Professionelle Konfliktlösung - Anita von Hertel - E-Book

Professionelle Konfliktlösung E-Book

Anita von Hertel

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Beschreibung

Ob Kritikgespräche, Verhandlungen oder Machtkämpfe in der Geschäftsleitung: Konfliktsituationen und ihre Bewältigung gehören zum Tagesgeschäft einer jeden Führungskraft. Die gute Nachricht: Es gibt ein neues Führungsinstrument, mit dem man selbst völlig zerstrittene Parteien wieder miteinander ins Gespräch bringen und zu einer Einigung führen kann! Mediation ist eine Methode, die im heutigen Managementalltag jeder beherrschen muss. Als Weiterentwicklung der Winwin-Formel ist sie schnell, kostensparend und hocheffizient. Anita von Hertel stellt in Ihrem Standardwerk Instrumente und Techniken vor, die in jeder Situation des Führungsalltags neue, synergetische Lösungen erlauben.

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Anita von Hertel

Professionelle Konfliktlösung

Führen mit Mediationskompetenz

Campus VerlagFrankfurt / New York

Über das Buch

Ob Kritikgespräche, Verhandlungen oder Machtkämpfe in der Geschäftsleitung: Konfliktsituationen und ihre Bewältigung gehören zum Tagesgeschäft einer jeden Führungskraft. Die gute Nachricht: Es gibt ein neues Führungsinstrument, mit dem man selbst völlig zerstrittene Parteien wieder miteinander ins Gespräch bringen und zu einer Einigung führen kann! Mediation, bisher hauptsächlich im juristischen Umfeld eingesetzt, ist eine Methode, die künftig auch im Managementalltag jeder beherrschen muss: Als eine Weiterentwicklung der Win-win-Formel ist sie schnell, kostensparend und hocheffizient. Anita von Hertel stellt Instrumente und Techniken vor, die in jeder Situation des Führungsalltags zu neuen, synergetischen Lösungen führen:

Bei Streitigkeiten zwischen MitarbeiternBei Meinungsverschiedenheiten in TeamsBei Interessenkonflikten mehrerer Abteilungen innerhalb eines UnternehmensBei der Integration bisher selbstständiger Unternehmen (Fusionen, Mergers)

Über die Autorin

Anita von Hertel, ursprünglich Juristin, arbeitet als Mediationspraktikerin und internationale Mediationstrainerin. Sie berät Unternehmen bei Streitigkeiten als externe Beraterin; außerdem trainiert sie Führungskräfte in den Bereichen Mediation und Kommunikation in Firmen und in ihrem renommierten Ausbildungsinstitut in Hamburg. Frau von Hertel ist als Dozentin für Mediation und Konfliktmanagement an Universitäten und Instituten im In- und Ausland tätig.

Inhalt

Vorwort zur 3. Auflage

Vorwort zur 2. Auflage

Einleitung

1. Konfliktlösung als Führungsaufgabe

Konflikte im Führungsalltag

Vom Problem zur Lösung

Testen Sie Ihre Konfliktlösungsstrategien

Auswertung

Professionelle Konfliktlösung und ihr Nutzen für Führungskräfte

Das Mediationsrecht und seine Auswirkungen für Führungskräfte

2. Die ALPHA-Struktur der Mediation – Fünf Schritte vom Konflikt zur Lösung

Die Anwendung der ALPHA-Struktur

Erste Phase: Auftragsklärung

Zweite Phase: Liste der Themen besprechen – so gelingt gegenseitiges Zuhören

Dritte Phase: Positionen auf dahinterliegende Interessen untersuchen – so finden Sie heraus, worum es wirklich geht

Vierte Phase: Heureka – so entwickeln Sie neue Ideen

Fünfte Phase: Abschlussvereinbarung – so entsteht die Lösung

3. Mediationskompetenz erwerben in neun Bausteinen

Baustein 1: Die eigene Aufmerksamkeit und den eigenen Zustand steuern

Baustein 2: Deeskalieren

Baustein 3: Konflikte sichtbar und erkennbar machen

Baustein 4: Spiegeln und Strukturieren

Baustein 5: Unterschiede erkennbar machen

Baustein 6: Humorressourcen nutzen – Mediation mit Witz

Baustein 7: Das Prinzip der plausiblen Intention

Baustein 8: Fragt, wer führt? – Die Kunst der Frage

Baustein 9: Konflikt-Gefährchen rechtzeitig erkennen

4. So schützen Sie sich und Ihre Mitarbeiter vor Tricks in der professionellen Konfliktlösung

Zustandsmanagementtricks

Verfahrenstricks

5. Das MIKADO®-Modell im Führungsalltag

Mediation – klassisch

Innersystemische Mediation

Kombinationsmodelle mediativen Verhandelns

Anwaltlich-mediatives Verhandeln

Dialogisch-mediatives Verhandeln

One-Party-Mediation

Die sechs Ebenen und der Erwerb der Mediationskompetenz

6. Die Ursprünge des mediativen Verhandelns und sein Nutzen für Führungskräfte

Teamkonflikt Callcenter

Doppelrolle in Fusionen

Der Mobbingvorwurf

Danksagung

Anhang

Professionelle Konfliktlösung von A–Z

Weiterführende Literatur

Adressen

Soufflierkarten

Vorlage für ein Auftragsformular

Europäischer Verhaltenskodex für Mediatoren

Register

Vorwort zur 3. Auflage

Professionelle Konfliktlösung ist dabei, ein völlig neues Qualitätsniveau zu erreichen: Dieses Qualitätsniveau hat etwas mit der Verbreitung der Mediationskompetenz in der Gesellschaft zu tun. Wenn, wie es immer häufiger geschieht, in einer Mediation mehrere – oder sogar (fast) alle – Teilnehmer und Teilnehmerinnen – einschließlich der Führungskräfte, der Betriebsräte, der Anwälte ... oder wer auch immer in irgendeiner Rolle dabei ist – selbst mediative Kompetenzen mitbringen, Mediationsliteratur gelesen und verstanden haben oder sogar selbst ausgebildete MediatorInnen sind, dann können sie ein neues Innovations- und Win-win-Niveau erreichen, das atemberaubend sein kann.

Bekanntermaßen gehören Konflikte ja zum Menschsein dazu. Sie zeigen den Änderungsbedarf an, den wir an den Konfliktschnittstellen erahnen. Regelmäßig wissen wir zu Beginn noch nicht genau, was sich unter den Oberflächen verbirgt. Wenn nun nicht nur Sie als Mediationsteam Ihre Mediationskompetenz einbringen, sondern wenn dies auch noch der eine oder andere der weiteren Mitwirkenden kann, dann hat das zwei Vorteile:

Geschwindigkeit: Insgesamt kommen Sie umso schneller an die Konfliktkerne, je mehr Mediationskompetenz im Raum ist.

Innovationspotenzial: Vor allem aber unterstützt jeder weitere Teilnehmer mit Mediationskompetenz wie ein Goldschürfer im Dreck die Haltung, die dazu beiträgt, dass sich alle im Gespräch nicht auf den Dreck konzentrieren, sondern darauf, dass sich jeder auf seine Weise an die Goldadern des Konflikts herantasten kann, wo die Lösungen den Mediationsteilnehmern wie Goldstückchen entgegen leuchten, ganz gleich ob es dabei um Geld, Strukturen, Beziehungen, Missverständnisse oder anderes geht.

Dieses neue Qualitätsniveau entsteht, weil Professionelle Konfliktlösung mit Mediationskompetenz in alle Branchen Einzug gehalten hat. Die Führungskräfte von heute leben in einer Zeit, in der die Gesellschaft insgesamt sich umorientiert: Vertreter aller Berufsgruppen nutzen Professionelle Konfliktlösung, Führen mit Mediationskompetenz und Mediation. Beispiel: Der Round Table Mediation und Konfliktmanagement der Deutschen Wirtschaft, der 2011 mit dem Win-win-Innovationspreis »Ehren-WinWinno« (Mediation D A CH e.V., Deutschland, Austria, Schweiz) und 2012 mit dem »Sokrates-Preis« (CfM) ausgezeichnet wurde, und dem Unternehmen wie SAP, E.ON, ABB, AUDI, Bayer, Bombardier, Deutsche Bahn, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, ERGO, GRUNDIG, Lufthansa, Siemens, Porsche, ZDF und viele viele weitere bedeutende Unternehmen angehören, fördert Mediation und Professionelle Konfliktlösung durch mediatives Verhandeln.

In den Zielen des Round Table heißt es:

»Mediation ist bei deutschen Unternehmen als wichtiger Baustein eines modernen Konfliktmanagementsystems anerkannt und wird in geeigneten Streitfällen regelmäßig und erfolgreich zum Zwecke der nachhaltigen, interessengerechten Konfliktlösung eingesetzt.«

Sogar die Gerichte halten es für besser, wenn Konfliktlösungen nicht kämpfend im Gerichtssaal durch richterliche Entscheidung, sondern gemeinsam im konsensualen Gespräch gefunden werden. (siehe z.B. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Seite 38 Beginn des Kapitels Recht)

Das neue Mediationsrecht, als »Meilenstein« von Politikern und Medien bezeichnet, hat in Deutschland, Österreich, der Schweiz und weltweit noch deutliches (Verbesserungs- und Entwicklungs-)Potenzial. Und trotzdem stimmt es schon jetzt, wenn Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung, es als Umbruch im Recht und als Paradigmenwechsel seit Inkrafttreten der Zivilprozessordnung im 18. Jahrhundert feiert: Viele sehen darin eine grundlegende Veränderung der Streitkultur.

Sie persönlich können daran mitwirken, wenn Sie in immer mehr Angelegenheiten die Chance ergreifen, sich auf die Suche nach den Goldstückchen der Innovation zu machen, die im Konflikt versteckt sind.

Dies wird Ihnen gelingen, wenn Sie alle Beteiligten erfolgreich an den Verhandlungs- und Mediationstisch einladen können. Wenn Ihr Fall für mediatives Handeln geeignet ist, werden Sie mit dem Know-how dieses Buches, mit ihrer ganz persönlichen Empathie und mit intelligenter Struktur zuhören, sortieren und spiegeln. Sie werden immer öfter so fragen, dass aus Ihren Fragen die Innovationen der Zukunft werden.

Dabei wünsche ich Ihnen gutes Gelingen, gute Lösungen und viel Erfolg mit Ihrer wachsenden Mediationskompetenz.

Anita von Hertel

Vorwort zur 2. Auflage

Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen.

Mark Twain/Georg Christoph Lichtenberg zugeschrieben

Haben Sie gewusst oder geahnt, welch rasante Geschwindigkeit das Thema Mediation innerhalb von nur fünf Jahren seit Erscheinen der 1. Auflage »Professionelle Konfliktlösung – Führen mit Mediationskompetenz« annehmen würde? Vielleicht gehören Sie, die Sie dieses Buch in der Hand halten, mit zu den Förderern der Mediation? Vielleicht haben Sie selbst an dem atemberaubenden Tempo mitgewirkt? In der Rolle als Führungskraft oder Mediator, in Verbänden oder im Freundeskreis, als Anwender von Mediation oder Mediationskompetenz im beruflichen oder privaten Umfeld, in Wirtschaft, Gesellschaft oder Politik? Oder gehören Sie zu denjenigen, die es jetzt genießen können, dass Menschen aller Herkunftsberufe diesen Weg für Sie geebnet haben? Wussten Sie, dass Mediation heute in allen Lebensbereichen Einzug gehalten hat? Im Führungsalltag, in Schulen und Kindergärten, im Umweltbereich, im Täter-Opfer-Ausgleich, im politischen Bereich, in Ehe- und Scheidungsthemen, in Versicherungsfragen, im Bauwesen, im Verbandsleben, im Sport … Fast täglich entstehen irgendwo auf der Welt Mediationsprojekte, -gesetze und -richtlinien, die sich am Rande oder ausschließlich mit Mediation beschäftigen.

So weit die eine Seite der Medaille. Die andere Seite: Mediationskompetenz fällt nicht vom Himmel. Bis Menschen in allen Konfliktfällen so erfolgreich sind, wie Sie es sich wünschen, gibt es eine Fülle von Herausforderungen zu meistern. Wenn ich die Rückmeldungen und Anfragen zu diesem Buch und aus meiner Praxis – auch in meiner Rolle als Mediationssupervisorin – zusammenfasse, unterteilen sich die unterschiedlichsten Hindernisse und Herausforderungen im Wesentlichen in die Kernbereiche:

Herausforderungen vor dem mediativen Gespräch: Wie gelingt es mir als Führungskraft, als Mediator oder in einer ähnlichen Rolle, Streitende dazu zu bewegen, dass sie ein mediatives Gespräch überhaupt wollen? Und wenn ja, bin ich der richtige Mediator?

Herausforderungen im mediativen Gespräch: Jetzt sind die Streitenden da – und die Schwierigkeiten auch. Und nun?

Auch wenn dieses Buch natürlich nicht dasselbe ist wie ein persönliches Telefoncoaching, werden Sie in dieser Auflage noch mehr nützliche Antworten auf Ihre Fragen finden.

Neu in dieser Auflage ist insbesondere die wesentlich umfangreichere Darstellung des Zauberstabs »Auftragsklärung«. Nach den Supervisionserfahrungen meines Teams beruhen unnötige Schwierigkeiten in Mediationsverfahren regelmäßig darauf, dass in der Auftragsklärung nicht sorgfältig genug gearbeitet wurde. Und auch die Tatsache, dass wir für eine erfolgreiche Konfliktlösung heute nur noch einen Bruchteil der Zeit brauchen, die noch vor Jahren erforderlich war, verdanken wir vor allem der verfeinerten Auftragsklärung.

Und die dritte Seite der Medaille (ja, auch die gibt es – nehmen Sie in Gedanken eine Münze oder Medaille, stellen Sie sie auf den Rand und geben ihr etwas Schwung): Es gibt nichts, was dem Leben so viel Schwung gibt, wie die Erfindung neuer (Konflikt-)Lösungen. Die Faszination der Mediationskompetenz könnte Sie erfassen und nicht mehr loslassen. Das Beste daran: Die Menschen, die mit Ihnen zusammen arbeiten und leben, werden es sehr zu schätzen wissen. Und das wiederum könnte Sie mehr beflügeln als Sie es heute ahnen. Auch wenn Prognosen schwierig sind – insbesondere, wenn Sie die Zukunft betreffen – vielleicht versuchen Sie dennoch eine: Wie wird sich Ihr Leben verändern, wenn Sie Konflikte professionell lösen? Was wird sich verändern, wenn Sie darin noch erfolgreicher werden als bisher? Ich wünsche Ihnen ein erkenntnisreiches Lesevergnügen. Genießen Sie Ihre wachsenden Win-Win-Chancen!

Anita von Hertelim September 2008

Einleitung

Wenn ein Mensch, insbesondere einer, der sich großer Beliebtheit erfreut, einen Konflikt hat, eilen gern Kollegen, Freunde und Berater zu Hilfe. Was sie mitbringen, erinnert an eine Szene aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts:

Mein Großvater Johannes war Bauer, Bürgermeister und Schiedsmann. Er hatte Konflikte um Grenzsteine geklärt, um Erbauseinandersetzungen und sogar um Ziegen, die auf der falschen Weide grasten. Als er im Sterben lag, kam aus nahezu jeder Familie aus seinem kleinen Dorf Fölsen jemand zu ihm, der Pillen, Tropfen, Salben oder Ähnliches dabeihatte. Alle brachten die beste Medizin, die ihnen selbst einmal geholfen hatte – für die verschiedensten Körperteile. Und mein Großvater Johannes sollte sie unbedingt alle nehmen …

Zwar hat sich ein drittel Jahrhundert später weltweit herumgesprochen, dass in der Medikation nicht alles allen hilft – in Konfliktsituationen ist es heute aber oft noch wie damals. Auch heute bringen uns unsere Freunde ihre beste persönliche Konfliktmedizin. Im schlimmsten Falle wird sie von Vorgesetzten sogar – ohne vorherige Diagnose – zwangsverordnet.

Wie ist es mit Mitarbeiterkonflikten? Wenn Teams effizient zusammengestellt sind, bestehen sie aus Menschen mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen und Fähigkeiten. Dann können sie sich gegenseitig ergänzen, und je unterschiedlicher die Menschen sind, um so größer ist einerseits das Erfolgspotenzial. Andererseits steigt damit das Konfliktpotenzial. Wer als Führungskraft dafür sorgt, dass Menschen besser harmonieren statt sich zu zerfleischen, schafft ein Klima der erfolgreichen Zusammenarbeit. Wer Konflikte in der Mitarbeiterschaft nicht löst, hat mit sinkender Motivation und schlechten Ergebnissen zu kämpfen.

Als Führungskraft kann man hier viel richtig und noch mehr falsch machen:

Als fast immer falsch erweist es sich, die Symptome zu unterdrücken, indem man die Mitarbeiter maßregelt. Beispiel: »Sie hören jetzt sofort auf zu streiten!«

Immer falsch ist es auch, an den Symptomen herumzukurieren. Beispiel: Der »Streitschauplatz« ist ein geöffnetes oder geschlossenes Fenster, in Wirklichkeit geht es aber um Macht oder Anerkennung. Die Führungskraft entscheidet: »Das Fenster wird jetzt auf Kippe gestellt und Sie gehen jetzt wieder an die Arbeit!

Manchmal notwendig, bisweilen aber lebensgefährlich kann es sein, wichtige Bedenken wegzuwischen. Beispiel: Ein Techniker spricht sich gegen den Start der Raumfähre Challenger aus, weil er die Temperaturen für zu kalt hält, um sicher zu starten. Es kommt zu einem Konflikt, der durch die Entscheidung der Führungskraft beendet wird. O-Ton: »Nehmen Sie Ihren Ingenieurshut ab und setzen Sie Ihren Managerhut auf.«

Auch wenn Ihre Konfliktentscheidungen nicht gleich sieben Menschenleben und weltweite Reputation kosten, auch wenn es viele Situationen gibt, in denen wir Bedenken wegwischen müssen, um vorwärts zu kommen:

Wer Konflikte richtig löst, spart Kosten und bereitet Erfolge vor.

Wer Konfliktlösung als wichtige Führungsaufgabe begreift, der sollte

professionell klären,

was

zu klären ist,

herausarbeiten, worum es

wirklich

geht,

klar entscheiden, was zu entscheiden ist,

nur dort beraten, wo tatsächlich ein Rat gebraucht wird.

Konsequenz: Ihre Mitarbeiter werden in ihrer Fähigkeit, Konflikte selbst zu lösen, immer selbstständiger und Sie können sich anderen Aufgaben zuwenden.

Ein Beispiel für den zügigen Einsatz der in diesem Buch vermittelten Fähigkeiten:

Der Abteilungsleiter entdeckt, dass sein Stellvertreter sich im Urlaubsplan genau zu der Zeit eingetragen hat, die der Abteilungsleiter im letzten Jahr wahrgenommen hatte und auch in diesem Jahr wieder nutzen wollte. Entdecken, sauer werden und den Stellvertreter zur Rede stellen geschehen fast in einem Atemzug. Der Stellvertreter handelt kompetent: Er lässt den Chef ausreden. Obwohl er sich selbst ärgert, weiß er, wie wenig Sinn es hätte, jetzt platt zu kontern. Er hört zu und ist dabei zu 100 Prozent präsent. Er trifft genau den richtigen Tonfall, um den Abteilungsleiter in seinem Ärger abzuholen. Er schafft es, ihn mit einer kleinen Frage aus seiner wütenden Haltung herauszuholen – und zu klären, was sie gemeinsam klären wollen. Innerhalb weniger Augenblicke sind die Positionen und Interessen ausgetauscht. Es stellt sich heraus, dass eine Urlaubsplanung möglich ist, die beide hundertprozentig zufrieden stellt. Das Gespräch hat insgesamt nicht einmal sechs Minuten gedauert. Jede einzelne Phase der professionellen Konfliktlösung war vertreten. Es ging so schnell, weil das Thema sofort angesprochen wurde und es gar nicht erst zu einer heftigen Eskalation kommen musste.

Die Möglichkeiten, sich in Konflikten zu verhalten, sind faszinierend groß. Sowohl für Inhouse-Konflikte als auch für externe Konflikte bietet Mediation für die konstruktive Konfliktklärung die geeigneten Werkzeuge. Was ist Mediation? Mediation ist nicht zu verwechseln mit Medikation – wenngleich es viele interessante Parallelen gibt.

Mediation heißt mehr als nur »Vermittlung«. Mediation ist ein Verfahren zur Konfliktlösung, das Sicherheit gibt: Sicherheit, die durch Struktur, Haltung und dazu gehörende Instrumente entsteht. Die Fachdefinition lautet:

Mediation ist ein strukturiertes Verfahren, in welchem ein Dritter ohne Entscheidungskompetenz Konfliktparteien darin unterstützt, eine neue Win-Win-Lösung zu finden. Die Kompetenzen, die dabei genutzt werden, werden zusammengefasst als Mediationskompetenz.

Führungskräfte können sich die Rosinen der Mediationskompetenz herauspicken und sie im Führungsalltag in einzelnen Elementen anwenden. Sie können unter Beachtung der Besonderheiten, die sich aus ihrer Rolle als Führungskraft ergibt, auch das gesamte Verfahren anwenden. Mit mediativer Struktur und Haltung und mediativen Instrumenten können Sie Ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, Brücken zu bauen, mit denen sie aus ihren Streitigkeiten herausfinden. So verwandeln sich Konflikte in das zurück, was sie eigentlich sind: in verunglückte Meldungen für Änderungsbedarf und Antriebskraft für neue Lösungen. So kann der Änderungsbedarf kanalisiert werden. Dann entstehen neue Resultate anstelle von Zerstörung. Das heißt: Die Mitarbeiter aus den bisherigen festgefahrenen Sackgassen herausführen – und in selbst gestaltete neue Wege hinein. Alle Fähigkeiten, die Sie dafür nutzen werden, bilden Ihre »Mediationskompetenz«.

Mitarbeiter verlieren einen Teil ihrer Motivation durch destruktive Konflikte. Mit Mediationskompetenz stoppen Sie diesen Prozess. Sie verwandeln die in jedem Konflikt erkennbare Lernchance in Anpassung und Veränderung: In diesem Buch finden Sie alle Anwendungsebenen für Konfliktlösungen mit Mediationskompetenz, die Struktur, Übungen, Übersichten, Anleitungen, Anregungen und Fälle aus der Praxis.

Wenn Sie sich in Ihrer Organisation dem Thema Konflikte zuwenden, werden einige Ihrer Mitarbeiter vielleicht verschämt sagen: »Nein, nein … Konflikte … haben wir nicht.« Konfliktbearbeitung ist vielen Menschen peinlich. Aber eigentlich sind es nur die Konflikte, die man nicht so gern zeigen mag – nicht ihre Lösungen.

Vielleicht erinnern Sie sich an die Zeit, als Kondome verschämt an der Supermarktkasse hinter der Butter versteckt wurden. Erst als die Werbung das Thema Peinlichkeit mit Humor aufgriff und Hella von Sinnen als ungenierte Kassiererin mit frecher Selbstverständlichkeit »Was kosten die Kondooooooome?« quer durch den Werbefernseh-Supermarkt schreien ließ, vermeldeten Marktforscher und Kondomverkaufszahlen eine »Entpeinlichung« des Themas. Wenn in Ihrer Organisation Konflikte noch »peinlich« sein sollten, tun Sie sofort etwas dagegen, indem Sie sie offen ansprechen. Und dann erfreuen Sie sich an den Lösungen!

Denn mit erfolgreich bearbeiteten Konflikten im Rücken können Sie wieder die Ärmel aufkrempeln und – je nach Ergebnis – gemeinsam oder in neuen Konstellationen loslegen. Was meinen Sie, wie nützlich könnte das für Sie, für Ihre Mitarbeiter, Ihre Kollegen, Ihre Vorgesetzten und Ihre Organisation insgesamt sein?

Zum Schluss noch eine Anmerkung: Die Beispiele aus diesem Buch entstammen meiner Mediations- und Seminarpraxis, doch sind die meisten Namen und, soweit es notwendig war, auch Orte, Firmennamen und weitere Details verändert worden, um die Identität der Beteiligten zu schützen. Stellvertretend für sie werden in diesem Buch die Herren Kon und Flikt sowie die Damen Kon und Flikt ein ums andere Mal beispielhaft aneinander geraten. Dabei sind mir – wie könnte es bei einer Mediatorin anders sein – in der professionellen Konfliktlösung die männlichen ebenso lieb wie die weiblichen, die ich mal in männlicher, mal in weiblicher Form anspreche.

Kapitel 1Konfliktlösung als Führungsaufgabe

Die einzige Mannschaft, die uns schlagen kann, sind wir selbst.

Franz Beckenbauer

In diesem Kapitel lesen Sie, was Konflikte in einem Menschen mit Konflikten zwischen Menschen, zum Beispiel Ihren Mitarbeitern, zu tun haben – und welche professionellen Konfliktlösungsstrategien es gibt. Sie können testen, welche Strategien Sie derzeit bevorzugen. Sie erfahren, welche Möglichkeiten Sie zusätzlich zu hierarchischer Macht und Fachkompetenz professionell nutzen können.

Konflikte zwischen Mitarbeitern zu klären gehört zum Führungsalltag. Müssen Sie als Führungskraft also der geborene Mediator sein? Oder ist das Werkzeug der Mediation für Führungskräfte sogar tabu? Und für welche Arten von Konflikten eignet sich was?

Gehen wir noch einen Schritt zurück: Was sind die wichtigsten Kompetenzen einer guten Führungskraft? Mit welchen Kompetenzen sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter sich produktiv in die richtige Richtung bewegen?

Fachkompetenz gibt einer Führungskraft die Fähigkeit, Mitarbeiter inhaltlich gut zu beraten. Hierarchische Macht gibt ihr die Möglichkeit, Anweisungen zu erteilen, die ausgeführt werden müssen. Es gibt aber Führungssituationen, in denen weder Anweisungen noch Ratschläge geeignet sind, Erfolge zu bewirken. Das sind genau die Situationen, in denen Führungskräfte mit Mediationskompetenz handlungsfähig werden. Mediationskompetenz brauchen Führungskräfte in Konflikten, zur Konfliktprävention – und für das strukturierte Finden neuer Lösungen.

Kenner behaupten, was von Führungskräften jeden Tag im Bereich der Konfliktlösung erwartet werde, sei schwieriger als jede klassische Mediation, die von professionellen Mediatoren ausgeführt wird.

Stimmt das? Führungskräfte müssen im Führungsalltag jeden Tag Konflikte lösen, und das, ohne das professionelle Handwerkszeug in Theorie und Praxis jemals strukturiert gelernt zu haben. Die Folge: Jeder macht es irgendwie »aus dem Bauch heraus«. In diesem Buch werden Sie deshalb vermutlich an vielen Stellen etwas wiederfinden, das Sie bisher vielleicht »aus dem Bauch heraus« richtig machen. Sie werden verstehen, was das Gute an dem ist, das Sie bereits tun. Und Sie werden Ihre Fähigkeiten bereits beim Lesen professionalisieren.

Vor allem aber werden Sie neue Instrumente zur Prävention und Lösung von Konflikten entdecken. Diese werden Ihnen eine ganz neue Welt eröffnen, von der Sie nicht einmal ahnten, dass es sie geben könnte.

Konflikte im Führungsalltag

Was würden Sie auf die Frage antworten: Was bitte ist ein Konflikt? Eine Zeit lang löste schon diese Frage in mir zuverlässig einen Konflikt aus: Während die Juristin in mir einen präzise-trocken klingenden Definitionssatz formulierte, wollte die Führungskräftetrainerin in mir eine praxisnahe, verständliche, humorvolle Struktur.

Ein Konflikt ist ein Phänomen, bei dem widerstreitende menschliche Strebungen aufeinander prallen.

Alle Menschen haben mit zwei Typen von Konflikten zu kämpfen: mit den widerstreitenden Strebungen in uns selbst – die Konfliktforschung spricht hier von intrapersonalen Konflikten – und mit den widerstreitenden Strebungen zwischen Menschen, interpersonale Konflikte genannt.

Während intrapersonale Konflikte die inneren widerstreitenden Strebungen in einem Menschen bedeuten, die kämpfen, solange der Mensch noch nicht zu einem Konsens gefunden hat, bedeuten interpersonale Konflikte die widerstreitenden Strebungen zwischen mehreren Menschen, die kämpfen, solange die Menschen noch nicht zu einer Lösung gefunden haben. Konfliktlösungen enden bekanntermaßen nicht immer harmonisch. So schließt die Konfliktdefinition der Brockhaus-Enzyklopädie mit dem Satz: »Ein tragischer Konflikt endet in der Regel mit dem Untergang des Helden.«

Historisch hat sich in der Konfliktlösung viel verändert. Während die Konflikte unserer steinzeitlichen Vorfahren regelmäßig mit tödlichem Ausgang für einen der Beteiligten zu enden pflegten, beginnen wir langsam, mit den interpersonalen Konflikten ähnlich umzugehen wie mit den intrapersonalen Konflikten.

Eine der berühmtesten Beschreibungen intrapersonaler Konflikte finden wir bei Goethe. Im Vorspiel zu Faust I personifiziert er drei in ihm selbst widerstreitende Positionen in der Figur des Direktors, des Dichters und der Lustigen Person. Den Wunsch, der Menge zu behagen, legt er dem Direktor in den Mund. Innere Bedenken lässt er dagegen den Dichter aussprechen: »Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren« und um seine Bedenken gegen diese Bedenken zu Gehör zu bringen, lässt er eine »lustige Person« sagen: »Wenn ich nur nichts von Nachwelt hören sollte … Wer machte denn der Mitwelt Spaß?« Wie immer wir uns heute die Goetheschen zwei und mehr Seelen – ach – in unserer Brust vorstellen: Wir alle haben die Fähigkeit, verschiedene Vorschläge und Strebungen innerlich empfinden und aus verschiedenen Perspektiven erleben zu können.

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Intrapersonale Konflikte

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Interpersonale Konflikte

So können wir verschiedene Aspekte verstehen und reflektieren. Wir können abwägen und fundiert entscheiden. Die Fähigkeit, Konflikte vorwegzunehmen und innerlich auszutragen, gehört zu den menschlichen Qualitäten, die den zivilisatorischen Fortschritt in besonderer Weise fördern.

Gerade durch die Würdigung der einander widersprechenden Strebungen entstehen neue Ideen. Diese Kräfte oder Gedanken, die uns mal hierhin, mal dorthin zu führen scheinen, werden vom Kommunikationsspezialisten Friedemann Schulz von Thun als »inneres Team« bezeichnet. Die amerikanische Familientherapeutin Virginia Satir arbeitete mit ihnen als »parts party«. Die Goetheschen »Seelen« sind »innere Führungskräfte« im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn sie nicht gut koordiniert zusammenarbeiten, schwankt der Mensch wankelmütig zwischen seinen Optionen hin und her.

Sie bleiben so lange intrapersonale Konflikte, bis sich die unterschiedlichen Ideen aus dem Inkubationsstadium heraus bewegen. Sind alle relevanten Bedenken und Interessen sorgfältig abgewogen und berücksichtigt, heißt das Ergebnis »Lösung«.

Ob wir die widerstrebenden Anteile mit Goethe »Seelen in unserer Brust« oder zeitgemäß-metaphorisch unsere »inneren Führungskräfte«, unser inneres Team oder »parts party« nennen: Wenn wir die Balance zwischen zu straffer und zu loser Führung, zwischen zu viel und zu wenig Zielvorgaben, zwischen Erfolg im Beruf und privatem Glück erreichen, wenn wir das Gleichgewicht zwischen Geschwindigkeit und Perfektion, Investition und Kostenreduktion, Aktivität und Ruhepausen finden, dann haben wir uns selbst gut durch den Konflikt geführt. Denn wie wir mit unseren »inneren Führungskräften« umgehen, entscheidet darüber, ob wir uns für oder gegen die eine oder andere Abmahnung, Kündigung, Neueinstellung, Führungsrichtung bis hin zur (Projekt-)Streichung so entscheiden, dass wir mit der Entscheidung langfristig zufrieden sein können.

Menschen, die in ihren Berufen oder Beziehungen scheitern, scheitern in letzter Konsequenz immer an Konflikten. An den äußeren, den inneren oder beiden zusammen.

Menschen, die langfristig erfolgreich sind, haben genauso viele Konflikte wie alle anderen – sie lösen sie nur anders.

Zwischen intrapersonalen Konflikten und interpersonalen Konflikten gibt es sehr komplexe Zusammenhänge.

Manchmal beginnen interpersonale Konflikte mit intrapersonalen Konflikten, manchmal ist es umgekehrt. Regelmäßig befördern und potenzieren sie sich gegenseitig. Im intrapersonalen Konflikt wie im interpersonalen Konflikt zwischen zwei Menschen entsteht so eine Eskalation, die mit zuverlässiger Vorhersagbarkeit zum Gegenteil des Erwünschten führt. Interpersonale Konflikte auf unteren hierarchischen Ebenen entstehen regelmäßig, wenn intrapersonale Konflikte in den Köpfen der Führungsebene noch offen sind.

Bleiben innere Konflikte zu lange ungelöst, leiden unsere Mitarbeiter, unsere Abteilungen, unsere Kunden und damit letztlich Karriere und Lebensbalance: Wir werden ineffektiver statt erfolgreicher.

Wenn wir die zwei und mehr Seelen, um das Goethesche Wort noch einmal aufzunehmen, nicht koordinieren, multiplizieren sich unsere Probleme. Wenn wir mit unseren eigenen unausgegorenen Zielkonflikten auf ein anderes menschliches Wesen mit anderen Zielen, Werten und Zielkonflikten treffen, reicht die Komplexität für Dramen und Krimis. Kommen weitere Menschen hinzu, potenziert sich der Streitstoff. Schlachten, Kriege, Kämpfe und Kriminalgeschichten sind tausendfach erprobt und bieten unterschiedlichste Wege zu möglichen Lösungen. Sie enden nur im Märchen, im Kasperletheater und in der Hollywood-Version zuverlässig nicht mit dem Untergang des Helden. Aus steinzeitlichen Funden lässt sich rekonstruieren, dass ein Großteil der Spezies Homo sapiens in der Steinzeit des unnatürlichen Todes »Unterliegen im Kampf« starb. Die Frage war damals weniger, ob der »Tod im Konflikt« stattfand, sondern vielmehr wann dies der Fall war. Die Endgültigkeit der konkreten Lösungen war den überlebenden Beteiligten damals angenehm. Allerdings war es erforderlich, jedes Mal zu überleben, um diese Annehmlichkeit zu erleben. Das war nur wenigen beschieden. Es wird vermutet, dass auch schon damals ein in anderen Zusammenhängen biologisch sinnvoller menschlicher Optimismus die Streiter dazu verführt hat, in wenig aussichtsreichen Kämpfen den Untergang zu riskieren. Was hat sich seitdem geändert? Wie kann Mediationskompetenz hier helfen?

Vom Problem zur Lösung

Professionelle Mediatorinnen und Mediatoren nutzen ihre Mediationskompetenz in der Konfliktlösung, um aus Konfliktgegnern Verhandlungspartner und aus Verhandlungspartnern Lösungserfinder zu machen. Viele Elemente der Mediation lassen sich im Führungsalltag zur Prävention und zur Lösung von Konflikten nutzen. Nicht alle Methoden der klassischen Mediation sind brauchbar, weil sich aus der Beziehung zwischen Führenden und Geführten Besonderheiten ergeben. Um Mediationskompetenz professionell nutzen zu können, ist es sinnvoll, ein paar grundlegende Dinge über Mediation zu wissen und dann das erforderliche Know-how zu üben. Wie gesagt: Mediation ist für Konflikte so ähnlich wie Medikation für Krankheiten. Was tun wir, wenn unsere Organisationen daran kranken, dass ihre Bestandteile aneinander geraten? Aneinander scheuernde Mitarbeiterwirbel führen zu Rückgrat-Schwierigkeiten in Organisationen, Stabilität und Flexibilität leiden. Bei Schwierigkeiten mit der Körpergesundheit hilft Medikation.

Von Mediation im engeren Sinne spricht man, wenn ein neutraler Dritter mit dem entsprechenden Know-how ohne Entscheidungsabsicht die Konfliktparteien (Medianden) professionell dabei unterstützt, neue Lösungen zu entwickeln.

Sokrates, Sohn einer Hebamme, nannte die von ihm praktizierte Kunst Mäeutik, dt. Hebammenkunst. Der amerikanische Mediator Gary Friedman verglich in seiner Rede anlässlich der Sokratespreisverleihung 2000 die Geburt einer Konfliktlösung mit der Geburt eines Kindes und die Aufgabe des Mediators als Geburtshilfe. Die Mediation besteht aus Elementen, die schon Sokrates bekannt waren, die aber zeitweilig und zum Teil in Vergessenheit gerieten. Und sie besteht aus Elementen, die erst in unserer Zeit neu entwickelt oder in dieser Form erstmalig zusammengefügt wurden. Wenn Sie also hören, dass das Mediationskonzept schon uralt sei, dann ist das im Kern richtig. Wenn Sie hören, dass in Vergessenheit geratene Führungsweisheiten wieder ausgegraben wurden, ist auch das richtig. Und wenn Sie hören, dass Mediation ein ganz neues Konzept ist, ist das ebenfalls richtig. Wie alle wirklich guten neuen Erfindungen hat sie ganz einfache alte Wurzeln. Die erfinderischen Schritte, die das alte Wissen so verbessern, dass es im heutigen Führungsalltag nützt, machen den Unterschied: zwischen E-Mails, Videokonferenzen und lebendigen Beziehungen mit Mitarbeitern, Geschäftspartnern und auch im Privatleben.

Die folgenden, in der Mediation verwendeten und speziell für Führungskräfte weiterentwickelten Elemente unterstützen Entscheider in ihren Führungsaufgaben und bei der Konfliktlösung. Hier die wichtigsten Elemente der Mediationskompetenz:

Mediationskompetenz bedeutet, allen »Tricks« immer wirkungsvoller Paroli bieten zu können.

Sie erkennen die gefährlichsten Rahmenbedingungen, die Ihren Konfliktlösungen im Haifischbecken der Wirtschaft drohen – einschließlich der übelsten Tricks und Gefahren.Je fortgeschrittener Ihre Mediationskompetenz, desto mehr prallen manipulative Verhandlungstricks an Ihnen ab. Stattdessen nutzen Sie sie als Motoren zur Lösung.

Mediationskompetenz bedeutet, im Rahmen der Rechtsordnung konstruktive Zukunftsgestaltung zu betreiben.

Die zum Zwecke gerechten und konstruktiven Wirtschaftens geschaffenen Rahmenbedingungen des geltenden Rechts entfalten ihre beste Wirkung nicht

im

Gerichtssaal, sondern

vor

dem Gerichtssaal, und im Wissen, dass der Gerichtssaal als Option da ist. Sie können Firmenregeln und eventuelle Weisungen von Vorgesetzten nutzen, um auf dieser Grundlage Synergien zu schaffen.Regeln sind kein Prokrustesbett der Vergangenheit. Sie bilden einen stabilen Rahmen für die Möglichkeiten und Ziele der Zukunft. Alle Beteiligten bekommen in der Mediation mindestens das, was ihnen nach geltendem Recht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zustehen würde, regelmäßig aber etwas Besseres oder mehr.

Mediationskompetenz bedeutet, den Ausstieg aus der Destruktionsspirale mit wachsender Leichtigkeit zu beherrschen.

Sie können die inneren Rahmenbedingungen des Faktors »Mensch« erkennen, in denen sich Ihre Konfliktlösungen bewegen – einschließlich der Tricks und Gefahren, die sich direkt auf menschliche Zustände auswirken.Menschen reagieren in Konflikten noch wie vor Millionen Jahren aufgrund angeborener frühzeitlicher Auslösemechanismen mit Kampf-, Flucht- oder Erstarrungsreflexen. Die alten Muster, die alle Menschen mit sich herumtragen, sind heute oft weder für sie selbst noch für andere Menschen gut. Aber weil sie es irgendwann einmal waren, hämmert das Herz noch nach Jahrmillionen, als ginge es um einen Kampf um Leben und Tod. Mediationskompetenz überbrückt Reflexe und macht verantwortliches Handeln möglich. Es ist nicht ehrenrührig, dass Sie oder Ihre Mitarbeiter Steinzeitreflexe haben. Es ist allerdings extrem verlustbringend, wenn Sie nichts dagegen tun.

Mediationskompetenz bedeutet, alle sechs Ebenen mediativen Verhandelns zu beherrschen und immer flexibler zu werden.

Sie kennen das gesamte Spektrum aller mediativen Handlungsmöglichkeiten der professionellen Konfliktlösung. Waren Sie früher handlungsunfähig, nachdem alle bisherigen Strategien von freundlichen, kompetenten Worten bis zum Machtwort sich oft als wirkungslos erwiesen haben, wenn selbst Abmahnungen und kräftigere Mittel erfolglos blieben, können Sie nun mit dem MIKADO

®

-Modell, das Ihnen sechs verschiedene Ebenen mediativen Verhandelns eröffnet, das Dilemma zwischen »unter den Teppich kehren«, Kompromiss und »(Rechts-)Streitautomatismus« beenden. Wer kein professionelles Handwerkszeug hat, um Konflikte auszuräumen, verliert zu viel – in Schwelbränden, Kompromissen und vielleicht im (Rechts-)Streit. Mit den sechs Ebenen des MIKADO-Modells, von der One-Party-Mediation über dialogisch-mediative Verfahren bis hin zur klassischen Mediation finden Sie für jeden mediativ lösbaren Konflikt das passende Verfahren.

Mediationskompetenz bedeutet, alle fünf Phasen der ALPHA-Struktur strategisch und konsequent in allen Konfliktlösungen, Gesprächen, Konferenzen und Verhandlungen anzuwenden, dabei Führungsmacht ohne Sachkompetenz zu generieren und die Siegchancen immer weiter zu verbessern. ALPHA-Struktur ist die Bezeichnung für den fünfphasigen Aufbau der Mediation. Sie endet mit der Abschlussvereinbarung. Sie beginnt mit der Auftragsklärung – und zwischen diesen beiden findet die konsequent strukturierte Erfindung einer Lösung statt.

Sie kennen die gesamte Struktur von Verhandlungen und können sie anwenden: Die ALPHA-Struktur für ALPHA-Tiere. Nachhaltig erfolgreiche ALPHA-Tiere streiten nicht fruchtlos herum, sondern kämpfen so strukturiert gegen destruktive Konflikte und für konstruktive Lösungen, dass ihre Siegchance weit über 50 Prozent beträgt. Dazu nutzen sie die transparente Auftragsklärung mit Qualitätssicherung und klar strukturierter Vorgehensweise. So können sie Führungsmacht auch ohne Sachkompetenz und ohne hierarchische Macht aus einer (Konfliktlösungs-)Aufgabe selbst generieren.

Mediationskompetenz bedeutet, jedem(!) Konflikt mit der inneren Haltung des Dazulernenden begegnen zu können. Ihre wachsende Veränderungskompetenz ersetzt das nutzlose Abstempeln von Sündenböcken. Stattdessen wird Ihr Team unschlagbar.

Wer immer nur Köpfe rollen lässt, wenn irgendetwas schief gelaufen ist, verliert schnell seine besten Leute. Wer dagegen erkennt, dass jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt seines Handelns irgendeine »plausible Intention« verfolgt, hat den wichtigsten Schritt zur Veränderungskompetenz verstanden. Jeder Konflikt kann zum Motor für Verbesserung – oder zum destruktiven Chaos werden. Wer seine Mitarbeiter in Konfliktlösungs- und Veränderungsprozessen erfolgreich begleiten will, unterstützt sie dabei, neue Verhaltensweisen zu finden. Sie werden vom »Reaktor« zur überlebensfähigen, gestaltenden Führungskraft, die aus Sündenbock-Kandidaten Team-Beweger macht.

Mediationskompetenz bedeutet, alle Lösungsaufgaben verantwortungsvoll in den Händen der Konfliktbeteiligten zu lassen und sie dazu zu befähigen, selbst weiter zu kommen. So wird die von innen kommende Motivation nicht zerstört – und nur so viel mediativ unterstützende Führung gegeben, wie das Team braucht.

Wer auch nur ein einziges Mal Konfliktlösungen mediativ gefunden hat, weiß, dass selbstbestimmte Lösungen Motivationsfaktoren berücksichtigen können, auf die weder ein Anwalt, noch ein Gesetzgeber, Vorgesetzter, Richter oder anderer Entscheider je gekommen wäre. Selbst gefundene Lösungen stärken ein Team und jeden einzelnen Mitwirkenden. Autonomie und Leistungsfähigkeit steigen.

Manche Menschen gehen nur zum Arzt, wenn ihnen etwas wehtut. Dann sind zwei Schritte erforderlich: 1. Diagnose 2. (Be-)Handlung. Andere kennen nicht nur die Vorzüge von Früherkennung und Vorsorge, sondern sie handeln danach. Und wie ist es in unseren Organisationen? Welche Erkenntnisse können Privatwirtschaft und öffentliche Hand aus Diagnose und Heilung, Früherkennung und Vorbeugung für sich nutzen?

Noch einmal: Konflikte sind Krankheiten gar nicht so unähnlich. Es gibt sie, sie zu leugnen und zu beschönigen nützt nichts, und es ist weder ehrenrührig noch ungewöhnlich, sie zu haben. Wer anerkennt, was ist, kann schneller den nächsten Schritt machen und fragen: Wie machen wir uns danach gegen den jeweiligen Erreger immun?

●Krankheiten zu haben und wieder gesund zu werden, ist für Menschen normal.

‣ Konflikte zu haben und wieder zu lösen, sollte zwischen Menschen normal sein.

●Krankheiten bewirken, dass Menschen sich mit ihnen auseinander setzen, um gesund zu werden.

‣ Konflikte bewirken, dass Menschen sich mit ihnen auseinander setzen, um sie zu lösen.

●Krankheiten zwingen uns loszulassen, was vorher Priorität hatte.

‣ Konflikte zwingen uns ebenso loszulassen, was vorher Priorität hatte.

●Im besten Fall stärken kleine Krankheiten die Abwehrkräfte und regen zu einer Veränderung der Gewohnheiten an.

‣ Im besten Fall stärken kleine Konflikte die Leistungsfähigkeit und regen zu einer Veränderung der Gewohnheiten an.

●Unsere Körper danken uns mit Leistungsfähigkeit, wenn wir für sie sorgen.

‣ Unsere Organisationsformen danken uns mit Leistungsfähigkeit, wenn wir für sie sorgen.

●Medikation unterstützt unseren Körper dabei, mit Krankheitserregern besser umgehen zu können.

‣ Mediation unterstützt uns dabei, mit Konflikterregern besser umgehen zu können.

Wenn wir alles getan haben, was möglich und sinnvoll war, können wir die Hände in den Schoß legen und den Rest der Natur, dem Himmel oder den Sternen überlassen – aber erst dann. Vorher gilt es, sofort nach der Diagnose die besten Mittel zur Besserung auszuwählen. Selbstheilungsprozesse sind so schnell wie möglich zu fördern. Das bedeutet: Rechtzeitig handeln, gute Besserung nicht nur wünschen, sondern Maßnahmen ergreifen, um sie zu erreichen, gefährliche Entwicklungen im frühestmöglichen Stadium stoppen. Richtig gesund werden Menschen und Systeme nur dann, wenn die Selbstheilungskräfte nachhaltig aktiv werden. Hilfsmittel von außen sind dazu da, gezielt zu wirken und sich so schnell wie möglich überflüssig zu machen. Auch dies gilt für Medikation wie für Mediation in gleicher Weise.

Je mehr wir Krankheiten oder Konflikte verschleppen, ohne die Ursachen zu beheben, je länger wir erste Anzeichen übersehen, um so dramatischer kann es werden; vorausdenkende Menschen aber putzen zum Beispiel schädliche Fremdkörper von ihren Zähnen einfach rechtzeitig weg.

Regelmäßig lässt Antoine de Saint-Exupéry seinen kleinen Prinzen seinen Planeten kontrollieren, lässt ihn prüfen, ob sich gefährliche Pflanzen eingenistet haben, lässt ihn mit Augenmaß herauszupfen, was ihm später gefährlich werden und seinen kleinen Planeten eventuell sprengen könnte – aber nur das. Je früher wir das Richtige tun, um so besser. Wer »Gefährchen« zu lange ignoriert, kann in große Gefahr geraten. Theoretisch wissen wir das alle. Je mehr Sie die Ideen in diesem Buch praktisch umsetzen und die Werkzeuge selbst anwenden, um so interessantere Entdeckungen werden Sie machen.

Viele Menschen sind gesundheitsbewusster geworden, die oben erwähnte Zahnpflege ist heute zur Routine geworden (auch wenn die Zahnärzte noch lange nicht zufrieden sind). Um Ihre Mitarbeiter vor Konfliktkaries zu schützen, finden Sie viele Anregungen in diesem Buch. Auch gegen Leistungsträgerparadontose lässt sich rechtzeitig vorgehen. Nur putzen müssen Sie dann noch selbst. Was im Mund an übersehenen Essensresten in den Zahnfleischtaschen vor sich hinfault, bis die Zähne ausfallen, ist in der Wirkung manchmal nicht ganz unähnlich den weggeschobenen Konfliktherden, die so lange an der Basis nagen, bis die besten Leute gehen. Auch zu diesem Thema finden Sie strukturierte Vorbeugungsmaßnahmen in diesem Buch.

Vielleicht gibt es in Ihrer Organisation auch manchmal Rückenprobleme? Vielleicht sind manche Unternehmensbandscheiben nicht mehr so wie früher? Vielleicht geraten manchmal zwei oder mehr Wirbel so aneinander, dass es beide schmerzt, sich keiner mehr so bewegen kann, wie er es gerne würde, und auch alle anderen ringsumher nicht mehr geradlinig aufrecht arbeiten können? Je länger dieser Zustand anhält, desto komplexer werden die Folgeschäden. Die Beweglichkeit, Schnelligkeit, Leistungsfreude und der Erfolg des Unternehmens insgesamt leiden.

Um all diesen Folgen rechtzeitig vorzubeugen, sorgen mehr und mehr Organisationen rechtzeitig vor. Auch der Gesetzgeber hat reagiert. Seit einigen Jahren gelten für eine der Eskalationsformen von Konfliktsituationen verschärfte rechtliche Regelungen. Wer in seiner Organisation Mobbing duldet, muss Schadensersatz in Geld leisten. Und bekanntermaßen hat jede Mobbingsituation mit einem kleinen Schritt angefangen.

Wenn Sie täglich beim Zähneputzen gedanklich auch die Konfliktlandschaft Ihrer Organisation mit dem Know-how dieses Buches durchbürsten und überlegen, wo etwas sorgfältiger »gebürstet« werden sollte, erreichen Sie mit einem Bruchteil des sonst später nötigen Aufwandes Konfliktvorsorge und -früherkennung. Machen Sie Ihre Aktivitäten dabei für Ihre Mitarbeiter transparent:

Zeigen Sie, welche langfristigen Verbesserungen durch kleine Präventivmaßnahmen möglich sind.

Bitten Sie andere, mit Ihnen an einem Strang zu ziehen.

Schenken Sie Ihren kompetentesten Mitstreitern dieses Buch und bewegen Sie die Firmenkultur gemeinsam.

Machen Sie deutlich, dass eingesparte Schäden keine blitzartig sichtbaren Hochgeschwindigkeitsstrohfeuer, sondern mittel- und langfristig wirksame Qualitätsverbesserer sind.

Die diagnostischen und sofort konfliktlösenden Aktivitäten wirken sowohl kurz- als auch mittel- und langfristig: Messbare und deutlich sichtbare Erfolge erreichen Sie mit der klassischen Mediation und den Inhouse-Varianten für Ihren Führungsalltag. Wie viel Sie davon jetzt schon einsetzen, erfahren Sie im folgenden Test; wie Sie sie darüber hinaus einsetzen können, lesen Sie im anschließenden Abschnitt.

Testen Sie Ihre Konfliktlösungsstrategien

Testen Sie Ihre aktuelle Fähigkeit zur professionellen Konfliktlösung mit Mediationskompetenz. Lesen Sie dazu die folgenden Beispiele und notieren Sie spontan, aber ohne Zeitdruck die erste Antwort, die Ihnen einfällt.

Stellen Sie sich in allen acht Fällen vor, Sie seien kürzlich befördert worden und hätten soeben die neue Führungsposition in einem ganz neuen Bereich übernommen, in der Sie eine Gruppe von Führungskräften und Sachbearbeitern zu führen haben. Man berichtet Ihnen von Erfolgen und von Problemen. Sie laden jeden einzeln auch dazu ein, ganz offen von Problemen und Konflikten zu sprechen. Was sind (sinngemäß) Ihre ersten Worte und Sätze, wenn die Ihnen unterstellte Führungskraft sich vertrauensvoll an Sie wendet? Wie reagieren Sie? Was sagen Sie? Was fragen Sie? Beantworten Sie jeweils die beiden Fragen:

Was sind (sinngemäß) Ihre ersten Sätze?

Was wollen Sie damit erreichen?

Führungskraft 1: »Fördern oder kündigen?«

»Wir haben hier einen Mitarbeiter, der extrem schwierig ist. Am liebsten wäre mir manchmal, ich müsste mich nie wieder mit ihm herumschlagen und könnte ihn fristlos kündigen, dann überrascht er mich wieder mit guten Leistungen. Das Ergebnis: Mein Führungsverhalten ihm gegenüber bewegt sich zwischen Kritisieren, Resignieren und Fördern. Gestern sind wir beide laut geworden und der Konflikt ist eskaliert. Was raten Sie mir?«

Führungskraft 2: Mitarbeiter verändern

»Wenn meine Mitarbeiter tun würden, was man ihnen sagt, hätten wir keine Konflikte. Weil sie aber nicht tun, was man ihnen sagt, gibt es Konflikte. Ärgerlicherweise führen die Konflikte dazu, dass sie noch weniger tun, was man ihnen sagt. Wie bringe ich sie nur dazu, dass sich das ändert? Ich selber will mich eigentlich nicht ändern. Ich finde mein Führungsverhalten gut. Sonst würde ich mich ja nicht so verhalten. Was raten Sie mir?«

Führungskraft 3: »Zwischen Teamgeist und Individualität«

»Nächste Woche ist Abteilungskonferenz. Dort will ich das Team für den Erfolg in dem neuen Projekt loben. Eine Mitarbeiterin erwartet von mir, dass ich ihre besondere Leistung hervorhebe – Faktum ist, dass sie die Beste ist. Aber dadurch, dass sie darauf achtet, selbst gut dazustehen, hemmt sie die anderen. Es gibt inzwischen heftige Konflikte zwischen ihr und einem speziellen Kollegen – und im Team insgesamt. Was raten Sie mir?«

Führungskraft 4: »Situativ-individuell oder nach allgemeinen Gerechtigkeitskriterien führen?«

»In meiner Mannschaft gibt es seit einiger Zeit recht viel Eifersucht und Neid. Ich habe versucht, alle genau gleich zu behandeln, aber das geht nicht – die Menschen reagieren einfach unterschiedlich auf Lob und Kritik. Durch meinen situativ-individuellen Stil kommt jetzt aber dauernd jemand und findet irgendetwas extrem ungerecht. Was raten Sie mir?

Führungskraft 5: Sex am Arbeitsplatz

»Ich habe einen Konflikt mit meiner Assistentin. Sie erledigt ihre Aufgaben nicht mehr termingerecht – und wenn ich versuche, ihr zu sagen, dass das so nicht geht, zuckt sie nur mit der Schulter. Vielleicht sollte ich es Ihnen lieber gleich sagen … allerdings … ich weiß nicht, ob das etwas damit zu tun hat – ich glaube, ich hatte neulich nach dem Betriebsfest mit ihr ein kleines erotisches Abenteuer, wir waren beide nicht mehr ganz nüchtern. Was raten Sie mir?«

Führungskraft 6: Der Hund zwischen zwei Herrchen

»Ihr Vorgänger wollte von uns allen, dass die Mitarbeiter so selbstständig wie möglich geführt werden und forderte von mir, dass keinerlei situative Gängelei Einzug halten sollte. In dem EDV-Projekt, das gerade läuft, will der Projektleiter aber, dass ich unverzüglich aktiv werde, sobald die Möglichkeit einer Projekt-Gefährdung erkennbar wird.

Ich habe beiden die Gegensätzlichkeit ihrer Forderungen mitgeteilt. Beide haben mir geantwortet, ich werde das schon schaffen, ich solle halt mein Möglichstes geben. Es gibt jetzt aber überall Konflikte. Und was erwarten Sie jetzt von mir?«

Führungskraft 7: »Mrs. Ehrgeiz und Mrs. Pause«

»Ich habe eigentlich keine Konflikte mit meinen Mitarbeitern. Es ist mehr so, dass sie mich … ich würde mal sagen, dass sie mich … in Ruhe lassen. Ich habe mich vor einiger Zeit zur Abendschule angemeldet und versuche, auch vorwärtszukommen, aber ich bin immer so mit den betrieblichen Dingen beschäftigt, dass ich nicht dazu komme. Und dann ärgere ich mich darüber, dass ich nicht vorwärtskomme, und dann ärgere ich mich darüber, dass ich mich darüber ärgere … und dann bin ich ungenießbar – aber das ist mehr ein Konflikt in mir selber – da können Sie mir auch nicht helfen …«

Führungskraft 8

Suchen Sie sich jetzt bitte noch einen weiteren Konflikt aus, der in Ihrem Umfeld typisch ist.

Auswertung

Die Auswertung besteht aus mehreren Teilen. Zwischen den einzelnen Teilen finden Sie Informationen über Vor- und Nachteile Ihrer Modelle für den Führungsalltag.

Quantitative Auswertung: Fragen und Antworten

Schauen Sie sich jetzt bitte die Form Ihrer Antworten an: Mit welchen Satzzeichen enden sie? Zählen Sie die Anzahl der Fragezeichen, Punkte und Ausrufezeichen.

Fragezeichen

Punkte

Ausrufezeichen.

Wie ist das Verhältnis Fragezeichen einerseits zu Punkten und Ausrufezeichen andererseits?

Manche Führungskräfte fragen ständig, andere fragen nie. Es ist nicht per definitionem das eine immer besser als das andere. Allerdings ist bei Konfliktlösungsaufgaben grundsätzlich derjenige am erfolgreichsten, der die höchste Bandbreite an Möglichkeiten beherrscht. Grundsätzlich gilt: Je mehr Fragezeichen Ihr Testergebnis enthält, um so mehr führen Sie durch Fragen. Sie wissen, dass ein Rat auch in Form von Fragen gegeben werden kann. Sie regen Ihre Mitarbeiter zum selbstständigen Denken und Selbstlösen an.

In erster Linie ist also entscheidend: Fragen Sie überhaupt? Oder geben Sie sofort Ratschläge? Fragen Sie zuerst und raten Sie dann? Oder fragen Sie vielleicht (noch) zu wenig?

Ihre Antworten sind einerseits ein momentaner, spontaner Ausschnitt Ihrer aktuellen Führungsqualitäten im Bereich der professionellen Konfliktlösung. Vor allem aber sind sie das Ergebnis Ihrer Erfahrungen. Vielleicht sind Sie sich bei einigen Verhaltensweisen nicht ganz sicher. Vielleicht sind Sie mit vielen Ihrer Strategien bisher gut gefahren.

Qualitative Auswertung des Tests: Rollenverhalten

Neue Managementtheorien begannen in den Neunzigern mit: »Vergessen Sie alles Dagewesene, jetzt kommt Management by ›Schon-wieder-was-Neues‹«. Das war und ist natürlich Unfug – und deshalb war die Lebensdauer solcher Theorien vorhersagbar kurz. Mediationskompetenz verwirft nicht das Alte, sondern knüpft immer bei den Vorerfahrungen der Anwender an – und bietet Chancen der Erweiterung von Handlungsspielräumen.

Um einen kleinen Einblick in Ihre bisherigen Handlungsspielräume zu nehmen, überprüfen Sie jetzt, aus welchen Rollen heraus Sie geantwortet oder gefragt haben. Welche Konfliktlösungsrollen haben Sie in dem kleinen Test eingenommen?

Führungskräfte in der Konfliktlösung können strukturell alle Rollen einnehmen, die professionelle Konfliktlöser und Konfliktlösungsunterstützer haben können. An wen wenden sich Menschen im Konflikt? Wer unterstützt Sie? Mehrere Unterstützungsformen haben sich in den letzten Jahrhunderten professionell institutionalisiert, die jüngste, die Mediation, produziert erst seit dem Ende des letzten Jahrhunderts nennenswerte Zahlen, die die Wirtschaftswelt mit ihren regelmäßig auftretenden Erfolgen überraschen. Während Sie die folgenden Unterstützungsformen lesen, vergleichen Sie diese mit Ihren Antworten. Welche Unterstützungsformen sind Ihre persönlichen Favoriten?

Anwalt und Experten-Berater

Ihr Motto lautet: »Ich stehe dir mit Rat und Tat zur Seite – notfalls löse ich den Konflikt für dich – und hole dir die Kohlen aus dem Feuer.«

Viele Menschen denken, wenn sie Unterstützung für Konfliktlösungen suchen, an eine Hilfe vom Typus »jetzt hole ich den großen Bruder«. Dies ist regelmäßig der Rechtsanwalt, Berater, Betriebsrat, gegebenenfalls auch der Coach, Experte oder eine vergleichbare Person – also ein Anwalt im ursprünglichen Wortsinne von Anwaltschaft, wie er sich beispielsweise im Begriff »Anwalt des Kindes« findet: ein parteiergreifender Unterstützer. Der »Anwalt« im ursprünglichen Wortsinne soll ein parteiischer Unterstützer sein, der die eigene Position stärken soll, um die Interessen möglichst weitgehend mit Rechts-, Fach- und Sachkompetenz, Geschick und Kraft durchzusetzen.

»Anwaltliche« Unterstützung im weiteren Sinne ist nützlich, um einen Macht-, Kräfte- oder Kompetenzmangel auszugleichen. Rechtsberatung darf nach dem am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Rechtsdienstleistungsgesetz nur von zugelassenen Rechtsanwälten durchgeführt werden. Eine nicht rechtsberatende »anwaltliche« Unterstützungsrolle im weiteren Sinne können Führungskräfte für ihre Mitarbeiter jedoch sehr wohl entweder selbst einnehmen oder an andere Unterstützer oder Coaches delegieren. Anwälte im weiteren Sinne kämpfen und beschützen ihre »Mandanten« wie eine Löwenmutter ihr Junges. Auch wenn Sie nicht Konfliktpartei des konkreten Streits sind, können Sie eine so fundierte eigene Position zum Thema haben, dass Ihre Beratung und Fürsorge gefragt sind. Diese Position sollten Ihre Mitarbeiter unbedingt berücksichtigen.

Testauswertung: Schauen Sie Ihre Testantworten an. In wie vielen Ihrer Antworten fragen und beraten Sie so, dass Sie im weiteren Sinne »anwaltlich« handeln können und wollen?

Die Anwaltsrolle hat wie alles gute und gefährliche Seiten. Vor allem pflegen Mitarbeiter, die Sie zur Unselbstständigkeit erziehen, mit der Zeit mehr und mehr Kompetenzen zu verlieren. Mitarbeiter trauen sich immer wenig zu, wenn Sie von ihren Führungskräften zu oft beschützt werden. Beratende Unterstützung im Führungsalltag ist langfristig nur dann sinnvoll, wenn sie Hilfe zur Selbsthilfe darstellt und sich selbst überflüssig macht.

Richter

Manche Führungskräfte nehmen sich in Konfliktkonstellationen Richter oder Schiedsrichter zum Vorbild. Am liebsten würden sie durch ein beherztes Urteil Frieden schaffen und zur Tagesordnung zurückkehren.

Was macht die Richterrolle aus und wie viel davon eignet sich im Führungsalltag?

»Es ist gut, dass es Gerichte und Richter gibt. Es wäre für alle Beteiligten sinnvoller, wir würden weniger oft in Anspruch genommen werden«, sagte mir neulich ein Richter, der wegen seiner immer weiter anwachsenden Aktenberge kaum noch dazu kam, seinen Kindern abends eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. Führungskräften, die sich wie Richter verhalten, geht es manchmal ähnlich. Kaum ist eine Streitigkeit zwischen zwei Mitarbeitern entschieden, steht schon das nächste Problem vor der Tür. Mit einer (schieds-)richterlichen Entscheidung ist gemeint, dass Sie als Führungskraft aufgrund Ihrer Position und der damit verbundenen hierarchischen Macht bindend für die Beteiligten sagen, wer die gelbe Karte bekommt und wer Recht hat.

Zivilrichter fällen allein in der Bundesrepublik Deutschland jährlich Tausende von Urteilen. »Nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts« solle gelten, betonte Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner Neujahrsansprache 2003. Wenn der Rechtsweg beschritten wird, führt die streitige Austragung im Prozessverlauf regelmäßig zu einer Verhärtung der Fronten. Selbst für einen salomonischen Richter ist es beinahe unmöglich, die so entstandenen Verletzungen und Verhärtungen durch ein Urteil wieder aufzuweichen. Das liegt aber weniger an den Richtern, die zum Teil vorzügliche Kompetenzen als Konfliktlöser haben, als an der Struktur des richterlichen Verfahrens.

Führungskräfte nehmen sich in manchen Konfliktkonstellationen Richter oder Schiedsrichter zum Vorbild. Manchmal kann man durch ein beherztes Urteil Frieden schaffen und zur Tagesordnung zurückkehren. Es gibt Konflikte, bei denen Sie eine eigene Auffassung davon haben, was richtig ist. Wenn es für den Erfolg Ihrer Organisation wichtig ist, dass Sie sich hier durchsetzen, sollten Sie Ihre Entscheidung gut kommunizieren und Ihr Ziel erreichen. Häufig handelt es sich in solchen Fällen übrigens in Wirklichkeit um eine bisher ungeklärte Führungsfrage, die sich anhand eines Mitarbeiterkonflikts gezeigt hat.

Testauswertung: In wie vielen Ihrer Antworten fragen und beraten sie so, dass Sie den Konflikt wie ein Richter beurteilen und eine hierarchisch bindende Entscheidung treffen können und wollen?

Schlichter

Im Arbeitsrecht, insbesondere in Tarifverhandlungen, aber auch in einer Fülle anderer Streitigkeiten, werden Schlichter angerufen. Schlichtung ist die Mithilfe zur Beilegung von Streitigkeiten. Schlichter haben die Aufgabe, aufgrund der Forderungen und Argumente der beteiligten Streitparteien einen Lösungsvorschlag, den Schlichterspruch, zu erarbeiten. Grundsätzlich ist eine Zustimmung der Konfliktparteien zu diesem Vorschlag erforderlich. Führungskräfte werden häufig von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in die Rolle gedrängt, Konflikte schlichten zu sollen. Die Aufgabe erweist sich häufig als umfangreicher und schwieriger als zu Beginn erkennbar. Wenn der zu erarbeitende Lösungsvorschlag alle Konfliktherde zuverlässig befrieden will, ist eine sorgfältige Aufarbeitung des Konfliktstoffes unerlässlich. Bleiben relevante Konfliktherde unberücksichtigt, wird die Schlichtung den Konflikt nur kaschieren, aber nicht nachhaltig befrieden. Um mit großen Personenzahlen zu tragfähigen Lösungen in überschaubaren Zeiträumen zu kommen, kann das Instrument der Schlichtung eine gute Wahl sein.

Führungskräfte haben zusätzlich zu der Möglichkeit, selbst zu schlichten, immer auch die Wahl, die Schlichtung an eine dritte Person, die alle Streitparteien akzeptieren, zu delegieren. Denn Experten warnen: »Wer einmal als Schlichter einen Schlichterspruch vorlegt, der sich für die eine oder die andere Seite ausspricht, verliert das Vertrauen der Verliererseite.« Diesen Aspekt sollten Führungskräfte gut überlegen, bevor sie die Aufgabe selbst übernehmen. Führungskräfte, die in Mitarbeiterkonflikten Partei ergreifen, verlieren häufig das Vertrauen der Verlierer.

Testauswertung: In wie vielen Ihrer Antworten fragen und beraten Sie so, dass Sie versuchen können, den Konflikt wie ein Schlichter zu erfassen mit dem Ziel, den Streitparteien einen Lösungsvorschlag unterbreiten zu können, der diese motiviert, fördert und langfristig unterstützt?

Mediator

Mediatoren sind strukturell gesehen das Gegenteil von Schlichtern oder Richtern. Sie stellen vom ersten Augenblick an klar, dass es völlig überflüssig ist, sie von der Richtigkeit irgendeiner Lösung zu überzeugen. Sie zeigen durch ihr gesamtes Verhalten, dass ihre Rolle einzig und allein darin besteht, die Konfliktparteien bei der Suche nach einer eigenständigen Lösung zu unterstützen. Dadurch können die Konfliktparteien – sobald sie die Rolle verstanden haben – darauf verzichten, die Gegenseite beim Mediator anzuschwärzen. Sie können aufhören, ganz allein im Recht sein zu wollen. Sie brauchen das Gegenüber nicht mehr als Gegner abzuqualifizieren. Sie beginnen zu verstehen, dass Gegnerschaft sie ihrem Ziel einer gemeinsamen Lösung, der »mutually agreed solution«, wie es im Amerikanischen heißt, nicht näher bringt. Mediatoren ermöglichen es den Konfliktparteien – im Einzelgespräch oder gemeinsam – aus ihrer Sackgasse herauszutreten und neue Lösungswege zu finden.

Mediatoren strukturieren Konfliktlösungsgespräche so, dass die Beteiligten selbst Synergielösungen erfinden. So werden überflüssige Schäden vermieden und maximaler Nutzen erreicht. Sie erinnern sich an die Goetheschen zwei Seelen, die so genannten »inneren Führungskräfte«. Die Lösung im interpersonalen Konflikt zwischen zwei Mitarbeitern soll genauso optimiert werden können, wie dies bei gut gelösten intrapersonalen Konflikten in den zwei Seelen einer Führungskraft möglich ist. Wenn jeder die eigenen Positionen untersucht und prüft, welche Vorzüge diese für seine wirtschaftlichen und persönlichen Interessen, Rechte, Motive und Absichten mit sich bringen, können die erstaunlichsten individuellen Lösungen er- oder gefunden werden. Mediation hat – abgesehen von der Tatsache, dass es auch um Konfliktlösung geht, eine wesentlich andere Aufgabenstellung als richterliche Entscheidungen: Sie soll das, was den Beteiligten individuell wichtig ist, zu einem Optimum bringen. Ob der Rest der Republik in einer vergleichbaren Situation ganz andere Lösungen für gerecht oder sinnreich halten würde, muss nicht berücksichtigt werden.

Für Sie als Führungskraft hat es einen großen Vorteil, wenn Sie Ihren Mitarbeitern gegenüber mediativ auftreten. Dieser Vorteil liegt in der Nachhaltigkeit des mediativen Handelns. Aus der Mediationspraxis ist bekannt, dass der weitaus größte Anteil von Konfliktthemen zwischen Mitarbeitern, die nicht erst seit gestern zusammenarbeiten, verschobene Konfliktthemen sind. Das heißt, wenn sich Mitarbeiter vordergründig um Fenster, Ordnung, Urlaubspläne oder anderes streiten, geht es selten nur (!) um Fenster, Ordnung oder Urlaubspläne. Streitigkeiten, die sich an Vordergründigem entzünden, sind nicht gelöst, wenn eine Entscheidung über den konkreten Anlass getroffen wird. Im Gegenteil: Der zugrunde liegende Konfliktkern sucht sich dann einen Streitschauplatz nach dem anderen – solange, bis er gelöst ist.

Wenn Sie mediativ handeln, finden die Beteiligten nicht nur zum aktuellen Anlass, sondern auch zu den darunter liegenden »eigentlichen« Konfliktkernen neue Erkenntnisse. So entstehen nachhaltige Lösungen. Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie sich mit Ihren persönlichen Vorlieben aus den Oberflächenkonflikten heraushalten. Denn in Bereichen, in denen Sie keine eigene Position durchsetzen wollen oder müssen, können Sie mediativ handeln. So fördern Sie die nachhaltig gute Zusammenarbeit Ihrer Mitarbeiter in sogenannter Allparteilichkeit. Allparteilichkeit bedeutet, allen Seiten gleichmäßig zugewandt zu sein und sich für alle in gleicher Weise einzusetzen. Allparteilichkeit im ursprünglichen Sinne geht weiter als der Begriff der Neutralität. Während Neutralität (von lateinisch ne utra) weder für den einen, noch für den anderen bedeutet, heißt Allparteilichkeit sowohl für den einen als auch für den anderen. Die in den letzten Jahren entstandenen Mediationsgesetze verwenden den Begriff der Neutralität im Sinne der Allparteilichkeit. Wer allparteilich verhandelt, ist neutral in den Inhalten und zugewandt zu den Menschen.

Und genau das stärkt Ihr Vertrauensverhältnis zu Ihren Mitarbeitern, außerdem auch Ihre Führungskompetenz und damit die Motivation, gerne für Sie zu arbeiten.

Beispiel: Zwei Mitarbeiter streiten über die Aufhängung von Urlaubspostkarten im Gemeinschaftsbüro. Ihre erste Frage: Wollen Sie eine (richterliche) Chefentscheidung treffen: »Keine Postkarten in Repräsentationsräumen« oder »Eine persönliche Note am Schreibtisch ist gut für das Betriebsklima« oder allparteilich mediativ handeln? Wenn Sie die Chefentscheidung wählen, setzen Sie Ihre persönlichen Wertvorstellungen durch. Wählen Sie die Rolle als allparteilicher Mediator, halten Sie sich – ganz gleich welche Auffassung Sie selbst haben und was Sie persönlich bevorzugen – zurück.

Allparteilich verhalten Sie sich dann, wenn Sie wissen: Beide Mitarbeiter haben nachvollziehbare Bedürfnisse. Und wenn Sie die beiden unterstützen wollen, ein tragfähiges Verständnis für die Bedürfnisse zu entwickeln, dann helfen Sie ihnen Brücken zu bauen.

Und wie zeigen sich Ihre mediativen Fähigkeiten im Führungsalltag? Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten: Bevor Ihre Mitarbeiter überhaupt in einen eskalierten Konflikt geraten, können Sie mit wachsender Mediationskompetenz immer effektiver frühzeitig selbst für Synergielösungen sorgen. Wenn Ihre Mitarbeiter im Konflikt sind, können Sie mit den Instrumenten in diesem Buch erkennen, welche mediativen Elemente Sie selbst anwenden können und in diesem Falle anwenden möchten. Sie können fundiert entscheiden, was Sie gegebenenfalls delegieren. Sie können dafür sorgen, dass Mediationskompetenz in Ihrem Hause zum Standard wird. Und so finden Sie immer mehr kompetente Ansprechpartner in Ihrer Organisation, die ihre Mediationskompetenz zur Verfügung stellen können. Und Sie werden erkennen, wann es effektiver ist, den Konflikt an externe Dritte zu delegieren. Chancen und Möglichkeiten der sechs Ebenen mediativen Verhandelns mit Entscheidungshilfen für ihre Anwendung finden Sie im nächsten Abschnitt und im Kapitel »Das MIKADO-Modell im Führungsalltag«.

Testauswertung: In wie vielen Ihrer Antworten fördern Sie Ihre Mitarbeiter schon heute so, dass Sie die Konfliktparteien dazu begleiten könnten, selbst eine eigenständige Lösung zu entwickeln? Wie viel Wert legen Sie bereits jetzt in Ihren Fragen darauf, die Autonomie der Mitarbeiter anzuerkennen und weiter zu fördern? Wie sehr achten Sie in Ihren Fragen und Anregungen darauf, langfristig Synergien zu fördern?

Schauen Sie sich Ihr aktuelles Testergebnis an. Wie bei jeder Reduktion vielfältiger Möglichkeiten gibt dieser Test nur eine Orientierung: Welche sind zur Zeit Ihre Lieblingsrollen in der Konfliktlösung?

Der beratende Anwalt, der mit Fachkompetenz zeigt, wie es geht und den Beteiligten zur Seite steht?

Der (Schieds-)Richter, der entscheidet, was gemacht wird?

Der vorschlagende Schlichter, der sich eine Lösung ausdenkt und den Beteiligten die Wahl lässt, den Schlichtervorschlag zu akzeptieren?

Der Mediator, der Gegner zu Verhandlungspartnern und Lösungserfindern macht?

Beantworten Sie abschließend noch die Frage: An wie viele der anstehenden Konflikte trauen Sie sich bis jetzt heran? Wie früh lösen Sie sie überhaupt? Oder gehen Sie Konflikten nach Möglichkeit aus dem Wege?

Testergebnis: Am besten ist es, mehrere Rollen zu kennen und situationsgerecht agieren zu können.

Wenn eilige Entscheidungen anstehen, kann die beste Lösung darin bestehen, wie ein Schiedsrichter zu pfeifen, den Ball einwerfen zu lassen und mit Tempo weiterspielen zu lassen.

Der Kunde einer Softwarefirma wartete auf einen Servicemitarbeiter, da einige Rechner nach der Neuinstallation der Software abgestürzt waren. Zwei Mitarbeiter gerieten sich über ihre Zuständigkeiten so sehr in die Haare, dass schließlich niemand zum Kunden fuhr. Eine Schiedsrichterentscheidung des Chefs rettete in der konkreten Situation die Arbeitsfähigkeit des Kunden und die Reputation aller Beteiligten. Anschließend wechselte er dann die Rolle, lud beide zu einem Gespräch ein und klärte die »eigentliche« Ursache mediativ.

In einer anderen Situation fehlte den Mitarbeitern das fachliche Know-how in einer Schnittstellenproblematik. Ein beratender Satz genügte – und der Streit war beigelegt.

Wenn Sie hierarchische Macht haben und wenn die hierarchische Macht hundertprozentig zum Ziel führt, weisen Sie an, was zu tun ist und wenden sich neuen Aufgaben zu.

Wenn Sie Fachkompetenz haben und wenn Ihre Fachkompetenz genau das ist, was den Knoten löst, und zwar nachhaltig, dann beraten Sie.

Wenn Sie durch kluge Fragen und eigenes Nachdenken den besten Vorschlag machen können, der von allen akzeptiert wird, dann schlagen Sie einen Schlichterspruch vor.

Und wenn Sie merken, dass weder Anweisung noch Rat das Problem wirklich aus der Welt schaffen, und wenn Sie langfristig wirksame Hilfe zur Selbsthilfe leisten wollen, dann sorgen Sie für ein mediatives Gespräch.

Unterscheiden Sie bewusst: Sie haben als Führungskraft die Aufgabe, Ihre Ziele durch klare Zielvorgaben, Entscheidungen, Kontrollen und angepasste Anweisungen konsequent zu verfolgen und durchzusetzen, wo es möglich und sinnvoll ist.

Sie haben als Führungskraft die Aufgabe, mit Ihrer Fach- und Sachkompetenz vorbildlich voranzuschreiten und Ihren Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wo Ihre Sachkompetenz das Beste ist, was Sie einbringen können.

Und Sie haben als Führungskraft die Aufgabe, die Grenzen von Befehl und Ratschlag zu erkennen. Sie merken, wann Themen zu komplex sind, um sich durch Befehl oder Ratschlag auflösen zu lassen. Führen mit Mediationskompetenz bedeutet, klar zu strukturieren, was durch Befehl, was durch Beratung und was durch mediative Verhandlungen zum Erfolg zu führen ist – und das eine vom anderen deutlich zu unterscheiden. Für das mediative Verhandeln selbst stehen Ihnen sechs Ebenen zur Verfügung, die Sie im Kapitel »Das MIKADO-Modell im Führungsalltag« näher kennen lernen werden.

Professionelle Konfliktlösung und ihr Nutzen für Führungskräfte

Wann ist Mediationskompetenz das Richtige für Sie und Ihr Unternehmen? Welche Voraussetzungen sollte eine Unternehmenskultur mitbringen, damit Mediationskompetenz Sinn macht? Lohnt sich der Erwerb von Mediationskompetenz auch dann, wenn heftigster Wettbewerb und Konkurrenzdruck herrschen? In welchem »Konfliktrevier« leben Sie?

Der Einsatz von Mediationskompetenz in einem schwierigen Umfeld

Wenn die einzigen Konfliktlösungswerkzeuge in Ihrem Umfeld Tricks, Intrigen, Betrügereien, Drohungen mit Gericht und Anwalt oder Ellbogenmentalität sind, vergessen Sie die Idee, sofort Mediation als Allround-Konfliktlösungswunderwaffe einzuführen. In einem solchen Umfeld ist das Eleganteste, was Sie vielleicht tun können, die erstaunlichsten, hinterlistigsten oder unglaublichsten Machenschaften Ihrer Umwelt mit Mediationskompetenz in kleine Bumerangs zu verwandeln und so umzuwandeln, dass Sie den Weg zu weniger Destruktion und mehr Konstruktion bereiten können. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Gegebenenfalls können Sie sich in der Anfangsphase professioneller Unterstützung bedienen.

Die meisten Unternehmen, in denen ich gearbeitet habe, wurden nur von einigen wenigen als Revier der Hyänen angesehen. Unternehmen, die sich gegenseitig zu sehr zerfleischen, überleben nicht lange. In den anderen herrscht eine Mischung von Tiger-, Tauben- und Tanzmaus-Verhalten. Viele sind geprägt von hohem Kosten- und Erfolgsdruck. Die Controlling-Abteilungen haben an Stellenwert weiter gewonnen. Sparmaßnahmen vom Einstellungsstopp bis hin zum Personalabbau schaffen neue Probleme. Darauf reagieren die Menschen unterschiedlich mit Kämpfen, Kooperieren und Kaffeetrinken. Manche haben gar keine Zeit mehr für Intrigen. Andere fahren ihre Ellenbogen aus Angst jetzt erst recht aus. Andere sind so überfordert mit den sich beinahe wöchentlich verändernden Anforderungen, dass sie einen großen Teil ihrer Kraft und Leistungsfähigkeit schon fast verloren haben.

Hier brauchen Sie professionelle Kompetenz im Bereich der Motivation und der Konfliktlösung. Als Trick-Erkenner, Intrigen-Verwandler und geradlinige Führungskraft werden Sie immer mehr zum geachteten Vorbild und zur konfliktfähigen Führungspersönlichkeit. Manche Führungskräfte sind verblüfft, wie wenig es oft braucht, damit die Tanzmäuse ihre Kaffeetassen zur Seite stellen und wieder zu ihrer alten Leistungsfähigkeit zurückfinden. Je mehr Sie alle Geschehnisse konstruktiv nutzen, um so mehr werden Sie als Führungskraft erfolgreich vorangehen, ohne Ihre Mannschaft zu verlieren.

Mediation: Nichts für realitätsferne Träumer und Möchtegern-Weltverbesserer

Wenn Sie bisher glaubten (manche Menschen glauben das), Mediation sei etwas für Gutmenschen, Träumer und Idealisten, werden Sie sehr überrascht sein. Gute Mediatoren und mediativ handelnde Führungskräfte müssen kompetent und pfiffig genug sein, um den fiesesten Trick zu erkennen und umzuwandeln, mindestens aber zu entschärfen. Die erfolgreichsten Kämpfer nutzen jeden Angriff wie Kampfkünstler, die ihre Gegner mit den eigenen Waffen schlagen. Wichtig ist dabei, dass dies nicht blauäugig naiv, sondern mit voller Mediationskompetenz geschieht. Wer sich unvorbereitet in eine Konfliktsituation stürzt, opfert sich unnötig. Er gleicht einem Blauhelm, der sich den Kampfhähnen an der Kampflinie ohne kugelsichere Weste und ohne Grundausbildung vor die Flinte wirft.

Um mediative Verhandlungen erfolgreich zu leiten, lassen sich einzelne Elemente oder das komplette Verfahren verwenden. Dazu gibt Ihnen die ALPHA-Struktur (siehe Seite 42 ff.) ein sicheres Gerüst. Die einzelnen Instrumente (siehe Seite 125ff.) zeigen detailliert, wie es geht. Sie finden viele Beispiele aus der Praxis und mit dem MIKADO-Modell (siehe Seite 252ff.) den Überblick über sämtliche sechs Anwendungsmöglichkeiten für Ihre professionellen Konfliktlösungen. Zum Abschluss finden Sie eine alphabetische Übersicht der wichtigsten Begriffe mit nützlichen Hinweisen für Ihren Führungsalltag.

Die traditionellen Figuren aus dem Prager Marionettentheater, Hurvinek und Manicka, fragen sich in ihrem berühmt gewordenen Dialog, wie Kinder zur Welt kommen:

Hurvinek: »Vati antwortete: Wo es hinein geht. Da kommt es auch heraus.«Manicka: »Du weißt es also?«Hurvinek: »Eben nicht … weil ich nicht weiß, wo es hineingeht.«

Vom Nichtwissen zum Wissen, zur Praxis, zur Erfahrung … Nutzen Sie das Wissen der Mediation in der Praxis und sammeln Sie Erfahrung.

Das Mediationsrecht und seine Auswirkungen für Führungskräfte