge zu meiden, sich nicht menschlichen Gelüsten (nefs) hinzugeben und so dem Teufel zu gehorchen, sondern so zu leben, dass man Sein Wohlgefallen (ar. riḍa, tr. Allah rızası) erlangen kann. Der beste Weg, dem Schöpfer gegenüber unsere Liebe, unsere Achtung und unsere Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, ist, den Gottesdienst durchzuführen. Das Beste, was wir mit dem Gottesdienst erreichen können, ist Sein Wohlgefallen zu erlangen, denn Gottes Wohlgefallen führt zur Glückseligkeit im Diesseits und im Jenseits.

Gott ist derjenige, der nichts bedarf. Er bedarf also auch unseres Gottesdienstes nicht. Vielmehr dürfen wir Menschen Ihm dienen; wir werden uns so unserer Schwächen und Stärken bewusst, der Horizont unseres Denkens wird erweitert und wir erlangen menschliche Vollkommenheit. Durch die Anerkennung und die Liebe dieses höheren Wesens werden wir von Bescheidenheit und Zuneigung erfüllt und lernen negative Charaktereigenschaften und Handlungsweisen wie Arroganz, Überheblichkeit und Hochmut durch positive Eigenschaften zu ersetzen.

„O ihr Menschen! Dient eurem Herrn, der euch erschaffen hat und die, die vor euch waren, damit ihr ergebene Ehrfurcht (taqwa) gegen Ihn erlangt und Seinen Schutz“ (2:21).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Gott den Menschen die Aufgabe gegeben hat, sich in der von Ihm gestifteten Verfügung zu vervollkommnen. Dafür zeigt Er den Menschen, welche Wege zu gehen und welche zu vermeiden sind, wenn sie das gottgestellte Ziel erreichen möchten.

Der Gottesdienst erinnert uns daran, dass wir Geschöpfe Gottes sind

Der Glaube ist ein Band zwischen Schöpfer und Geschöpf. Aus diesem Grund ist der Gottesdienst unmittelbar mit dem Glauben verbunden, da der Gottesdienst sowohl zur Pflege als auch zur Bewahrung dieses Bandes dient. Denn der Glaube verliert stetig an Kraft, wenn er nicht durch den Gottesdienst gestärkt wird. Je mehr sich der Mensch an den Gottesdienst klammert, desto kräftiger wird sein Glaube. Denn der Mensch ist oft mit weltlichen Angelegenheiten beschäftigt, welche ihn unmerklich von seinem Schöpfer entfernen. Sobald wir uns aber dem Gottesdienst widmen, heben wir die Entfernung zu Gott in uns auf. So fühlen wir uns in Gottes Gegenwart und werden uns immer und immer wieder an die Liebe unseres Herrn erinnern. Unser Herz ist so vor negativem Denken und unser Körper (Auge, Hand, Zunge etc.) vor Sünden geschützt.

Sobald wir versucht sind, eine Sünde zu begehen, spricht das Bewusstsein, das wir durch das Gebet und den Gottesdienst erworben haben, zu uns; Gott, der Eine Herr und Seine Liebe reichen uns aus. Das schönste Erlebnis für einen Gläubigen besteht darin, seinen Schöpfer zu kennen und an Seine Existenz und Seine Einigkeit zu glauben.

Wir werden uns unserer Dienerschaft vor Gott bewusst, indem wir das Gebet verrichten, die reinigende Abgabe (tr. zekat) entrichten oder fasten, also den Gottesdienst durchführen. Wir werden uns bewusst, dass alles, was wir besitzen, ein Geschenk Gottes und Ausdruck Seiner Großzügigkeit ist. Wir lernen zu danken und bleiben von den Versuchungen des Teufels fern. Somit lernen wir, besonnen zu leben, versuchen unser Leben als Gläubige zu verbringen und somit uns selbst und unseren Mitmenschen Gutes zu tun.

Genau darauf bezieht der deutsche Orientalist Joseph von Hammer-Purgstall den anfänglichen Erfolg der Muslime. Auf die Frage, warum die Muslime in den ersten Jahren so erfolgreich und beliebt waren, antwortete er: „Ergebung in den Willen Gottes und Vertrauen in die Vorsehung bilden das Wesen des Islams. Vertrauen in die Zukunft: Inschallah: wenn Gott will oder wenn es Gott gefällt; und Ergebung in das Vergangene: Maschallah: was Gott will, oder was Gott gefällt. Nichts unternehmen ohne die himmlische Hilfe erfleht zu haben: Bismillah: im Namen Gottes, und nichts beenden ohne Danksagung: Elhamdulillah: Lob sei Gott. Diese vier Worte, sozusagen die vier Eckpfeiler in der Ethik des Islams, führen alle Muslime ständig im Munde.“3

Der barmherzige Schöpfer teilt uns ohnehin in der Sure Lokman Vers 18 Folgendes mit: „Wende dein Gesicht nicht in verächtlichem Stolz von den Menschen ab, und gehe nicht hochmütig auf Erden umher. Wahrlich, Gott liebt nicht die Stolzen und Eingebildeten.“

Jemand, der seine Aufgaben gegenüber seinem Herrn verrichtet, wird sich auch seelisch gestärkt fühlen. Der Gottesdienst bändigt Eigenschaften wie Egoismus, Prahlerei und Arroganz und erinnert den Menschen daran, dass lediglich Gottes Größe unermesslich ist.

Die Verantwortung und die Bedingungen des Gottesdienstes

Für einen bestmöglichen Gottesdienst ist es wichtig zu wissen, wie wir in der Praxis vorzugehen haben. Bevor wir die Bedingungen für den Gottesdienst erlernen, ist es sinnvoll, zunächst einige Begrifflichkeiten zu klären. Im nächsten Teil werde ich mich deshalb nacheinander mit diesen Wörtern und Begriffen beschäftigen.

Wann gilt man im Islam als verantwortlich (ar. mukellef, tr. mükellef)?

Alles, was im Universum geschieht, wird in einem Buch aufgezeichnet. Ebenso werden alle Handlungen, Gefühle, Emotionen und Gedanken des Menschen, sowohl gute als auch schlechte Taten, festgehalten. Diese Aufzeichnung dient unter anderem der Bewertung der Taten am Jüngsten Gericht. Der Mensch wird entweder belohnt oder bestraft.

Mit anderen Worten: Jeder Mensch ist verantwortlich für seine Handlungen und wird am Jüngsten Gericht für sein Leben zur Rechenschaft gezogen. Wann aber beginnt die Verantwortung? Wann tritt diese geistig-seelische Fähigkeit zutage? Ab welchem Alter sind die Handlungen des Menschen für das Jüngste Gericht maßgeblich? Welche Voraussetzungen sind für eine vollkommene Verantwortung zu erfüllen?

Was sind die Voraussetzungen?

Gemäß der islamischen Normenlehre sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen, damit jemand als vollkommen verantwortlich gelten kann. Der Verantwortliche sollte unbedingt

1. muslimischen Glaubens sein,

2. bei klarem Verstand sein und

3. die Pubertät erreicht haben.

Jeder Mensch kommt wie ein unbeschriebenes Blatt auf die Welt, frei von Sünden und unschuldig. Bis zur Pubertät ist dieser Mensch für seine Taten nicht religiös verantwortlich. Diese Zeit wird als Vorbereitung auf das Diesseits gesehen, ähnlich wie bei einem Auszubildenden, der vieles neu erlernt, dem aber auch zugestanden wird, Fehler zu machen, aus denen er lernen kann. Bis zu diesem Zeitpunkt werden gute Handlungen festgehalten, wohingegen schlechte Taten toleriert werden. Es ist aber wichtig, in dieser Zeit die Grundlagen des Islams zu erlernen, um nach der Pubertät den Gottesdienst bestens durchführen zu können.

Die Merkmale der Pubertät

Biologisch gesehen bedeutet die Pubertät, dass Kinder das Alter zur Fortpflanzungsfähigkeit erreicht haben und der Körper ausreichend entwickelt ist. Alle Kinder durchlaufen diese Entwicklungsphase. Die Pubertät ist laut dem Konsens der islamischen Gelehrten und Biologen bei Mädchen zwischen 9 und 15 Jahren und bei Jungen zwischen 12 und 15 Jahren. Auch wenn die Merkmale der Pubertät bis dahin nicht aufgetreten sind, gilt das Kind nach Meinung islamischer Gelehrter als religiös mündig. Mit dem Erlangen des Pubertätsalters wird von dem Jugendlichen erwartet, sich an die von Gott auferlegten Gebote und Verbote zu halten. Wichtig hierbei ist jedoch, dass bei dem Jugendlichen das Bewusstsein vorhanden sein muss, welchen Sinn und Zweck der Gottesdienst hat. Eine blinde Nachahmung der Eltern und das unreflektierte Auswendiglernen können sowohl dem Kind als auch dem Bild des Gottesdienstes und der Religion schaden.

Die Kernaufgaben (ar. farḍ, tr. farz) im Islam

Die Kernaufgaben sind Regeln, die Gott den Menschen auferlegt hat, welche zu befolgen sind und im Falle der Unterlassung im Jenseits sanktioniert werden. Dazu gehören beispielsweise das Hauptgebet, das Fasten, die Pflichtabgabe (zekat) oder die Pilgerfahrt. Das Erfüllen der Kernaufgaben wird von Gott im Jenseits belohnt und das bewusste Unterlassen im Jenseits bestraft. Im Koran und im Leben des Propheten Muhammed sind die Kernaufgaben und ihre Durchführung explizit definiert.

Zwei Arten von Kernaufgaben: farḍ el-‘ayn und farḍel-kifāye

Farḍ el-‘ayn sind Kernaufgaben, die jedem Muslim individuell auferlegt sind. Es liegt in seiner persönlichen Verantwortung, diesen nachzukommen. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um das Verrichten des Hauptgebets, das Entrichten des zekat, das Fasten oder die Pilgerfahrt. Es ist die individuelle Pflicht jeder Person muslimischen Glaubens. Bei farḍ el-kifāye genügt es schon, wenn eine kleine Gruppe von Muslimen dieser Pflicht nachkommt. Dies hat zur Folge, dass alle anderen Muslime von dieser Aufgabe befreit sind. Diese wird als „ausreichende Aufgabe“ übersetzt. Wenn sich keiner bereit erklärt, diese Aufgabe zu erfüllen, wird jeder einzelne Muslim zur Rechenschaft gezogen, da diese Aufgabe den Muslimen als Gemeinschaft auferlegt wurde. Beispiele hierfür sind das Verrichten des Totengebets oder das Erlernen der Natur- und Geisteswissenschaften sowie der Koran- und Hadithwissenschaften.

Die Soll-Aufgaben (ar. wadjib, tr. vacip) im Islam

Wadjib kann mit „erforderlich“ oder „notwendig“ übersetzt werden. Nach Meinung nicht-hanefitischer Gelehrter ist wadjib gleichbedeutend mit den Kernaufgaben. Hanefitische Gelehrte machen jedoch einen feinen Unterschied, indem sie wadjib als Aufgaben definieren, zu denen zwar im Hinblick auf Ge- oder Verbote ein klarer Beleg aus dem Koran, den hadith-mutawatir