Psychotherapie suizidaler Patienten - Tobias Teismann - E-Book

Psychotherapie suizidaler Patienten E-Book

Tobias Teismann

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Beschreibung

Etwa 10.000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an einem Suizid. Ein großer Teil der Suizide wird im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen verübt. Das empathische Verstehen der Innenwelt einer suizidalen Person, der Kontaktaufbau, die Beurteilung des aktuellen Suizidrisikos, die Einschätzung der Distanzierungs- und Absprachefähigkeit sowie die Behandlung suizidalen Erlebens und Verhaltens gehören zu den schwersten und gleichzeitig verantwortungsvollsten Aufgaben und Herausforderungen für professionelle Helfer. Das Buch bietet einen praxisorientierten Leitfaden für den therapeutischen Umgang mit Suizidgedanken und Suizidversuchen. Der Band liefert zunächst epidemiologische, ätiologische und diagnostische Informationen zum Verstehen und Erkennen suizidaler Entwicklungen und Krisen. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der Darstellung von Strategien und Methoden der Risikoabschätzung, Krisenintervention und Psychotherapie bei suizidalen Erwachsenen, Kindern, Jugendlichen und alten Menschen. Neben verschiedenen Verfahren zur Einschätzung der Suizidgefährdung, zur Feinsteuerung der therapeutischen Beziehung, zur Optimierung der motivationalen Ausgangslage und zur Krisenintervention bei akuter sowie hochakuter Suizidalität, wird der Umgang mit suizidalem Erleben und Verhalten in der kognitiven Therapie, der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) und dem Cognitive-Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) aufgezeigt. Das therapeutische Vorgehen wird anhand zahlreicher Fallbeispiele veranschaulicht. Schließlich wird ein Überblick über Strategien der Postvention gegeben, die mögliche negative Auswirkungen bei Mitbetroffenen eines Suizides verringern sollen, und es werden rechtliche Aspekte im Umgang mit suizidalen Patienten erläutert.

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Tobias Teismann

Christoph Koban

Franciska Illes

Angela Oermann

Psychotherapie suizidaler Patienten

Therapeutischer Umgang mit Suizidgedanken, Suizidversuchen und Suiziden

unter Mitarbeit von

Eva-Lotta Brakemeier und Rebecca Knoop

Dr. Tobias Teismann, geb. 1975. Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut (Verhaltenstherapie). 2009 Promotion. 2004–2012 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AE Klinische Psychologie und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum. Seit 2012 Geschäftsführender Leiter des Zentrums für Psychotherapie (ZPT) der Ruhr-Universität Bochum. Tätigkeit als Psychotherapeut und Supervisor.

Dr. Christoph Koban, geb. 1966. Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut (Verhaltenstherapie). 2006 Promotion. 1996–1999 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AE Klinische Psychologie und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum. 1999-2014 Geschäftsführender Leiter des Studiengangs Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum. Seit 2014 in freier Praxis als Psychotherapeut, Dozent, Prüfer und Supervisor in Krefeld bzw. Essen tätig.

Dr. Franciska Illes, geb. 1972. Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie). 2008 Promotion. 2004–2015 klinische und wissenschaftliche Tätigkeit an der LWL-Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin der Ruhr-Universität Bochum, dort Leitung der Arbeitsgruppe Suizidpostvention, Psychologische Leitung der Traumaambulanz sowie Leitung des Kollegialen-Hilfeteams der Klinik.Seit 2015 in eigener Praxis als Psychotherapeutin und Supervisorin in Bonn niedergelassen.

Dipl.-Psych. Angela Oermann, geb. 1967. Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie). 1998–2008 Psychologin im Zentrum für Soziale Psychiatrie GmbH, Forensik, Haina. 2008-2010 Leitende Psychologin der Fachklinik Hochsauerland. Seit 2010 freiberufliche Tätigkeit als Psychotherapeutin, Dozentin und Supervisorin in Bochum.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Internet: www.hogrefe.de

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Druck: Media-Print Informationstechnologie GmbH, Paderborn

Printed in Germany

Auf säurefreiem Papier gedruckt

1. Auflage 2016

© 2016 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2584-9; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2584-0

ISBN 978-3-8017-2584-6

http://doi.org/10.1026/02584-000

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Anmerkung:

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1 Definitionen, Häufigkeit und Risikofaktoren

1.1 Definition und Klassifikation suizidalen Erlebens und Verhaltens

1.2 Epidemiologie

1.3 Verlauf suizidaler Krisen

1.4 Risiko- und Schutzfaktoren

1.4.1 Krankheitsbezogene Faktoren

1.4.2 Suizidbezogene Vorgeschichte

1.4.3 Psychosoziale Faktoren

1.4.4 Neurobiologische Faktoren

1.4.5 Proximale Faktoren

1.4.6 Schutzfaktoren

1.4.7 Fazit

1.5 Komorbidität

1.5.1 Unipolare Depression

1.5.2 Bipolare affektive Störungen

1.5.3 Schizophrenie

1.5.4 Suchtmittelstörungen

1.5.5 Borderline-Persönlichkeitsstörungen

1.5.6 Anorexia nervosa

1.5.7 Posttraumatische Belastungsstörung

1.5.8 Störung des Sozialverhaltens

1.5.9 Fazit

Kapitel 2 Psychologische Erklärungsmodelle

2.1 Kognitives Modell suizidaler Handlungen

2.2 Cry of Pain-Modell

2.3 Interpersonale Theorie suizidalen Verhaltens

2.4 Integratives motivational-volitionales Modell suizidalen Verhaltens

2.5 Fazit

Kapitel 3 Diagnostik und Risikoabschätzung

3.1 Allgemeine Hinweise zur Risikoabschätzung

3.2 Einschätzung von Risikofaktoren

3.3 Einschätzung von protektiven Faktoren

3.4 Bestimmung des Suizidrisikos

3.5 Indikation für die Durchführung einer Risikoabschätzung

3.6 Spezielle Modelle zur Risikoabschätzung

3.6.1 Collaborative Assessment and Management of Suicidality (CAMS)

3.6.2 Chronological Assessment of Suicidal Events

3.7 Diagnostikinstrumente zur Einschätzung der Suizidgefährdung

Kapitel 4 Krisenintervention bei akuter Suizidalität

4.1 Therapeutische Beziehung

Autonomie und Kompetenz

Zugehörigkeit und Zusammenarbeit

Offenheit über alle Behandlungsaspekte

Angemessene Erreichbarkeit zwischen Sitzungen

4.2 Reflexion/Ambivalenzklärung

4.2.1 Bearbeitung ambivalenter Einstellungen zum Suizid

4.2.2 Umstrukturierung dysfunktionaler Kognitionen

4.3 Förderung der Selbstkontrolle

4.3.1 Zugang zu letalen Mitteln begrenzen

4.3.2 Notfallplan

4.3.3 Nonsuizidvertrag

4.4 Allgemeine Strategien der Krisenintervention

4.4.1 Soziale Unterstützung fördern

4.4.2 Sicherung der Lebensbedingungen

4.4.3 Symptommanagement

4.4.4 Problembearbeitung

4.5 Entscheidung über das Setting

4.5.1 Ambulante Weiterbehandlung

4.5.2 Stationäre Weiterbehandlung

Kapitel 5 Krisenintervention bei hochakuter Suizidalität

Interventionen bei hochakuter Suizidalität

Kapitel 6 Kognitive Therapie suizidaler Handlungen

6.1 Kognitive Therapie suizidalen Verhaltens

6.1.1 Eingangsphase

6.1.2 Mittlere Therapiephase

6.1.3 Abschlussphase

6.2 Attempted Suicide Short Intervention Programm (ASSIP)

Kapitel 7 Dialektisch-Behaviorale Therapie bei Suizidalität

7.1 Einleitung

7.2 Störungsmodell

7.3 Behandlungsmodell

7.3.1 Grundhaltung und allgemeine therapeutische Strategien

7.3.2 Die Therapiestruktur der ambulanten DBT

7.3.3 Behandlungsalgorithmus im Umgang mit chronischer Suizidalität

7.3.4 Spezielle Behandlungsstrategien

Kapitel 8 Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy bei Suizidalität

8.1 Hintergrund: CBASP und Suizidalität

8.2 Liste prägender Bezugspersonen mit Übertragungshypothese

8.3 Kiesler Kreis

8.4 Diszipliniertes persönliches Einlassen mit interpersonellen Diskriminationsübungen

8.5 Situationsanalyse

8.6 Zusammenfassung

Kapitel 9 Umgang mit Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen

9.1 Epidemiologie und Risikofaktoren

9.2 Besonderheiten im therapeutischen Umgang mit suizidalen Kindern und Jugendlichen

Empathisches und validierendes Auftreten zum Aufbau von Vertrauen

Vertraulichkeit Verschwiegenheit

Einbezug von Familienmitgliedern

Verhaltensnaher Behandlungsfokus

Nicht suizidale Selbstverletzungen

Stationäre Behandlung

9.3 Spezielle Behandlungsansätze

9.3.1 Dialektisch-Behaviorale Therapie für Adoleszente (DBT-A)

9.3.2 Attachment-Based Family Therapy

Kapitel 10 Umgang mit Suizidalität bei alten Menschen

10.1 Epidemiologie und Risikofaktoren

10.2 Besonderheiten im therapeutischen Umgang mit suizidalen alten Menschen

Allgemeine Prozessgestaltung

Risikoabschätzung

Behandlungscompliance

Wissen um körperliche Erkrankungen

Lebensrückblickinterventionen

10.3 Dialektisch-Behaviorale Therapie für ältere Depressive

10.3.1 Fertigkeitentraining in der Gruppe

10.3.2 Einbezug der Familie

10.3.3 Telefon-Coaching

Kapitel 11 Effektivität

11.1 Psychotherapeutische Interventionen

Kognitive Therapie suizidalen Verhaltens

Attempted Suicide Short Intervention Program

Dialektisch-behaviorale Therapie

Weitere Verfahren

11.2 Pharmakologische Interventionen

Kapitel 12 Postvention

12.1 Angehörige als Mitbetroffene

12.1.1 Die Situation nach einem Suizid für Angehörige

12.1.2 Das Erleben nach einem Suizid bei Angehörigen

12.1.3 Postventionsangebote für Angehörige

12.2 Mitpatienten als Mitbetroffene

12.2.1 Die Situation nach einem Suizid für Mitpatienten

12.2.2 Das Erleben nach einem Suizid bei Mitpatienten

12.2.3 Postventionsangebote für Mitpatienten

12.3 Professionelle Helfer als Mitbetroffene

12.3.1 Die Situation nach einem Suizid für professionelle Helfer

12.3.2 Das Erleben nach einem Suizid bei professionellen Helfern

12.3.3 Postventionsangebote für professionelle Helfer

Kapitel 13 Rechtliche Situation

13.1 Rechtliche Grundlagen der Handlungsoptionen bei akuter Suizidalität Erwachsener

Unterbringung nach gesetzlichen Vorgaben

Unterbringung nach dem PsychKG

Unterbringung nach dem BGB § 1906

Zwangsbehandlung

Patientenverfügung

Schweigepflicht

13.2 Rechtliche Grundlagen der Handlungsoptionen bei akuter Suizidalität von Kindern und Jugendlichen

Unterbringung Minderjähriger nach § 1631b BGB

Unterbringung Minderjähriger nach PsychKG

Inobhutnahme Minderjähriger gemäß § 42 SGB VIII

Literatur

Anhang

|9|Vorwort

Im Jahr 2012 sind weltweit etwa 800.000 Menschen durch einen Suizid verstorben (WHO, 2014), davon etwa 10.000 Menschen in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2014). Von Suizidalität betroffen sind oftmals hoffnungslose Personen in subjektiv schwer lösbaren Lebenskrisen, und dabei insbesondere Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden. Psychotherapeuten, Psychiater und psychiatrische Pflegekräfte treten entsprechend am häufigsten mit suizidalen Personen in Kontakt. Studien zufolge erleben 20 bis 30 % der Psychologen und ca. 50 % der Psychiater mindestens einen Patientensuizid im Rahmen ihrer Berufslaufbahn (Chemtob et al., 1988; Brown, 1989). Das empathische Verstehen der Innenwelt einer suizidalen Person in Balance mit teils erforderlichem direktivem Vorgehen, der Kontaktaufbau, die Beurteilung des aktuellen Suizidrisikos, die Einschätzung der Distanzierungs- und Absprachefähigkeit sowie die (langfristige) Behandlung suizidalen Erlebens und Verhaltens gehören sicher zu den schwersten und gleichzeitig verantwortungsvollsten Aufgaben und Herausforderungen für professionelle Helfer, die psychotherapeutisch und psychiatrisch tätig sind.

Dem gegenüber steht, dass es in den vergangenen Jahren eine sehr positive Entwicklung im Bereich der Suizidalitätsforschung gegeben hat, die sowohl die psychologische Theoriebildung (0’Connor & Nock, 2014) als auch die empirische Überprüfung von Kriseninterventions- und Psychotherapiekonzepten betreffen. Unser Anliegen als Autoren war es, einen Behandlungsleitfaden anzufertigen, welcher dieses Wissen zum Thema Suizidalität zusammenführt. Kern der Darstellung ist die praxisorientierte Beschreibung und fallbezogene Veranschaulichung von Strategien und Methoden der Risikoabschätzung, Krisenintervention und Therapie bei suizidalen Erwachsenen, Kindern, Jugendlichen und alten Menschen. Es werden verschiedene Verfahren und Konzepte zur Risikoabschätzung, zur Feinsteuerung der therapeutischen Beziehung, zur Analyse und Optimierung der motivationalen Ausgangslage und zur weiteren Ausgestaltung der Krisenintervention vorgestellt. In Bezug auf letztere wird zudem differenziert zwischen Krisenintervention bei akuter und bei hochakuter Suizidalität: Mit hochakuter Suizidalität sind dabei Situationen gemeint, in denen eine Person Gefahr läuft, einen Suizid unmittelbar zu vollziehen. Hinsichtlich der längerfristigen Therapie zur Modifikation suizidfördernder Faktoren werden sowohl Strategien der kognitiven Therapie als auch der dialektisch-behavioralen Therapie beschrieben. Spezifikationen für den Umgang mit suizidalen Kinder und Jugendlichen sowie älteren Erwachsenen werden auch jeweils aus der Perspektive dieser beiden Therapieformen benannt. In einem Gast-Kapitel stellen Eva-Lotta Brakemeier und Rebecca Knoop zudem den Umgang mit suizidalen Patienten im Rahmen des Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) vor. Während die antisuizdale Wirkung der kognitiven Therapie und der dialektisch-behavioralen Therapie bereits gut dokumentiert werden konnte, fehlt es bislang (noch) an entsprechenden Nachweisen für CBASP. Die besondere Fokussierung der Therapiebeziehung und verschiedene innovative Einzelmethoden lassen den Ansatz allerdings als sehr vielversprechend erscheinen, sodass uns eine Integration in das vorliegende Buch angemessen schien. Die Evidenzen für die im Buch dargestellten Behandlungsansätze inklusive pharmakologischer Interventionen werden in einem eigenen Kapitel umrissen.

Aspekte der Risikoabschätzung, Krisenintervention und Therapie sind nicht getrennt voneinander zu betrachten, sondern greifen vielmehr ineinander bzw. sind Teil voneinander. Folglich bauen die Praxis-Kapitel in diesem Buch weitgehend aufeinander auf und sollten bestenfalls entsprechend gelesen werden.

Der Praxisteil des Buches ist eingebettet in Informationen, die das praktische Handeln begründen bzw. ergänzen. In diesem Sinne wird einleitend zunächst eine Begriffsbestimmung vorgenommen, bevor ein Überblick über epidemiologische Daten und die jeweiligen Verläufe suizidaler Krisen gegeben wird. Ebenso wird über einzelne Risiko- und Schutzfaktoren sowie über mögliche Komorbiditäten informiert. Ergänzend werden psychologische Ätiologiemodelle vorgestellt, die für das differenzierte Verstehen, für die Risikoabschätzung und für die Behandlung suizidaler Patienten von besonderer Bedeutung sind. Schlussendlich wird ein Überblick über den Interventions- und Forschungsbereich der Postvention gegeben, der sich mit den Mitbetroffenen eines Suizides befasst. Hierzu können neben den Angehörigen |10|auch Mitpatienten oder auch die Behandler selbst zählen. Im letzten Kapitel des Buches wird auf zentrale rechtliche Aspekte im Umgang mit akuter Suizidalität eingegangen, deren Beachtung für Behandler von Relevanz ist.

Das Buch richtet sich in erster Linie an interessierte Fachleute, die regelmäßig mit dieser Thematik konfrontiert sind, wendet sich jedoch auch an jeden, der sich aus persönlichem Interesse eingehender mit der Thematik vertraut machen möchte. Ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde durchgängig die männliche Sprachform verwendet, wenngleich immer beide Geschlechter gemeint sind.

Bochum, Essen und Bonn, im Februar 2016

Tobias Teismann, Christoph Koban,

Franciska Illes und Angela Oermann

|11|Kapitel 1Definitionen, Häufigkeit und Risikofaktoren

1.1 Definition und Klassifikation suizidalen Erlebens und Verhaltens

Beispiele:

Sven B., ein 14-jähriger Realschüler, verfasst nach einem Streit mit seinen Eltern, einen Abschiedsbrief, schließt sich in sein Zimmer ein, nimmt fünf Paracetamol-Tabletten und legt sich schlafen. Am Morgen finden die Eltern den Abschiedsbrief. Sie wecken den Jungen und fahren mit ihm in die Notaufnahme einer Klinik. Hier berichtet Sven, dass er von der letalen Wirkung einer Paracetamolvergiftung gelesen hatte. Eine körperliche Schädigung aufgrund der Tabletteneinnahme zeigte sich nicht und Sven kann unmittelbar wieder mit nach Hause gehen.

Sören A., ein 32-jähriger Werbetexter, geht in der Silvesternacht in stark angetrunkenem Zustand zum nächstgelegenen Bahndamm und stellt sich auf die Gleise. Für ca. 30 Minuten bleibt er dort stehen und wünscht sich, tot zu sein. Er verlässt die Gleise als sich ein Güterzug nähert und geht nach Hause. Der Wunsch, tot zu sein, den er in der Nacht als sehr drängend wahrgenommen hat, ist am nächsten Morgen für ihn nicht mehr nachvollziehbar.

Die beiden skizzierten suizidalen Personen sind sich in ihrer jeweiligen aktuellen Ausgangslage, ihren Gefühlen und Motiven, ihren Gedankengängen und ihrem Verhalten einerseits ähnlich (u. a. bezüglich der Idee eines selbst gewählten Todes), andererseits unterscheiden sie sich aber auch deutlich hinsichtlich ihrer Handlungsentscheidungen. Was ist nun ein Suizidversuch? Auch wenn dies auf den ersten Blick relativ klar zu sein scheint, ist die Klassifikation im Einzelfall oftmals schwierig und verschiedene Behandler kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen. Schwierigkeiten bei der Klassifikation suizidalen Verhaltens ergeben sich vor allem daraus, dass idiosynkratrische Maßstäbe bei der Gewichtung von Intention und potenzieller Letalität der vollzogenen Handlung angesetzt werden. Die verschiedenen Betrachtungsweisen spiegeln sich in einer Vielzahl verschiedener Definitionen und Abgrenzungen suizidalen Verhaltens wieder. Bis heute existiert keine einheitliche international gebräuchliche Nomenklatur und Klassifikation suizidbezogener Gedanken und Verhaltensweisen. Erst im DSM-5 () wird mit der Kategorie „Suizidale Verhaltensstörung“ der Versuch unternommen, Suizidalität fokussiert zu klassifizieren; DSM-IV-TR () bietet dies nicht, sodass im Folgenden zunächst auf Klassifikationen suizidalen Erlebens und Verhaltens jenseits vom DSM eingegangen wird.

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