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Eine Organisation kann nur dann existieren, wenn ihr "Betriebssystem" funktioniert - und das sind eingespielte Prozesse. Ein klarer prozessorientierter Rahmen ist daher das A und O für die Umsetzung von Strategien. Inhalte: - Kernelemente des Prozessmanagements - Handwerkszeug für die praktische UmsetzungDie Bedeutung und Notwendigkeit von Prozessmanagement hat sich radikal gewandelt. Standen früher noch Zertifizierungen und Prozessdokumentationen im Vordergrund, so ist Prozessmanagement heute ein Schlüssel für Digitalisierung, Transformation, Produktivität und agile Vorgehensweisen wie beispielsweise Scrum. Im Fokus steht dabei immer ein schnelles, unkompliziertes und vernetztes Unternehmen.
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Seitenzahl: 258
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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart
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© 2018 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht [email protected]
Umschlagentwurf: Goldener Westen, BerlinUmschlaggestaltung: Kienle gestaltet, StuttgartSatz: Olaf Mangold Text u.Typo, Stuttgart
Januar 2018
Schäffer-Poeschel Verlag StuttgartEin Tochterunternehmen der Haufe Gruppe
Prof. Dr. Fredmund Malik
Nach den Modewellen des Neuen Marktes, des Shareholder Value und der uneingelösten Visionen kommen viele Organisationen heute wieder auf den Kern solider Unternehmensführung zurück: Es geht um den Kunden, um die Marktleistungen, um Produktivität, vor allem aber um Professionalität im Management. Im Zentrum steht nicht das kurzfristige Optimieren finanzwirtschaftlicher Größen, sondern die langfristige Lebensfähigkeit einer Organisation. Diese Lebensfähigkeit entsteht nicht in der Bilanz, sondern am Markt, durch das Geschäft und die Art und Weise, wie eine Organisation nach innen und nach außen strukturiert ist. Die richtige Strategie ist das eine, das andere die Professionalität bei der Umsetzung. Damit sind wir bei den Prozessen.[2]
Es sind vor allem vier Herausforderungen, bei denen Prozesse einen entscheidenden Beitrag leisten. Zum Ersten geht es um die Stärkung bzw. den Ausbau der Marktstellung. Marktanteile und Kundennutzen sind Orientierungsgrößen, die höchste Aufmerksamkeit des Managements benötigen. Prozesse stellen sicher, dass der Kundenfokus bei allen Aktivitäten gewährleistet wird – sowohl bei internen wie auch bei externen Kunden. Das gilt für die Leistungserstellung genauso wie für die Personalentwicklung, für den Vertrieb genauso wie für die Datenverarbeitung. Zweitens ist die Innovationsfähigkeit heute wichtiger denn je. Erst und nur dann, wenn ein Kunde bereit ist, für etwas Neues eine Rechnung zu bezahlen, sprechen wir von Innovation. Die Entwicklungs- und Innovationsprozesse sind hier von besonderer Bedeutung. Sie müssen dafür sorgen, dass der Marktfokus möglichst frühzeitig ins Unternehmen kommt und die Umsetzungskraft für Neues vorhanden ist. Drittens sind die Produktivitäten zu nennen – und zwar diejenigen des Geldes, der Arbeit, des Wissens und der Zeit. Auch wenn es marktseitig keine Quantensprünge geben sollte, bezüglich der Produktivitäten sind fast immer Potenziale zu heben. Gut geführte Prozesse sind praktisch die einzige Möglichkeit, die für eine permanente Überprüfung und Verbesserung der Produktivitäten sorgt. Viertens muss eine Organisation attraktiv für gute Leute sein. Der Beitrag der Prozesse hierfür liegt darin, dass Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten klar sind, dass über Resultate für Kunden und nicht über Hierarchien geredet wird. Konsequentes Prozessmanagement sorgt dafür, dass Leistung im Zentrum steht. Eine bessere Voraussetzung gibt es nicht, um gute Mitarbeiter und gute Führungskräfte zu binden.[3]
Nur bei wenigen Managementthemen kann in so kurzer Zeit so viel erreicht werden wie bei den Prozessen. Immer wieder werde ich von Führungskräften auf revolutionäre Ideen, den „großen Wurf“ und die überragende Strategie angesprochen. Es gibt so etwas, aber es ist selten und darauf zu warten ist gefährlich. Genau umgekehrt verhält es sich bei den Prozessen. Die Risiken sind in der Regel gering, die Erfolgswahrscheinlichkeiten dagegen durchweg hoch. Der Hebel über Prozessmanagement ist außerordentlich wirksam – etwa durch Verbesserung der Abläufe, prozessgetriebene Organisationsgestaltung oder Produktivitätssteigerung. Darin zeigt sich Professionalität des Managements und nicht im Herumreden über Synergien, Visionen oder Kultur.
In diesem Buch geht es um das Handwerk für solide Prozessarbeit. Es wendet sich an alle Führungskräfte und Mitarbeiter, die für Prozesse verantwortlich sind und ihre Organisation weiterbringen wollen. Erfassung, Gestaltung und Umsetzung von Prozessen sind die zentralen inhaltlichen Themen. Das Buch ist klar strukturiert und verwendet in jedem Abschnitt Anleitungen zur Umsetzung und viele Praxisbeispiele aus den unterschiedlichsten Branchen. Damit geht das Buch konsequent den Schritt vom Wissen zum Nutzen. Der Fokus liegt auf dem Thema Management. Wirksame Prozesse sind richtig und gut geführte Prozesse.[4]
Prozessmanagement ist weder Wissenschaft noch Kunst. Es braucht in den meisten Fällen keine schweren IT-Geschütze, hochakademische Diskussionszirkel oder esoterische Inspiration zur Gestaltung und Umsetzung von Prozessen. Geschäftserfahrung, Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung und eine klare Vorgehensmethodik stellen wirksames Prozessmanagement sicher. Die Anleitung findet sich in diesem Buch.
Wie schon in seinen Büchern zu Projektmanagement, Innovation oder Strategie ist es dem Autor einmal mehr gelungen, das wirklich Wesentliche eines Kernthemas richtigen Managements zu erfassen und zu formulieren. Das Buch ist nicht nur sachlich exzellent, sondern es ist auch ein Lesegenuss – klar, präzise und direkt.
Prof. Dr. Roman Stöger
Wir leben in einer ökonomisch turbulenten und spannenden Zeit: Digitalisierung aller Lebensbereiche, Neuformierung von Märkten bzw. Branchen, Entstehung neuer Geschäftsmodelle usw. Viele Unternehmen haben diese Herausforderungen angenommen, notwendige Veränderungen eingeleitet und ihre strategische Ausrichtung neu justiert. Damit das gelingt, muss der Umsetzungsapparat funktionierten. Ein wesentlicher Stellhebel sind die Prozesse: als Voraussetzung für Kundennutzen, Innovation, Produktivität und damit Wettbewerbsfähigkeit.[5]
In der vierten Auflage des Buches werden zahlreiche Veränderungen vorgenommen: neue Kapitel, beispielsweise zur Transformation oder Digitalisierung, neue Werkzeuge und generell die Überarbeitung aller Inhalte. Grundlogik, Praxisbezug, Umsetzungsorientierung und Managementansatz sind aber unverändert geblieben.
Kompetentes Prozessmanagement ist der Transformationsriemen, damit Strategien umgesetzt und Menschen wirksam werden können. Ideen, Konzepte, PowerPoint, Personalentwicklung, Systeme oder Motivationsinitiativen bleiben unwirksam, wenn die Prozesse nicht professionell gestaltet sind. Ein Unternehmen kann nur dann leistungsfähig sein, wenn das „Betriebssystem“ funktioniert – und das sind eingespielte Prozesse. Jede Führungskraft muss dieses Handwerk beherrschen, unabhängig von Branche, Unternehmensgröße oder Fachkompetenz. Prozessmanagement bedeutet Wirksamkeit und Resultate. Dafür ist dieses Buch geschrieben.
Prof. Dr. Roman Stöger ist Professor für strategisches Management an der FH University of Applied Science Kufstein und Associate im Malik Management Zentrum St. Gallen. Zu seinen Beratungs- und Aufsichtsmandaten gehören Unternehmen aus Industrie, Banken, Handel und NPO aller Unternehmensgrößen. Mehrere Hidden Champions zählen zu seinen Referenz-Kunden. Roman Stöger hat in den letzten Jahren zahlreiche Bücher und Artikel zu den Themen Digitalisierung, Strategie, Innovation, Prozesse, Organisation, Führung und Projektmanagement verfasst („Harvard Business Manager“, „zfo Zeitschrift Führung + Organisation“, „absatzwirtschaft“, „OrganisationsEntwicklung“ u. a. m.). Die Publikationen sind in mehreren Auflagen erschienen und wurden mehrfach ausgezeichnet. Roman Stöger ist verheiratet und hat zwei Kinder.[8]
Abb. 1.1: Grundlagen und Grundverständnis im Prozessmanagement
Es gibt wenige Managementthemen, die so universal bedeutsam und einsatzfähig sind wie Prozessmanagement. Damit von Anfang an gemeinsames Verständnis über Prozessmanagement herrscht, sind einige Grundlagen:
Prozessmanagement ist für jede Branche, für jede Unternehmensgröße und für sehr viele Führungsfragen1 relevant. Unmittelbar deutlich wird dies anhand der zahlreichen Bezugsthemen von Prozessmanagement: Prozessorganisation, Funktionalstrategie und Prozessauftrag sind in vielen Organisationen Grundlage von Strategie und Struktur geworden. Die innere Logik und das Zusammenwirken der Prozesse bilden die Basis für das Geschäftsmodell (Business Model). Wird in diesem Geschäftsmodell Kundennutzen gestiftet, entsteht eine Wertkette (Value Chain) von Anbieterseite hin zur Nachfrage. Die Prozesse vom Kunden hin zum Bereitsteller der Leistung werden wiederum als Nachfragekette (Demand Chain) bezeichnet. Den Fokus auf die direkt wertschöpfenden Prozesse und Leistungsstufen bildet die Angebotskette (Supply Chain). In Form des sogenannten Supply-Chain-Managements hat dies insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten große Bedeutung erlangt. Eng damit verbunden sind das Business Process Reengineering (BPR) und der Schwerpunkt auf Kosten bzw. Produktivität. „Lean Management“ ist hier zu einem Synonym geworden. Prozesse sind nicht nur hinsichtlich Strategie und Kosten eine zentrale Bezugsgröße, sondern auch in Hinblick auf Qualitätsmanagement, wie etwa ISO. Als kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) bzw. Kaizen hat dies nachhaltig insbesondere Industrie und Handel beeinflusst. Gerade in der digitalen Welt sind die Prozesse der Dreh- und Angelpunkt für Strategie, Organisation, Umsetzung und Wirksamkeit. Viele der dargestellten Themen sind für die digitale Unternehmensführung relevant, v.a. das digitale Geschäftsmodell, die digitale Supply Chain und das digitale KVP.[9]
Prozessorganisation
Virtuelle bzw. Netzwerkorganisation
Funktionalstrategie und Prozessauftrag
Geschäftsmodell (Business Model)
Wertkette (Value Chain), Nachfragekette (Demand Chain)
Angebotskette (Supply Chain) und Supply Chain Management
Business Process Reegineering (BPR)
Kosten-, Produktivitäts- und Lean-Management[10]
Qualitätsmanagement (ISO …) und KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess)
Prozessmanagement in der digitalen Welt
Diese Liste steht beispielhaft für die vielfältigen Verbindungspunkte des Themas Prozessmanagement. Entscheidend ist, dass nur mit kompetentem Prozessmanagement eine Grundlage geschaffen werden kann, die vielen Potenziale zu heben und umsetzungsfähig zu machen. Auch zeigen empirische Studien, dass das Thema Prozessmanagement weit oben hinsichtlich Bedeutung, Einsatz und Wirksamkeit rangiert2.
Die Relevanz der Prozesse lässt sich auch aus der Wirtschaftsgeschichte ableiten. Im 18. Jahrhundert begann die Industrialisierung. Die Herausforderung bestand darin, viele Menschen in industriellen Prozessen arbeitsteilig zu verbinden. Adam Smith hat in seinem berühmten Buch „Wealth of Nations“ die Prozessorientierung vorweggenommen, indem er anhand der Produktion von Stecknadelköpfen die Bedeutung der Abläufe dargestellt hat3. Im neunzehnten Jahrhundert erfasste die industrielle Denkweise – letztlich eine prozessbezogene Sicht – die gesamte Volkswirtschaft. Bevölkerungswachstum, Städtebau, Mobilität, Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse usw. waren zugleich Ursache und Folge. Die Perfektionierung der Prozesse war eine Konsequenz, die seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mit einem Namen verbunden ist – Frederick Taylor. Im Zentrum des Managements stand die Optimierung der Prozesse als Basis für Produktivität, Qualität und Steuerung von Menschen. Die Produktion des Ford T-Modells und die Kritik in Charlie Chaplins Film „Modern Times“ illustrieren auf unterschiedliche Weise das, was seither als Taylorismus bekannt geworden ist.[11]
In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wird Prozessmanagement wieder aktuell und universell. Qualitätsmanagement, BPR, KVP, Supply-Chain-Management, Geschäftsmodell usw. sind nur einige der Schlagwörter. In der Gegenwart wiederum steht die Digitalisierung im Fokus4. Es geht um Vernetzung zwischen Kunden und Unternehmen, Verbindung von Prozessen, Steigerung von Tempo, Qualität und Produktivität. Der Dreh- und Angelpunkt in der digitalen Welt sind nicht die IT, sondern IT-gestützte Prozesse. Erst wenn die Prozesslogik klar ist, können digitale Geschäftsmodelle funktionieren.
„Prozesse“ bzw. „Prozessmanagement“ gehören seit längerer Zeit zum Standardvokabular in allen Unternehmen. In vielen Organisationen wurden Prozesse systematisiert, Qualitätsmanagement eingeführt und an der Produktivität gearbeitet. Die tatsächliche Erfolgsquote ist unterschiedlich und vielfach werden Potenziale nicht gehoben. Eine sinnvolle und wirksame Anwendung setzt voraus, dass die Grundlagen klar sind. Was ist ein Prozess? Was kommt hinzu, wenn von Prozessmanagement gesprochen wird? Wodurch unterscheidet sich ein Prozess, also die Ablauforganisation, von der Aufbauorganisation? Es gibt sechs Orientierungspunkte für Prozessmanagement5 (vgl. Abb. 1.2):[12]
Resultatorientierung: Aus unternehmerischer Sicht ist ein Prozess die Summe von Aktivitäten, die zielgerichtet auf ein Ergebnis hinlaufen. Ohne die Vorwegnahme eines Resultates, d. h. eines erreichten Zieles, ist die Steuerung eines Prozesses unmöglich. Es geht explizit nicht um die Themen Hierarchie, Verhalten, Motivation und dergleichen. Dies mögen alles Inputfaktoren sein. Prozessmanagement ist unternehmerisch rein auf das Resultat, den Output, gerichtet.
Beispielsweise hat der Prozess „Fakturierung erledigen“ den klaren Auftrag, für geschriebene und versendete Rechnungen zu sorgen und den Zahlungseingang zu kontrollieren. Für diese Aktivitäten können exakte Ziele und quantitative Größen vorgegeben werden. Ohne messbares Resultat als Orientierungspunkt würde ein schwerer Konstruktionsfehler vorliegen. Als erstes sind daher alle Prozesse in dieser Hinsicht zu prüfen und überall Resultatorientierung, konkreten Output, zu verankern. In diesem Zusammenhang ist noch eine handwerkliche Komponente wichtig: Prozesse werden mit Substantiv und Infinitiv beschrieben, zum Beispiel „Auftrag erfassen“. Das ist keine Pedanterie, sondern Präzision. Wenn lediglich „Auftrag“ geschrieben steht, bleibt im Unklaren, was gemeint ist: „Auftrag annehmen“, „Auftrag weiterleiten“ oder „Auftrag bearbeiten“? Resultatorientierung beginnt mit sprachlicher Exaktheit.
Kundenorientierung: Jede unternehmerische Aktivität läuft letztlich auf einen Kunden hinaus, d. h. Prozesse sind niemals Selbstzweck. Unter Kunde[13] wird diejenige Person verstanden, die an einem Ergebnis Interesse oder einen Anspruch hat. Damit ist ein sehr umfassender Kundenbegriff6 eingeführt, der im Prinzip unabhängig davon ist, ob die Kunden extern oder intern, hierarchisch höher oder niedriger gestellt sind. Solche „Kunden“ heißen in der Praxis auch: Konsument, Patient, Chef, Kollege, Mitarbeiter, Berechtigter, Partner, Klient. Der Kunde eines Prozesses definiert das Resultat und beurteilt die Leistung.
Ein Beispiel: Der Prozess „Service durchführen“ hat ganz klar den Endkunden der Serviceleistung im Fokus. Durch ihn wird die Qualität dieses Serviceprozesses beurteilt. Im Fall von „neue Mitarbeiter einschulen“ sind die Kunden einerseits die neuen Mitarbeiter selber, andererseits aber auch deren Chefs. Sollte unklar sein oder es als unwichtig erachtet werden, Prozesse am Kundennutzen auszurichten, muss Prozessmanagement umgehend korrigiert werden.
Gesamtergebnis: Prozessmanagement ist notwendig, damit die Gesamtleistung einer Organisation verbessert wird. Praktisch alle Prozesse sind in einen größeren Kontext eingebunden. Es gibt einen Auslöser mit einem Input und ein Resultat als Output. Es macht wenig Sinn, einen einzelnen Prozess zu optimieren und negative Wirkungen in Schnittstellen oder anderen Einheiten auszulösen. Im Zentrum steht daher nicht ein Suboptimum, sondern das größere Ganze7, also ein Gesamtergebnis.
So richtet sich etwa der Prozess „Reklamationen bearbeiten“ zunächst auf die Reklamation als solche, auf die Erfassung, Beurteilung der Berechtigung, Beseitigung des Reklamationsgrundes und die positive Gegenmeldung des Kunden. Wirksam wird dieser Prozess nur, wenn bereits vorgelagerte Prozesse die Reklamation nicht entstehen lassen und die Reklamationsgründe zu einer Umstellung der Leistungsprozesse führen. Der Fokus auf den Auslöser des Prozesses ist natürlich wichtig. Für eine grundlegende Qualitätsverbesserung[14] ist es aber entscheidend, dass alle an der Leistungserstellung beteiligten Prozesse so gut funktionieren, dass Reklamationen nicht entstehen. Dies entspricht auch den Prinzipien der Resultat- und Kundenorientierung.
Umsetzungsstärke: Die Wirkung eines Prozesses ergibt sich nicht durch das Entwickeln von Plänen oder das Modellieren von Abläufen. Ein Unternehmen muss Prozesse umsetzen, damit ein Resultat und ein zufriedener Kunde entstehen. Dazu ist es notwendig, dass es klare Verantwortlichkeiten gibt, Methoden beherrscht werden und der Output des Prozesses geprüft ist. Dies gilt vor allem bei internen oder „weichen“ Prozessen, gerade hier liegt die Herausforderung darin, Resultate und Kundenorientierung anzusteuern8.
Zum Beispiel kann der Prozess „Personalentwicklungsmaßnahmen entwickeln“ bewertet werden: durch Rückmeldung seitens der betroffenen Mitarbeiter und deren Vorgesetzte, durch Anbindung an die Aufgaben der Betroffenen. Es gibt Führungskräfte und Mitarbeiter, die behaupten, dass vieles nicht messbar sei. Das stimmt erstens nicht und zweitens ist die Beurteilbarkeit[15] eine Voraussetzung für Professionalität. Auch geistert in verschiedenen Organisationen die Meinung herum, Kontrollieren, Messen und Beurteilen sei altmodisch und in modernen Organisationen nicht nötig. Umsetzungsstärke erfordert, dass sich alle Beteiligten regelmäßig die Frage stellen, wie wirksam die Prozesse sind und was zur Optimierung gemacht werden kann.
Standardisierbarkeit: Prozesse dürfen keine Einzel- oder Ausnahmefälle sein. Es macht erst dann Sinn, von einem Prozess zu sprechen, wenn eine gewisse Standardisierung möglich ist, also: System, Struktur, Wiederholbarkeit und Routine. Oft wird argumentiert, dass in vielen Prozessen eine Standardisierung heute gar nicht mehr möglich ist, weil sich das Umfeld verändert und neue Herausforderungen zu meistern sind. Gerade deshalb ist es aber unerlässlich, für eine dauerhafte Systematik zu sorgen und nicht zuzulassen, dass jedes Mal alles neu erfunden wird. Zumindest auf der Meta- bzw. Steuerungsebene sollen die Abläufe klar strukturiert sein.
Ein Beispiel hierfür ist der Innovationsprozess, der wie kein anderer von wechselnden Bedingungen gekennzeichnet ist. Gleichwohl muss die Steuerungsebene sichergestellt sein, wie etwa Ideen generiert werden, wer für Innovationsaufträge verantwortlich ist und wie die Entscheidungsabläufe organisiert sind. Die Standardisierbarkeit dieser Elemente ist die Voraussetzung für erfolgreiche Innovation. Genau dadurch entstehen Klarheit im Ablauf, Produktivität im Vorgehen und zielgerichtetes Arbeiten. Dies ist auch die Voraussetzung für die Digitalisierung des Geschäftes.[16]
Verantwortlichkeit: Prozesse sind dazu da, Aktivitäten unabhängig von konkreten Personen und Situationen zu strukturieren. Im Prinzip sollte eine Prozessorganisation so konzipiert sein, dass sehr viele unterschiedliche Personen wirksam werden können und nicht personenabhängig immer individuelle Lösungen gesucht werden müssen. Verantwortlichkeit bedeutet einerseits, dass das Management klar strukturierte Prozesse entwickelt, andererseits, dass die jeweilige Person für das Prozessergebnis sorgt. Dies betrifft die Abwicklung, die Steuerung, die Resultate und das Feedback zum Kunden. Innerhalb dieses Prozesses können weitere verantwortliche Aufgaben delegiert werden, nach außen und nach oben bleibt aber diese eine Person verantwortlich.
Der Prozess „Kommissionierung durchführen“ ist beispielsweise ein Schlüsselthema in einem Logistikunternehmen. Daher muss klar sein, wer erstens für das Prozessmanagement verantwortlich ist und zweitens, wie die operative Abwicklung im Tagesgeschäft sichergestellt wird. Vor allem steht die Produktivität im Fokus und muss laufend verbessert werden. Das Prinzip der Verantwortlichkeit verbindet die Personen- mit der Prozessdimension und die Planungs- mit der Resultatdimension.
All diese Faktoren bilden gemeinsam den Kern von Prozessmanagement. Ein Prozess ist eine Folge von Aktivitäten mit einem Resultat, einer Informations- und Steuerungskomponente. Es ist relativ einfach, Prozesse zu analysieren und darzustellen. Prozesse zu gestalten und im Rahmen einer Geschäftsfeld- oder Unternehmensstrategie auszurichten ist schon etwas schwieriger. Am anspruchsvollsten ist es, echte Wirksamkeit herzustellen, weil sich die Potenziale aus den Prozessen zwar rechnen oder darstellen lassen, leider aber niemals von selbst einstellen. Aus diesem Grund sollte Prozessmanagement als Handwerk[17] verstanden werden, weil es darum geht, unternehmerische Abläufe mit Werkzeugen zu strukturieren und in Betrieb zu halten. Dazu gehören auch vermeintlich altmodische Themen oder Eigenschaften, wie beispielsweise Disziplin, Klarheit in Schrift und Sprache, Verlässlichkeit, Vertrauen und Leistungsbereitschaft.
Erst aus der Kombination der dargestellten Orientierungspunkte entsteht echter Nutzen für die Organisation und für den Kunden. Diese Faktoren bilden die Basis für Prozesse und Prozessmanagement. Sie sind die Voraussetzung für die Beurteilung, ob Prozessmanagement vorliegt. Fehlen einzelne Elemente, so liegt ein schwerer Konstruktionsfehler vor, der sich spätestens in der Umsetzung bemerkbar macht. Mit dem Werkzeug Prozessaudit können Prozesslandkarten, einzelne Prozesse, Prozessorganisationen und Prozessmanagement als Ganzes beurteilt werden. Dies ist die Basis für das gemeinsame Verständnis und für Maßnahmen zur Verbesserung.
Abb. 1.2: Orientierungspunkte für Prozessmanagement
Die Orientierungspunkte für Prozessmanagement gelten prinzipiell für alle Prozesse – gleichgültig von welchem Komplexitätsgrad, Abstraktionsniveau, Branchenfokus oder von welcher Organisationsgröße gesprochen wird. Bei der Klassifikation können folgende Prozessarten unterschieden werden:
Kern- und Unterstützungsprozesse,
Leistungs- und Steuerungsprozesse sowie
Haupt- und Teilprozesse
Kernprozesse sind solche, die für eine Organisation lebenswichtig sind. Treten dort grobe Fehler oder Defekte auf, ist die Organisation als Ganzes gefährdet. Die Entscheidungslinie zwischen Kern- und Unterstützungsprozess kann fließend sein. In jedem Fall ist ein Kernprozess eine Bündelung von Aktivitäten, die aus Marktsicht zu entscheidenden Vorteilen führt. Diese können sich auf Kernkompetenzen, auf Qualitäts- oder Produktivitätsvorteile beziehen. Im besten Fall ist ein solcher Prozess auch nicht von Wettbewerbern imitierbar. In einem Handelsunternehmen sind etwa die Einkaufs- und Logistikprozesse Kernprozesse des Geschäftes.
Unterstützungsprozesse sind für die Aufrechterhaltung der Informations-, Kommunikations- bzw. Leistungsströme wichtig und bilden eine Basis für die Kernprozesse. Unterstützungsprozesse sind nicht einzigartig und eine kurzfristige Störung ist für eine Organisation nicht zwingend kritisch. Beispielsweise sind die kaufmännischen Prozesse in einem Industrieunternehmen fast ausschließlich Unterstützungsprozesse – zumindest kurzfristig und solange die Liquidität nicht gefährdet ist.[20]
All diejenigen Aktivitäten, die direkt zur Abwicklung des Geschäftes dienen, sind Leistungsprozesse. Diese gehen von Beschaffungstätigkeiten bis zu Vertriebsaktivitäten oder After-Sales-Operative-Supportprozessen, wie etwa der Bereitstellung einer IT-Struktur und der Personalentwicklung – auch diese Aktivitäten gehören zu den Leistungsprozessen. Dies ist im Prinzip die Grundstruktur der klassischen Wertschöpfungskette9.
Dem gegenüber beziehen sich die Steuerungsprozesse auf das Management dieser Leistungsprozesse. Es geht um Führungs-, Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse. Beispiele sind etwa „Strategie entwickeln“, „Innovationen lenken“, „Schlüsselprojekte definieren“. Leistungsprozesse müssen gesteuert werden, damit sie ihre Produktivkraft entfalten.
Sobald ein Prozess nach unten aufgegliedert wird, liegen Teilprozesse vor. Die Verdichtung nach oben wird Hauptprozess genannt. Der Hauptprozess „LKW-Flotte managen“ besteht aus den Teilprozessen „LKWs anschaffen“, „LKWs warten“ usw.
Der Definitionspunkt für Haupt- und Teilprozesse ist fließend. Es hängt von der konkreten Aufgabenstellung, von der Unternehmensgröße oder von organisationsinternen Standards ab, inwieweit Prozesse nach unten zergliedert oder nach oben zusammengefasst werden. Entscheidend ist, dass die Prozesslandschaft übersichtlich und führbar bleibt.[21]
Prozessmanagement ist seit spätestens der 1980er Jahre ein Dauerthema in der Wirtschaftswelt, der öffentlichen Verwaltung und Non-Profit-Organisationen (NPOs). Nach all diesen Jahrzehnten praktischer und theoretischer Behandlung ist eine kritische Beurteilung durchaus angebracht. Vor allem sind gewisse Wahrnehmungsmuster, Denkschemata und Vorurteile interessant, die sich auf diesem Gebiet finden. Es sind sieben weit verbreitete Missverständnisse, die bei jeder Auseinandersetzung mit dem Thema beachtet werden sollten. Diese Missverständnisse werden nachfolgend behandelt. Besonders relevant sind die Schlussfolgerungen, die daraus zu ziehen sind, um Prozessmanagement wirksam zu gestalten.
Missverständnis 1: Prozessmanagement ist nur in großen Organisationen nötig.
Missverständnis 2: Prozessmanagement benötigt hochanspruchsvolle Verfahren.
Missverständnis 3: Prozessmanagement setzt Spezialisten voraus.
Missverständnis 4: Prozessmanagement ist eine technische Disziplin.
Missverständnis 5: Prozessmanagement impliziert Kommunikation und Kreativität.
Missverständnis 6: Prozessmanagement ist eine Wissenschaft.
Missverständnis 7: Prozessmanagement löst alle Probleme.[22]
Die meisten Ansätze für Prozessmanagement stammen aus großen Unternehmen, insbesondere aus der produzierenden Industrie. Auch ist es verständlich, dass die oben beschriebenen Modewellen vor allem in großen Organisationen Einzug gehalten haben. Digitalisierung, Standardisierung, Zertifizierungen, einheitliche Vorgehensweisen usw. sind insbesondere in großen Unternehmen relevant10. Gefährlich wird es nur, wenn daraus gefolgert wird, in kleinen und wachsenden Organisationen sei Prozessmanagement kein Thema. Es wird auf eine bestimmte Unternehmensgröße bzw. auf einen gewissen Leidenspunkt gewartet, um Prozessmanagement einzuführen.
Gerade kleine Organisationen müssen frühzeitig ihre Abläufe systematisieren. Die personale Organisationsform ist nur am Beginn schnell, schlank und leistungsstark. Sobald ein Unternehmen mit dem Markt wächst, sind die wenigen Schlüsselpersonen nicht mehr in der Lage, alle Abläufe, Informationen, Kunden und Technologien unter Kontrolle zu halten. Je frühzeitiger eine kleine Organisation ihre Prozesse systematisiert und „multiplizierbar“ macht, desto eher wird sie befähigt, zu wachsen. Diese Skalierbarkeit des Unternehmens setzt professionelles Prozessmanagement voraus.
Zusammengefasst ist ein Prozess eine Folge von Aktivitäten mit einem Resultat, einer Informations- und Steuerungskomponente. An sich ist es keine großartige Herausforderung, Prozesse zu strukturieren und zu lenken. Es braucht eine klare Methodik[23], Hausverstand, Konsequenz und Disziplin in der Anwendung von Prozessmanagement.
In der Praxis haben leider viele Ansätze des Prozessmanagements zu einer „Verschlimmbesserung“ der Situation geführt: Dokumentationen mit geringem Praxiswert, Audits ohne Bezug zum Markt, aufwändige Systeme und fehlender Nutzen. Dies liegt zumeist an der irrigen Auffassung, ein wichtiges Thema benötigt komplizierte Verfahren11. Gerade Organisationen in technischen Branchen oder solche mit einer hohen Anzahl von Akademikern glauben, einfache Vorgehensweisen können der heutigen Wirklichkeit nicht gerecht werden. Ein wichtiger Grundsatz im Prozessmanagement muss daher lauten, nur in Ausnahmefällen „schwere Geschütze“ für Prozesse zuzulassen und die Methoden auf ihre Alltagstauglichkeit und Resultatorientierung zu prüfen.
Hochanspruchsvolle Verfahren bedeuten, dass nur ausgewiesene Fachleute zum Prozessmanagement befähigt sind bzw. dass das Thema an diese zu delegieren ist. Mitarbeiter und Führungskräfte beherrschen die Materie nicht gut genug und müssen von Experten, Beratern oder Stabsmitarbeitern in der Umsetzung unterstützt werden.
Ein solches Spezialistentum ist aus zwei Gründen gefährlich. Erstens wird Prozessmanagement zu einer Wissenschaft und nicht mehr als Führungs- und Umsetzungswerkzeug betrachtet. Zweitens liegt die Gefahr darin, dass Führungskräfte und Mitarbeiter ihre Verantwortung für Prozesse auf diese Spezialisten bequem abschieben können. Am Ende kommt es zu einer Verantwortungsparalyse[24], von der Kunden und das Unternehmen nichts mehr haben. Daher ist in allen Phasen des Prozessmanagements genau darauf zu achten, dass ausschließlich die betroffenen Führungskräfte bzw. Mitarbeiter für die Einführung und Umsetzung verantwortlich sind. Spezialisten können selbstverständlich eingesetzt werden, sind aber sehr resultatbezogen zu führen.
Komplizierte Verfahren und Spezialistentum haben in vielen Unternehmen zu einem negativen Image von Prozessmanagement geführt: unverständlich, abstrakt, IT-getrieben, analytisch, mathematisch-technologisch, zahlen- und bitbasiert etc. Die Reduzierung eines Management-Werkzeuges auf diese Dimensionen entspricht erstens nicht den Notwendigkeiten der Wirtschaftswelt und zweitens kann es auch nicht die gewünschten Resultate liefern. Selbstverständlich braucht es Analytik und IT-Unterstützung. Die entscheidende Frage ist, ob Prozesse ein Führungsinstrument sind, mit denen Personen und Unternehmen ihre Wirksamkeit steigern können.
Entscheidend für den Erfolg von Prozessmanagement ist nicht die technische Herangehensweise, sondern das Einbinden in den Führungsprozess