Grübeln - Tobias Teismann - E-Book

Grübeln E-Book

Tobias Teismann

4,7

Beschreibung

Grübeln belastet und kann zum Entstehen von Depressionen beitragen und sie aufrecht erhalten. In diesem Buch erfahren Sie, was Grübeln von anderen Formen des Nachdenkens unterscheidet und welche Ursachen es dafür gibt. Viel-Grübler/innen lernen, fruchtloses Grübeln zu überwinden. Dieses Buch informiert über den neuesten Wissensstand zu Erscheinungsbild, Ursachen und Konsequenzen häufigen Grübelns, in der Psychologie auch Rumination genannt (von lat. ruminare = wiederkäuen). Der erfahrene Psychotherapeut Dr. Tobias Teismann schafft mit seinem Buch Abhilfe und vermittelt ein nachweislich erfolgreiches Programm zur Überwindung depressiven Grübelns. Wie es funktioniert, erklärt der Autor leicht verständlich und mit vielen praktischen Beispielen. Das Buch enthält ausführliches Übungsmaterial, das seinen Lesern auch als Download zur Verfügung gestellt wird.

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Tobias Teismann

Grübeln

Wie Denkschleifen entstehen und wie man sie löst

Tobias Teismann

Grübeln

Wie Denkschleifen entstehen und wie man sie löst

unter Mitarbeit von Ruth von Brachel, Sven Hanning & Ulrike Willutzki

BALANCE ratgeber

Tobias Teismann:

Grübeln. Wie Denkschleifen entstehen und wie man sie löst.

BALANCE ratgeber

3., korrigierte Auflage 2018

ISBN Print: 978-3-86739-081-1

ISBN PDF: 978-3-86739-853-4

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© BALANCE buch + medien verlag, Köln 2014, 2018

Der BALANCE buch + medien verlag ist

ein Imprint der Psychiatrie Verlag GmbH, Köln.

www.balance-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne Zustimmung des Verlags vervielfältigt, digitalisiert oder verbreitet werden.

Lektorat: BALANCE buch + medien verlag, Köln

Umschlagkonzeption: GRAFIKSCHMITZ, Köln, unter Verwendung eines Fotos von Marijus Auruskevicius/ shutterstock.com Typografie und Satz: Iga Bielejec, Nierstein

Druck und Bindung: Westermann Druck Zwickau

Sprecher der Audioübungen: Matthias Grillenberger

Abbildungen auf S. 63 und S. 127: Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Springer Science+Business Media.

Übung auf S. 96: Abdruck mit freundlicher Genehmigung des DGVT-Verlags.

Die Arbeitsblätter zu diesem Buch können Sie unter

www.balance-verlag.de/buecher/detail/book-detail/gruebeln.html herunterladen. Das Passwort lautet gruebel101.

Einleitung

Grübeln: was es ist und wie es sich auswirkt

Wann spricht man von Grübeln?

Was unterscheidet Grübeln von anderen Arten des Nachdenkens?

Wie wirkt sich Grübeln aus?

Ein Netzwerk von Gedanken und Gefühlen

Wie das Grübeln untersucht wird

Wie wirkt sich Grübeln auf die Stimmung aus?

Wie wirkt sich Grübeln auf das Denken aus?

Wie wirkt sich Grübeln auf die Fähigkeit, Probleme zu lösen, aus?

Wie wirkt sich Grübeln auf Motivation und aktives Verhalten aus?

Wie wirkt sich Grübeln auf soziale Beziehungen aus?

Wie wirkt sich Grübeln auf das Überwinden traumatischer Erlebnisse und auf Ängste in sozialen Situationen aus?

Wie wirkt sich Grübeln auf die körperliche Gesundheit aus?

Wer neigt zum Grübeln?

Ursachen depressiven Grübelns

Versprechungen des Grübelns

Besorgnis über das Grübeln

Gedanken sind Gedanken und nicht die Realität

Grübeln lohnt sich manchmal – zumindest kurzfristig

An negativen Informationen kleben

Überwinden depressiven Grübelns

Grübeln unter der Lupe

Aufmerksamkeit und Konzentration schulen

Exkurs: Achtsamkeitsmeditation und Aufmerksamkeit

Kontrollerfahrungen machen

Ablenkung

Aktivität

Aufmerksamkeit auf gegenwärtige Sinneseindrücke

Vorsicht Falle: Gedankenunterdrückung

Grübelaufschub und Grübelzeiten

Provokationen achtsam begegnen

Versprechungen des Grübelns prüfen

Probleme auf konkrete Weise angehen

Emotionale Verarbeitung

Aufschreiben, was einen bewegt

Über persönliche Ziele schreiben

Üben, üben, üben

Hilft das alles?

Literaturverzeichnis

Einleitung

Wir alle kennen Situationen, in denen wir in Gedanken versunken sind, in denen sich unsere Gedanken immer wieder um das Gleiche drehen und wir es beim besten Willen nicht schaffen, unsere Aufmerksamkeit von Erinnerungsbildern, Konflikten und Kränkungen zu lösen. Während es den meisten Menschen also nicht fremd ist, von Zeit zu Zeit ins Grübeln zu geraten, leiden andere unter fortwährenden Grübeleien, die durch kleinste Anlässe ausgelöst werden und dann schnell eine unfreiwillige, selbstquälerische und lähmende Dynamik entwickeln.

Mittlerweile bestätigten sich die Annahmen von Nolen-Hoeksema in zahlreichen Untersuchungen: Frauen neigen stärker zum Grübeln als Männer, und Grübeln bedingt tatsächlich eine Intensivierung negativer Stimmung. Entsprechend hat sich das wissenschaftliche Verständnis häufigen Grübelns gewandelt: Grübeln ist nicht nur eine Begleiterscheinung negativer Stimmung, sondern selbst eine wichtige Ursache für die Entstehung, Intensivierung und Aufrechterhaltung negativer Gefühle. Und nicht nur dies. Zunehmend wird deutlich, dass Personen, die unter häufigem Grübeln leiden, ein erhöhtes Risiko tragen, an psychischen Störungen zu erkranken. Besonders intensiv wurde der Zusammenhang zwischen Grübeln und Depressionen untersucht. Weitere Untersuchungen beschäftigten sich mit dem Zusammenhang zwischen Grübeln und Ängsten, Schlafstörungen, Schmerzen und körperlichen Erkrankungen.

Seit circa fünfzehn Jahren wird dem Grübeln auch in der Psychotherapie vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt. Verschiedene neue Entwicklungen im Kontext der kognitiven Verhaltenstherapie – wie beispielsweise die »achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie« und die »metakognitive Therapie« – machen das Grübeln zum Ansatzpunkt für therapeutische Veränderung. Diesen Ansätzen ist gemeinsam, dass weniger der Inhalt des Denkens im Fokus steht und mehr die Art und Weise, wie Menschen über persönlich belastende Themen nachdenken.

Der Perspektivwechsel liefert neue Ansatzpunkte und neue Veränderungsmöglichkeiten. Beklagt ein Patient beispielsweise, dass ihn keiner seiner Kollegen mag, würde man in der »klassischen« kognitiven Verhaltenstherapie infrage stellen, ob diese Gedanken tatsächlich zutreffen, welche Anhaltspunkte für bzw. gegen diese Idee sprechen. Die neuen therapeutischen Ansätze stellen hingegen die Frage, ob der grüblerische Umgang mit dieser Idee dem Patienten hilft, sich so zu fühlen und zu verhalten, wie er es gerne möchte. Zudem werden alternative Wege des Umgangs mit belastenden Gedanken erprobt und eingeübt.

An der Ruhr-Universität Bochum beschäftigen wir uns in einer Arbeitsgruppe ebenfalls seit knapp zwölf Jahren mit dem Grübeln. Wir haben diverse Untersuchungen selbst durchgeführt, ein Gruppenprogramm entwickelt und erprobt und in unserer Ambulanz, dem Zentrum für Psychotherapie, mittlerweile eine Vielzahl Betroffener behandelt. Wir glauben, dass sich viele Strategien gut auch ohne therapeutische Unterstützung umsetzen lassen. Darum ist dieses Buch entstanden.

Unser Buch informiert Sie zunächst über den aktuellen Wissensstand zu Erscheinungsbild, Ursachen und Konsequenzen häufigen Grübelns. Es wird erläutert, was man in der klinischen Praxis und in der Wissenschaft unter Grübeln versteht, wie Grübeln in Studien untersucht wird, wie sich fortwährendes Grübeln auswirkt und wie man sich erklärt, dass Grübeln zu einem anhaltenden Problem werden kann. Falls Sie sich nicht so für die wissenschaftlichen Hintergründe interessieren, dann können Sie auch unmittelbar zu den praktischen Hilfen ab S. 57 übergehen. Hier stellen wir Ihnen ein Programm zur Überwindung depressiven Grübelns vor, das in weiten Teilen auf Strategien der metakognitiven Therapie basiert. Den Nutzen der beschriebenen Techniken für die Überwindung anhaltenden Grübelns und die Verbesserung des persönlichen Wohlbefindens konnten wir in einer eigenen Untersuchung nachweisen. Auf diese Untersuchung werden wir am Ende des Buches eingehen.

Die im Buch abgedruckten Arbeitsmaterialien und zwei Audiodateien können auf der Internetseite www.balance-verlag.de/buecher/detail/book-detail/gruebeln.html heruntergeladen werden. Das Passwort lautet gruebel101.

Grübeln: was es ist und wie es sich auswirkt

Wann spricht man von Grübeln?

Grübeln ist dadurch gekennzeichnet, dass man von negativen Gedanken über die eigene Person, über vergangene bzw. gegenwärtige Entscheidungen, Begegnungen oder Geschehnisse nicht loskommt. Immer wieder drehen sich die Gedanken um vermeintliche Schwächen, Misserfolge und Betrübnisse. Anfangs kreisen die Gedanken dabei meist um ein konkretes Ereignis (z.B. »Warum hat mein Nachbar mich heute Morgen nicht gegrüßt?«). Doch mit der Zeit greifen sie auf andere Ereignisse und Erfahrungen über und schließlich wenden sich die Gedanken allgemeineren Themen, dem Großen und dem Ganzen zu: »Lebe ich das Leben, das ich leben sollte?« »Warum kann ich nie richtig glücklich sein?« »Warum mache ich es mir immer so schwer?« Die Gedanken werden also immer abstrakter und die Wahrscheinlichkeit, dass einem eine Antwort auf seine Fragen einfällt, wird zunehmend geringer. Gleichzeitig wird das Denken immer negativer. Man setzt sich nicht neutral und neugierig mit seiner eigenen Person, dem eigenen Erleben und Verhalten auseinander, sondern betrachtet sich zunehmend selbstkritisch und abwertend. Daraus folgt, dass das Denken in einer passiven Betrachtung persönlicher Verfehlungen und Unzulänglichkeiten verharrt.

Zusammenfassend beschreibt Grübeln also eine Kette von Gedanken und Vorstellungen, die

sich wieder und wieder um ähnliche Inhalte drehen,

sich auf vergangene oder gegenwärtige Erfahrungen beziehen,

eher abstrakter Natur sind und

nicht auf eine Lösung oder Veränderung ausgerichtet sind.

Grübeleien treten vor allem am Morgen und am Abend vermehrt auf. Typischerweise drehen sich Grübeleien um zwischenmenschliche Beziehungen und Konflikte, die eigene geistige und körperliche Gesundheit, negative Erinnerungen, die Frage, ob bestimmte Entscheidungen wohl richtig waren, oder es geht um den eigenen (Selbst-)Wert.

BEISPIELE Bei Monika Zwerch, einer 32-jährigen Hausfrau, drehen sich die Grübeleien stets um die Frage, warum sie sich vor sechs Jahren auf die Ehe mit ihrem wortkargen, einzelgängerischen Mann eingelassen hat und ob sie sich nun trennen soll oder nicht. Konkrete Anlässe für ihr langwieriges Gedankenkreisen können bereits kleinste Äußerungen ihres Mannes sein. In solchen Momenten denkt sie zunächst darüber nach, warum er dieses und jenes gesagt und wie er es gemeint haben könnte. Später wirft sie sich dann vor, dass sie so passiv ist, dass sie es nicht besser verdient hat und dass sie ohnehin zu unattraktiv ist, um jemals einen anderen Partner zu finden.

Richard Bisinger, ein 50-jähriger selbstständiger Handelskaufmann, kann den Anlass für seine Grübeleien meist gar nicht benennen. Häufig passiert es ihm schon morgens am Frühstückstisch, dass er in Grübeleien versinkt. Die Gedanken über das Aus seiner Partnerschaft nach zwanzig Jahren Ehe nehmen ihn dann so ein, dass er gar nichts mehr um sich herum mitbekommt und erst nach 20 bis 30 Minuten wieder aus seinen Gedanken »auftaucht«. Er ist dann wie gelähmt.

Während gelegentliches Grübeln über akute Belastungen und Entscheidungen sicher von den meisten Menschen gut weggesteckt wird, verursacht gewohnheitsmäßiges, lang anhaltendes oder häufig wiederkehrendes Grübeln oftmals deutliches Leiden bei den Betroffenen – zumal sie das viele Grübeln nüchtern betrachtet als sinnlose Zeitverschwendung erleben.

Es existiert allerdings keine klar definierte Trennlinie zwischen unproblematischem Gelegenheitsgrübeln und krankhaftem Dauergrübeln. Inwieweit etwas gegen wiederkehrende Grübeleien unternommen werden sollte, entscheidet somit einzig der Leidensdruck der Betroffenen. Eine Bestandsaufnahme der Art des persönlichen Zu-viel-Denkens kann mit den folgenden Aussagen vorgenommen werden (vgl. EHRING u. a. 2011). Welche treffen auf Sie zu?

ÜBUNGPersönliche Grübelneigung

Nach belastenden Ereignissen oder in negativer Stimmung ...

... gehen mir dieselben Gedanken immer und immer wieder durch den Kopf.

... denke ich an all meine Probleme, ohne eines von ihnen zu lösen.

... stelle ich mir immer wieder Fragen, auf die ich keine Antwort finde.

... verhindern meine vielen Gedanken, dass ich mich konzentrieren kann.

... fühle ich mich gezwungen, immer wieder über das Gleiche nachzudenken.

... nehmen meine Gedanken meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch.

... kommen mir Erinnerungen und Gedanken an das Ereignis auch dann in den Kopf, wenn ich gar nicht daran denken will.

... beginne ich, über meine Vergangenheit, Personen, die mich verletzt haben, Fehler, die ich gemacht habe, und andere schlechte Erlebnisse in meiner Lebensgeschichte nachzudenken.

Was unterscheidet Grübeln von anderen Arten des Nachdenkens?

Nicht alle Gedanken, die sich wieder und wieder um vergleichbare Inhalte drehen, werden als Grübeln bezeichnet. Natürlich ist es wichtig, zwischen ungünstigen Grübeleien und hilfreichem Nachdenken zu differenzieren. Unter einer klinisch-psychotherapeutischen Perspektive kommt es außerdem darauf an, Grübeln von Sorgen und von Zwangsgedanken zu unterscheiden.

Sorgen: In der psychologischen Forschung ist Grübeln etwas anderes als Sichsorgen. Sorgen beschäftigen sich vor allem mit »Was ist, wenn ...?«-Fragen, d. h. damit, was in der Zukunft möglicherweise geschehen könnte: »Was ist, wenn ich die Schule nicht schaffe? Was ist, wenn die Verabredung nicht gut läuft? Was ist, wenn ich Angst bekomme?« Grübeleien drehen sich hingegen in erster Linie um »Warum?«-Fragen, d. h. nicht um mögliche Ereignisse in der Zukunft, sondern um Ereignisse, die bereits eingetreten sind: »Warum kann ich nicht richtig fröhlich sein? Warum musste mir das passieren? Was hat das zu bedeuten, dass ich mich so schlecht konzentrieren kann?« Sorgen zielen darauf ab, vor zukünftigen Gefahren zu schützen, während Grübeln eher dazu dient, die Bedeutung von eingetretenen Situationen und Ereignissen zu erfassen (siehe die Abbildung auf der nächsten Seite). Sorgen werden eher von Angst, Grübeleien von Gefühlen von Traurigkeit begleitet.

Häufig gehen Sorgen- und Grübelprozesse aber miteinander einher, und viele der im praktischen Teil des Buches (ab S. 57) beschriebenen Strategien eignen sich nicht nur zur Auseinandersetzung mit Grübeleien, sondern auch dazu, sich weniger Sorgen zu machen.

Zwangsgedanken: Zwangsgedanken nennt man Gedanken, Vorstellungsbilder oder Handlungsimpulse, die sich den Betroffenen aufdrängen und die als unangemessen, beängstigend, abstoßend und abscheulich erlebt werden (»So etwas darf man gar nicht denken!«). Typische Zwangsgedanken sind: »Ich könnte mein Kind erstechen!«, »Gleich werde ich aufspringen und laut schreien!«, »Ich könnte mich mit einer schlimmen Krankheit infiziert haben und muss jetzt alles dafür tun, andere vor der Infektion zu schützen!«. Durch solche Gedanken fühlen sich viele Betroffene zu Verhaltensweisen gezwungen, die ihnen im Nachhinein als übertrieben und sinnlos erscheinen. Sie »müssen« sie aber ausführen, um eine vermeintliche Katastrophe zu verhindern und unangenehme Empfindungen zu reduzieren. Solche Verhaltensweisen können offen beobachtbar sein (z. B. alle Messer aus dem Haus verbannen, fortwährendes Händewaschen und Desinfizieren, Dinge immer wieder kontrollieren) oder nur gedanklich geschehen (z. B. »gute« Gedanken denken, zählen). Eine Art gedanklicher Reaktion auf Zwangsgedanken kann das »zwanghafte Grübeln« (auch als »Denkzwang« bezeichnet) sein. Dabei werden vergangene Situationen immer wieder durchdacht, um Sicherheit vor den Inhalten der Zwangsgedanken zu gewinnen (z. B. »Habe ich mir wirklich die Hände gewaschen, nachdem ich die Türklinke berührt habe?«).

Aufdringliche Zwangsgedanken und auch das fortgesetzte Nachgrübeln über diese werden von den Betroffenen als persönlichkeitsfremd erlebt (»Ich weiß überhaupt nicht, warum ich immer wieder solche albernen Gedanken habe«). Personen, die zu depressivem Grübeln neigen, haben hingegen oft den Eindruck, dass das Grübeln zu ihnen gehört, Teil ihrer nachdenklichen Art ist (»So bin ich eben«). Zudem entzünden sich depressive Grübeleien in der Regel nicht an Gedanken, die dem Betroffenen als abstoßend und abstrus erscheinen (»Ich könnte mein Kind erstechen«), sondern an Ideen, die ihnen traurig, aber realistisch erscheinen (»Ich bin ein Versager«).

Für den Umgang mit zwanghaften Grübeleien eignen sich die im dritten Teil des Buches beschriebenen Strategien nur begrenzt. Interessierten Lesern sei das Selbsthilfebuch von Susanne FRICKE und IVER HAND (2013) empfohlen.

Problemlösendes Nachdenken: Problemlösendes Denken unterscheidet sich von Grübeln durch eine stärkere Zielbezogenheit und dadurch, dass konkrete Lösungsmöglichkeiten für ein bestimmtes Problem erwogen und in ihren Konsequenzen durchdacht werden. Die Auseinandersetzung erfolgt sachorientiert und auf eine wenig selbstabwertende Weise. Wenn man Probleme löst, beschäftigt man sich mit »Wie?«-Fragen: »Wie kann ich mein Ziel erreichen?«, »Wie sollte ich konkret vorgehen?«, »Wie kann ich mit einer Entscheidung vorankommen?«. Grübeln hingegen ist vergangenheitsorientiert. Es dreht sich um die Suche nach Gründen und Ursachen. Grübelnde stellen »Warum?«-Fragen. Beim Grübeln werden keine konkreten Lösungsmöglichkeiten geprüft, stattdessen wird von einem Thema zum nächsten gewechselt, ohne dass eines zu einem Abschluss gebracht wird.

Zur Verdeutlichung des Unterschieds zwischen zielführendem Nachdenken und Grübeln empfiehlt WATKINS (2016) das folgende Gedankenexperiment:

ÜBUNGWie-Warum-Experiment

Versuchen Sie bitte, sich die folgende Situation sehr lebhaft vorzustellen: Sie haben einen sehr wichtigen Termin – ein Vorstellungsgespräch, eine Prüfung, Sie müssen ein Flugzeug erreichen etc. Als Sie sich aufmachen wollen, stellen Sie fest, dass Ihr Auto nicht anspringt. Stellen Sie sich vor, dass sie wirklich in Eile sind.

1 Beschäftigen Sie sich nun im Geist für eine Minute mit den folgenden Fragen: Warum muss mir das passieren? Was mache ich nur falsch? Was funktioniert denn hier nicht? Warum können die Dinge nicht einfach mal laufen?

Schätzen Sie jetzt auf der folgenden Skala ein, wie resigniert Sie sich fühlen würden:

2 Stellen Sie sich nun erneut das gleiche Szenario vor und beschäftigen Sie sich im Geist für eine Minute mit den folgenden Fragen: Wie kann ich pünktlich zu meinem Termin erscheinen? Wie gehe ich jetzt am besten vor? Wie komme ich möglichst schnell hier weg? Wie entscheide ich mich am besten für einen Lösungsweg?

Schätzen Sie jetzt auf der folgenden Skala ein, wie resigniert Sie sich fühlen würden:

Den meisten Leuten geht es so, dass die Beschäftigung mit den Grübelgedanken in einem stärkeren Maße zu Gefühlen von Resignation beiträgt als die Beschäftigung mit den handlungsbezogenen Fragen.

Während sich grüblerisches Denken und problemlösendes Denken in vielen Fällen somit gut voneinander unterscheiden lassen, gibt es einen großen Überschneidungsbereich, in dem diese Unterscheidung nicht leicht zu treffen ist. Der Übergang zwischen Denken und Grübeln ist oft fließend und oft beginnen Grübeleien als Versuch, Probleme zu verstehen und zu lösen (siehe Abbildung).

Wie wirkt sich Grübeln aus?

In den vergangenen dreißig Jahren konnte in einer großen Zahl von Studien gezeigt werden, dass häufiges Grübeln

zu einer Intensivierung und Aufrechterhaltung negativer Stimmung beiträgt;

eine Zunahme negativer Gedanken, Erinnerungen, Interpretationen und Bewertungen bewirkt;

den Antrieb verringert;

die Problemlösefähigkeiten beeinträchtigt;

zwischenmenschliche Beziehungen belastet und

psychische Störungen wie Depression oder soziale Ängste (mit-)bedingen kann.

Aber wieso wirkt sich Grübeln eigentlich so ungünstig aus? Personen, die in schlechter Stimmung anfangen zu grübeln, scheinen in einen Teufelskreis hineinzugeraten: Je mehr sie grübeln, umso mehr negative Erinnerungen fallen ihnen ein, umso schlechter denken sie über sich selbst und ihr Leben und umso pessimistischer bewerten sie ihre Möglichkeiten. Die eigene Situation erscheint immer hoffnungsloser, die Motivation, aktiv nach Lösungen zu suchen, schwindet. In der Konsequenz nimmt die negative Stimmung weiter zu, die Situation bleibt ungelöst, und die passiv-negative Haltung strengt Freunde und Familienmitglieder zunehmend an – so entsteht Stoff für weitere Grübeleien. NOLEN-HOEKSEMA (2006) spricht treffend vom »Hefeteigeffekt« des Grübelns: Negative Gedanken gehen auf in weiteren negativen Gedanken, und Apathie mündet in noch mehr Apathie. Die folgende Abbildung verbildlicht die Zusammenhänge.

Ein Netzwerk von Gedanken und Gefühlen

Dass man sich in negativer Stimmung so leicht an andere negative Erlebnisse erinnert, liegt daran, wie Informationen in unserem Gedächtnis gespeichert werden. Gordon BOWER (1981) hat dazu eine Theorie aufgestellt. Er geht davon aus, dass Gefühle, Gedanken, Erinnerungen und körperliche Reaktionen in unserem Gedächtnis wie in einem Netz miteinander verbunden sind. Gedanken, Erinnerungen, Gefühle und Körperreaktionen, die oft gemeinsam auftreten, sind in diesem Netz eng miteinander verknüpft, wohingegen Erinnerungen, Gefühle und Körperreaktionen, die selten gemeinsam auftreten, kaum miteinander verbunden sind. Erinnerungen an Ereignisse, in denen man sich blamiert hat, Schamgefühle und Körperreaktionen wie Erröten