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Dieser äußerst erfolgreiche und gleichzeitig bewährte Klassiker von Petra Stamer-Brandt erscheint als überarbeitete Neuausgabe in neuem Gewand in der Reihe "Auf den Punkt gebracht". Projektarbeit mit Kindern ist eine häufig angewandte und Erfolg versprechende Form der Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen. Übersichtlich in Module aufgeteilt finden pädagogische Fachkräfte hier Basisinformationen, Praxistipps und hilfreiche Anregungen zu jeder Phase des Projektverlaufs in der Kita.
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2025
Im Interesse der besseren Lesbarkeit und weil Frauen in frühpädagogischen Berufen prozentual immer noch stärker vertreten sind als Männer, wird in diesem Buch die weibliche Form verwendet, wenn von pädagogischen Fachkräften die Rede ist. Selbstverständlich sind damit aber männliche und weibliche Fachkräfte gleichermaßen gemeint.
Aus Umweltschutzgründen wurde dieses Buch ohne Folie produziert.
Überarbeitete Neuausgabe 2025
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2005
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung und -konzeption:
Jorge Schmidt für Kommunikationsdesign, München
Satz & Gestaltung: Sabine Ufer, Leipzig
E-Book-Konvertierung: Newgen Publishing Europe
ISBN Print 978-3-451-03543-2
ISBN E-Book (PDF) 978-3-451-83545-2
ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-83552-0
Modul 1: Grundlagen und Vorüberlegungen
Das Bildungsverständnis der Projektarbeit
1.1 Die Idee vom Lernort Kita
1.2 Zum Begriff Projektarbeit
1.3 Wie Kinder lernen
Projektlernen ist Selbstbildung
Kinder wollen die Welt selbst erforschen
Kinder haben ihre eigene Sprache
Kinder brauchen Zumutungen
1.4 Projektarbeit ist Bildungsarbeit
Was bedeutet der Bildungsbegriff für die Kita?
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildungsarbeit in Konzeptionen und Bildungsempfehlungen
Das Bild vom Kind in der Bildungs- und Projektarbeit
1.5 Projektarbeit – ein Weg zur Inklusion
Inklusive Projektarbeit ist partizipativ
Inklusive Projektarbeit nutzt Vielfalt
Das Verständnis von Vielfalt
1.6 Das Team und die veränderte Rolle der pädagogischen Fachkraft
Die pädagogische Fachkraft als Projektleitung
Ausgangsfragen des Teams für die Projektarbeit
Und wann ist ein Team ein Team?
Alle ziehen an einem Strang
Wie Teams ihren Sitzungen einen Rahmen geben können
1.7 Projektarbeit braucht Eltern und andere interessierte Erwachsene
Bildungs- und Erziehungspartnerschaft als Gelingensfaktor
1.8 Auch Krippenkinder lieben Projekte
Krippenkinder benötigen intensive Begleitung
Grenzen der Projektarbeit mit Krippenkindern
Modul 2: Planung
Projekte mit Kindern planen
2.1 Am Anfang steht die Situationsanalyse
Leitfragen zur Situationsanalyse
2.2 Von der Situationsanalyse zur Beobachtung
Gerichtete Aufmerksamkeit – ungerichtete Aufmerksamkeit
Aktives Zuhören
2.3 Die Themenentscheidung: Projektinitiative
Themenbedeutung und -auswahl
Die Kinder entdecken ihr Thema
Pädagogische Fachkräfte entdecken und dokumentieren die Themen der Kinder
Pädagogische Fachkräfte initiieren ein Thema
Auf der Suche nach gemeinsamen Projektthemen
Der „Runde Tisch“ oder die „Kinderkonferenz“
Die Wandtafel in der Eingangshalle
Der Ausstellungstisch in der Eingangshalle
Besuchstage implementieren
Wünsche und Bedürfnisse der Kinder über die Eltern abfragen
Das Gemeinwesen bzw. den Stadtteil einbeziehen
Die Kinder wählen aus!
Inhalt, Struktur und Lernprozesse im Blick behalten
Der metakognitive Ansatz in der Praxis
2.4 Planungsschritte
Die Projektskizze
Das Projektvorgehen planen
Das Team bereitet sich vor
Modul 3: Durchführung
Das Projekt realisieren
3.1 Die Startphase
Gemeinsame Auftaktveranstaltung
Zielsetzung und Arbeitsplanung
3.2 Die Realisierungsphase
3.3 Präsentation der Zwischenergebnisse
3.4 Zwischenreflexion
3.5 Höhepunkt und Abschluss
3.6 Dokumentation
3.7 Kritik und Besinnung
Modul 4: Evaluation und Dokumentation
Projekte dokumentieren die pädagogische Arbeit
4.1 Projektarbeit evaluieren und Feedback geben
Das Feedback – Methodensammlung
Methode: Spinnennetz
Das Blitzlicht
4.2 Beobachten und dokumentieren
Die unterschiedlichen Zugänge zur Beobachtung
Freie Beobachtung/Verhaltensbeschreibung
Freie Beobachtung/narrativer Ansatz – „Kleine Geschichten“
Strukturierte Beobachtungen
Eine Bildungsdokumentation anlegen
Projektdokumentation der Kinder
Projektdokumentation der pädagogischen Fachkräfte
4.3 Projektarbeit braucht Öffentlichkeit
Eine Info-Broschüre zur Projektarbeit erstellen
Literatur
„Kindliche Erkenntnis ist nicht das kalkulierte Produkt pädagogischen Bemühens, sondern entsteht im selbsttätigen Flirt mit der Welt.“
Anette Dreier
Eine zunehmende Anzahl an Kindern verbringt mehr Stunden des Tages mit den pädagogischen Fachkräften und den anderen Kindern in der Kita als im Elternhaus. Die Kita ist zu einem der wichtigsten Erfahrungs- und Lernorte neben der Familie geworden. In einer Zeit, in der Eltern-Kind-Zeiten (Kids-Quality-Time) immer häufiger geplant werden müssen, gewinnt das Erfahrungslernen im Kita-Alltag stetig an Bedeutung. Es sollte dabei nicht dem Zufall überlassen bleiben, welche Erfahrungen Kinder machen und aufgrund welcher Impulse das geschieht.
An jeder Ecke der Kita, im Innen- und im Außenbereich, lassen sich Erfahrungen sammeln. Neben dem Elternhaus ist die Kita der Ort, an dem erste Angebote für die Kinder bereitgestellt werden, wo sie Neues und Interessantes entdecken können, ihnen Vielfalt begegnet und sie sich in Ruhe mit den Dingen auseinandersetzen können, die sie interessieren. In der Auseinandersetzung mit den Dingen gewinnen sie an Kompetenz. Dieser Erfahrungsgewinn steht in einem großen Zusammenhang mit dem Raum- und Materialangebot, das den Kindern zur Verfügung steht.
Das Interesse und die Bedürfnisse der Kinder stehen nicht im Widerspruch zu den Erwartungen der meisten Erwachsenen. Auch sie wünschen sich, dass Kinder Bildung erhalten, ihre Kompetenzen erweitern und ihr späteres Leben fit, kompetent und weitgehend autonom in den Griff bekommen können. Die Kita ist zu dem Ort geworden, an dem Kinder zusammen mit dem fachlich versierten und professionell agierenden Team wichtige Lernerfahrungen machen können. In einer Welt der rasanten gesellschaftlichen, technischen, medialen und wirtschaftlichen Veränderungen werden Wissen und Bildung zum Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Teilhabe. Die Institution Kita hat sich im Laufe der Jahre von der reinen Betreuungs- und „Unterhaltungsinstitution“ zur ersten Bildungseinrichtung entwickelt: Die Kita ist ein Ort, an dem Kinder sich selbst bilden und nachhaltige Lernerfahrungen machen können.
Wissen wird dabei nicht als eine Ansammlung von Informationen verstanden, die quasi auf Knopfdruck und ohne Sinnzusammenhang abgefragt werden können. Das zu erwerbende Wissen muss nicht nur das Interesse der Kinder berühren, sondern auch einen Bezug zu ihrer Lebenswelt und zum Hier und Jetzt haben. Nur wer den Sinn dessen versteht, was er lernt, begreift auch und kann das Wissen auf andere Bereiche übertragen. Andreas Müller zitiert in seinem Buch „Nachhaltiges Lernen“ (1999) den Stoßseufzer mancher Eltern: „Mein Kind lernt nur das, was es will.“ Logisch, was denn sonst? Wer also Lernmotivation erzeugen möchte, muss sich genau anschauen, mit wem er es zu tun hat. Pädagogische Fachkräfte haben die Aufgabe, die Kinder zu beobachten, sie zu verstehen und ihre Bedürfnisse und Interessen wahrzunehmen. Interesse entsteht nicht, weil in erwachsenen Köpfen eine Idee entstanden ist, die – wie mit einem Trichter – in kindliche Köpfe transportiert wird. Interesse entsteht durch das Leben an sich. Leben bedeutet erleben und erfahren – und das mit allen Sinnen. Das (subjektive) Interesse der Kinder an bestimmten Aspekten ihres Lebens muss allerdings entdeckt und der Lernweg durch Ermutigung, Bestätigung, tragende Beziehung, intelligente und anregende Raumgestaltung und Materialbereitstellung geebnet werden. All das ist im Rahmen von Projektarbeit in besonderer Weise möglich, setzt aber voraus, dass pädagogische Fachkräfte
• ein humanistisches Bild vom Kind haben und es nicht als defizitäres Wesen begreifen,
• sich selbst als Mit-Lernerinnen, Wegbegleiterinnen und Moderatorinnen verstehen,
• einer inklusiven Pädagogik den Vorrang geben, die auf Vielfalt und Partizipation aufbaut,
• auf Ganzheitlichkeit setzen,
• unsere Antwortkultur durch eine Fragenkultur ersetzen und
• ihre Impulse nicht am eigenen Interesse orientieren.
In der „Kita zum Gutshof“ dreht sich drei Tage lang alles um das gesunde Frühstück. Die Kinder entwerfen einen Speiseplan, sie kaufen ein und bereiten das Essen zu. In einer anderen Kita ist jeden Mittwoch von 9 bis 12 Uhr Projektzeit. In jedem Raum findet ein anderes Projekt statt.
Lena beschäftigt sich schon seit vier Wochen mit den vielen kleinen Krabbeltieren an der Hauswand und unter den Steinplatten im Garten. Sie verfolgt und zeichnet Ameisenstraßen, betrachtet Fotobildbände und Bestimmungsbücher. Manchmal erzählt sie auch im Morgenkreis von ihren Beobachtungen; das weckt dann bei anderen Kinder die Lust, sich Lena anzuschließen. So wird aus dem Ein-Personenprojekt ein Gruppenprojekt.
Die „Schlosspark-Kinder“ widmen sich schon in der fünften Woche dem spannenden Thema Zirkus, denn in der Nachbarschaft haben Schausteller gerade ihre Zelte aufgebaut Die Beschäftigung mit dem Zirkus ist für die Kinder viel spannender als zum Beispiel das Bügeln von Perlen auf Papierbögen. Sie erfordert Eigeninitiative, Recherche, unterschiedliche Aktivitäten und noch viele weitere Kompetenzen.
In manchen Kitas werden Kurzprojekte für die Gruppe, in einigen über mehrere Wochen andauernde und gruppenübergreifende Projekte und in wieder anderen Projekttage durchgeführt. Allen Projekten ist jedoch gemeinsam: Die Kinder bearbeiten weitgehend selbsttätig ein Thema und beleuchten es von möglichst vielen Seiten. Das Projekt entspringt den Interessen und Bedürfnissen der Kinder. Und die Rolle der Erzieherin ist nicht mehr die der Bestimmerin, sondern sie wird zur Begleiterin und Beraterin.
DEFINITION
Projekt – eine Begriffsbestimmung
Ein Projekt stellt den gemeinsam von Erziehenden, Kindern, Eltern und Experten unternommenen Versuch dar, Leben, Lernen und Arbeiten zu verbinden. In Projekten findet über einen längeren Zeitraum eine Auseinandersetzung mit einem Thema statt, an der verschiedene Gruppen gleichberechtigt beteiligt sind. Dabei ist nicht in erster Linie das Produkt, also das Handlungsergebnis, das angestrebt wird, von Bedeutung, sondern der Weg, wie man dahin gelangt. Ausgangspunkt von Projekten ist in aller Regel eine Thematik, die die Beteiligten besonders beschäftigt (Knauer & Brandt 1999).
Doch Vorsicht: Der Begriff Projektarbeit wird heute geradezu inflationär gebraucht. Sobald pädagogische Fachkräfte ein Thema mehr als oberflächlich behandeln, sich von ausschließlich jahreszeitlicher Programmgestaltung lösen, wird die Tätigkeit als Projektarbeit bezeichnet. Doch: Eine umfassende Beschäftigung mit einem Thema stellt nach meiner Ansicht nicht gleich ein Projekt dar (kann aber dennoch eine sinnvolle Beschäftigung sein).
Nun ist Projektarbeit kein geschützter Begriff, und wir müssen zur Kenntnisnehmen, dass es unterschiedliche Vorstellungen von dem gibt, was unter einem Projekt zu verstehen ist. Ein Projekt ist aber auf keinen Fall ein neudeutscher Begriff für das, was man früher „Beschäftigung“ nannte. Projektarbeit ist eine erlebnis- und erfahrungsbasierte Lernform. Sie zeichnet sich durch Eigenverantwortung, Situationsbezug und gesellschaftliche Relevanz aus. Projekte heben sich von der Beschäftigung folgendermaßen ab:
•Projekte entstehen durch den Handlungsbedarf der Beteiligten. Hier stellt sich die Frage, wie dieser Handlungsbedarf festgestellt wird, wie sich Kinder äußern und wie pädagogische Fachkräfte den angemeldeten Bedarf gruppenspezifisch umsetzen.
•Projekte sind immer demokratisch. Sie zielen auf Partizipation ab und setzen stets kooperative und solidarische Arbeitsformen voraus. Das hat Konsequenzen für die Vorplanung, die Zusammenarbeit im Team und die Beteiligung der Kinder am Planungs- und Durchführungsprozess.
•Projekte sind zeitlich befristet. Sie verfolgen einen umfassenden Zielkatalog und sind in mehrere Arbeitsschritte zu untergliedern. Die logischen Arbeitsschritte lauten: Analyse der Situation, situationsangemessene Planung, Durchführung, Reflexion, Präsentation.
•Projekte fördern nachhaltige Entwicklung – mit dem Ziel, die Lebensbedingungen der Kinder zu sichern und zu verbessern. Das geschieht durch die Entfaltung wesentlicher „Human Resources“ wie Intelligenz, Kreativität und Fantasie, Kooperations-, Konflikt- und Kritikfähigkeit, Fähigkeit zu verantwortlicher Entscheidungsfindung in komplexen und risikoreichen Situationen.
•Projekte ermöglichen eine inklusive Pädagogik. Im Rahmen der Projektarbeit können sich alle Kinder aktiv beteiligen, unabhängig von ihrer Entwicklung und ihrer Leistungsfähigkeit. Ihrer Individualität wird Rechnung getragen, kein Kind wird ausgegrenzt. Alle Kinder erhalten die gleiche Wertschätzung und den gleichen Anteil am Projektgeschehen.
•Projekte fördern „Soft Skills“ (Schlüsselqualifikationen, Kompetenzen). Dazu gehören soziale Kompetenzen wie Empathie, Teamfähigkeit, Konfliktlösungskompetenz, interkulturelle Kompetenz, kommunikative Kompetenz, Selbst-Kompetenz, Sachkompetenz.
PROJEKTE SIND GANZHEITLICH UND INKLUDIERT
Projekte werden aus den Kenntnissen und Erfahrungen der Kinder gespeist.
Die Projektinitiative geht von den Kindern aus. Sie bringen ihre Ideen ein und sind von Anfang an in die Planung einbezogen.
Kinder und Pädagoginnen entwickeln gemeinsam eine Organisationsstruktur. Sie handeln gemeinsam Regeln aus.
Das Projekt wird gemeinsam vorbereitet, geplant und durchgeführt. Die Kinder sind aktiv, sie spielen, forschen, experimentieren.
Es finden immer wieder gemeinsame Zwischenreflexionen statt, die zu Veränderungen führen können. Das Projekt endet mit einer Präsentation.
Projekte befördern eine inklusive Pädagogik. Alle Kinder werden beteiligt, individuell gefördert und wertgeschätzt.
In Projekten lernen Kinder
handeln, sich einbringen, Initiative entwickeln, planen, Regeln einhalten, mit anderen im Team arbeiten, nachdenken, forschen, Erfahrungen sichern, Ergebnisse präsentieren, Andersartigkeit wertschätzen, Vielfalt nutzen.
PROJEKTLERNEN HEIßT LEBEN
Beschäftigung
Projektlernen
Produktorientierung
Prozessorientierung
Statisch
Dynamisch
Geschlossen
Offen
Eine „richtige“ Lösung
Mehrere mögliche Lösungen
Zielorientierung
Der Weg ist wichtig
Kenntniserwerb
Erkenntnisgewinn
„Private“ Bedürfnisse der Pädagoginnen
Gesellschaftlicher Bezug
Linear
Mehrdimensional
Auf Vorrat lernen
Für das Hier und Jetzt lernen
Alle machen alles gemeinsam
Individuelles Vorgehen
Auf ein vorher bestimmtes Wissen abheben
Vielfalt wird genutzt
Anweisungen
Eigeninitiative
Pflichterfüllung
Kreativität
Jahreszeitenorientierung
Situativ, am Alltagsleben orientiert
Ohne sozialen Kontext
In Sinnzusammenhängen
Ohne erkennbaren Nutzen
Der Nutzen erschließt sich
Grenzen aufzeigen
Zu neuen Wegen ermutigen
Eindimensionalität
Mit vielen Sinnen erfahren, Komplexität
Dominanz der Belehrung
Erfahrung, Aktivität
Leistung erfährt Wertschätzung
Alle erfahren Wertschätzung
Quelle: In Anlehnung an eine Idee von Andreas Müller in: „Nachhaltiges Lernen“ (1999)
Der Begriff „Projekt“ wurde bereits Anfang des 18. Jahrhunderts geprägt. Er kommt aus Frankreich, wo Studenten im Rahmen ihres Architekturstudiums sogenannte „projets“ einreichen mussten. Dabei handelte es sich um Baupläne, die ohne Hilfe des Professors hergestellt wurden. Sie wurden in kooperativer Form entwickelt und sollten möglichst originell sein. Eine spätere sozialreformerisch-politische Variante beschrieb ein Projekt als ein Lernen durch Tun, basierend auf einem grundlegenden Verständnis von Demokratie. Wesentliche Elemente davon finden wir auch heute: Orientierung am Kind, an der Wirklichkeit und am Produkt. Projektarbeit war und ist nicht einfach eine Methode, sondern eine Erziehungsphilosophie, deren Kern das freie, selbstbestimmte Lernen ist und „denkende Erfahrung“ (Dewey 1916) ermöglicht. Auch deutsche Reformpädagogen machten es sich zum Ziel, durch Projektarbeit Lernen „natürlicher“ zu gestalten – nicht mehr abgehoben von der Lebenswirklichkeit des Kindes. So bezeichnen wir heute mit Projektarbeit eine Lernform, die auf Eigenverantwortung, Selbstbestimmung, Kooperation, Erleben, Situationsbezug, gesellschaftlicher Relevanz, Partizipation, Autonomie und Orientierung an dem Interesse der Beteiligten, vorrangig der Kinder, basiert (Gudjons 1992).
Das „Arbeiten“ in Projekten verändert den Lernvorgang wesentlich. Kinder machen nicht mehr nach, sondern lernen, agieren, forschen, entdecken und produzieren selbstständig. Die Gegenüberstellung der Methoden „Beschäftigung“ und „Projektlernen“ (siehe Seite 15) zeigt die Vorteile des Projektlernens deutlich auf, denn es ist eine aus dem Leben des Kindes stammende Methode.
„Lernen heißt entdecken, was mir möglich ist.“
Fritz Perls
Kindheit ist lernen! Kinder beobachten ihre Umwelt vom ersten Lebenstag an genau, sammeln Erfahrungen und machen sich daraus einen Reim für späteres Handeln. Sie probieren Dinge aus und lernen, darauffolgende Reaktionen einzuordnen. Sie werden von anderen Menschen beeinflusst, geprägt und erobern sich trotzdem spielend ihre Welt. Lernen ist für Kinder so etwas wie eine fortwährende Entdeckungsreise. Und während sie sich auf dem Entdeckungspfad befinden, weichen sie auch immer wieder von diesem Weg ab. Denn: Wer sich nicht traut, den einmal eingeschlagenen Weg zu verlassen, bleibt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke. Lernen bedeutet:
• einer Spur nachgehen
• Freude am Tun haben
• etwas erforschen
• etwas unternehmen und dabei Mut entwickeln
• sich mit anderen auseinandersetzen
• neugierig sein
• Freude an Leistung entwickeln
• selber entdecken, statt nachahmen
• Niederlagen und Frustrationserlebnisse verarbeiten und aus ihnen lernen
• sich über eigene Stärken und Eigensinn (Ich tue, was ich für richtig halte und schön finde) freuen
• ein gelungenes, selbstständig durchgeführtes Projekt als persönlichen Erfolg „feiern“ können
Wenn wir diesen Gedanken ernst nehmen und damit an die Forschungsergebnisse von Hans-Joachim Laewen (2007) anknüpfen, dann ergeben sich daraus wesentliche Konsequenzen für die pädagogische Arbeit in der Kita. „Die Überzeugung einer Erzieherin, dass Kinder von sich aus neugierig und interessiert mit allem umgehen, was ihnen auf dieser Welt begegnet, ihre Zuversicht in die Sinnhaftigkeit des Tuns jeden Mädchens und Jungen und ihr Respekt vor deren ganz individuellen Aneignungswegen und Ausdrucksformen wird Auswirkungen auf ihr Handeln haben“ (Andres & Laewen 2011). So verstanden, stellt die Erzieherin den Forschergeist und den Selbstbildungsprozess der Kinder in den Mittelpunkt ihres Interesses. Die Voraussetzungen dafür lauten:
1. Jedes Kind wird als Konstrukteur seiner Welt anerkannt und erhält vielfältige Möglichkeiten zur Selbstbildung.
2. Jedes Mädchen und jeder Junge wird als Gegenüber ernst genommen und in seiner Besonderheit anerkannt. Die Beziehung zwischen Erzieherin und Kind ist durch Verlässlichkeit und Konstanz gekennzeichnet.
3. Die Mitarbeiterinnen der Kindertageseinrichtung stehen in einem regelmäßigen fachlichen Dialog. Sie verstehen sich selbst als Forschende und werden dabei durch Beratung unterstützt. Die kontinuierliche Qualifizierung und der Kontakt zu fachlich relevanten regionalen und überregionalen Institutionen werden als Voraussetzung für professionelles Handeln gefördert.
4. Zur Ausgestaltung des Lebens in der Kita werden die Wünsche der Eltern gebraucht und sind ernst zu nehmen. Der Umgang mit Erwachsenen ist durch Dialog, Zusammenarbeit und geteilte Verantwortung gekennzeichnet.
Die Leitziele 1 und 4 wurden von der Entwicklungsgruppe Brandenburg/INFANS (2003) formuliert, die Leitziele 2 und 3 von Beate Andres (2003).
Kinder machen sich schon vom Tag ihrer Geburt an ein Bild von der Welt. Sie folgen dabei genetisch verankerten Dispositionen und einem ausgeprägten inneren Drang (Ayres 1992). Das Kind macht sich von sich aus auf den Weg, seine nahe Umwelt zu erforschen, weil es daran interessiert ist, sie zu begreifen und für sich zu ordnen. Es ist dabei nicht nur Akteur, sondern auch Konstrukteur, denn es konstruiert seine Interaktionen selbsttätig und macht sich ein eigenständiges Bild.
Dieses Bild ist mehr als ein Abbild der Umgebung. Das Kind interpretiert, verknüpft unterschiedliche Wahrnehmungen, zieht Schlüsse und ordnet auch die unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen ein. Diesen Wahrnehmungen folgen Interpretationen und Handlungsabsichten. Das Handeln des Kindes ist dabei nicht auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet – wie wir Erwachsene es manchmal so gerne hätten –, sondern hat seine Bestimmung in sich selbst. Die Frage „Warum machst du das jetzt?“ ist demzufolge recht überflüssig. Lehren und Lernen kann in diesem Sinne nur heißen, „von außen Anstöße zu geben, die Verarbeitung aber obliegt dem einzelnen Subjekt“ (Gudjons 1992, S. 47). Die Verarbeitung von Informationen und Erfahrungen wird immer individuell vorgenommen und ist deswegen grundsätzlich auch als individuelle Leistung anzuerkennen. Für Sie als pädagogische Fachkraft bedeutet das: Zwischen Ihren Planungsangeboten und Impulsen steht immer das besondere Interesse des Kindes, das die Welt anders wahrnimmt und andere Schlussfolgerungen für sein Handeln zieht als Erwachsene. Das ist für Erwachsene zwar schwer nachzuvollziehen, aber unumgänglich.
Wie der Selbstbildungsprozess des Kindes verläuft, hängt trotzdem wesentlich von seiner engeren Umgebung, den dort agierenden Erwachsenen, der Kindertageseinrichtung und dem Wohnumfeld ab. Hat das Kind in allen Bereichen die Möglichkeit, komplexe vielsinnliche Erfahrungen zu sammeln, so wirkt sich das positiv auf seine sich entwickelnde Denkstruktur aus. Das Gehirn will über Wahrnehmungserfahrungen herausgefordert werden.
In Projekten machen Kinder vielfältige komplexe, ganzheitliche Erfahrungen, beschäftigen sich mit unterschiedlichen Kulturgütern, verschiedenen Spielzeugen, klassischer Musik, Kunst sowie digitalen Medien und entwickeln sich auf diese Weise weiter. Im Rahmen von Erkundungsausflügen, Forschungsvorhaben und Exkursionen erleben Kinder die Komplexität unserer Welt. „Ein vielfältiges und qualitativ gutes Angebot an Spielzeug und Material, das sichtlich geordnet dem Kind eine freie Auswahl ermöglicht, ist ebenso wie die Ausgestaltung der Räume mit anregenden komplexen Exponaten Ausdruck der Anerkennung der intensiven Selbstbildungsprozesse der Kinder durch die Erwachsenen“ (Laewen 2002, S. 115).
Kinder benötigen für ihre Selbstbildungsprozesse Herausforderungen. Sie brauchen:
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