Prince - Matt Thorne - E-Book

Prince E-Book

Matt Thorne

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Beschreibung

Die Welt verneigte sich in kollektiver Trauer, als Prince Rogers Nelson am 21. April 2016 überraschend starb. Zum ersten Todestag legt nun der renommierte britische Kritiker Matt Thorne das umfassendste Werk über den Ausnahmekünstler vor, der die Popmusik geprägt hat wie kein Zweiter und der für sein musikalisches Genie ebenso berühmt war wie für seinen Nonkonformismus. Auf Basis langjähriger Recherchen und unzähliger Interviews beleuchtet der Autor detailliert alle Phasen von Prince' Weltkarriere, inklusive der letzten Alben und Tourneen, bis zum plötzlichen Tod mit nur 57 Jahren. Eine biografische Enzyklopädie, die ihresgleichen sucht.

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PRINCE

MATT THORNE

Edel Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © Matt Thorne 2016

Copyright © 2017 Edel Germany GmbH

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Übersetzung: Daniela Papenberg, Michael Sailer, Martina Walter

Projektkoordination: Dr. Marten Brandt

Lektorat: bookwise Medienproduktion GmbH, München

Layout und Satz: bookwise Medienproduktion GmbH, München

Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH | www.groothuis.de

Lithografie: Frische Grafik

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH Berlin, Projektmanagement schaefermueller publishing Berlin

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

eISBN 9783841905444

Für Lee Brackstone, der mir zugetraut hat, dieses Buch zu schreiben, und für Luke und Tom, die während meiner Arbeit daran so viel Geduld bewiesen.

INHALT

Prolog: Come 2 My House (Teil 1)

Kapitel 1

RECHTFERTIGUNGEN EINES »MAMMA-JAMMA«

Kapitel 2

DAS GESCHÄFT MIT DER MUSIK

Kapitel 3

WOULDN’T YOU LOVE TO LOVE ME?

Kapitel 4

STILL WAITING

Kapitel 5

DIE ERSCHAFFUNG VON »UPTOWN«

Kapitel 6

GIGOLOS GET LONELY TOO (TEIL 1)

Kapitel 7

ROYAL JEWELS

Kapitel 8

NIKKI’S CASTLE

Kapitel 9

THERE AREN’T ANY RULES

Kapitel 10

NEW POSITION

Kapitel 11

ROADHOUSE GARDEN UND SONGS FÜR SUSANNAH

Kapitel 12

THE STORY OF A MAN I AM NOT

Kapitel 13

REBIRTH OF THE FLESH

Kapitel 14

CRYSTAL BALL …

Kapitel 15

… ODER SIGN O’ THE TIMES?

Kapitel 16

FOR THOSE OF U ON VALIUM

Kapitel 17

SPOOKY AND ALL THAT HE CRAWLS FOR ...

Kapitel 18

CROSS THE LINE

Kapitel 19

DANCE WITH THE DEVIL

Kapitel 20

WAS LIEF SCHIEF BEI GRAFFITI BRIDGE?

Kapitel 21

GIGOLOS GET LONELY TOO (TEIL 2)

Kapitel 22

PLAYING STRIP POOL WITH VANESSA

Kapitel 23

THE CHAINS OF TURIN

Kapitel 24

TEIL 1: VORBEREITUNG DER FRICTION-JAHRE

Kapitel 25

TEIL 2: »ES SOLLTE EINFACH NUR FERTIG WERDEN …«

Kapitel 26

TEIL 3: » WENN ICH EINE MILLION DAVON VERKAUFE, KANN ICH AUFHÖREN …«

Kapitel 27

WASTED KISSES …

Kapitel 28

… AND MISSED OPPORTUNITIES

Kapitel 29

JOIN MY CLUB

Kapitel 30

NEUE WEGE

Kapitel 31

RÜCKKEHR DES »FUNK SOLDIER«

Kapitel 32

COME 2 MY HOUSE (TEIL 2)

Kapitel 33

21 NIGHTS IN LONDON: NOTIZEN EINES FANS

Kapitel 34

GIGOLOS GET LONELY TOO (TEIL 3)

Kapitel 35

AN ENTIRELY NEW GALAXY …

Kapitel 36

ENDLOS ENDEN

Kapitel 37

LIVING OUT LOUD

Kapitel 38

LETZTE RELEASES UND NEUE VERTRIEBSWEGE

Postscript für die deutsche Ausgabe

2 YOUNG 2 DIE

 

Danksagung

Bibliografie

Prolog

COME 2 MY HOUSE (TEIL 1)

Anfang 2006 war ich zu einer Party von Prince eingeladen, die er auf seinem Anwesen in Los Angeles im Rahmen der Promotion-Kampagne für sein gerade erschienenes Album 3121 gab.

Seit er 2005 nach L. A. gezogen war, suchte Prince wieder einen engeren Kontakt zu Hollywood, indem er namhafte Stars zu exklusiven Feiern einlud. Seine Partys waren immer schon legendär und ein wichtiger Grundstein seines Mythos, aber diese in Hollywood waren anders als die in Minneapolis, mit denen er sich einst einen Namen gemacht hatte. Prince’ Oscar-Aftershowpartys waren sehr exklusiv, ungeladene Gäste hatten keine Chance, eingelassen zu werden, ganz gleich, wie hartnäckig sie es versuchten – was beispielsweise Karen O von den Yeah Yeah Yeahs erfahren musste. Sollte Prince beabsichtigt haben, durch diese Events im Kreis der Reichen und Schönen besonderes Ansehen zu erlangen, kann man ihm zu seinem Erfolg nur gratulieren. In den kommenden Jahren drangen in verschiedenen amerikanischen Talkshows immer wieder Storys von diesen exklusiven Partys nach außen. So erzählte der Schauspieler Ryan Phillippe Conan O’Brien, dass er Prince mitten in einem Song unterbrochen habe, um ihn nach dem Weg zur Toilette zu fragen. Tracy Morgan, der Comedy-Star aus der Sitcom 30 Rock, berichtete, wie er sich in seiner schlimmsten Phase als Alkoholiker bei einer von Prince’ Partys weigerte zu gehen, bis der Gastgeber ihn persönlich rauswarf. Und der amerikanische Nachrichtensprecher Anderson Cooper erzählte bei Live with Regis and Kelly, dass er sich bei einer Party im Hotel Gansevoort, bei der ich ebenfalls anwesend war, mit dem Comedian David Chappelle um eines von Prince’ Plektren geprügelt habe. Was man häufig bei den Stars beobachten kann, die bei einer Party von Prince waren, ist eine gewisse Beschämung. Meist sind es eigentlich gestandene Persönlichkeiten, die jedoch extrem verunsichert scheinen, wenn sie jemandem begegnen, der sie mit seinem Image und seiner Aura in den Schatten stellt.

Am Tag der 3121-Party wurde ich von einer Limousine abgeholt und zu Prince’ Anwesen gefahren, wo die Gäste um 23 Uhr empfangen wurden. Während wir uns langsam durch West Hollywood schlängelten, verriet mir mein russischer Chauffeur seine Lieblingsromane von Vladimir Nabokov in absteigender Reihenfolge und erzählte mir von den ganzen Stars, die er schon zu der einen oder anderen Prince-Party kutschiert hatte. Dabei wurde mir klar, dass Prince versuchte, Los Angeles in Uptown zu verwandeln, genau so, wie er es knapp 30 Jahre zuvor mit Minneapolis getan hatte. Endlich angekommen bemerkte ich, dass man die Hausnummer an Prince’ Anwesen zu der Zahl »3121« umarrangiert hatte. Über den Titel des neuen Albums war viel spekuliert worden. Viele Fans fragten sich, ob die Zahl für ein Jahr stünde (und der Titelsong quasi als futuristische Neuauflage von »1999« zu verstehen sei), ob sie auf einen Bibelvers verwies oder eine numerologische Bedeutung habe (addiert ergaben die einzelnen Ziffern die Zahl Sieben, die für Prince eine besondere Bedeutung hatte). Doch all die Exegeten hatten viel zu viel in die Zahl hineininterpretiert. Es war lediglich die Hausnummer des Domizils in L. A., in dem Prince gewohnt (und Aufnahmen gemacht) hatte, bevor er hierhergezogen war.

Selbst bei einer privaten Gesellschaft wie dieser achtete Prince auf das kleinste Detail. Das Sicherheitspersonal, das den Zutritt anhand der Gästelisten kontrollierte, war mit violetten Clipboards ausgestattet und trug Kragennadeln in der Form des -Symbols, das Prince 1993 anstelle seines Namens angenommen hatte. Als ich zwischen all den Stars und Sternchen vor dem Tor zu Prince’ Anwesen stand, mischte sich ein Nachbar unter die Gruppe und versuchte, mit uns ins Haus zu gelangen. Prince hatte ihm eine Flasche Wein zukommen lassen, um sich im Voraus für die mögliche Lärmbelästigung zu entschuldigen, aber der Nachbar hätte sich wesentlich mehr über einen Platz auf der Gästeliste gefreut. Nervös hüpfte er von einem Fuß auf den anderen, während die Sicherheitsleute auf alles ein Auge hatten und sich permanent per Funk austauschten. Von den Prince-Shows im kleinsten, ja intimen Rahmen kannte ich das Gefühl der Angst, es vielleicht nicht hinein zu schaffen, was diesen Abenden immer einen zusätzlichen Nervenkitzel verliehen hat. Ich wünschte dem Mann viel Glück, während ich mit den anderen in den Van kletterte, der uns zum Haus hinaufbrachte.

Prince’ Domizil war ein beeindruckendes Beispiel für jenen Architekturstil, der so etwas wie eine düstere Mischung aus Walt Disney und David Lynch darstellt und an dem nur die reichsten unter den Stars Gefallen finden: ein modernes, surreal-feudales Märchen, in dem der Protagonist in größtmöglicher Abgeschiedenheit lebt, während ihm zugleich ganz Hollywood zu Füßen liegt. Prince hat seine Musik in ein Synonym für ein geheimnisvolles Wunderland exklusiver Shows verwandelt und damit die Träume der in den 80er-Jahren Aufgewachsenen eingefangen. Abgesehen von den wenigen Glücklichen, die in Minneapolis lebten, war Paisley Park, wo Prince seit 1987 arbeitete, für jeden ein fernes Utopia. Prince-Fans verschlangen begierig die Berichte über geheime Partys und Sessions, die die ganze Nacht dauerten, und wünschten sich nichts sehnlicher, als ein Mal dabei sein zu können. Mit 3121 war Prince (zum x-ten Mal) zurückgekehrt und hatte das, was für viele ein Wunschtraum blieb, für ihn jedoch alltäglich war, erneut zum Leben erweckt. Denn das ganze Album ist als akustische Version einer privaten Party konzipiert – und sollte idealerweise auch so verstanden werden.

Angefangen bei der Dauer seiner Konzerte bis hin zu den Einlassmodalitäten für seine Shows hat Prince mit allen nur erdenklichen Konventionen gebrochen. Musikjournalisten ziehen oft Parallelen zwischen dem imposanten Backstagebereich, wie ihn viele Bands und Musiker haben, und einem Fürstenhof: Beides sind Orte, zu denen nur die Zugang haben, die besondere Privilegien genießen oder in der Gunst von jemandem mit derartigen Privilegien stehen. Nur sie gelangen durch die strengen Sicherheitskontrollen in das innerste Heiligtum des Stars oder Fürsten. Der Backstagebereich ist eine Welt, in der sich Dealer und Groupies oft freier bewegen können als die Frauen und Freundinnen der Musiker. Prince hatte allerdings schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in seiner Karriere zu verstehen gegeben, dass ihn Drogen kaltließen1, und auch für Alkohol hatte er nicht übermäßig viel übrig (auch wenn er Wein, Sekt und während einer kurzen Phase Mitte der 90er-Jahre gelegentlich Portwein trank). Sexuelle Unersättlichkeit war hingegen immer eine zentrale Komponente seines Images, doch Alan Leeds – Prince’ Tourmanager in den Jahren 1983 bis 1990 – zufolge ließ Prince immer nur die interessantesten seiner weiblichen Fans, wie Anna Garcia und Mayte, zu sich vor und verbrachte die meiste Zeit mit den Frauen, die zu seinem Tourtross gehörten. Statt also denjenigen Gunst zu erweisen, die ihm Drogen und Sex anboten, gewährte er sie denen, die Geld hatten, berühmt waren oder ihn grenzenlos anhimmelten. Je hartnäckiger ein Fan war und je mehr er zu zahlen bereit war (zumindest bis zu einem gewissen Grad), desto näher konnte er Prince kommen (wobei ihm Stars immer die willkommensten Besucher waren).

Das soziale Gleichgewicht in »Princeland« aufrechtzuerhalten, war allerdings nicht ganz einfach. Weil Prince seinen Fans in der Vergangenheit gelegentlich besondere Privilegien gewährt hatte (wie etwa bei der Woche der offenen Tür in den Paisley Park Studios), beschwerten sie sich später, wenn er Konzerte ausschließlich vor ausgewähltem Publikum gab oder exorbitante Ticketpreise verlangte.2 Aber man wäre auch einem Missverständnis aufgesessen, hätte man von Prince Beständigkeit erwartet. Wie fast alle großen Rockstars, die über mehrere Jahrzehnte erfolgreich sind, verfolgte er zu verschiedenen Zeiten auch unterschiedliche Ziele. In manchen Phasen produzierte er nicht kommerzielle Alben und war auf die Treue seiner Fans angewiesen, dann wieder wollte er mit Greatest-Hits-Touren und hörerfreundlichen Alben wie Musicology oder Planet Earth das Mainstreampublikum zurückgewinnen. In den letzten Jahren scheinen Geld und Einfluss für ihn eine immer wichtigere Rolle gespielt zu haben. Nachdem er die Krise der Musikindustrie vorausgesagt (und überlebt) hatte, suchte er nach neuen Möglichkeiten, um dauerhaft erfolgreich zu bleiben.

An dem Abend, als ich in sein Haus eingeladen war, versuchte er, etliche Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Abgesehen von seinem Vorhaben, Hollywoods Crème de la Crème zu beeindrucken (zu den Gästen an diesem Abend zählten Bruce Willis, Sharon Stone, David Duchovny und Jessica Alba), promotete er mit der Party sein neues Album, wollte eine Handvoll Fans begeistern, seine Plattenfirma davon überzeugen, ein Album zu veröffentlichen, das er mit seinem damaligen Protegé Támar aufgenommen hatte, und verfolgte darüber hinaus wohl noch ein paar weitere Ziele. Ich hatte zu jener Zeit schon öfter das Vergnügen gehabt, bei einigen Aftershows und Exklusivkonzerten von Prince dabei sein zu dürfen, aber so etwas hatte ich auch noch nicht erlebt. Was mir bevorstand, war genau die Art von privater Prince-Performance, von der ich geträumt hatte, seit ich zum ersten Mal Musik von ihm gehört hatte.

1 Gelegentlich thematisiert er sie in seinen Songs, allerdings in der Regel als negatives Phänomen, wie z. B. in dem frühen, unveröffentlichten Stück »Cold Coffee and Cocaine«. In »Rock Me, Lover« porträtiert sich Prince als »junkie«, der süchtig ist nach Liebe (oder Sex). »Purple Music« und »Now« suggerieren, dass Prince’ Musik eine ähnliche Wirkung entfaltet wie ein Rauschmittel. Drogen werden ebenfalls negativ dargestellt in den ersten Zeilen von »Eye Know« und dem Batman-Song »The Future«, in dem Prince das ihm angebotene »X« ablehnt. Anfang der 80er-Jahre stellte Prince während des Songs »Automatic« auf der Bühne pantomimisch dar, wie er sich einen Schuss setzt.

2 Der amerikanische Autor Bruce Wagner hat die Begeisterung (oder Sucht), die in einem den Wunsch weckt, immer mehr exklusive Prince-Konzerte zu besuchen, sehr treffend in einem satirischen Artikel in The New Yorker (6. August 2007) beschrieben. Er berichtet darin, wie er 325 000 Dollar zahlt, um sich ein exklusives Konzert anzusehen, bei dem auch »Simon Cowell, der Leichnam von Christopher Isherwood, Shia LeBeouf, Michael Moore, Emma Watson und Stephen Hawking« zu den Zuschauern zählen, und anschließend herausfindet, dass das Publikum bei einem Konzert im Cedars-Sinai Medical Center 15 Millionen Dollar gezahlt hat, um »Prince so nahe zu sein, dass der Sänger sieben Stunden lang technisch gesehen in ihren Körpern steckte«.

Kapitel 1

RECHTFERTIGUNGEN EINES »MAMMA-JAMMA«

Die Musik von Prince lässt sich in vier Hauptkategorien einteilen. Da sind zum einen seine regulären Veröffentlichungen, angefangen bei seinem Debütalbum For You von 1978 bis hin zum 2010 veröffentlichten 20Ten. Neben den Studioalben fallen in diese Kategorie unzählige Remixe und Maxisingles, auf denen nicht selten sechs bis sieben Varianten des Originaltracks zu hören sind. Zur zweiten Kategorie zählen alle unveröffentlichten Songs von Prince, mit denen diverse Bootleg-Labels jahrzehntelang gute Geschäfte gemacht haben. Diese Compilations sind heute so zahlreich, dass man Wochen bräuchte, um sie abzuspielen, ohne dass sich etwas wiederholen würde – und dennoch enthalten sie nicht Prince’ gesamtes unveröffentlichtes Material. Kategorie Nummer drei umfasst alle Liveaufnahmen, darunter zwei reguläre Veröffentlichungen – nämlich das One-Nite-Alone …-Boxset und Indigo Nights von 2008 – sowie Abertausende von Bootlegs, die teils von denselben Konzerten stammen, aber in unterschiedlichen Klangqualitäten erhältlich sind. In die vierte und letzte Kategorie schließlich fallen alle Songs, die Prince für andere Musiker geschrieben hat, angefangen bei Sue Ann Carwell 1978 bis hin zu Bria Valentes Elixer von 2009.

Prince zufolge war der einzige Mensch, der etwas von seiner Musik verstand, er selbst. Spätestens seit 1982, als er das zynische »All the Critics Love U in New York« aufnahm, gab er nichts mehr auf die Meinung von Musikjournalisten. Er ließ keine Gelegenheit aus, sie wissen zu lassen, dass er wenig Achtung vor Menschen hat, die den Großteil ihrer Zeit hinter dem Schreibtisch verbringen. Dem Detroiter DJ The Electrifying Mojo sagte er einmal, Journalisten seien für ihn »hinter Schreibmaschinen hockende, Brillen und Lacoste-Hemden tragende Mamma-Jamma(s)«. Und in einem Rolling-Stone-Interview aus dem Jahr 1990 erklärte er Neal Karlen: »Aus nichts von dem, was mir ein Kritiker erzählen kann, kann ich etwas lernen.« Er interessiere sich lediglich dafür, was andere Musiker von ihm hielten.1 Wenig später zeigte sich Prince Journalisten gegenüber noch weitaus unerbittlicher, als er in die fiktionale Handlung seines -Albums die Figur einer Journalistin einbaute, die lächerlich gemacht wird. Zwei Alben später, auf The Gold Experience tauchte dann der Song »Billy Jack Bitch« auf, der sich ganz bewusst gegen einen bestimmten Journalisten richtete, der Prince besonders zu schaffen machte. Darüber hinaus kursieren Gerüchte, dass Prince ein Stück mit dem Titel »Fuck D Press« geschrieben hat, das allerdings nie veröffentlicht wurde.2

Ebenfalls abschätzig betrachtete Prince Auseinandersetzungen mit seiner Musik, die sich auf Aussagen von Personen berufen, die mit ihm zusammengearbeitet haben. Techniker und Produzenten waren seiner Meinung nach nicht in der Lage, sich sachkundig zu seinem Werk zu äußern. Sehr ausführliche Darstellungen zu seinem unveröffentlichten Material stammen von Susan Rogers, der Tontechnikerin, die während der fünf erfolgreichsten Jahre seiner Karriere mit ihm zusammengearbeitet hat. Doch auch sie hätte Prince zufolge keine Ahnung von seiner Musik.3 Dem namhaften Musikjournalisten Barney Hoskyns erklärte er, dass er seinem frühesten Biografen, Jon Bream, lediglich etwas vorgemacht habe. Bream hatte in seinem Buch, das 1984 auf den Markt kam, viel Aufhebens um die tiefen Einsichten gemacht, die er in Prince’ Leben und Werk gewonnen habe, aber »wenn man es genau betrachtet«, sagte Prince zu Hoskyns, »ist das Einzige, was ich euch wirklich gegeben habe, Musik«. In Interviews gab er Hoskyns zufolge »immer nur kryptische, kurze Antworten, … die keinen Sinn ergaben«.

Dez Dickerson, ein frühes Bandmitglied von Prince, bestätigt, dass Prince diese Strategie in Interviews nahezu von Anfang an verfolgte: »Wenn sie ohnehin nicht das druckten, was er sagte, warum sollte er sich dann nicht einfach etwas ausdenken? Ich glaube nicht, dass Arglist dahintersteckte. Vielmehr denke ich, war es eine frühreife Reaktion auf die seiner Meinung nach verlogene Presse.«4 Wenn man sich Prince’ Interviews über die Jahre hinweg ansieht, erhärtet sich dieser Verdacht. Ob er Oprah Winfrey 1996 in einem Interview erzählt, dass ein zweiter Mensch in ihm lebt, ein Alter Ego, das er erschaffen hat, als er fünf war, oder 2010 Tavis Smiley gegenüber behauptet, ein Engel hätte ihn in seiner Kindheit von Epilepsie geheilt – immer wieder gewinnt man den Eindruck, er würde aus reinem Vergnügen heraus Mythen konstruieren.

Selbst Journalisten, die er persönlich überprüft hat, erklärte er, dass er ihre Kollegen für faul hielt. Ann Powers von der LA Times spielte er einmal ein Stück vor, dessen Text Anspielungen auf Santana und Jimi Hendrix enthielt. Powers’ Vermutung, diese Gitarristen hätten ihn beeinflusst, wies Prince allerdings weit von sich. Stattdessen erklärte er, dass er stets versuche, mit seiner Gitarre die Stimmen seiner Lieblingssänger nachzuahmen. Das war Prince’ Art zu demonstrieren, wie sehr ihn seine musikalischen Fähigkeiten von Menschen unterschieden, die keine Ahnung von Musik haben und davon, wie sie gemacht wird, die verfluchten Massen, die in seinen Augen »nichtsingende, nichttanzende, Ich-wünschte-ich-hätte-ein-paar-Klamotten-Idioten« sind.

Als ich mit der Arbeit an diesem Buch begann, war ich gewillt, Prince in seiner Behauptung, niemand, der je mit ihm zusammengearbeitet hat, verstünde etwas von seiner Musik, kritiklos zu folgen. Natürlich waren über die Jahre einige außerordentlich kompetente Menschen mit ihm im Studio, von denen einige auch unabhängig von ihm Erfolge gefeiert haben – die überwältigende Mehrheit seiner musikalischen Partner ist allerdings nur gemeinsam mit ihm zu persönlicher Bestform aufgelaufen. Als ich im Verlauf meiner Recherchen mit den Menschen sprach, die Prince während seiner verschiedenen Schaffensphasen besonders nahegestanden haben – darunter ehemalige Bandmitglieder wie Matt Fink, Wendy Melvoin und Lisa Coleman von The Revolution –, wurde mir allerdings klar, wie wichtig diese Menschen in den jeweiligen Phasen für Prince gewesen sind. Und ich erkannte, dass eine fundierte, kritische Auseinandersetzung mit seinem Werk auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Formationen, mit denen er gespielt hat, berücksichtigen muss, etwa die Unterschiede zwischen The Revolution und den diversen Line-ups der New Power Generation. Darüber hinaus erschien es mir wichtig, mit einigen der Menschen zu sprechen, die Prince auf verschiedenste Weise dabei unterstützt haben, einer der berühmtesten und erfolgreichsten Musiker aller Zeiten zu werden.

Prince begriff seine Arbeit im Studio und seine Bühnenshows immer als zwei verschiedene Dinge. Erst auf seinem dritten Album ermöglichte er einem seiner Bandmitglieder eine direkte Zusammenarbeit, und das auch nur bei einem Song (»Dirty Mind«). Sein erstes vollständig im Team erarbeitetes Album war Purple Rain, und selbst darauf spielte er noch ganze vier Songs zum größten Teil solo ein. Auf den darauf folgenden beiden Alben wurde ein Großteil der Musik dann von The Revolution eingespielt. Prince ließ sich derweil von den Menschen inspirieren, die ihn auf der Bühne oder im Studio begleiteten, und produzierte weitere Stücke wieder in größtmöglicher Abgeschiedenheit. Dementsprechend gibt es für nahezu jedes Album, das er in Kooperation erstellte und auf dem er mit Menschen zusammenarbeitete, die über ihren Beitrag zu dem jeweiligen Werk berichten können, ein anderes, für das die einzigen Augenzeugen im Studio Prince und der jeweilige Tontechniker waren.

Auch als Texter hat Prince ein außergewöhnlich spannendes Werk hinterlassen. Die meisten seiner Songs bilden Teile eines größeren narrativen Zusammenhangs. Manchmal ist das offensichtlich – etwa wenn er einen Soundtrack schreibt oder ein Konzeptalbum –, manchmal liegt es nicht so klar auf der Hand. Es gibt unzählige Querverbindungen zwischen all den 1000 Songs, die er geschrieben hat. Einige davon, wie zum Beispiel die Farben und die Zahlen, die immer wieder in seinen Texten auftauchen, sind elementar. Andere wiederkehrende Motive sind nicht so leicht zu entdecken und zu entschlüsseln, etwa seine Ausführungen zum Konzept der Dualität oder die umfassende persönliche Theologie, die er über die Jahre in seinem Songwriting entwickelt hat. Eine gewisse Art von Kontinuität wird in seinen Texten auch durch den Gebrauch der sogenannten »Prince-bonics« deutlich, wie Prince-Fans die Verwendung von einzelnen Ziffern oder Buchstaben als Abkürzungen für lautgleiche Wörter getauft haben (z. B. »2« für »to«, das Bild eines Auges anstelle eines »I«, »U« statt you usw.5). Dez Dickerson, der ab 1978 mit Prince zusammenarbeitete, reklamiert diesen Abkürzungsstil in seiner Autobiografie für sich.6 Er habe ihn beim Schreiben von Setlists entwickelt, erklärt er und fügt hinzu: »Mag sein, dass Prince hier unbewusst kopiert hat, aber kopiert hat er zweifellos.«7 In gewisser Weise mag die werkumspannende Kohärenz von Prince’ Lyrics eine psychologische Ursache haben. Eric Leeds, der als Saxofonist zu The Revolution kam und jahrelang einer der wichtigsten musikalischen Partner für Prince war, erklärte im Gespräch mit Paul Sexton: »Sie müssen bedenken, dass Prince alle Musik, die er im Leben geschrieben hat, als Film betrachtet, und dass jeder, der auf irgendeine Weise mit ihm zu tun hatte, zu einer Figur in diesem Film wurde.«8 Wenn Prince’ Werk in diesem Buch stärker im Fokus steht als sein Leben, dann liegt das daran, dass mein Interesse diesem Film gilt und all seinen Handlungssträngen, dieser gigantischen Erzählung, der er mit jeder Studioaufnahme und mit jedem Bühnenauftritt eine weitere Wendung hinzufügte, ein Kunstwerk, das immerfort um dieselben Themen und Gefühle kreiste, die Prince seit jeher umgetrieben haben: Liebe, Sex, Wiedergeburt und Wut.

Je älter Prince wurde, desto besser wurden seine Alben. Für Musikjournalisten war es allerdings nie leicht, kurz nach ihrer Veröffentlichung ein Urteil über diese Alben zu fällen, auch nicht für die vielen Prince-Kenner unter diesen Journalisten. Um die meisten von Prince’ Alben rankten sich nämlich schon bei deren Veröffentlichung etliche Mythen und Gerüchte, auch wenn diese in manchen Fällen im ersten Augenblick wie Zugeständnisse über die vermeintliche mindere Qualität des Inhalts geklungen haben mögen (so fand sich beispielsweise auf den Alben Chaos and Disorder von 1996 und The Vault von 1999 jeweils der Hinweis, das Material sei ursprünglich nur zu privaten Zwecken – »4 private use only« – eingespielt worden). Oft wurde erst mit der Veröffentlichung des Folgealbums (oder durch neue Erkenntnisse darüber, wie ein Album zustande gekommen war) klar, welche Leistung Prince tatsächlich vollbracht hatte.

Ich bin einige Male dabei gewesen, wenn der Presse ein neues Prince-Album vorgestellt wurde, und es zeigte sich immer recht schnell, dass keiner der Anwesenden nach dem ersten Hören sagen konnte, ob das neue Album eine wichtige Ergänzung zu Prince’ Gesamtwerk war oder eines, das nur die größten Fans länger als einen Monat in ihrer Playlist behalten würden. Prince’ Musik lässt sich auf die Schnelle schlecht beurteilen, insbesondere wenn man die Qualität der Songs in Relation zu seinen früheren Leistungen bewerten möchte, statt lediglich den möglichen kommerziellen Erfolg zu erwägen.9

Einige Kritiker hat das zuweilen dazu gebracht, sich mit dem Mythos Prince in seiner Gesamtheit auseinanderzusetzen – eine Herangehensweise, die Prince auch immer gefördert hat. Das offensichtlichste Beispiel dafür ist der Wirbel, der aufkam, als Prince zeitweise seinen Namen ablegte und nur noch unter einem symbolhaften Pseudonym auftrat. (Tatsächlich spielten für das, was viele ihm als Spleen oder Ego-Trip auslegten, unternehmerische Erwägungen ebenso eine Rolle wie der Wunsch, mit der Vergangenheit abzuschließen.) Prince war außerdem immer derart produktiv, dass er selbst dann, wenn er Material produzierte, das unter seinem üblichen Niveau blieb, noch genügend Ideen übrig hatte, die er für alternative Projekte sammelte. Während er an einem neuen Album arbeitete, kehrte er zudem immer wieder zu alten Aufnahmen zurück, sodass man nie genau sagen kann, woher die Idee für einen konkreten Song stammt.

Gleichzeitig kursieren neben den regulären Aufnahmen und Veröffentlichungen von Prince Unmengen an unveröffentlichtem Material, die den Sammlern über die Jahre irgendwie in die Hände gefallen sind. Es ist viel darüber spekuliert worden, wer für das Leck im Prince-Archiv verantwortlich ist. Prince jedenfalls hielt stets nur diejenigen für wahre Fans, die sich mit der Musik zufriedengaben, die er ihnen offiziell zugänglich machte. (Einmal bot er denjenigen, die ihm illegale Bootleg-Aufnahmen zurückgeben, sogar Straffreiheit an. Auf materielle Kompensation sollten die Fans allerdings mehr oder weniger verzichten.) Dass auch nach Prince’ Tod der Großteil seines musikalischen Werkes unveröffentlicht bleibt, ist eine beunruhigende, aber durchaus denkbare Vorstellung.

Prince’ Haltung gegenüber seinem Backkatalog änderte sich ständig. Jeder wusste, dass es unveröffentlichte Aufnahmen in seinem sagenumwobenen »Vault«10 gab und dass er immer wieder auf dieses Material zurückgriff, um sich Anregungen für neue Stücke zu holen oder um alte Songs zu neuem Leben zu erwecken. Angekündigte Compilations wie Roadhouse Garden (eine Sammlung unveröffentlichter Songs, die er mit seiner berühmtesten Band, The Revolution, eingespielt hat) und Crystal Ball II (ein Nachfolger zu der 1998 erschienenen 3er-CD-Box mit bis dato unveröffentlichten Aufnahmen) sind trotzdem nie realisiert worden. Einige Personen mit Zugang zu Prince’ innerem Zirkel fürchten sogar, dass die Tonträger mit dem unveröffentlichten Material nicht sicher genug archiviert wurden.

Matt Fink erklärte mir, dass zwar die Luftfeuchtigkeit im Vault kontrolliert werde und dass Prince’ Mastertapes nach der Fertigstellung auch stets fachgerecht eingelagert wurden, er ist sich allerdings nicht sicher, ob die nötigen Maßnahmen ergriffen wurden, um sie langfristig vor Datenverlust zu schützen11. Hans-Martin Buff, der Tontechniker, der Ende der 90er-Jahre mit Prince arbeitete, äußert ähnliche Bedenken. »Mit The Vault selbst ist alles in Ordnung«, sagte er, allerdings sorge er sich um einige der Tapes darin, denn »aus diversen Gründen, unter anderem wegen der Arbeit am Crystal-Ball-Set, holten wir einiges aus dem Vault heraus – es waren eine Menge Tapes aus ganz unterschiedlichen Schaffensphasen –, und die stellten wir nachher nicht mehr ins Vault zurück.

Es gab einen Vorraum zum Vault, in dem alles Mögliche herumstand – ein Oscar, ein Bild von ihm als kleiner Junge und so was –, und wenn ich die Tapes zurückbrachte, legte ich sie nur dort auf dem Boden ab«, sagt Buff. »Das ging ganze zwei Jahre so, bis vor lauter Tapes vom Boden nichts mehr zu sehen war. Da stapelten sich dann nicht nur die Tapes, die wir aus dem Vault rausgeholt hatten, sondern auch alles, was wir in der Zwischenzeit aufgenommen hatten, und das war eine Menge. Ich sprach ihn darauf an, aber es dauerte lange, bis er mir erlaubte, die Tapes ins Vault zurückzustellen.« Buff wollte die Bänder auch restaurieren und digitalisieren, doch dazu kam es nicht mehr, während er für Prince arbeitete.

Stattdessen wurde Buff Zeuge, wie Prince sein altes Material dazu verwendete, neue Musik zu schaffen, allerdings ohne den alten Aufnahmen den Respekt zu zollen, den sich ein moderner Musikhistoriker wünschen würde. Für Prince war offenbar alles Rohmaterial, und vielleicht ist es falsch von uns, sich zu wünschen, er hätte alte Leinwände nicht übermalt, um Neues zu schaffen. Prince hat oft darauf hingewiesen, wie wichtig ihm die Vergänglichkeit ist, hat seinem Publikum erklärt, dass seine Konzerte nur in ihrer Erinnerung weiterleben sollten, und viele Jahre lang darauf verzichtet, ein Livealbum herauszubringen. Und obschon er gelegentlich Alternativversionen einiger Songs und alte Outtakes veröffentlicht hat, zeigte er üblicherweise nur wenig Interesse an den Urfassungen seiner Stücke.

Prince hat gelegentlich angekündigt, dass er plane, Stücke aus seinem Archiv zu veröffentlichen. So etwa 2009 bei einer Pressekonferenz in Paris. Allerdings war nicht klar, ob er sich damit auf Songs bezog, die er in den letzten Jahren eingespielt hatte, oder auf Stücke aus seiner gesamten Karriere. The Vault schien unerschöpflich zu sein und die Sammlung immer weiter anzuwachsen.

Nicht nur die Fans warteten darauf, dass einige der alten Schätze veröffentlicht wurden, sondern auch die Musiker, die die Songs miteingespielt hatten. In vielen Fällen besaßen sie nicht einmal selbst Kopien ihrer Aufnahmen. Dez Dickerson meint, dass Prince zwar immer »ein großer Archivar« gewesen sei, er jedoch nie mit ihm über die Veröffentlichung alter Aufnahmen gesprochen und ohnehin seit 1984 kein geschäftliches Gespräch mehr mit ihm geführt habe. Alan Leeds, Prince’ Roadmanager und ein Mann, der dazu beigetragen hat, Ordnung in den ähnlich umfangreichen Backkatalog von James Brown zu bringen (z. B. als Mitherausgeber des Buchs The James Brown Reader), gibt zu bedenken: »Ich vermute, das hat etwas mit den Ansprüchen von Warner Brothers zu tun. In einem Standardvertrag wird üblicherweise vereinbart, dass alles, was ein Künstler aufnimmt, während er bei einem Label unter Vertrag steht, dem Label gehört. Ein Großteil der Aufnahmen, die [Prince] gemacht hat, als er bei Warner unter Vertrag stand, wenn nicht sogar alle, befinden sich aber im Vault.«

Brent Fischer, Sohn des verstorbenen Dr. Clare Fischer, den Prince-Fans von seiner Arbeit an Parade kennen, und ein Mann, der selbst an einigen unveröffentlichten Prince-Stücken mitgeschrieben hat, meint: »Es wird interessant sein, zu sehen, was in den nächsten 50 Jahren passiert, denn Prince hat Unmengen an Musik gemacht und so vieles davon ist noch unveröffentlicht. Die Sachen stehen einfach im Vault, ganz gleich wie viel Geld Prince dafür ausgegeben hat, ein dreißig-, vierzig- oder fünfzigköpfiges Orchester zu engagieren und alles arrangieren zu lassen. Als es fertig war, entschloss er sich, es nicht zu veröffentlichen. Damit hatte er kein Problem.

Hier wird es nicht darum gehen, so etwas wie den letzten verschollenen Beatles-Song zu finden. Man wird auf eine Fülle von Material stoßen, Hunderte von Songs. Es wird schwer sein, den Überblick zu behalten, denn neben den ganzen Songs, die der Öffentlichkeit bekannt sind, gibt es noch um die 70 Prozent unveröffentlichtes Material, mit dem ich mich auch beschäftigt habe. Vieles davon gefällt mir sehr gut und ich spiele es mir immer wieder im Geiste vor, auch wenn es – zumindest vorerst – niemals an die Öffentlichkeit kommen wird.«

Niemand wird jemals wieder so eine Karriere haben, wie Prince sie hatte. Das liegt zum einen natürlich an seinem einzigartigen Talent in so vielen kreativen Bereichen – jemanden wie ihn wird es kein zweites Mal geben. Aber auch die Umstände haben sich geändert. Die Musikindustrie ist heute lange nicht mehr finanzstark und einflussreich genug, um einen Star so sehr ins Bewusstsein der Massen zu rücken und ihm oder ihr einen Höhenflug zu bescheren, der ausreichend Aufwind für eine so dauerhafte Karriere garantiert. Darüber hinaus haben sich im Verlauf von Prince’ Karriere maßgebliche Veränderungen im Musikbusiness vollzogen. So lässt sich mit einem Medium wie der Maxi-Single, das es Prince lange Zeit angetan hatte und für das er massenweise Remixe produziert hat, heute kein Geld mehr verdienen. Entsprechend scheint Prince in den letzten Jahren kaum noch Extended-Versionen seiner Songs produziert zu haben (zumindest hat er keine veröffentlicht).12

In diesem Buch geht es aber nicht um die Krise der Musikindustrie, sondern – unter anderem – darum, wie es Prince gelungen ist, mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, ein einzigartiges, facettenreiches Werk zu schaffen. Neben der Musik umfasst dieses Werk mehrere hundert Videos, die Prince sowohl für veröffentlichte als auch für unveröffentlichte Songs produziert hat und die sich von den Videos anderer Stars insofern unterscheiden, als sie den jeweiligen Song näher beleuchten oder als völlig eigenständiges künstlerisches Werk betrachtet werden können. Hinzu kommen drei Spielfilme (Purple Rain, Under the Cherry Moon und Graffiti Bridge), der für das Kino produzierte Konzertfilm Sign O’ The Times13, drei TV-Filme, diverse offiziell erschienene Filmaufnahmen seiner Liveshows (gekürzt oder in voller Länge), ein orchestriertes Ballett, eine Tanzinterpretation von Homers Odyssee, zwei sanktionierte Comics und vier autorisierte Buchprojekte: Neo Manifesto – Audentes Fortuna Juvat, Prince Presents the Sacrifice of Victor, Prince in Hawaii: An Intimate Portrait of an Artist und 21 Nights. Prince sagte einmal in einem Interview, dass überall Schätze verborgen lägen und es ihm egal sei, dass möglicherweise nur eingeschworene Fans sie entdecken würden.14

Das ist die Perspektive, aus der heraus dieses Buch geschrieben wurde. Es ist der Versuch, Prince’ Karriere als Ganzes zu betrachten, von den ältesten Demoaufnahmen bis hin zu den neuesten Radio-Sneak-Previews. Auf den folgenden Seiten werde ich seine Musik ebenso untersuchen wie seine Images und seine unzähligen Auftritte, die uns als Aufzeichnungen vorliegen. Ich werde mir ansehen, was ihn beeinflusst hat, welche Trends, thematischen Zusammenhänge und wiederkehrende Ängste sein Werk charakterisieren. Gestützt werden diese Erkenntnisse von Interviews mit Menschen, mit denen Prince besonders eng zusammengearbeitet hat. Es ist die Analyse der mit erstaunlicher Beständigkeit wiederkehrenden Kunstgriffe und Einfälle, die den Workaholic Prince dazu befähigten, ein außergewöhnliches Werk zu hinterlassen. Ein Werk, das trotz der großen Anerkennung, die ihm für seine größten Songs und Alben zuteilwurde, in seiner Gesamtheit erst noch erforscht und verstanden werden muss.

1 2009 sprach er dieses Thema noch einmal in einem Interview mit Tavis Smiley an. Damals sagte er: »Ich habe schon mit Journalisten darüber gesprochen und oft erzählen sie mir, dass sie füreinander schreiben und nicht wirklich für … Ha, diesmal hab ich ihn wirklich reingelegt, nicht wahr?«

2 Zu einigen nationalen wie internationalen Journalisten besaß Prince auch ein entspanntes Verhältnis. Einer dieser Journalisten war Jim Walsh von der St. Paul Pioneer-Press. Walsh schrieb die Liner Notes zu The Gold Experience und veröffentlichte am 2. Juni 2000 in der Zeitung, für die er arbeitete, einen offenen Brief an Prince, in dem er ihn bat, endlich wieder »eine geniale Platte« zu machen. Prince lud Walsh daraufhin nach Paisley Park ein, wo er ein zweistündiges Gespräch mit ihm führte. Die Themen Musikjournalismus und Musikkritik greift Prince noch in anderen Stücken auf: In »Chaos and Disorder« schlüpft er in die Rolle eines »No-Name-Reporters« und 2004 sang er in dem kuriosen »S&M Groove« auf The Slaughterhouse über eine Kritik, die im Oakland Tribune über ihn veröffentlicht wurde.

3 Susan Rogers’ Reaktion auf diese Abfuhr ist durchaus denkwürdig. Auf der inzwischen aus dem Netz genommenen Fan-Website Housequake erklärte sie: »Die Fans wissen, welche Gefühle Prince’ Musik bei ihnen auslöst, ganz gleich, ob Prince diese Reaktion bei ihnen bezweckt hat, als er die Musik schrieb, oder nicht. Nur er weiß, wie er zu einem Stück inspiriert wurde oder was er damit aussagen wollte. Aber die Gedanken und Gefühle, die man hat, wenn man einen Song schreibt, sind eine Sache, die Gedanken und Gefühle, die man hat, wenn man ihn hört, eine andere. Wie vieles im Leben muss man diese Sache aus zwei Blickwinkeln betrachten. Eine Lehre wird erst dann zu einer Lehre, wenn sie gelehrt wird, Nahrung wird erst dadurch zur Nahrung, dass man sie isst – und Kunst wird erst dadurch zur Kunst, dass man sie interpretiert. Was meine persönliche Beziehung zu ihm als Menschen anbelangt: Ich habe zu Protokoll gegeben, dass ich mich lediglich über seine Arbeit im Studio in der Zeit zwischen 1983 und 1988 qualifiziert äußern kann. Über das, was er außerhalb des Studios und zu einem anderen als dem genannten Zeitraum getan hat, kann ich nichts sagen. Er führt ja ein sehr abwechslungsreiches Leben, von daher kenne ich ihn einfach nur zum Teil.«

4 Dez Dickerson, My Time with Prince. Confessions of a Former Revolutionary, Tulsa, OK: Pavilion Press, 2003, S. 31.

5 Durch SMS und andere schnelle Handy-Textnachrichten sind viele der von Prince entwickelten Abkürzungen in den letzten Jahren in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Daher wirken sie heute lange nicht mehr so originell oder wunderlich wie zu der Zeit, als er sie erstmals verwendete. Die literaturkritische Annäherung an Prince’ Lyrics wird durch sie jedoch nach wie vor erschwert. So schrieb beispielsweise Nancy J. Holland in ihrem Essay »Purple Passion: Images of Female Desire in ›When Doves Cry‹«: »… die Lyrics von ›When Doves Cry‹ bilden keinen einheitlichen Text im strengen Sinn. Die Textualität von Prince’ Lyrics wird durch die Verwendung von Zahlen und einzelnen Buchstaben anstelle ihrer üblichen Homonyme gebrochen (und durch den sparsamen Gebrauch von Interpunktionszeichen noch verkompliziert …).«

6 Tatsächlich war dieser Schreibstil schon im 19. Jahrhundert unter dem Begriff »Emblematic Poetry« bekannt und wurde von Autoren wie Charles C. Bombaugh verwendet. In dessen »Essay to Miss Catherine Jay«, der 1867 in Gleanings from the Harvest of Literature abgedruckt wurde, findet sich die stark an Prince erinnernde Zeile »I 1der if U got that I wrote 2U B 4« .

7 Dickerson, My Time with Prince, S. 160.

8 Paul Sexton, »It’s a Family Affair«, The Times, 13. November 2011.

9 Wobei diese Frage ohnehin obsolet geworden ist, seit Prince seine Alben über alternative Vertriebswege vermarktet hat.

10 Ein gesicherter Lagerraum im Keller von Prince’ Studiokomplex Paisley Park.

11 Alte Magnetbänder werden dazu über einen längeren Zeitraum auf eine bestimmte Temperatur erhitzt, um der mit der Zeit unweigerlich eintretenden chemischen Zersetzung entgegenzuwirken. Dieser Vorgang wird im Fach-jargon »backen« genannt.

12 Eine Ausnahme bildet die Extended-Mix-Sammlung des ursprünglich auf MPLSound veröffentlichten »Dance 4 Me«, die im Dezember 2011 auf den Markt kam.

13 Obschon Sign O’ The Times regelmäßig in Top-Ten-Listen mit den besten Konzertfilmen aller Zeiten auftaucht, handelt es sich nicht um einen Konzertfilm im klassischen Sinn. Tatsächliche Filmaufnahmen von seinen letzten Shows der Sign-O’-The-Times-Europatour wurden mit nachgestellten Szenen zusammengeschnitten, die Prince und die Band in den Paisley Park Studios aufnahmen.

14 Interview mit Greg Kot, Details, 27. April 1998.

Kapitel 2

DAS GESCHÄFT MIT DER MUSIK

Die Autoren früherer Prince-Biografien haben versucht, sich ausgehend von Prince-Songs, die sich mit dem Thema Kindheit befassen (»Sister«, »Da, Da, Da«, »The Sacrifice of Victor« und »Papa«), ein Bild von Prince’ eigener Kindheit und seinem Familienleben zu machen. Und tatsächlich decken sich einige der Darstellungen in diesen Songs mit Dingen, die Prince in Interviews offengelegt hat. Als er zum Beispiel 2009 in einem TV-Interview mit Tavis Smiley erklärte, dass er als Kind an Epilepsie gelitten habe, feierten die Medien das zwar als sensationelle Offenbarung, allerdings hatte er 17 Jahre zuvor bereits in »The Sacrifice of Victor« darüber gesungen.

Selbstverständlich sollte man die Songs von Prince nicht auf ihren vermeintlichen autobiografischen Hintergrund reduzieren, sein Werk ist vielschichtig, nicht nur oder nicht so sehr persönliche Offenbarung als vielmehr Mythenbildung in eigener Sache. In vielen seiner Songs scheint ein Hang zur Selbstinszenierung und zum Spaß an der eigenen Mystifizierung durch, die eine autobiografische Lesart schwierig machen. Dennoch hat Prince in seinen Songs und auch auf der Bühne außerordentlich viel von sich preisgegeben – ganz gleich, wie geheimnisvoll er vielen erscheinen mag –, und es scheint, als sei er seinem Publikum gegenüber aufrichtiger gewesen als gegenüber den Medienvertretern, die er nicht sonderlich schätzte.

Wer die Wahrheit sucht, hat es also nicht leicht, auch weil die Mitglieder von Prince’ Familie ähnlich zur Legendenbildung neigen. So etwa seine leibliche Schwester Tyka Nelson, die sich 1988 mit dem netten, aber belanglosen Popfunkalbum Royal Blue als Musikerin versuchte. (Prince hat außerdem die Halbschwestern Lorna und Sharon Nelson sowie den Halbbruder John junior väterlicher- und Halbbruder Alfred mütterlicherseits.) Sie bestätigte einer britischen Boulevardzeitung gegenüber, dass sie mit Prince zusammen pornografische Bücher gelesen habe, wie dieser einst behauptet hatte. Ihre Mutter Mattie Baker hatte dies dagegen stets dementiert.

Über Prince’ Kindheit kursieren etliche Geschichten, von denen die meisten mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. So etwa auch der musikalische Hintergrund seines Vaters. Immer wieder hört man, John L. Nelson sei Jazz-Musiker gewesen. Allerdings machte er keinen klassischen Jazz. Was er spielte, klingt viel befremdlicher und kommt dem Genre der »Outsider Music« wohl näher als dem Jazz.1

Ganz gleich, welche Einstellung Prince zu seinem Vater gehabt haben mag (und in den Jahren vor dessen Tod scheinen seine Gefühle ihm gegenüber stark geschwankt zu haben), Respekt vor dessen musikalischem Talent hatte er immer. Für die Bandmitglieder von The Revolution nahm er Kassetten mit den Songs seines Vaters auf, und bei Stücken wie »Around The World In A Day«, »The Ladder« und »Scandalous« gesteht er ihm eine Co-Autorenschaft zu. Zwar vermuten viele, dass dies lediglich als gut gemeinte Geste zu begreifen ist, die der Sohn dem Vater entgegenbrachte, tatsächlich jedoch scheint Prince beim Schreiben der Songs von der Erinnerung an das Klavierspiel des Vaters inspiriert worden zu sein. Nelson selbst erzählte MTV-VJ Martha Quinn auf der Premierenparty zu Prince’ zweitem Film: »Ich spielte Klavier in einem Stripclub an der Hampton Avenue in Minneapolis und hatte viel Spaß dabei.« Prince teilte irgendwann das Interesse seines Vaters für Stripclubs als Inspirationsquelle – einmal schickte er sogar Kopien eines Songs, den er für Carmen Electra geschrieben hatte, an Stripclubs in ganz Amerika.

Nancy Hynes, die mit Prince die John Hay Elementary School besucht hat und im selben Viertel wohnte, erzählte mir einiges über die Gegend und die Schule. Ihre Eltern waren »weiße Liberale, die für Bürgerrechte und Solidarität eintraten und bewusst in die schwarze Innenstadt zogen«, und zwar 1967, einen Monat nach den größten Unruhen in West-Minneapolis. »In dem Haus, das wir kauften, hatten zuvor zwei ältere jüdische Schwestern gewohnt«, erzählt sie weiter. »Niemand verstand, wieso eine weiße Familie in diese Gegend zog. Die Häuser nebenan gehörten einem Paar unterschiedlicher Hautfarbe, was damals noch in einigen Südstaaten illegal war, sowie einer schwarzen Familie. Prince hielt sich oft in dem Haus seiner Tante auf, das gegenüber lag.«

Hynes erinnert sich auch an die engagierten jungen Lehrer, die sich ebenfalls bewusst entschieden hatten, dort zu unterrichten. »Die Kinder in unserer Schule kamen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, waren aber überwiegend schwarz. In der damaligen Terminologie zählten dazu auch ›gemischtrassige‹ Kinder. Im Musikunterricht spielte man uns vor allem Platten vor, es ging darum, ob wir lieber die Osmonds oder die Jackson Five hören wollten. Die Jackson Five lagen immer vorn.« Die Schule verfolgte ein ganzheitliches Konzept. »Es war nicht ungewöhnlich«, sagt Hynes, »dass wir, nachdem wir einen Film angeschaut hatten, eine Kurzgeschichte schreiben oder ein Bild malen sollten. Wir sprachen viel über Musik und über Filme.«

Hynes widerspricht Tyka, der Schwester, die dem Prince-Biografen Per Nilsen gegenüber beklagte, es habe keine Schulspeisung gegeben2: »Ich kann mich lebhaft an das Mittagessen in der Schule erinnern – es war fürchterlich. Kartoffelbrei mit Soße, und der Brei landete an der Zimmerdecke, wo er hingehörte.« Hynes ging zwar nicht in dieselbe Klasse wie Prince, hatte aber die gleichen Lehrer, etwa Mrs. Rader. Hynes’ Freundin Elizabeth Fuller erinnert sich: »Ob Prince zu cool für die Schule war? Absolut. Die meiste Zeit verbrachte er im Musiksaal im vierten Stock oder in einem Proberaum, oder er saß einfach auf einer der breiten Ziegelfensterbänke und spielte Gitarre. Er spielte in keiner Schulband, er hatte eine eigene. Ich glaube, sie spielte einmal auf einer unserer Partys. Der eine Song, der mir besonders im Gedächtnis blieb, bestand ausschließlich aus Schimpfwörtern.«

Ohne alte Kamellen aufzuwärmen, möchte ich eine Legende erwähnen, die in den meisten Prince-Biografien auftaucht. Howard Bloom – seit den frühen 80ern Prince’ Publicitymann – sagte, die wichtigste, prägendste Erinnerung sei für Prince gewesen, seinen Vater auf der Bühne erlebt zu haben, als er fünf Jahre alt war, inmitten einer kreischenden Menge, umgeben von attraktiven Frauen. Zwei Jahre später, mit sieben, schrieb er seinen ersten Song mit dem richtungsweisenden Titel »FunkMachine«.3 Als Prince zehn war, ließen sich seine Eltern scheiden. Prince hat mehrmals, etwa 1999 in einem Videointerview4, gesagt, sein Vater habe nach der Trennung sein Klavier zurückgelassen. Zwei Jahre lang hatte er es ganz für sich, dann verließ er seine Mutter und zog zu seinem Vater.

Neben Musik interessierte sich Prince sehr für Sport – ein Hobby, das er bis zum Ende pflegte, wie der Song »Purple And Gold« zeigt, den er 2010 für sein Football-Team Minnesota Vikings schrieb. Nancy Hynes kann sich an Sportunterricht an der John Hay nicht erinnern, und dem Biografen Jon Bream zufolge erwachte Prince’ Interesse an Sport erst an der nächsten Schule, der Bryant Junior High, wo er zur »Sportskanone«5 wurde und Baseball, Football und Basketball spielte (ein Foto zeigt ihn mit der Basketballschulmannschaft).

Dieser Lebensabschnitt war eine Zeit des Umbruchs. Alan Leeds, in den 80ern Prince’ Road-Manager, sagte mir: »Prince’ Verhältnis zu beiden Eltern war ziemlich angespannt. Sie hatten sich in seinen prägenden Jahren getrennt, und er landete bei seinem Vater, nicht bei der Mutter – für damals ungewöhnlich.« Prince freundete sich mit dem Stiefsohn seines Vaters, Duane, an (später war dieser Teil seiner Road-Crew), zog bald aber zu besagter Tante gegenüber von Nancy Hynes.

Dort lernte er einen Mann kennen, der für sein Leben von entscheidender Bedeutung war: Pepe Willie, der Freund seiner Cousine Shantel Manderville. »Ich war 23, er muss 13 gewesen sein«, sagt Willie. »Er war noch ein kleiner Junge. Ich schenkte ihm zunächst keinerlei Beachtung.«

Pepe Willies Onkel Clarence Collins war Gründungsmitglied der Little Anthony & The Imperials, über ihn wusste Willie einiges über das Musikgeschäft. Er versorgte als Laufbursche Künstler wie Chubby Checker, The Coasters, Ike & Tina Turner und Dionne Warwick mit Zigaretten, Hamburgern und Cheesecake, hatte aber nicht nur Zugang zum Backstagebereich, sondern begleitete seinen Onkel auch zu Essen mit den Bands und war bei Geschäftsbesprechungen anwesend. Dabei lernte er genug, um dem jungen Prince zu erklären, was Copyright, Publishing und Aufführungsrechte bedeuten. »Prince fragte mich: ›Worum geht es bei diesem ganzen Publishing?‹«, erzählt Willie. »Ich sagte: ›Wenn ich nach Minneapolis komme, setzen wir uns zusammen und besprechen das.‹« Willie war außerdem kein schlechter Musiker, spielte Schlagzeug und Gitarre.

Prince hatte von Anfang an eine eigene Band. Mit André Anderson (der sich später André Cymone nannte) und seinem Cousin Charles Smith gründete er Grand Central. Andrés Keller war ihr Proberaum. Dieser Keller, in dem Prince relative Freiheit genoss, wurde zum Kern seiner Privatmythologie. Howard Bloom meint, ein Großteil seiner Karriere und seiner Experimente wie Paisley Park gingen auf die Sehnsucht zurück, das Glücksgefühl aus Andrés Keller wiederherzustellen.

Auch um die Radiosender, die er zu jener Zeit in Minneapolis hörte, ist viel Aufhebens gemacht worden, nicht zuletzt von Prince selbst. Insbesondere KQRS spielte eine Vielfalt an weißer und schwarzer Musik, die seinen Sound geprägt haben könnte. Prince besuchte gern Konzerte, auch in späteren Jahren, allerdings interessierten ihn fast ausschließlich weibliche Künstler (dass er im Mai 2010 ein Konzert der örtlichen Band Gayngs im Club First Avenue in Minneapolis besuchte, war eine seltene Ausnahme). Eine seiner Lieblingsmusikerinnen, die ihn maßgeblich beeinflusste, war Joni Mitchell. Sie erinnert sich, dass er im Publikum war, als sie mit ihrem Album The Hissing Of Summer Lawns tourte, das Prince später dem Rolling Stone gegenüber in den höchsten Tönen pries. »Ich glaube, das war er. Erste Reihe links. Ziemlich auffällig, weil er Augen wie ein Papageitaucher hatte, diese ägyptischen Augen, große, exotische Augen.«6 Todd Rundgrens Exgeliebte Bebe Buell sagte mal: »Ich traf Prince, als er 16 war, als Todd 1974 in Minneapolis spielte – diesen winzig kleinen Burschen mit überdimensionaler Frisur, der hinter der Bühne stand und Todd kennenlernen wollte. Todd zog seine übliche ›Oh, hallo Kleiner‹-Nummer ab, und Prince meinte: ›Ich spiele alles und bin echt talentiert.‹«7

Von Anfang an verkaufte sich Prince als Wunderkind und konzentrierte sich voll auf harte Arbeit, Disziplin und den unbedingten Wunsch, berühmt zu werden. In seinem ersten Interview mit der Schülerzeitung seiner Highschool betonte er 1976, er mache bereits seit zwei Jahren Aufnahmen mit seiner Band, die nun Grand Central Corporation hieß. Pepe Willie sah sie erstmals auf einer Skiparty von Shantel Mandervilles Vater: »Ich fand sie großartig. Prince spielte Gitarre, Morris Schlagzeug, André Bass, Andrés Schwester Keyboard, und dieser andere Bursche, wir nannten ihn ›Hollywood‹, spielte Percussion.

Gegründet hatte die Band eigentlich Prince’ Cousin Charles, aber der war zu sehr mit Football beschäftigt und war zwei Wochen zuvor ausgestiegen. Er war der Drummer. Als ich sie sah, war Morris Day Schlagzeuger und seine Mutter LaVonne Managerin. Sie hatte ihm ein siebenteiliges Schlagzeug gekauft und sagte zu mir: ›Ich würde gerne für dich mit ihnen arbeiten.‹ Sie hielten mich für einen Spitzenproduzenten aus New York.«

Willie zufolge bestand das Set aus Coverversionen von Earth, Wind & Fire und anderen damals angesagten Bands. »Von ihrer eigenen Musik spielten sie auf der Skiparty nichts. Ich ging in den Dachboden hinauf, wo sie immer probten, und fragte: Habt ihr eigenes Material? Prince hatte einen Song mit dem Titel ›Sex Machine‹, André einen, der ›39th St. Party‹ hieß, und noch einen namens ›You Remind Me Of Me‹.

Sie spielten ›You Remind Me Of Me‹, und mir fiel auf, dass es kein Intro gab. Sie fingen zu spielen an und sangen plötzlich los. Ich versuchte, den Text zu verstehen, aber jeder sang was anderes. Dann hörten sie zu singen auf und spielten einfach vier oder fünf Minuten lang weiter. Also unterbrach ich sie und sagte: ›Okay, erst mal ist der Aufbau falsch. Ihr Jungs braucht ein Intro, dann eine Strophe, dann einen Chorus, und der ist die Hookline, die sich die Leute einprägen.‹

Weiter ging’s mit Prince’ Song ›Sex Machine‹. Prince ging hinüber zu Andrés Schwester Linda, um ihr zu sagen, was sie spielen sollte. Er stellte seine Gitarre weg, ging zum Keyboard und zeigte es ihr. Dann nahm er die Gitarre und fing mit dem Song an. Dann brach er ab und sagte: ›André, gib mir deinen Bass‹, und spielte diesen verblüffenden Basslauf. Und André war genauso talentiert. Bevor Prince mit dem Basslauf fertig war, sagte er schon: ›Ich weiß, was du meinst‹, nahm den Bass und spielte genau das. Prince und André wetteiferten miteinander, wer die meisten Songs pro Tag schreiben konnte.«

Bald beschloss Willie, Prince zu sich ins Studio zu holen. »Ich stellte meine Band 94 East zusammen, mit Wendall Thomas, dem Freund der Cousine meiner Frau. Pierre Lewis war damals 17. Er war Keyboarder und spielte viel Herbie-Hancock-Zeug, und sein Bruder Dale Alexander war Schlagzeuger. Er war 16. Später spielte er bei Madhouse [der Jazzband von Prince]. Marcie und Kristie waren Freundinnen, wir gingen zusammen aus, und ich stellte fest, dass sie singen konnten. Und ich sah Prince all diese Instrumente spielen und sagte zu ihm: ›Ich will, dass du etwas mit mir aufnimmst‹, und er war begeistert, weil er noch nie in einem Studio gewesen war.«

Sie übten zwei Wochen lang und begaben sich ins Cookhouse, laut Willie »ein erstklassiges Aufnahmestudio. Das war vor dem Sound 80, dem Topstudio im mittleren Westen. Um in das Studio zu gelangen, schaute ich jedes Wochenende vorbei und sprach mit der Sekretärin, und sie stellte mich dann dem Toningenieur vor. Ich war bloß so ein schwarzer Junge aus Brooklyn.

Als wir mit der Band reingingen, mussten wir jeden einzeln abholen, weil keiner einen Führerschein hatte. Niemand hatte einen Koffer für sein Instrument, das Zeug war mit Schnüren und Klebeband zusammengepackt. Und selbstverständlich musste ich die Burschen bezahlen, aber die Gewerkschaft teilte mir mit, ich könne einen Demovertrag machen und wir könnten Prince ein Drittel bezahlen, 20 Dollar oder so, das war toll.«

94 East nahmen im Cookhouse fünf Songs auf – »Games«, »I’ll Always Love You«, »If We Don’t«, »Better Than You Think« und »If You See Me«. »Fünf Songs in vier Stunden«, sagt Willie. »Wir zählten einfach ein, bam-boom, und spielten los.« Prince indes war mit der Eile nicht recht glücklich. Willie erinnert sich: »Tags darauf rief Prince bei mir an und sagte: ›Pepe, ich muss noch mal ins Studio. Ich habe einen Fehler gespielt.‹« Willie war mit dem Song zufrieden, sorgte aber dafür, dass Prince seinen Fehler ausbessern konnte, während er selbst Golf spielen ging.

Die Aufnahme, sagt Willie, dokumentiert dieses frühe Beispiel für Prince’ Perfektionismus: »Wenn du dir den Teil von ›If You See Me‹ anhörst, das auch ›Do Yourself A Favour‹ heißt, merkst du, was er verändert hat. Den Gitarrenpart, den er da spielt, spielt er noch mal, wenn sich der Teil wiederholt, aber der EQ war anders eingestellt, weil sie nach unserer Aufnahme noch eine andere machten und die Gitarre nicht mehr genauso einstellen konnten, wie sie war.«8 Willie verschaffte sich mit den Demos einen Plattenvertrag bei Polydor, aber 94 East wurden nach der Aufnahme der ersten Single wieder fallen gelassen, und die Songs kamen erst knapp zehn Jahre später auf den Markt.9

Das Auffälligste an Prince’ früher Musikkarriere – von seinem ersten Einstieg in eine Band 1973 mit 15 bis zum Erscheinen seines zweiten Albums Prince 1979 – ist, wie hart er dafür arbeitete, gemocht zu werden. Dabei entstanden zahlreiche provokative Songs. Und wie man die Aufmerksamkeit der Massen gewinnt, lernte er so richtig erst in der Phase danach (1980–1984). Der überwältigende Eindruck der sehr frühen Jahre ist der eines jungen Musikers, der die Welt erobern möchte. Von früher Kindheit bis zu seinem Tod arbeitete er extrem hart, traf auf seinem Weg aber auch auf eine überraschende Zahl von Leuten, die nicht nur bereit waren, ihn zu unterstützen, sondern auch sein enormes Talent sofort erkannten. Die Figur Prince wurde gezielt und konsequent aufgebaut. Der Enthusiasmus lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass so viele Musiker (und Geschäftsleute) in Minneapolis auf der Suche nach einer Chance zum Durchbruch waren. Anders als in Los Angeles oder New York, wo talentierte Künstler eine Unzahl an Möglichkeiten vorfanden, war es in Prince’ Heimatstadt nicht so einfach. »All diese anderen Musiker und Bandmitglieder hatten gehört, was wir machten«, erinnert sich Willie. »Wir waren in aller Munde. Prince war im Studio, jeder kannte ihn, und in der Stadt gab es [die legendären Musikproduzenten] Jimmy Jam und Terry Lewis. Sie hatten einen Bus, der Flyte Time hieß. Mit dem fuhren sie herum und spielten Gigs, und manchmal spielten Prince und diese Typen die gleichen Gigs. Ich war der Einzige, der ihnen was über die Musikindustrie erzählte, weil die Leute hier davon keine Ahnung hatten. Die Einzigen, die was veranstalteten, waren Bob Dylan und vielleicht Kenny Rogers & The First Edition, aber schwarze Acts machten in Minneapolis gar nichts.«

Pepe Willie war nicht der Einzige, dem Prince’ Talent auffiel. Als Prince und seine Band sich im Studio des in England geborenen Produzenten und Songwriters Chris Moon in Minneapolis einbuchten, hießen sie nicht mehr Grand Central, sondern, eher richtungsweisend, Champagne. Moon erzählte mir, er habe sein Moonsound-Studio gestartet, indem er mit 18 nach Hongkong gefahren war, um ein Tonbandgerät zu kaufen, und örtlichen Bands kostenlose Aufnahmen anbot, während er hauptberuflich das Studio der Werbeagentur Campbell Mithun leitete. Außerdem kam er »auf die clevere Idee, mir einen Namen zu machen«, indem er den größten Radiosender der Stadt, KQRS, überredete, Mitschnitte aller großen Konzerte in Minneapolis, etwa der Rolling Stones, zu senden, die er mit einem Studio in seinem Lieferwagen aufnahm. Wahrscheinlich hatte Prince, der die Rockshows auf KQRS bekanntermaßen liebte, Moons Aufnahmen gehört, bevor er ihm persönlich begegnete, zudem setzte er später selbst gerne mobile Studios in Lastwagen ein, um Auftritte mitzuschneiden.

Neben seinen Tätigkeiten als örtlicher Produzent und Studioingenieur hatte Moon auch literarische Ambitionen. »Ich habe immer geschrieben. Seit ich echt jung war, habe ich Gedichte geschrieben. Ich saß also da hinter’m Mischpult, schaute mir all diese Bands an und dachte: Die Texte, die diese Burschen singen, sind größtenteils ziemlich miserabel. Ich weiß, dass ich das besser kann. Ich wollte aber nicht der sein, der singt, also hatte ich eine Idee: Vielleicht suche ich mir eine Band und schreibe das Material, sie produzieren es, und ich promote die Band, die meine Songs spielt.

Also machte ich mir Gedanken, wer dafür in Frage kam. Im Studio gaben sich die lokalen Bands die Klinke in die Hand, und langsam wurde mir klar, was eines der großen Probleme mit Bands ist: Da ist immer ein Typ dabei, der sich nicht richtig aufraffen kann. Genau zu dieser Zeit kamen Champagne mit dieser matronenhaften Dame [LaVonne Daugherty] als Managerin ins Studio. Sie war sehr nett.« Moon meint, es seien fünf Bandmitglieder gewesen, »alle etwa 15, 16 Jahre alt«, anderen Darstellungen zufolge war die Band damals ein Trio, und an diese drei erinnert sich Moon rückblickend namentlich.

»Es war ein sonniger Tag, und auf der Straßenseite gegenüber war eine Baskin-Robbins-Eisdiele mit 31 Eissorten. Wir hatten vier oder fünf Stunden lang aufgenommen, und die Managerin meinte: okay, legen wir eine Pause ein, bevor wir den Gesang machen.‹ Also machten alle Pause, und sie und die Band gingen hinüber zur Eisdiele. Alle außer einem. Im Studio blieb Mister Individualität-ich-bin-lieber-alleine, der kleine Eins-sechzig-Junge mit dem Afrokopf, mehr Afro als Junge. Ich sitze also da und trinke eine Dose Limo, die Füße hochgelegt, schaue durchs Fenster, und da sitzt er am Schlagzeug. Ich nehme noch einen Schluck, gehe ein paar Minuten später wieder zum Fenster im Abhörraum, und er sitzt am Piano. Wieder vergehen fünf Minuten, und da spielt er Bass. Also drehe ich die Mikros auf, um festzustellen, ob er was taugt. Er ist nicht schlecht. Er wirkt selbstbewusst, beherrscht manches besser, anderes nicht so gut, aber ist insgesamt auf all den Instrumenten souverän. Und da wird mir klar: Wenn ich nur einen Künstler habe, brauche ich mir keine Gedanken über den Schlagzeuger machen, der nicht auftaucht und die ganze Session ins Wasser fallen lässt.«

Moon wartete ab, bis sie mit ihren Sachen fertig waren, und wandte sich dann an Prince. »Er war furchtbar, furchtbar schüchtern und extrem introvertiert. Ich sagte, ich hätte einen Vorschlag für ihn, und er knurrte nur. Ich sagte: ›Ich bin Autor, Produzent und Toningenieur, will aber nicht der Künstler sein, und ich hab mich gefragt, ob du möchtest, dass ich was aus dir mache. Ich promote dich, schreibe deine Songs, erkläre dir, wie das Studio funktioniert, und dann schauen wir mal, ob wir für dich was erreichen.‹

Und er blickte mich an und war so überrascht von dem Angebot wie ich darüber, dass ich es machte. Da war dieser Junge aus dem Norden der Stadt, den ich nicht kannte, mit dem ich nie zuvor geredet hatte, und ich mache ihm so ein Angebot. Ich glaube nicht, dass er Ja sagte, er nickte einfach, und ich gab ihm die Schlüssel für mein Studio. Das war alles, was ich auf der Welt hatte. Ein zurechnungsfähiger oder vernünftiger oder besonnenerer Mensch hätte so was wahrscheinlich nicht getan.«

Seine Abmachung mit Prince, sagt Moon, war simpel: Er würde alles bezahlen und wollte lediglich Autorencredits für die Songs, die er schrieb. Prince freute sich über den Deal, aber die Managerin, Days Mutter, war, wie sich Moon erinnert, »nicht sehr glücklich damit, und die Band war auch nicht begeistert, weil Morris Day damals schon eine ziemlich extravagante, ausgefallene, starke Persönlichkeit war. Deshalb kam es ihm schwierig vor, dass das stillste Mitglied der Band den Vorzug vor ihm, dem Frontmann, erhielt.« Day war nicht der einzige Musiker, der sich später The Time anschloss und den Moon überging, bevor er mit Prince zu arbeiten beschloss. »Wir machten mit Prince ein paar Sessions mit [Jimmy] Jam und [Terry] Lewis. Ich holte Jimmy und Terry, um an anderen Sachen zu arbeiten. Sie traten sehr selbstsicher auf, als wären sie die Größten. Sie spielten auf ein paar Tracks, und ich denke, als sie gingen, hatten sie das Gefühl, ich sollte viel beeindruckter von ihnen sein und sie mir schnappen so wie Prince. Nicht dass ich nicht beeindruckt war, aber sie waren einfach von Anfang an so eng verbunden, ein solches Team, dass ich nicht das Gefühl hatte, da ist Platz für einen Dritten.« Und was Moon anging, war Prince die Zukunft.

1 Neben den Prince-Songs, für die er Autorencredits erhielt, stammen die wichtigsten erhaltenen Aufnahmen von John L. Nelson von dem Album Father’s Song, das er 1994 veröffentlichte. Prince’ Schwester Sharon stellte 2009 die Compilation 57th Street Sound zusammen, die ebenfalls auf einige dieser Tracks zurückgreift. Die Aufnahmen entstanden nach Prince’ Durchbruch und sind daher schwer angemessen einzuschätzen, geben aber einen Eindruck von seiner Spielweise – spektral, nicht ausgebildet, aber mit Momenten, die an das musikalische Denken und Schaffen seines Sohnes erinnern. So seltsam Nelsons Klavierspiel auf diesen Aufnahmen klingt, hatte er doch prominente Bewunderer, etwa den Soul- und R&B-Sänger Terence Trent D’Arby, der ihn in Deutschland traf, ihn Franz Liszt und Duke Ellington (den Jazzmusiker, der Prince am meisten prägte, ehe er dank Kollegen wie Lisa Coleman und Eric Leeds und seiner Freundschaft mit Miles Davis in den späten 80ern wirklich offen für Jazz war) spielen hörte und ihn als »unbesungenen Meister« bezeichnete.

2 Per Nilsen, DanceMusicSexRomance – Prince: The First Decade (London: Firefly 1999), S. 17.

3 AOL-Live-Interview mit Prince, 22. Juli 1997.

4 Rave Un2 The Year 2000 (Geoff Wonfor 1999).

5 Jon Bream, Prince: Inside The Purple Reign (New York: Macmillan 1984), S. 21.

6 Words & Music (Radiosendung), Interview mit Joni Mitchell von Morrissey, 18. Oktober 1996, Abschrift von Lindsay Moon.

7 Barney Hoskyns, Ragged Glories (London: Pimlico 1993), S. 307.

8 Vielleicht weil er so viel Zeit damit zugebracht hatte – oder damals schon ein Gespür für Hits hatte –, interessierte dieser Song Prince weiterhin. Er nahm ihn – unter dem Titel »Do Yourself A Favour« – in den frühen 80ern selbst auf, und Jesse Johnson spielte ihn 1986 für sein Album Shockadelica ein, das Prince maßgeblich beeinflusste.

9 Willie veröffentlichte einen Track – »Games« in aktualisierter Version – von diesen Sessions 1986 auf dem Album Minneapolis Genius – The Historic 1977 Recordings. 1995 brachte er die Originalversionen der fünf Tracks auf der Doppel-CD Symbolic Beginning, die »94 East featuring Prince« zugeschrieben war, neben Instrumentalversionen von »Games«, »If You See Me« (als »If You See Me First«) und »Better Than You Think«. Auf One Man Jam (2008) erschienen die Songs ein weiteres Mal. 2011 veröffentlichte Willie die Originaldemos erneut (in digitaler Form als Remix des späteren Revolution-Mitglieds Matt Fink) als Download unter dem Titel The Cookhouse Five.