Psychologie der Massen - Gustave Le Bon - E-Book

Psychologie der Massen E-Book

Gustave Le Bon

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Beschreibung

"Das Überraschendste an einer psychologischen Masse ist: welcher Art auch die einzelnen sein mögen, die sie bilden, wie ähnlich oder unähnlich ihre Lebensweise, Beschäftigungen, ihr Charakter oder ihre Intelligenz ist, durch den bloßen Umstand ihrer Umformung zu Masse besitzen sie eine Art Gemeinschaftsseele, vermöge deren sie in ganz andrer Weise fühlen, denken und handeln, als jedes von ihnen für sich fühlen, denken und handeln würde. Es gibt gewisse Ideen und Gefühle, die nur bei den zu Massen verbundenen einzelnen auftreten oder sich in Handlungen umsetzen." G. Le Bon

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Table of Contents

Copyright

Gustave Le Bon

Vorwort zur ersten Auflage

Einleitung:

Entwicklung des gegenwärtigen Zeitalters

Die Massen als Zerstörerinnen der Kultur

Die Massen und der Staatsmann

Erstes Buch:

1. Kapitel:

Was ist eine Masse?

Gesetz von der seelischen Einheit der Massen

Die Masse vom Unbewußten beherrscht

Umwandlung der Gefühle des Einzelnen

2. Kapitel:

§ 1. Triebhaftigkeit, Beweglichkeit und Erregbarkeit

§ 2. Beeinflußbarkeit und Leichtgläubigkeit der Massen

Beispiele von Kollektivhalluzinationen

Zeugnis von Frauen und Kindern

Bildung von Legenden

§ 3. Überschwang (exagération) und Einseitigkeit (simplisme) der Massengefühle

§ 4. Unduldsamkeit, Herrschsucht (autoritarisme) und Konservatismus der Massen

§ 5. Sittlichkeit der Massen

3. Kapitel:

§ 1. Die Ideen der Massen

§ 2. Die Urteile der Massen

§ 3. Die Einbildungskraft der Massen

4. Kapitel:

Religion ohne Gottheit.

Zweites Buch:

1. Kapitel:

§ 1. Die Rasse

§ 2. Die Überlieferungen

§ 3. Die Zeit

§ 4. Die politischen und sozialen Einrichtungen

§ 5. Unterricht und Erziehung

Der klassische und der berufsmäßige Unterricht

2. Kapitel:

§ 1. Bilder, Worte und Redewendungen

§ 2. Die Täuschungen

§ 3. Die Erfahrung

§ 4. Die Vernunft

3. Kapitel:

§ 1. Die Führer der Massen

Einteilung der Führer

§ 2. Die Wirkungsmittel der Führer:

§ 3. Der Nimbus

Beispiele des persönlichen Nimbus

Verlust des Nimbus

4. Kapitel:

§ 1. Die unveränderlichen Grundanschauungen

§ 2. Die veränderlichen Meinungen (opinions mobiles)

Öffentliche Meinung und Presse

Drittes Buch:

1. Kapitel:

§ 1. Ungleichartige Massen

§ 2. Gleichartige Massen

2. Kapitel:

3. Kapitel:

4. Kapitel:

Das allgemeine Stimmrecht

5. Kapitel:

Rolle und Macht der Führer

Rhetorik der Führer

Sitzungen des Konvents

Gefahren des Parlamentarismus

Geschichtsphilosophisches Ergebnis

Notes de bas de page

Copyright

Copyright © 2015 - FV Éditions

Bild : «Crowd», Constantin [email protected]

Übersetzung: Rudolf Eisler, 1911

ISBN 979-10-299-0011-2

Alle Rechte Vorbehalten

Gustave Le BonPsychologie der Massen

— Psychologie des foules, 1895 —

Vorwort zur ersten Auflage

Meine frühere Arbeit war der Darstellung der Rassenseele gewidmet.1Hier wollen wir die Massenseele untersuchen.

Der Inbegriff der gemeinsamen Merkmale, die allen Angehörigen einer Rasse durch Vererbung zuteil wurden, macht die Seele dieser Rasse aus. Wenn sich jedoch eine gewisse Anzahl solcher einzelnen massenweise zur Tat vereinigt, so zeigt sich, daß sich aus dieser Vereinigung bestimmte neue psychologische Eigentümlichkeiten ergeben, die zu den Rassenmerkmalen hinzukommen und sich zuweilen erheblich von ihnen unterscheiden.

Die organisierten Massen haben zu allen Zeiten eine wichtige Rolle im Völkerleben gespielt, niemals aber in solchem Maße wie heute. Die unbewußte Wirksamkeit der Massen, die an die Stelle der bewußten Tatkraft der einzelnen tritt, bildet ein wesentliches Kennzeichen der Gegenwart. Ich habe versucht, das schwierige Problem der Massen in streng wissenschaftlicher Weise zu behandeln, also methodisch und unbekümmert um Meinungen, Theorien und Doktrinen. Nur so, glaube ich, kommt man zur Erkenntnis der Wahrheit, besonders, wenn es sich, wie hier, um eine Frage handelt, die die Geister lebhaft erregt. Der Forscher, der sich um die Erklärung einer Erscheinung bemüht, hat sich um die Interessen, die durch seine Untersuchung berührt werden können, nicht zu kümmern. Ein ausgezeichneter Denker, Goblet d'Alviella, hat in einer seiner Schriften gesagt, ich gehöre keiner zeitgenössischen Kritik an und träte zuweilen in Gegensatz zu gewissen Folgerungen aller Schulen. Hoffentlich verdient die vorliegende Arbeit das gleiche Urteil. Zu einer Schule gehören heißt: deren Vorurteile und Standpunkte teilen müssen.

Ich muß jedoch dem Leser erklären, warum ich aus meinen Studien Schlüsse ziehe, welche von denen abweichen, die sich auf den ersten Blick daraus ergeben, z. B. wenn ich den außerordentlichen geistigen Tiefstand der Massen feststelle und doch behaupte, es sei ungeachtet dieses Tiefstandes gefährlich, die Organisation der Massen anzutasten.

Sorgfältige Beobachtung der geschichtlichen Tatsachen hat mir nämlich stets gezeigt, daß es ganz und gar nicht in unserer Macht steht, die sozialen Organismen, die ebenso kompliziert sind wie andere Organisationen, jäh tiefgehenden Umwandlungen zu unterwerfen. Zuweilen ist die Natur radikal, doch nicht so, wie wir es verstehen; daher gibt es nichts Traurigeres für ein Volk als die Leidenschaft der großen Umgestaltungen, so vortrefflich sie theoretisch scheinen mögen. Nützlich wären sie nur dann, wenn es möglich wäre, die Seelen der Völker plötzlich zu ändern. Die Zeit allein hat diese Macht. Die Menschen werden von Ideen, Gefühlen und Gewohnheiten geleitet, von Eigenschaften, die in ihnen selbst stecken. Einrichtungen und Gesetze sind Offenbarungen unserer Seele, der Ausdruck ihrer Bedürfnisse. Da die Einrichtungen und Gesetze von der Seele ausgehen, wird sie von ihnen nicht beeinflußt.

Das Studium der sozialen Erscheinungen läßt sich nicht von dem der Völker trennen, bei denen sie sich gebildet haben. Philosophisch betrachtet, können diese Erscheinungen unbedingten Wert haben, praktisch aber sind sie nur von bedingtem Wert.

Man muß also beim Studium einer sozialen Erscheinung dieselbe Sache nacheinander von zwei ganz verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten. Wir sehen demnach, daß die Lehren der reinen Vernunft sehr oft denen der praktischen entgegengesetzt sind. Es gibt keine Tatsachen, auch nicht auf physischem Gebiet, auf die sich diese Unterscheidung nicht anwenden ließe. Vom Gesichtspunkt der unbedingten Wahrheit aus sind ein Würfel, ein Kreis unveränderliche geometrische Figuren, die mittels feststehender Formeln genau zu bestimmen sind. Für den Gesichtssinn können diese geometrischen Figuren sehr mannigfache Formen annehmen. In der Wirklichkeit kann die Perspektive den Würfel in eine Pyramide oder in ein Quadrat, den Kreis in eine Ellipse oder Gerade verwandeln. Und diese angenommenen Formen sind von viel größerer Bedeutung als die wirklichen; denn sie sind die einzigen, die wir sehen und die sich photographisch oder zeichnerisch wiedergeben lassen. Das Unwirkliche ist in gewissen Fällen wahrer als das Wirkliche. Es hieße, die Natur umformen und unkenntlich machen, wollte man sich die Dinge in ihren streng geometrischen Formen vorstellen. In einer Welt, deren Bewohner die Dinge nur abbilden oder photographieren könnten, jedoch nicht berühren, würde man nur sehr schwer zu einer genauen Vorstellung ihrer Form gelangen, und die Kenntnis dieser Form, die nur einer geringen Zahl von Gelehrten zugänglich wäre, würde nur schwaches Interesse wecken.

Der Philosoph, der die sozialen Erscheinungen studiert, muß sich vor Augen halten, daß sie neben ihrem theoretischen auch praktischen Wert haben und daß dieser vom Gesichtspunkt der Kulturentwicklung der einzig bedeutsame ist. Das muß ihn sehr vorsichtig machen gegen die Folgerungen, welche die Logik ihm zunächst einzugeben scheint. Auch andere Gründe veranlassen ihn zur Zurückhaltung. Die sozialen Tatsachen sind so verwickelt, daß man sie in ihrer Gesamtheit nicht umfassen und die Wirkungen ihrer wechselseitigen Beeinflussung nicht voraussagen kann. Auch scheinen sich hinter den sichtbaren Tatsachen oft Tausende von unsichtbaren Ursachen zu verbergen. Die sichtbaren sozialen Tatsachen scheinen die Folgen einer riesigen, unbewußten Wirkungskraft zu sein, die nur zu oft unserer Untersuchung unzugänglich ist. Die wahrnehmbaren Erscheinungen lassen sich den Wogen vergleichen, welche der Oberfläche des Ozeans die unterirdischen Erschütterungen mitteilen, die in seinen Tiefen vorgehen, und die wir nicht kennen. In den meisten Fällen zeigt die Handlungsweise der Massen eine außerordentlich niedrige Geistigkeit; aber in anderen Handlungen scheinen sie von jenen geheimnisvollen Kräften gelenkt zu werden, welche die Alten Schicksal, Natur, Vorsehung nannten, die wir als die Stimmen der Toten bezeichnen, und deren Macht wir nicht verkennen können, so unbekannt uns auch ihr Wesen ist. Oft scheint es, als ob die Völker in ihrem Schoß verborgene Kräfte tragen, von denen sie geführt werden. Kann etwas verwickelter, logischer, wunderbarer sein als eine Sprache? Und entspringt nicht dies wohlgeordnete und feine Gebilde der unbewußten Massenseele? Die gelehrtesten Hochschulen verzeichnen nur die Regeln dieser Sprachen, wären aber nicht imstande, sie zu schaffen. Wissen wir sicher, ob die genialen Ideen der großen Männer ausschließlich ihr eigenes Werk sind? Zweifellos sind sie stets Schöpfungen einzelner Geister, aber die unzähligen Körnchen, die den Boden für den Keim dieser Ideen bilden, hat die Massenseele sie nicht erzeugt?

Gewiß üben die Massen ihre Wirkungskraft stets unbewußt aus. Aber vielleicht ist gerade dies Unbewußte das Geheimnis ihrer Kraft. In der Natur gibt es Wesen, die nur aus Instinkt handeln und Taten vollbringen, deren wunderbare Mannigfaltigkeit wir anstaunen. Der Gebrauch der Vernunft ist für die Menschheit noch zu neu und zu unvollkommen, um die Gesetze des Unbewußten enthüllen zu können und besonders, um es zu ersetzen. Der Anteil des Unbewußten an unseren Handlungen ist ungeheuer und der Anteil der Vernunft sehr klein. Das Unbewußte ist eine Wirkungskraft, die wir noch nicht erkennen können. Wollen wir uns also in den engen, aber sicheren Grenzen der wissenschaftlich erkennbaren Dinge halten und nicht auf dem Felde unbestimmter Vermutungen und nichtiger Voraussetzungen umherirren, so dürfen wir nur die Erscheinungen feststellen, die uns zugänglich sind, und müssen uns damit begnügen. Jede Folgerung, die wir aus unseren Beobachtungen ziehen, ist meistens voreilig; denn hinter den wahrgenommenen Erscheinungen gibt es solche, die wir undeutlich sehen, und hinter diesen wahrscheinlich noch andere, die wir überhaupt nicht erkennen.

Le Bon

Einleitung: Das Zeitalter der Massen

Entwicklung des gegenwärtigen Zeitalters — Die großen Kulturwenden sind die Folge von Wandlungen im Denken der Völker — Der Glaube der Neuzeit an die Macht der Massen — Er verändert die hergebrachte Politik der Staaten — Wie sich das Emporkommen der Volksklassen vollzieht und wie sie ihre Macht ausüben — Die Syndikate — Notwendige Folgen der Macht der Massen — Sie können nur eine zerstörerische Rolle spielen — Durch sie vollendet sich die Auflösung der zu alt gewordenen Kulturen — Allgemeine Unkenntnis der Psychologie der Massen — Wichtigkeit des Studiums der Massen für Gesetzgeber und Staatsmänner

Entwicklung des gegenwärtigen Zeitalters

Die großen Erschütterungen, welche den Kulturwenden vorangehen, scheinen auf den ersten Blick durch bedeutsame politische Veränderungen bestimmt zu sein: durch Völkerinvasion oder durch den Sturz von Herrscherhäusern. Eine aufmerksame Untersuchung dieser Ereignisse enthüllt jedoch hinter ihren scheinbaren Ursachen als wahre Ursache eine tiefgehende Veränderung in den Anschauungen der Völker. Das sind nicht die wahren historischen Erschütterungen, die uns durch ihre Größe und Heftigkeit verwundern. Die einzigen Veränderungen von Bedeutung — die einzigen, aus welchen die Erneuerung der Kulturen hervorgeht — vollziehen sich innerhalb der Anschauungen, der Begriffe und des Glaubens. Die bemerkenswerten Ereignisse der Geschichte sind die sichtbaren Wirkungen der unsichtbaren Veränderungen des menschlichen Denkens. Wenn diese großen Ereignisse so selten sind, so hat das seinen Grund darin, dass es nichts Beständigeres in einer Rasse gibt als das Erbgut ihrer Gefühle.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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