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Der Protestantismus in Deutschland steht vor einer ungewissen Zukunft. Daran ändert auch das aufwändig zelebrierte Reformationsjubiläum nichts. Sinkende Mitgliederzahlen und zunehmende Überalterung zeugen von einem Akzeptanzdefizit der evangelischen Landeskirchen. Damit nicht genug, so Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister und bekennender Protestant: Die Evangelische Kirche gefällt sich im Gestus des ständigen politischen Bekenntnisses. Sie vermittelt gerade in Zeiten vielfacher und gravierender Krisen den Eindruck, politische Überzeugungen seien ein festeres Band als der gemeinsame Glaube. Das führt dazu, dass sich Christen mit abweichenden politischen Meinungen schnell ausgeschlossen fühlen. Vor allem aber untergräbt die permanente Politisierung der Religion deren spirituelle Basis, aus der doch gerade ihre besondere Überzeugungskraft, nicht zuletzt für Politiker, erwächst.
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Seitenzahl: 19
Wolfgang Schäuble
Protestantismus und Politik
Cover
Titel
Zitat
Einleitung
1.Um politisch erfolgreich zu sein, muss sich die Religion auf ihre eigene Grundlage besinnen
2.Reformationsgedenken muss zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme beitragen
3.Das Reformationsgedenken am Beginn des 21. Jahrhunderts muss die europäische Dimension der Reformation mit einbeziehen.
4.Das Reformationsgedenken hilft zum besseren Verständnis des Verhältnisses von Religion und Politik
Anmerkungen
Impressum
„Ein starker undselbstbewusster
Protestantismus ist für diedeutsche Demokratie von
großer Bedeutung.“
Es ist eine reizvolle und gleichzeitig schwierige Aufgabe, als Politiker über das Reformationsjubiläum zu schreiben. Die Reformation hatte von Anfang an eine politische Dimension. Sie hat politische Entwicklungen in Deutschland und Europa jahrhundertelang und bis in die Gegenwart beeinflusst. Heute jedoch steht der deutsche Protestantismus vor großen Herausforderungen. Mit einer Erinnerung an frühere Großtaten ist es in dieser Situation nicht getan. Vielmehr muss das Reformationsjubiläum genutzt werden, um aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen. Ein starker und selbstbewusster Protestantismus ist für die deutsche Demokratie von großer Bedeutung. Der Politiker hat deshalb ein Interesse an der Zukunft des politischen Protestantismus, zumal dann, wenn er selbst evangelischer Christ ist.
Dass diese Zukunft momentan ungewiss ist, hat vor allem zwei Gründe: Zum einen weisen innere Probleme der evangelischen Landeskirchen wie sinkende Mitgliederzahlen und eine zunehmende Überalterung auf ein Akzeptanzdefizit hin, das die traditionelle Verankerung der Kirchen in der Gesamtgesellschaft und damit ihr politisches Gewicht zunehmend in Frage stellt. Zum anderen führt die wachsende religiöse Pluralisierung der Gesellschaft dazu, dass die Rolle einzelner Religionsgemeinschaften im politischen Leben ganz neu bestimmt werden muss. Beides hängt miteinander zusammen, denn die Attraktivität der Kirchen wird sich letztlich nur stabilisieren, wenn die Menschen merken, dass die Kirchen in der Gegenwart angekommen sind und akzeptieren, dass sie nur als Teil einer pluralistischen Bürgergesellschaft politischen Einfluss nehmen können. In diesem Lern- und Anpassungsprozess stehen wir, soweit ich sehen kann, erst am Anfang. Letztlich muss der Weg von den Kirchen selbst gefunden und gegangen werden. Kein Politiker kann ihn vorschreiben, auch wenn er aus seiner Erfahrung bestimmte Hinweise geben kann.
Welche Hilfe kann in dieser Situation die Erinnerung an die Reformation leisten?