Provinzhölle - Caro Pfützner - E-Book

Provinzhölle E-Book

Caro Pfützner

4,9

Beschreibung

Caros Alltag ist geprägt von wenigen kleinen Hochs und vielen Tiefs. Gefangen in einer Ehe, die mehr und mehr zur Qual wird, immer größer werdenden Geldproblemen und einem Körper, der schon ihr ganzes Leben eine große Last ist, hat sie sich mit vielem schlichtweg abgefunden. Glücklich ist sie schon lange nicht mehr. Erst als das Leiden unerträglich wird, stellt sie sich ihren Wünschen und findet endlich die Kraft, sich Stück für Stück von allem Belastenden zu befreien. Es ist ein mühsamer Kampf, immer wieder fallen hart erarbeitete Pläne in sich zusammen, wieder und wieder werden ihr Steine in den Weg gelegt. Doch dank ihres großen Willens und der Kraft, immer wieder aufzustehen, schafft sie sich letztlich das, was sie glücklich macht: ein lebenswertes Leben mit einem tollen Mann an ihrer Seite, zwei wundervollen Kindern und 40 kg weniger auf den Hüften.

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„Liebe ist gemeinsame Freude an der

wechselseitigen Unvollkommenheit.“

Carl Ludwig Börne

Für meinen Mann.

Danke, dass du mich auch

in den harten Phasen ertragen hast!

Inhalt

Prolog – Wieso, Weshalb, Warum?!

Der Ursprung allen Übels

Die Sache mit den Männern

Eine Frage der Eh(r)e

Die Befreiung

Der Mann von Nebenan

Das Leben in der Abgeschiedenheit

Zwischen Freak-Show und Online-Shopping fürs Herz

Mein Feind, die Waage – Ein gewichtiges Thema

Unverhofft kommt oft

Der harte Weg zur rettenden Festanstellung

Wenn der Körper sich rächt

Das liebe Geld – einmal Ruin und zurück

Die (Un-)Möglichkeiten der ländlich-bayerischen Kinderbetreuung

Zwischen Elterngeld und Elternzeit – von Fehlberatung und Enttäuschung

Eine Frage der Prioritätensetzung

Raus aus meiner Haut

Der Masterplan

Manchmal braucht man einen zweiten Versuch

Eine Fremde in der Fremde – das Leben im Exil

Die Frauen in seinem Leben

Ist „Mr. Big“ auch „Mr. Right“?

Two are better than one

Kugelpause

Immer mal was Neues

Ja, ich will!

Von Arbeitslosigkeit und dem Gefühl der Nutzlosigkeit

Auf dem Weg zum zweiten Wunder

Manches geht schneller als gedacht

Umzug mit Hindernissen

Eine schwere Geburt

Von der Provinz verfolgt

Wieder allein im eigenen Körper

Ende gut, alles gut?!

Epilog – Schau nach vorn!

Prolog Wieso, Weshalb, Warum?!

Mein Name ist Caro, ich gehe stark auf die 30 zu und arbeite als Sozialpädagogin. Zusammen mit meinem Mann und unseren beiden Jungs lebe ich seit einiger Zeit in Leipzig.

Der Weg hierher - in diese Beziehung, diese Stadt, dieses abwechslungsreiche und glückliche Leben - war nicht immer leicht. Im Gegenteil. Gerade die letzten Jahre waren geprägt von langen Tiefen und nur sehr kurzen Höhen, von Problemen, Hürden und Stolpersteinen, von Kampf, Ängsten und Komplexen. Aber auch von der Kraft, immer wieder aufzustehen und nach vorne zu sehen.

Was mit viel Übergewicht und anerzogenen Minderwertigkeitskomplexen, mit einer unglücklichen ersten Ehe und falschen Freunden, mit Geldsorgen und Existenzängsten begann, endete schlussendlich da, wo ich heute stehe.

Dieses Buch möchte Mut machen und zeigen, dass es sich lohnt, immer wieder zu kämpfen. Auch, wenn alles noch so grau und aussichtslos scheint.

Der Ursprung allen Übels

Als Sozialpädagogin hat man im Laufe des Studiums gelernt, Menschen und deren Verhalten zu verstehen. Durch das Analysieren der Vorgeschichte, etwa der Kindheit oder früheren Beziehungen, lassen sich oft aktuelle Verhaltensweisen erklären und verstehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass man dieses Gelernte nicht einfach ausschalten kann – und somit auch das eigene Verhalten analysiert und die Ursachen versteht. Was es nicht unbedingt besser macht.

Zum besseren Verständnis der Geschichte hier eine kurze Zusammenfassung der möglichen Ursprünge mancher Probleme:

Geboren wurde ich 1987 im Süden Thüringens, ich bin also ein echtes Ostkind. Zwar habe ich die Zeit vor dem Mauerfall nicht bewusst erlebt, jedoch war das Leben meiner Eltern und Großeltern, deren Einstellung und letztlich auch meine Erziehung sehr ostdeutsch geprägt. Anfang der Neunziger Jahre trennten sich meine Eltern und ließen sich scheiden, meine Mutter zog mit mir nach Bayern zu ihrem neuen Freund und späteren Ehemann. Für mich hieß das: Ich war ein Scheidungskind. Da sowohl mein Geburtsort, wo Vater und Großeltern weiterhin lebten, als auch der neue Wohnort nicht weit von der ehemaligen Grenze entfernt waren, lag dazwischen nur eine Autostunde – was für mich als Kind jedoch unglaublich weit war.

Nach der Scheidung von meiner Mutter heiratete mein Vater relativ schnell wieder. Seine zweite Frau brachte einen Sohn mit in die Ehe und 1996 kam der gemeinsame Sohn, mein Halbbruder zur Welt. Ein guter Vater war er in der Zeit dieser Ehe für mich nicht. Die Papa-Wochenenden verbrachte ich primär bei den Großeltern, die dadurch für mich im Grunde meine Ersatz-Eltern waren. Vor allem mein Großvater wurde dadurch für mich unglaublich wichtig.

Meine Mutter machte nach der Trennung von meinem Vater nochmal eine Ausbildung und arbeitete im Zuge dessen im Schichtdienst. Mein Stiefvater hatte damals eine eigene Autowerkstatt und arbeitete viel. Dadurch war ich schon früh längere Zeit alleine zu Hause, wärmte mir schon in der ersten Klasse nach der Schule mein Essen auch mal selbst auf und machte eigenständig meine Hausaufgaben. Selbstständigkeit war mir nie fremd.

Aus meiner Sicht bestand das Leben meiner Mutter fast ausschließlich aus Arbeit und Haushalt. Sozialleben gab es außerhalb der Familie kaum, Hobbys erst recht nicht. Es hätte auch nicht so viele Möglichkeiten gegeben – meine Mutter und ihr Mann lebten und leben noch immer in einem kleinen Dorf in der oberfränkischen Provinz. Für mich war immer klar – mein Leben sollte später mal anders werden. Trotz oder gerade wegen der Kindheit auf dem Dorf zog es mich immer in die Stadt. Ich wollte schon immer ein abwechslungsreiches Leben mit einem ausgeprägten Sozialleben.

Zwei Jahre nach dem ersten Umzug folgte ein weiterer. Zwar nur circa 20 Kilometer weiter, jedoch für mich verbunden mit einem Schulwechsel. Heißt: wieder eine neue Klasse, wieder neue Freunde finden, wieder neu eingewöhnen. Drei Jahre später der Wechsel auf das Gymnasium während die meisten meiner Klassenkameraden auf der Hauptschule blieben. Nach der zehnten Klasse wechselte ich auf die Fachoberschule und machte dort mein Fachabitur. Ich begann, Soziale Arbeit zu studieren und wechselte auch hier in der Mitte der Studiums die Hochschule. All das war Mal für Mal verbunden damit, sich ein neues soziales Netz aufzubauen. Kontakte aus vorherigen Zeiten überstanden diese Wechsel leider nie.

Parallel zu Familie und Schule baute ich mir eine Art Ersatzfamilie auf. Nach meiner Konfirmation begann ich, mich mehr und mehr in der Evangelischen Jugendarbeit zu engagieren. Erst in meiner Kirchengemeinde, später bayernweit. Das heißt nicht, dass ich super christlich bin – eher, dass ich schon immer gerne Kinder- und Jugendfreizeiten geleitet und mich für die Belange junger Menschen eingesetzt habe. Dadurch lernte ich natürlich viele Menschen kennen, knüpfte viele neue Freundschaften, die teilweise auch jahrelang hielten. Auch die Männer, mit denen ich eine Beziehung führte, lernte ich meist über diesen Weg und die damit verbundenen gemeinsamen Interessen kennen.

Aus diesem Hobby und Engagement heraus entwickelte sich auch mein Berufswunsch. Ich hatte das Glück, schon sehr früh zu wissen, was ich machen wollte und machte letztlich mein Hobby zum Beruf. Vermutlich ist das auch der Grund dafür, warum mir mein Job immer sehr großen Spaß machte und ich sehr an meiner Arbeit hing. So wie ich früher extrem viel Zeit und Kraft in meine ehrenamtliche Tätigkeit gesteckt hatte, war später die Arbeit ein sehr zentraler Teil meines Lebens und eben nicht nur Broterwerb.

Was mich bereits mein ganzes Leben begleitet, ist das Thema Übergewicht. Schon als Kind war ich dick und irgendwie änderte sich das auch nie so wirklich. Im Gegenteil – nachdem ich mit 18 von zu Hause auszog, wurde es noch schlimmer. Zu stören begann es mich aber erst gegen Ende des Studiums. Ab da folgten ein paar mehr oder weniger erfolgreiche Abnehmversuche, die das Ganze aber immer nur ein kleines bisschen verbesserten – auch, wenn ich mehr und mehr darunter zu leiden begann, konnte ich es trotzdem nie so richtig ändern.

Es sind immer wieder dieselben Themen und Probleme, die sich durch das ganze Leben zogen und sich natürlich auch die letzten Jahre nicht einfach in Luft auflösten.

Sozialleben, Arbeit, Übergewicht – diese Themen werden uns zwischen all den anderen akuten Problemen im Laufe dieses Buches noch das ein oder andere Mal begegnen.

Die Sache mit den Männern

Wie vermutlich viele von uns hatte auch ich einen Sandkasten-Freund in Kindergarten-Zeiten. Es war der Kindergarten, in den ich ging, bevor meine Eltern sich trennten – unsere „Beziehung“ wurde also durch äußere Umstände sehr plötzlich beendet.

In den darauffolgenden Jahren kam auch kein anderer Freund nach. Ich glaube, in der Grundschule war ich in meiner Klasse die Einzige, die kein Briefchen bekam mit den Worten „Willst du mit mir gehen? Bitte kreuze an. O Ja O Nein O Vielleicht“. Auch am Gymnasium, wo man zum Valentinstag anderen Schülern Rosen schicken konnte, ging ich stets leer aus.

Im Studium ging es ähnlich weiter – zwar war ich des Öfteren verliebt, ließ es den jungen Mann meiner Wahl teilweise auch wissen, aber dieser erwiderte meine Gefühle für gewöhnlich kein bisschen. Letztlich ist das alles auch kein Wunder – schon immer begleitete mich einiges an Übergewicht, was die Jungs und Männer nicht gerade anzog. In der Schule, als die Partnerwahl noch darauf basierte, wen man süß fand und wer gut aussah, gab es stets zahlreiche Mädchen, die hübscher waren als ich. Die Zahl der Konkurrentinnen wurde mit der Zeit um einiges größer, da in sozialen Schulzweigen und Studiengängen die Frauen schlicht und ergreifend die große Mehrheit bilden.

Etwas anders sah es dann jedoch in anderen Lebensbereichen aus. Bei der Evangelischen Jugend lernte ich Menschen kennen, die ähnliche Interessen hatten wie ich – und nicht nur zufällig in der selben Klasse oder demselben Kurs gelandet waren. Man war hier also in den meisten Fällen schon mal grundsätzlich auf derselben Wellenlänge. Gemeinsame Gesprächsthemen und Anknüpfungspunkte waren gegeben und manchmal wurde auch mehr daraus. Meine ersten zaghaften Beziehungsversuche startete ich also in diesem Bereich meines Lebens. Es waren nicht unbedingt viele, es hielt selten länger als ein halbes Jahr und meistens war es eine Wochenend-Beziehung – was dann letztlich auch fast immer der Grund war, weshalb es von mir beendet wurde.

Doch auch hier kam es natürlich vor, dass man einen spannenden Mann traf, der das Interesse oder die Gefühle nicht erwiderte. Oder nur mit mir spielte. So lernte ich auch bei einer Veranstaltung 2005 meinen persönlichen Mister Big kennen. Jeder, der früher „Sex and the City“ gesehen hat, weiß, was ich damit meine – der Mann mit dem ganz besonderen Charme, der in dein Leben platzt, alles durcheinander wirbelt und dann plötzlich wieder verschwindet. Und kaum hast du alles wieder geordnet, taucht er wieder auf und das Ganze beginnt von neuem. Als ich mein ganz persönliches Exemplar dieser Gattung kennen lernte, wusste ich nicht, welch ein Chaos er in mein Leben bringen würde. Oder wie lange er mich wieder und wieder begleiten würde.

Und genau in dieser Zeit bahnte sich in meinem Leben langsam eine neue Beziehung an – mit einem Mann, den ich durch die Evangelische Jugendarbeit zwar schon mehrere Jahre kannte, aber mit dem ich bis dato bis auf ein paar gemeinsame Veranstaltungen nie viel zu tun hatte.

Eine Frage der Eh(r)e

Da ich selbst ein Scheidungskind war, dachte ich immer „Mir passiert das nicht!“. Mehr noch – ich kämpfte sogar dagegen an. Doch bei manchen Kämpfen ist es wohl besser, sie zu verlieren. Ich bin zwar nicht gerade stolz darauf, im zarten Alter von 26 Jahren bereits geschieden worden zu sein, aber so spielt das Leben nunmal.

Mein Ex-Mann Hans und ich kannten uns bereits fünf oder sechs Jahre lang, bevor wir 2007 zusammen kamen. Wann genau wir uns kennen lernten, wussten wir beide nicht mehr. Gemeinsam hatten wir einige Kinder-Ferien-Freizeiten geleitet und andere Projekte in der Evangelischen Jugend zusammen gestemmt - daher hatten wir teilweise auch einen gemeinsamen Freundeskreis.

Als wir zusammen kamen, war ich 19 Jahre jung und mitten im Studium. Er war damals 28, erfolgreich im Job und lebte schon lange nicht mehr in der oberfränkischen Provinz, in der wir beide aufgewachsen waren, sondern im ca. 300 km entfernten München.

Zugegebenermaßen war er damals ganz zu Beginn nicht meine Nummer 1 - er war "nur" die Nummer 2, da ich den damaligen Traummann nicht haben konnte. Allerdings wurde Hans - und das meine ich ganz ehrlich - mit der Zeit zur Nummer 1 und die Liebe wuchs. Ganz am Anfang unserer Beziehung erklärte mir Hans mehrmals, dass er eigentlich ein wahnsinnig arrogantes Arschloch sei, was ich ihm aber in keinster Weise glauben konnte. Zum Einen hatte ich ihn immer sehr positiv erlebt und zum Anderen war ich schlicht und ergreifend verliebt und sah alles durch die sprichwörtliche rosarote Brille.

Damals war ich gerade im Praxissemester meines Studiums und wollte danach die Hochschule wechseln, allerdings ursprünglich nach Nürnberg. Aber irgendwann dachte ich - wenn ich ohnehin wechseln möchte, kann ich ja auch gleich nach München ziehen. So kam es, dass ich nach ca. drei bis vier Monaten bei ihm einzog. Wohlgemerkt - wir zogen nicht zusammen in eine für uns beide neue Wohnung, sondern ich zog bei ihm ein. Das hieß im Klartext: ich verkaufte so ziemlich alle Möbel an meinen Nachmieter und zog nur mit Klamotten, Büchern, etc. in seine Wohnung. Eine Wohnung voller ER, in die plötzlich noch ein bisschen ICH gepresst werden sollte. Das war später auch ein großer Streitpunkt, woraufhin wir die Wohnung nach meinen Wünschen bunt strichen - hat aber nur ein bisschen geholfen.

Wir lebten also zusammen in München - ich ging studieren, er arbeiten. Alles war gut, alles war harmonisch.

Als ich 2009 mit dem Studium fertig war, waren wir ca. zweieinhalb Jahre zusammen. Wir zogen in eine größere Wohnung und alles fühlte sich richtig und verdammt gut an. Nach langem Überlegen machte ich ihm daher einen Heiratsantrag und wir verlobten uns. Ein halbes Jahr später folgte im Juni 2010 die standesamtliche Trauung ganz klein nur mit ein paar Freunden in München - die große Feier mit Familie und allen Freunden sollte genau ein Jahr später anlässlich der kirchlichen Trauung folgen.

Im Nachhinein betrachtet ging es eigentlich ab dem Zeitpunkt, wo wir verheiratet waren, bergab. Vielleicht fühlte er sich zu sicher, ich weis es nicht. Er wurde immer träger, traf sich nicht mehr mit Freunden, ernährte sich ungesund. Besonders der Punkt des eingeschlafenen Soziallebens war immer wieder ein Streitpunkt - denn mir ist das Sozialleben in Form von Freunden schon immer sehr wichtig gewesen. Mit Rücksicht auf ihn wurde allerdings auch das meinige immer geringer. Erschwerend hinzu kam wohl, dass wir uns immer weniger sahen. Er arbeitet ganz "normal" tagsüber. Ich, da ich mit ehrenamtlich tätigen Jugendlichen arbeitete, primär nachmittags, abends und am Wochenende.

Während die Planungen für die kirchliche Hochzeit inklusive großer Feier liefen, beschlossen wir, dass wir in den folgenden Jahren auch Kinder haben wollten - und dass dann auch eine gewisse Nähe zu den Familien zwecks Betreuung der Zwerge nicht schaden könnte. Also fingen wir an, einen Umzug in Richtung Familien zu planen - nicht ganz in die Provinz, aber in eine nahe gelegene Kleinstadt. Eine neue Wohnung in der wunderschönen Bamberger Altstadt war relativ schnell gefunden, Hans fand dort auch schnell einen neuen Job - weshalb er schon frühzeitig in Richtung Heimat zog und erstmal zwei Monate bei Mama unterkam, während ich noch in München verweilte, dort weiterhin arbeitete und ziemlich alleine die Umzugskisten packte. Die immer gleichen Streitigkeiten blieben - jedoch wurden mir in Verbindung mit dem neuen Leben in der alten Heimat viele Versprechen auf Veränderung und Verbesserung gemacht. Alles sollte sich drastisch zum Positiven ändern. Ich war beschwichtigt und glaubte daran.

Irgendwann war es dann so weit - der große Tag der Hochzeit kam. Mit 85 Gästen und einer großen Feier auf einer Burg. Im Nachhinein betrachtet eine Farce - begründet auf der Basis leerer Versprechen. Zwar hatte ich aufgrund meiner Unzufriedenheit darüber nachgedacht, die Hochzeit zu verschieben, hatte aber naiv und blauäugig auf die angekündigten Veränderungen vertraut und das Ganze durchgezogen. Es war eine große Party mit all meinen Freunden, was ich auch sehr genoss und auskostete.

Knapp 2 Wochen nach dem großen Fest dann der Umzug ins gelobte neue Leben.

Selbiges begann auch erstmal auf Distanz. Denn ich arbeitete die darauf folgenden 3 Monate noch in München - mit einem dreiwöchigen Aufenthalt in Schweden. Da ich aber nur Teilzeit arbeitete, versuchte ich meine Termine blockweise zu legen, sodass ich nicht immer dort sein musste.

Da ich in der neuen alten Heimat keine Anstellung fand, beschloss ich, nur noch freiberuflich zu arbeiten. Das hatte ich bereits vorher neben meiner Teilzeitstelle getan und hatte daher auch schon diverse Auftraggeber. Natürlich liegt es aber auf der Hand, dass diese sich im Großraum München befanden. Sie waren also gut für den Anfang - ich würde mich aber diesbezüglich etwas weiter in Richtung Norden orientieren müssen.

Diese berufliche Umstrukturierung in Form des Aufbaus einer Voll-Selbstständigkeit mit all ihren Kosten und Investitionen war natürlich nur möglich durch die Unterstützung des gut verdienenden Hans. Mit anderen Worten - ich machte mich finanziell mehr und mehr von ihm abhängig.

An sich ist das in einer Ehe ja nichts außergewöhnliches - erst recht nicht, wenn schon allein aufgrund der Berufsgruppen der Mann ein Vielfaches dessen verdient, was die Frau verdient.

Nun muss man aber dazu sagen, dass Hans schon immer ein großer "Klugscheißer" war. In der Tat hatte er sehr viel Wissen und kannte sich in Vielem gut aus - an sich ja etwas Tolles. Nur leider ließ er mich schon immer spüren, dass er mir bildungstechnisch überlegen war. Nun hatte er einen weiteren Bereich, nämlich das liebe Geld, wo er ganz eindeutig auch am längeren Hebel saß. Da Geld ein, wie wir alle wissen, sehr wichtiger Punkt in unserer Gesellschaft ist, hatte er dadurch natürlich viel Macht über mich. Zumal ich tatsächlich nie gelernt hatte, sinnvoll mit Geld umzugehen, und zu dieser Zeit alles andere als gut haushaltete. Grund genug, mich noch mehr von oben herab zu behandeln als ohnehin schon. Es bewahrheitete sich das, was ich einige Jahre zuvor nicht glauben wollte: Hans war tatsächlich ein arrogantes Arschloch.

Vermutlich muss ich nicht mehr erwähnen, dass die oben beschriebenen Versprechen auf Veränderung nicht erfüllt worden waren?! Im Gegenteil - durch den neuen anstrengenderen Job wurde er noch träger und die sozialen Möglichkeiten, die die räumliche Nähe zu alten Freunden und Bekannten bot, wurde nicht genutzt.

Zu der unglücklichen Ehe kam jedoch noch ein anderes Problem – meine Minderwertigkeitskomplexe, die sich in den Jahren zuvor aufgrund meines Gewichts mehr und mehr aufgebaut hatten. Deswegen und weil eine Ehe für mich ein hohes Gut war, redete ich mir ein, dass ich ohnehin nie einen anderen finden würde und dass ich nun zu meinem "ja" stehen müsse - ganz egal, wie er mich behandelte. Ich war verzweifelt und sah mich in einer Sackgasse gefangen, aus der ich nicht mehr heraus kam. Zeitweise dachte ich sogar über Selbstmord nach, aber dafür war ich schlichtweg zu feige gewesen. Zum Glück!

Meine durch die Leere der gemachten Versprechen nicht erfüllten Bedürfnisse stellte ich mehr und mehr zurück. Nach und nach gab ich mich und meine Wünsche mehr und mehr auf. Meine Ehe konnte ich nur noch ertragen - aber sicher nicht mehr genießen. Auch meine Gefühle für Hans wurden dadurch immer weniger.

Meine Freunde bekamen von all dem nur sehr ansatzweise etwas mit. Wer redet schon gerne darüber, dass man Minderwertigkeitskomplexe hat?! Auch dass man vom eigenen Mann schlecht behandelt wird, ist einem selbst eher peinlich - zumindest war es bei mir so. Zeitweise hielt ich es auch für normal bzw. redete mir ein, dass jeder das bekommt, was er verdient und ich es nunmal nicht besser verdient hatte. Ich war gefangen in einem selbst geschaffenen Käfig. Hier und da versuchte ich dem Ganzen für ein paar Stunden zu entkommen – ich traf mich wieder mehr mit Freunden, ging oft mit ihnen feiern und versuchte so, das heimische Leiden zu verdrängen.

Die Befreiung

Nach wie vor arbeitete ich viel in Südbayern – ich arbeitete für Bildungshäuser und gab dort Seminare für Schulklassen, die für eine halbe oder eine ganze Woche in das jeweilige Haus kamen, um sich mit Themen wie Berufsorientierung oder Teambuilding zu beschäftigen. Eine Mischung aus Schullandheim-Aufenthalt und Fortbildung. Für mich brachte das Ganze zwei Dinge mit sich: Zum Einen war ich fast nur noch am Wochenende zu Hause. Zum Anderen lernte ich Menschen kennen, die ähnlich tickten wie ich. Die mir zeigten, dass ich als Mensch toll bin und die mich auf Augenhöhe behandelten. Dinge, die ich nicht mehr gewohnt war und die mich wieder Spaß am Leben finden ließen. Während andere Menschen, die Montag bis Freitag unterwegs sind, sich darauf freuen, am Freitag nach Hause zu kommen, freute ich mich darauf, am Montag frühmorgens wieder fahren zu können. Das Einzige an zu Hause, worauf ich mich freute, waren meine Freunde.

Wenn ich es mir recht überlege, lebte ich damals in zwei vollkommen unterschiedlichen Welten. Unter der Woche war ich ein fröhlicher Mensch, hatte Spaß an der Arbeit und mit Kolleginnen und Kollegen. Am Wochenende wartete ich teilweise drauf, dass die Zeit verging, ließ mich von oben herab behandeln und ertrug alles einfach nur irgendwie. Leider war ich nach wie vor von Hans finanziell abhängig und war mir sicher, es alleine nicht schaffen zu können – ich hatte daher das Gefühl, aus der Situation nicht ausbrechen zu können.

Im Sommer 2012 starteten Hans und ich nochmal einen Versuch der Annäherung und fuhren für eine Woche gemeinsam in den Urlaub. Mal ganz abgesehen davon, dass ich die halbe Woche krank im Bett verbrachte, war es eine tolle Woche. Wir hatten sogar beschlossen, die Pille abzusetzen und einige Monate später damit zu beginnen, am Nachwuchs zu arbeiten. Doch schnell war klar: Es war nichts weiter als ein kurzer Höhenflug vor dem endgültigen Untergang. Als wir wieder zu Hause waren, war alles wieder wie vorher. Mit zwei bedeutenden Unterschieden: Zum Einen nahm ich das Thema Abnehmen wieder ernsthaft in Angriff. Ich wollte erst abnehmen und dann schwanger werden – eine fette Schwangere zu sein kam für mich nicht in Frage. Zum Anderen traf ich mich endlich wieder ohne schlechtes Gewissen mit Freunden. Treffen gab es vorher auch - jedoch hatte ich vorher immer ein schlechtes Gewissen, weil Hans "so etwas" ja auch nicht machte.

Wenige Wochen später besuchte ich für ein paar Tage Freunde im Ruhrpott. Wir feierten viel, hatten Spaß und genossen das Leben. Selten fühlte ich mich so frei und unbeschwert. Als ich danach wieder nach Hause kam, war zwischen Hans und mir nichts mehr wie vorher. Es gab einen Bruch, den ich mir bis heute nicht erklären kann. Wir lebten plötzlich nur noch aneinander vorbei, wie man sich das extremer nicht vorstellen kann. Eine Zweck-WG, wie sie im Buche steht.

Das Ganze dauerte drei Wochen an - dann suchte er das Gespräch. Nach langem Reden und vielen Tränen beschlossen wir, uns zu trennen. Ich für meinen Teil hatte zu diesem Zeitpunkt schon längst mit der Beziehung abgeschlossen, immerhin hatte ich ja bereits ein Jahr lang Zeit dafür gehabt. Er wollte uns und unsere Ehe jedoch nicht so schnell aufgeben und wollte daher zunächst die Trennung auf Zeit. Hieß im Klartext: Er zog für sechs Wochen zu Mama und ich sollte prüfen, ob es mir ohne ihn besser gehen würde oder nicht. Ich blieb in der gemeinsamen Wohnung, da ich erst sechs Wochen später wieder nach Oberbayern musste. Wie erwartet ging es mir ohne ihn natürlich bedeutend besser. Ich holte vieles nach, was ich in den Monaten vorher verpasst hatte – Zeit mit Freunden, Party und vor allem Unbeschwertheit. Endlich war ich wieder richtig glücklich und zufrieden.

Die Tatsache, dass er sich während dieser Zeit kein einziges Mal meldete, geschweige denn um mich oder unsere Ehe kämpfte, zeigte mir, wie ernst er das "Ich will uns nicht so schnell aufgeben" wirklich gemeint hatte. Es bestärkte mich darin, kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, und mein neues Leben zu genießen.

Da ich nach wie vor primär im süddeutschen Raum arbeitete und mir die gemeinsame Wohnung allein auch nicht hätte leisten können, war sofort klar, dass ich diejenige war, die ausziehen würde. Also überlegte ich, wo ich im folgenden Schuljahr am häufigsten arbeiten würde und landete schnell regional in der Umgebung von Bad Tölz, wo sich die Wohnungssuche leider eher schwierig gestaltete. Jedoch meinte es das Leben gut mit mir. Genau zum richtigen Zeitpunkt wurde auf dem Gelände der Bildungsstätte, für die ich primär tätig war, eine neue Betriebs-WG gegründet, in die ich einziehen konnte. Vom Ehe-Leben zurück in die WG-Zeit.

Also packte ich meine persönlichen Sachen wie Kleidung, Bücher und Kleinkram und zog Mitte September 2012 aus der oberfränkischen Kleinstadt in den oberbayerischen Wald. Möbel kaufte ich zwangsläufig neu. Hans unterstütze mich glücklicherweise dabei.

Mit der Zeit sah auch Hans ein, dass die Trennung besser für uns beide war. Er nahm sich eine Anwältin, reichte die Scheidung ein und 2013 wurden wir dann durch das Familiengericht offiziell geschieden. Die Verhandlung dauerte ganze 4 Minuten.