Praxiswissen Palliativmedizin - Christoph Gerhard - E-Book

Praxiswissen Palliativmedizin E-Book

Christoph Gerhard

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Beschreibung

<p><strong>Versorgung nach Maß</strong></p> <p>Palliativversorgung findet nicht nur am Lebensende, nicht nur in Spezialsettings und nicht nur bei Tumorerkrankungen statt.</p> <p>Mit diesem Übersichtswerk sind Sie sowohl in den "klassischen" Strukturen als auch in Krankenhäusern, Pflegeheimen und zu Hause auf die relevanten medizinischen, psychosozialen, spirituellen und ethischen Aufgaben vorbereitet.</p> <ul> <li>praxisrelevantes Wissen zum umfangreichen Spektrum der palliativmedizinischen Versorgung im Hospiz, auf der Palliativstation, im SAPV-Team, in der Haus- oder Facharztpraxis, im Pflegeheim, auf der Normal- oder Intensivstation des Krankenhauses, in der Behindertenhilfe oder zu Hause (mit Ausnahme der palliativmedizinischen Versorgung von Kindern)</li> <li>Berücksichtigung von Tumor- und Nichttumorpatienten (Patienten mit chronischen Lungen-, Herz- und Nierenkrankheiten sowie fortgeschrittenen neurologischen Erkrankungen) und von Patienten, die nicht unmittelbar am Lebensende stehen</li> <li>multidimensionale Betrachtung körperlicher, psychischer, sozialer und spiritueller Aspekte</li> <li>zahlreiche Fallbeispiele und Kurzzusammenfassungen</li> </ul> <p><strong>Als Prüfungsvorbereitung:</strong></p> <ul> <li>die Inhalte orientieren sich am Curriculum für die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin und eignen sich ideal zur Prüfungsvorbereitung und als Kurs-Begleitliteratur.</li> <li>ein Repetitorium fasst die Kerninhalte für die Prüfung zusammen.</li></ul><p><strong>Das ist neu:</strong></p><ul><li>angepasst an die S3 Leitlinie Palliativmedizin sowie die aktuellen Empfehlungen der WHO zur Tumorschmerztherapie</li><li>neue Kapitel zu den Themen: Maligne intestinale Obstruktion, Todeswunsch, Sterbefasten und Advance Care Planning<br></li></ul><p>Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.<br></p>

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Praxiswissen Palliativmedizin

Konzepte für unterschiedlichste palliative Versorgungssituationen

Christoph Gerhard

2., aktualisierte Auflage

20 Abbildungen

Vorwort zur 2. Auflage

Auch in der 2. Auflage geht es diesem Lehrbuch vor allem darum, eine breite Palliativversorgung in unterschiedlichsten Versorgungsstrukturen und mit unterschiedlichsten unheilbaren Krankheiten zu vermitteln. Das hierzu nötige Fachwissen soll auf dem aktuellsten Stand und möglichst evidenzbasiert sein. In dieser Hinsicht hat sich in den 8 Jahren seit der 1. Auflage dieses Werkes viel getan. Eine S3-Leitlinie befasst sich auf mehr als 300 Seiten mit der Evidenzbasierung der Palliativmedizin für nicht heilbar Tumorerkrankte. Dies geschah im breiten Konsens mit den meisten medizinisch wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Wo immer erforderlich, wurde diese Auflage entsprechend der neuen Version dieser Leitlinie von 2020 und anhand weiterer neuerer Evidenzen überarbeitet. Der Autor ist mittlerweile seit 2020 nicht mehr als Palliativmediziner im Krankenhaus, sondern in einer ambulanten Struktur der spezialisierten Palliativversorgung tätig, was seine eigene Erfahrung in unterschiedlichsten Versorgungssettings noch weiter bereichert. Wo immer möglich und nötig, lässt er diese möglichst nah an den Betroffenen und ihrem Umfeld gemachten Erfahrungen einfließen. Der Autor dankt seinen Kollegen und Mitarbeitern für die kritische Durchsicht dieses Werks.

Dr. med. Christoph Gerhard

Dinslaken, August 2022

Vorwort der 1. Auflage

Angesichts der zahlreichen Lehrbücher der Palliativmedizin auf dem Buchmarkt mag man sich fragen, warum es noch ein weiteres Lehrbuch für Ärzte braucht. Der Grund ist ein zweifacher: Zum einen beziehen sich die meisten Palliativmedizinlehrbücher überwiegend oder ausschließlich auf Tumorpatienten. Dies mag auch die Berufswirklichkeit der auf Palliativstationen oder in Hospizen tätigen Palliativmediziner sein. In anderen Settings, z.B. der Hausarztpraxis, dem Pflegeheim oder den normalen Krankenhausstationen, finden sich aber ganz überwiegend sogenannte „Nichttumorpatienten“, Menschen mit fortschreitenden, zum Tode führenden internistischen (z.B. Herz-, Lungen-, Nieren-) oder neurologischen Erkrankungen, Demenz, Multimorbidität etc. Das vorliegende Buch widmet sich daher neben den Tumorerkrankungen, die in der Tat in der Palliativmedizin eine wichtige Rolle spielen, auch ausführlich der großen, oft vergessenen Gruppe der Nichttumorerkrankten. Es eignet sich sowohl für (angehende) Palliativmediziner als auch für Haus- und Fachärzte, deren Berufswirklichkeit nicht das Hospiz oder die Palliativstation ist, die aber in ihrem Beruf immer häufiger mit palliativen Fragen zu tun haben.

Zum Zweiten ist dieses Buch ein Ein-Autoren-Werk – und das mit gutem Grund! Palliativmedizin unterscheidet sich von anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung vor allem in der Haltung, mit der den Betroffenen und ihren Angehörigen begegnet wird. Es erschien daher sehr vorteilhaft, das ganze Werk in einer stringenten, einheitlichen Sichtweise und Haltung zu schreiben, wie es nur bei einem Ein-Autoren-Werk gelingen kann. Das Buch versucht, diese Haltung praxisnah anhand von Fallbeispielen, Modellen usw. zu veranschaulichen und den Transfer in die Praxis zu fördern. In den Kapiteln zur Schmerz- und Symptombehandlung wird – wo immer möglich – ein mechanismenbasierter Ansatz verfolgt, sodass sich die erlernten Grundprinzipien zielführend auf möglichst viele und unterschiedliche Patientengruppen anwenden lassen. Komplexe Themen, wie z.B. Kommunikation, Ethik oder Spiritualität, werden im Interesse der Praxisnähe anhand von im Alltag anwendbaren Modellen oder Leitfäden hergeleitet. Dazu werden die in der Literatur zahlreich vorhandenen Modelle auch durch eigene Modelle ergänzt, wo immer diese für die Praxis sinnvoll erscheinen.

Mein Dank gilt allen Menschen, die zu diesem Buch beigetragen haben. Ich danke der Geschäftsführung (namentlich Herrn Geschäftsführer Boos, dem Leiter der Abteilung medizinische Entwicklungen Herrn Dr. Ernst und dem ärztlichen Direktor Herrn Privatdozent Dr. Zimmermann) sowie allen Mitarbeitern des Katholischen Klinikums Oberhausen für die hohe Akzeptanz und Förderung des Palliativkonsiliardienstes im Klinikum. Außerdem danke ich den Mitarbeitern des Palliativkonsiliardienstes am Katholischen Klinikum Oberhausen, insbesondere Frau Sandra Förster, Frau Anna Baagt sowie Herrn Friedhelm Gores, für viele Anregungen und die gute multiprofessionelle Zusammenarbeit. Bedanken möchte ich mich ferner bei Herrn Professor Dr. Stefan Gesenhues, dem Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Universität Duisburg/Essen, zu dem das von mir geleitete Kompetenzzentrum für Palliativmedizin der Universität Duisburg/Essen gehört, sowie bei den Lehrbeauftragten des Kompetenzzentrums Dr. Christoph Emschermann, Dr. Johannes Hußmann, Dr. Stelios Kostopoulos, Dr. Rüdiger Lang, Dr. Stephan Muck und Eti Saylan für die gewinnbringende gemeinsame Unterrichtstätigkeit im Querschnittsbereich 13 Palliativmedizin. Bedanken möchte ich mich auch bei den Mitarbeitern der von mir geleiteten Arbeitsgruppe Nichttumorpatienten der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin für viele anregende Diskussionen. Dieses Buch wäre nicht möglich gewesen ohne die Verortung in der Praxis. Mein Dank richtet sich daher ganz besonders an alle Patienten, die mir Lehrer waren. Bei den Teilnehmern an meinem palliativen Unterricht bei der Ärztekammer Nordrhein und zahlreichen Palliativakademien bedanke ich mich für viele wertvolle Fragen, die mich zu einer noch tieferen Beschäftigung mit den Lerninhalten der Palliativmedizin angeregt haben. Mein größter Dank gilt den Mitarbeiterinnen des Georg Thieme Verlags, Frau Dr. Kristina Michael und Frau Laura Bohnert, für ihre hervorragende, stetige und geduldige Förderung des Buchprojekts und das mir entgegengebrachte Vertrauen.

Dr. med. Christoph Gerhard

Dinslaken, Juli 2014

Abkürzungen

AAPV

allgemeine ambulante Palliativversorgung

ACP

Advance Care Planning, gesundheitliche Versorgungsplanung

ALS

amyotrophe Lateralsklerose

ASS

Azetylsalizylsäure

BAG

Bundesarbeitsgemeinschaft

BESD

Beurteilung von Schmerz bei Demenz, Schmerzerfassungsskala für Menschen mit Demenz

BISAD

Beobachtungsinstrument für das Schmerzassessment bei alten Menschen mit Demenz

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BtMVV

Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung

CAM 

Confusion Assessment Method

Erfassungsmethode für Delirien

COPD

Chronic Obstructive Pulmonary Disease, chronisch obstruktive Lungenerkrankung

DGP

Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin

DHPV

Deutscher Hospiz- und Palliativverband

DNA-Schema 

durch den Mund, nach der Uhr, nach dem Analgetikaschema

gemeint sind die Grundprinzipien der Schmerztherapie der WHO („by the ladder, by the clock, by the mouth“)

DNQP

Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege

DRG

Diagnosis Related Groups, diagnosebezogene Fallgruppen

EAPC

European Association for Palliative Care, Europäische Palliativgesellschaft

EBM

einheitlicher Bewertungsmaßstab

ECPA 

Echelle Comportementale de la douleur pour Personnes Agées non communicantes

Schmerzerfassungsskala für Menschen mit Demenz anhand beobachtbarer Kriterien

EDAAP 

Expression Douleur Adolescent Adulte Handicapé

Schmerzerfassungsskala für jugendliche und erwachsene Menschen mit Mehrfachbehinderung

EEG

Elektroenzephalogramm

G-BA

Gemeinsamer Bundesausschuss

HOPE

Hospiz und Palliativerhebung

IGSL

Internationale Gesellschaft für Sterbebegleitung

KRISE

Modell ethischer Fallbesprechungen (K: Konfliktsituation beschreiben, R: relevante Fakten realistisch einschätzen, I: Identifikation der Patientensicht durch Intuition und Rekonstruktion, S: Sammlung und Bewertung ethisch relevanter Gesichtspunkte, E: Entscheidungsvorschlag)

KTQ

Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen

LCP 

Liverpool Care Pathway

Behandlungspfad für Sterbende

LQ

Lebensqualität

MCP

Abkürzung für den pharmakologischen Wirkstoff Metoclopramid

MMSE

Mini Mental State Exam

MS

multiple Sklerose

MSI

Handelsname, steht für Morphinsulfat per injectionem

MST

Handelsname, steht für Morphinsulfat

NAS

numerische Analogskala

NaSSA

noradrenergic and specific serotonergic antidepressant, noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum

NRS

numerische Ratingskala

OPS

Operationen- und Prozedurenschlüssel

PAINAD

Pain Assessment in Advanced Dementia Scale

PASCLAC

Pain Assesment Scale for Seniors with Severe Dementia

PBA

palliatives Basisassessment

PDCA

Plan, Do, Check, Act

PEG

perkutane endoskopische Gastrostomie

PLISSIT

Perception, Limited Information, Specific Suggestions, Intensive Therapy

RLS

Restless-Legs-Syndrom

SAPV

spezialisierte ambulante Palliativversorgung

SAS

Smiley-Analogskala

SGB

Sozialgesetzbuch

SMILE 

Schedule for Meaning in Life Evaluation

Instrument zur Erfassung des Lebenssinns

SPIKES

Leitfaden für Aufklärungsgespräche (S: Setting, P: Perception, I: Invitation, K: Knowledge, E: Emotions, S: Strategy and Summary)

SPIR

spirituelles Interview

SSNRI

selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

SSRI

selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

VAS

visuelle Analogskala

VRS

verbale Ratingskala

WHO

World Health Organisation

ZNS

Zentralnervensystem

ZOPA 

Zurich Observational Pain Assessment

Züricher Schmerzerfassungsskala für Menschen mit schweren neurologischen Erkrankungen

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Vorwort zur 2. Auflage

Vorwort der 1. Auflage

Abkürzungen

1 Grundlagen der Palliativmedizin

1.1 Was ist Palliativmedizin?

1.2 Was unterscheidet die Palliativmedizin von anderen medizinischen Fachgebieten?

1.3 Total-Pain-Modell

1.4 Palliativversorgung während des gesamten Krankheitsverlaufs?

1.5 Wie hat sich die Palliativmedizin entwickelt?

2 Schmerz- und Symptombehandlung

2.1 Erfassung von Schmerzen und Symptomen

2.1.1 Schmerzerfassungsskalen

2.1.2 Schmerz- und Symptomerfassung trotz kognitiver Beeinträchtigung?

2.1.3 Schmerzerfassung bei neurologischen Veränderungen

2.1.4 Schmerzeinschätzung bei Menschen mit Sprachstörungen

2.1.5 Schmerzerfassung bei geistiger Behinderung

2.1.6 Schmerz- bzw. Symptommanagement und seine Grenzen

2.2 Grundlagen der Schmerz- und Symptombehandlung

2.3 Schmerztherapie in der Palliativmedizin

2.3.1 Schmerzarten

2.3.2 Prinzipien der Schmerztherapie

2.3.3 Nichtopioide

2.3.4 Opioide

2.3.5 Koanalgetika

2.3.6 Invasive Verfahren

2.3.7 Nicht medikamentöse Schmerztherapieverfahren

2.3.8 Durchbruchschmerzen

2.3.9 Schmerzen bei Spastik

2.3.10 Mechanismenbasierte Überlegungen zur Schmerztherapie

2.4 Pulmonale Symptome

2.4.1 Dyspnoe

2.4.2 Husten

2.4.3 Rasselatmung

2.5 Gastrointestinale Symptome

2.5.1 Übelkeit und Erbrechen

2.5.2 Obstipation

2.5.3 Maligne intestinale Obstruktion

2.5.4 Diarrhö

2.6 Neuropsychiatrische Symptome

2.6.1 Depressionen

2.6.2 Verwirrtheit und Delir

2.6.3 Epileptische Anfälle

2.6.4 Bewusstseinsstörungen

2.6.5 Fatigue

2.6.6 Schlafstörungen

2.6.7 Restless-Legs-Syndrom

2.7 Dermatologische Symptome

2.7.1 Juckreiz

2.7.2 Wunden

2.8 Mundpflege

2.8.1 Prophylaxe der Mundtrockenheit

2.8.2 Behandlung von Pilzinfektionen

2.9 Flüssigkeitsgabe und Ernährung am Lebensende

2.9.1 Schluckstörung und Ernährung

2.9.2 Anorexie-Kachexie-Syndrom

2.9.3 Subkutane Infusion

2.9.4 Vorteile der Dehydratation

2.9.5 Flüssigkeit und Ernährung am Lebensende – eine schwierige Entscheidung

2.9.6 PEG-Anlage

2.10 Palliative Sedierung

2.10.1 „Ultima Ratio“ der Symptomlinderung

2.10.2 Ethische Betrachtung

2.10.3 Durchführung

2.10.4 Palliative Sedierung – eine Form der Sterbehilfe?

2.11 Angst – mehr als nur ein Symptom

2.11.1 Wann tritt Angst in der Palliativversorgung auf?

2.11.2 Teufelskreis Atemnot – Angst

2.11.3 Rasselatmung und die Angst der Umgebung, dass der Betroffene erstickt

2.11.4 Angst der Umgebung des Menschen in palliativer Versorgung

2.11.5 Angst vor der Zukunft mit einer schweren unheilbaren Erkrankung

2.12 Behandlung am Lebensende

2.12.1 Sterbephase

2.12.2 Bedürfnisse der Sterbenden

2.12.3 „Pathway“ für Sterbende?

3 Kommunikation

3.1 Grundlagen

3.1.1 Radikale Patientenorientierung

3.1.2 Blockierende Techniken

3.2 Kommunikation mit Bewusstseinsgestörten

3.3 Basale Stimulation

3.4 Validation

3.5 Veränderte sprachliche Kommunikation

3.6 Aufklärung über die Diagnose

3.6.1 Frühzeitige und vollständige Aufklärung

3.6.2 Gründe unvollständiger Aufklärung

3.6.3 SPIKES-Modell

3.7 Prognosegespräche

3.8 Besondere Rolle der Angehörigen und Zugehörigen

4 Teamarbeit

5 Psychosoziale Fragen

5.1 Lebensqualität

5.1.1 Bewertung

5.1.2 Erfassungsinstrumente

5.2 Sexualität

5.2.1 Erweiterte Sichtweise

5.2.2 PLISSIT-Modell

5.3 Achtsamkeit

5.4 Lebenssinn

5.4.1 Konzept

5.4.2 Erfassungsinstrument SMILE

5.4.3 Beispiele

5.5 Spiritualität

5.5.1 Definition

5.5.2 Spirituelles Interview (SPIR)

5.5.3 Individuelle Bedeutung der jeweiligen Religion

5.6 Trauer

5.6.1 Phasen und Aufgaben

5.6.2 Schuldzuweisungen

5.7 Resilienz

6 Ethik

6.1 Philosophisch-ethische Theorien

6.1.1 Deontologie (Pflichtenethik)

6.1.2 Utilitarismus (zweckorientierte Ethik)

6.1.3 Ethik der Sorge

6.2 Mittlere Prinzipien der Ethik nach Beauchamp und Childress

6.2.1 Respekt vor der Autonomie

6.2.2 Prinzip des Nutzens (Benefizienz)

6.2.3 Freiheit von Schaden (Nonmalefizienz)

6.2.4 Gerechtigkeit

6.3 Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Vorsorgeplanung

6.3.1 Patientenverfügung

6.3.2 Vorsorgevollmacht

6.3.3 Vorsorgeplanung – Advance Care Planning

6.3.4 Integration von natürlichem Willen, vorausverfügtem Willen und mutmaßlichem Willen

6.4 Ethische Fallbesprechungen

6.4.1 Nijmegener Modell der ethischen Fallbesprechung

6.4.2 Das Modell KRISE: ethische Fallbesprechungen trotz knapper zeitlicher Ressourcen?

6.5 Sterbehilfe

6.5.1 Formen

6.5.2 Rechtslage

6.5.3 Umgang mit Todeswünschen

6.5.4 Suizid und Suizidbeihilfe

6.5.5 Freiwilliger Verzicht auf Flüssigkeit und Nahrung

6.5.6 Abstellen eines Beatmungsgeräts

7 Palliativversorgung bei unterschiedlichen Krankheitsbildern

7.1 Palliativversorgung bei Tumorerkrankungen

7.2 Palliativversorgung bei kardiopulmonalen Erkrankungen

7.2.1 Herzinsuffizienz

7.2.2 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

7.3 Palliativversorgung bei Nierenerkrankungen

7.3.1 Begleiterkrankungen, Todesursachen

7.3.2 Symptomatische Therapie

7.3.3 Besonderheiten

7.4 Palliativversorgung bei neurologischen Erkrankungen

7.4.1 Amyotrophe Lateralsklerose

7.4.2 Schlaganfall

7.4.3 Morbus Parkinson

7.4.4 Multiple Sklerose

7.5 Palliative Versorgung bei Alterserkrankungen

7.5.1 Frailty

7.5.2 Demenz

8 Palliativversorgung in unterschiedlichen Versorgungssettings

8.1 Ambulante Palliativversorgung

8.1.1 Spezialisierte ambulante Palliativversorgung

8.1.2 Allgemeine ambulante Palliativversorgung

8.2 Palliative Versorgung im Krankenhaus

8.2.1 Palliativdienste

8.2.2 Palliativstationen

8.2.3 Behandlungsgrundsätze

8.3 Palliative Versorgung im Pflegeheim

8.4 Besondere Versorgungssituationen

8.4.1 Palliativversorgung bei Menschen mit geistiger Behinderung

8.4.2 Palliativversorgung von Menschen mit Migrationshintergrund

8.4.3 Palliativversorgung bei Obdachlosigkeit

8.4.4 Palliativversorgung von Strafgefangenen

8.5 Organisationsentwicklung hin zu einer palliativen Kultur

8.5.1 Stufen der Palliativversorgung

8.5.2 Qualitätsmanagement und Palliativversorgung

8.6 Welche Umgebung brauchen die Betroffenen?

8.6.1 Hospize und Palliativstationen

8.6.2 Ambulante Palliativversorgung

8.6.3 Pflegeheim, Akutkrankenhaus

9 Repetitorium

9.1 Grundlagen der Palliativmedizin

9.2 Schmerz- und Symptomerfassung

9.3 Prinzipien der Schmerztherapie

9.4 Symptombehandlung

9.5 Behandlung am Lebensende

9.6 Kommunikation

9.7 Ethik

9.8 Psychosoziale Fragen

10 Musterweiterbildungsordnung Palliativmedizin der Bundesärztekammer in der Fassung von 2018

11 Literatur

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum/Access Code

2 Schmerz- und Symptombehandlung

In der Palliativmedizin gelten für die Schmerz- und Symptombehandlung folgende Grundprinzipien:

Ein Symptom kann nur dann gut behandelt werden, wenn wir es erfassen. Während in der Gesundheitsversorgung oft gewartet wird, bis sich die Betroffenen melden und über ein störendes Symptom klagen, wird in der Palliativversorgung schon im Vorhinein nach zu erwartenden störenden Symptomen proaktiv gefragt. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.

Fallbeispiel

Frau M. hat ein Pankreaskopfkarzinom. Ihr behandelter Arzt fragt sie pauschal, wie es ihr gehe. Ihre Antwort ist, dass es ihr den Umständen entsprechend gut gehe. Anschließend wird sie gezielt nach zu erwartenden Symptomen gefragt. Auf Schmerzen angesprochen, gibt sie Bauchschmerzen von kolikartigem Charakter auf einer Skala von 0–10 bei 5 an. Auf die Frage, warum sie diese nicht mitgeteilt habe, erwidert sie, dass es ja noch auszuhalten sei und man mit Schmerzmitteln sparen müsse. Die Frage nach Übelkeit beantwortet sie mit mittelstarker Übelkeit, die sie aber noch aushalten könne. Auch die Frage nach Juckreiz bejaht sie. Eine eingeleitete Therapie mit Metamizol und Tilidin gegen Schmerzen, Metoclopramid gegen Übelkeit und Mirtazapin gegen Juckreiz führt zu einer deutlichen Besserung aller 3 Symptome.

Ein Symptom sollte hinsichtlich seiner pathophysiologischen Ursache analysiert werden, damit es mechanismenbasiert, gezielt behandelt werden kann. Dies lässt sich an dem oben genannten Beispiel erläutern.

Fallbeispiel

Frau M. hat kolikartige Schmerzen bei einem Tumor in Bauchbereich. Es handelt sich um viszeral nozizeptive Schmerzen. Daher erhält sie das Stufe-1-Analgetikum Metamizol, das besonders gut bei viszeral nozizeptiven Schmerzen hilft, und ein Opioid. Die Übelkeit dürfte am ehesten eine gastrointestinale Ursache bei peritonealer Reizung haben, weshalb als Basisantiemetikum Metoclopramid zu empfehlen ist. Der Juckreiz ist bei gleichzeitig bestehendem leichtem Ikterus am ehesten cholestatisch bedingt, sodass ein Therapieversuch mit Mirtazapin erfolgversprechend sein könnte.

Ein Symptom muss in regelmäßigen Abständen reevaluiert werden. Die Dosis muss individuell angepasst werden. Für das dargestellte Fallbeispiel bedeutet dies Folgendes.

Fallbeispiel

Am Folgetag wird klar, dass sich die Schmerzen auf der Skala von 0–10 von 5 auf 4 verbessert haben. Es sollte jedoch möglichst ein Schmerzlevel unter 3/10 erreicht werden, was Frau M. im Gespräch darüber auch wünscht, nachdem sie erlebt hatte, dass die Schmerztherapie hilft. Die Opioiddosis wird daher erhöht.

Ein Symptom sollte nicht nur in körperlicher Hinsicht erfasst, analysiert und behandelt werden, sondern in seiner ganzen psychosozialen und spirituellen Tragweite nach dem Total-Pain-Modell betrachtet werden. Dementsprechend ist in der Palliativversorgung häufig die ganzheitliche Versorgung durch ein multiprofessionelles Team im Sinne der Total Care und nicht nur die Versorgung durch eine Berufsgruppe notwendig. Palliativmedizin bedeutet entsprechend dem Paradigma der Palliative Care, die Bedürfnisse und Symptome der Betroffenen aufzuspüren und ihnen mit Konzepten der Symptomerfassung und -behandlung, der psychosozialen und spirituellen Begleitung zu begegnen. Dabei gilt das Paradigma der „radikalen Patientenorientierung“. Unabhängig davon, welche Erkrankung vorliegt, müssen wir den Symptomen des jeweils einzigartigen Menschen, dem wir begegnen, gerecht werden.

Die folgenden Kapitel zur Schmerz- und Symptomerfassung bzw. -therapie vermitteln das notwendige Wissen, um mechanismenbasiert und ganzheitlich die jeweiligen Symptome mit medikamentösen und nicht medikamentösen Verfahren integriert behandeln zu können. Evidenzen der erweiterten S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung werden dabei berücksichtigt.

Zusammenfassung

Die Schmerz- und Symptombehandlung setzt eine regelmäßige Schmerz- bzw. Symptomeinschätzung voraus.

Bei der Schmerz- und Symptombehandlung sollten alle Dimensionen (körperlich, psychisch, sozial, spirituell) des Total-Pain-Modells berücksichtigt werden.

Hilfreich ist ein mechanismenbasierter Ansatz. Die Auswahl der Medikamente erfolgt nach pathophysiologischen Überlegungen und Evidenzen (S3-Leitlinie).

2.1 Erfassung von Schmerzen und Symptomen

In fast allen medizinischen Sachfragen sind die behandelnden Ärzte kompetenter als der Patient. Der behandelnde Arzt weiß z.B. genau, ob eine Pneumonie vorliegt oder nicht, da er das Blutbild, den Auskultationsbefund und die Lungenröntgenaufnahme kennt und analysieren kann. Dank eines geschulten klinischen Blicks und der Verwendung entsprechender Hilfsmittel ist der Arzt in der Regel Experte für die Situation des jeweiligen Patienten. Anders sieht es bei störenden Symptomen aus. Der Patient ist Experte für seine Schmerzen, für seine Luftnot etc., denn nur er erlebt das Symptom in seiner Charakteristik und Schwere mit allen psychosozialen und spirituellen Auswirkungen. Dieses individuelle Leiden lässt sich nicht von außen objektivieren. Die Analyse des Blutgasbefundes gibt beispielsweise keinerlei Aufschluss über das subjektiv erlebte Symptom Luftnot, und das Ausmaß der Tumorerkrankung korreliert nicht mit dem dabei empfundenen Schmerz. Schmerzen und andere Symptome sind daher nicht von außen beobachtbar und auch nicht durch andere beurteilbar.

Betrachten wir einen Patienten, der zunächst auf einer Krankenhausstation über starke Schmerzen klagt und anschließend vom Personal rauchend und lachend vor dem Krankenhauseingang angetroffen wird. Viele Mitarbeiter werden sich jetzt vielleicht fragen, ob der Schmerz wirklich so stark sein kann, wenn der Betroffene vor die Tür geht, raucht und lacht. Der Autor hat mehrfach in Palliativkursen die Teilnehmer nach nicht medikamentösen Strategien im Umgang mit Schmerz gefragt. Er erhielt wiederholt die Antwort, dass die Teilnehmer sich bei Schmerzen ablenken würden, z.B. dadurch, dass sie über einen Witz lachen, z.B. dadurch, dass sie rauchen …

Schmerz ist eben anders als jede andere Empfindung ▶ [27]. Er ist keine messbare Einzelreaktion, wie z.B. Blutdruck, Puls oder Temperatur. Für den Betroffenen ist es eine einmalige und höchst individuelle Erfahrung, Schmerzen zu haben. Sie lässt sich nicht objektiv messen. Die Erkenntnis, dass das Schmerzerleben höchst subjektiv ist, fällt gerade uns naturwissenschaftlich geprägten Ärzten schwer, da wir es gewohnt sind, ein Symptom zu objektivieren. Das Schmerzerleben hängt außer von der Stärke des Schmerzreizes vor allem auch von der Schmerzwahrnehmung ab. Nach dem Total-Pain-Modell von Cicely Saunders▶ [122] wird die Stärke des empfundenen Schmerzes auch davon bestimmt, in welcher psychischen Verfassung der Betroffene ist, ob er soziale Probleme mit z.B. Vereinsamung oder Geldsorgen hat oder ob er mit seinem Schicksal hadert. Schmerz findet nach diesem Modell auf 4 Ebenen statt, der körperlichen, der psychischen, der sozialen und der spirituellen Ebene. Das Schmerzerleben hat darüber hinaus auch eine jeweils ganz persönliche Geschichte: individuell unterschiedliche Begleitumstände von Schmerzen, traumatische Erfahrungen, unterschiedliche Erfahrungen mit Schmerztherapien. All diese Empfindungen – die 4 Dimensionen des Total-Pain-Modells und die gemachten Erfahrungen des Individuums – spielen im höchst subjektiven Schmerzerleben des Betroffenen zusammen. Carr und Mann ▶ [27] formulieren ein solches umfassendes Modell des Schmerzes und berücksichtigen dabei, dass Schmerz auch von der Stimmung eines Menschen, der Erinnerung an frühere schmerzhafte Erfahrungen, dem Umgang mit früheren Schmerzepisoden und deren Kontrolle, der Schmerzursache und deren Bedeutung, dem kulturellen Hintergrund, der Tageszeit und dem Umfeld des Schmerzes, der genetischen Konstellation und vielen weiteren Variablen abhängt.

Dieses umfassende Modell des Schmerzes lässt sich auf andere, in der Palliativbetreuung häufige Symptome, wie Luftnot, Übelkeit etc. problemlos übertragen, denn auch hier ist das Erleben des jeweiligen Symptoms höchst subjektiv und von zahlreichen gemachten Erfahrungen und dem Erleben in anderen, nicht körperlichen Ebenen, wie sie im Total-Pain-Modell formuliert wurden, abhängig. Man kann daher das Total-Pain-Konzept von Saunders und Baines ▶ [122] zum Total-Symptom-Konzept erweitern.

Die detailliertesten Hinweise zur Schmerzerfassung finden sich im pflegerischen Expertenstandard des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege „Schmerzmanagement in der Pflege“ ▶ [36]. Er hat für Pflegeberufe einen den ärztlichen Leitlinien vergleichbaren Charakter. Dieser Expertenstandard liefert durch Evidenzen abgesicherte oder im Expertenkonsens verabschiedete relativ klare Vorgehensweisen, wie Schmerz erfragt und nach der Stärke eingeordnet werden kann. Dazu werden unterschiedliche Skalen genutzt, die im Anschluss vorgestellt werden und die auch für andere Symptome wie z.B. Luftnot, unübliche Müdigkeit (Fatigue) etc. verwendet werden können. Die Verwendung dieser Skalen ist jedoch nur möglich, wenn die Betroffenen über entsprechende sprachliche und kognitive Kompetenzen verfügen. Bei Menschen, die aufgrund einer kognitiven, sprachlichen etc. Beeinträchtigung oder Bewusstseinsstörung ihre Schmerzen bzw. Symptome nicht verbalisieren können, wird häufig fälschlicherweise davon ausgegangen, dass sie keine Schmerzen bzw. Symptome haben. Die Suche nach möglichen Symptomen anhand des körpersprachlichen Ausdrucks, der Gestik und Mimik sowie der Emotionalität ist dann ein schwieriges Unterfangen. Einige spezielle Schmerzskalen für Demenzkranke (z.B. BISAD, BESD, Doloplus; siehe unten) und neurologisch Kranke (z.B. ZOPA; siehe unten) versuchen, diese schwierige Suche zu systematisieren und praktikabler zu machen.