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Weder Baseballkappen noch Cowboystiefel sind vor dem berüchtigten Dieb der Schule sicher! Zum Glück sind ihm Hobbykoch Pudding-Pauli und seine beste Freundin Rosi schon auf der Spur. Doch bald drängt sich die Frage auf: Stehen sie wirklich auf der guten Seite oder jagen sie jemanden, der für Gerechtigkeit sorgt?
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Seitenzahl: 169
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Christine Nöstlinger (1936-2018 in Wien) schrieb für Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Sie war sozial und gesellschaftspolitisch engagiert und erlangte vorrangig als Kinderbuchautorin international Anerkennung. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Andersen Award und dem Astrid-Lindgren-Preis. Generationen von Leser*innen hat sie mit ihrem Witz und unkonventionellen Denken erfreut, nachdenklich und mutiger gemacht – eine Kunst, die sie konkurrenzlos beherrschte.
Mehr zu Christine Nöstlinger auf: www.christine-noestlinger.at
Pudding Pauli serviert ab
von Christine Nöstlinger
1. Digitale Auflage 2022
www.ggverlag.at
ISBN E-Book: 978-3-7074-1756-2
ISBN Print: 978-3-7074-2501-7
In der aktuell gültigen Rechtschreibung
Coverillustration: Barbara Fisinger
Innenillustrationen: Barbara Fisinger
© 2020 G&G Verlagsgesellschaft mbH, Wien
Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Vervielfältigung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe sowie der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme, gesetzlich verboten.
Sein dritter Fall
Christine Nöstlinger
Mit Rezepten von Elfriede Jirsaund Illustrationen von Barbara Fisinger
1. Kapitel,
in welchem der gesunde Salat vergessen wird und der Pauli weit und breit kein brauchbares Motiv erkennen kann.
2. Kapitel,
in welchem etliche Klopapierrollen über die Straße kullern und der Pauli nachher wieder einmal demütig dackeln muss.
3. Kapitel,
in welchem es zu Mittag nur Salat gibt und der Pauli den Kreis der Verdächtigen gewaltig schrumpfen lässt.
4. Kapitel,
in welchem der Pauli einen falschen Silberstreifen am Horizont erblickt und die Rosi Spinat essen muss.
5. Kapitel,
in welchem der Pauli zuerst Trübsal bläst und dann dank Rosis Tante Marion wieder voll Hoffnung wird.
6. Kapitel,
in welchem die Rosi eifersüchtig wird, der Pauli Schinkenfleckerln macht und die Rosi eine Idee hat, die der Pauli selbst gern gehabt hätte.
7. Kapitel,
in welchem die Rosi Hinterteile inspiziert, der Pauli meint, sich in einer Lebenskrise zu befinden, und das Mittagessen zur Jause wird.
8. Kapitel,
in welchem der Pauli Kirsch-Paradeiser füllt und zehn Blätter Zeichenpapier verbraucht und ihm die Rosi die Freundschaft vorübergehend aufkündigt.
9. Kapitel,
in welchem die verfressene Rosi von Hunger geplagt wird, der Pauli gemogelten Durchfall hat und ein vermischter Haufen die ganze Schule in Aufregung versetzt.
10. Kapitel,
in welchem – außer zwei Croissants – nichts gegessen wird, der Pauli angeblich „verstockt“ ist und die Rosi der ganzen Sache ein kurzes, aber nicht schmerzloses Ende bereitet.
Rezepte
Glossar
Pauli Pistulka, zwölf Jahre und zwei Monate alt, von seinen Freunden Pudding-Pauli oder bloß Pudding genannt, saß hinter seinem Pult in der 3a und kratzte mit der Taschenmesserklinge eingetrockneten Kaugummi von der Sohle seines linken Schulschlapfens. Seine Pulthälfte war bereits mit winzigen Kaugummibröseln eingesaut.
„Würden Herr Pistulka augenblicklich diesen dreckigen Schuh vom Pult entfernen!“, erregte sich die Dr. Krautsack, die für Rügen merkwürdigerweise gern die dritte Person Mehrzahl wählt.
„Bin sowieso gleich fertig“, murmelte der Pauli in aller Seelenruhe und kratzte emsig weiter.
„Augenblicklich habe ich gesagt, nicht gleich!“, rief die Dr. Krautsack vergrämt. „Haben Herr Pistulka verstanden oder brauchen vielleicht eine schriftliche Einladung?“
„War ja wohl laut genug“, sagte der Pauli freundlich und kratzte unbeeindruckt drauflos.
Die Dr. Krautsack marschierte vom Lehrertisch zu Paulis Pult, riss dem Pauli den Schulschlapfen aus den Händen und knallte ihn auf den Boden.
Der Schulschlapfen überschlug sich zweimal und landete neben dem Pult vom Moritz. Der Moritz kickte den Schulschlapfen nach vorne zum Nenad, der Nenad schoss ihn quer durch die Klasse zur Verena, die Verena trat ihn an den Felix weiter, der Felix ließ ihn zur Maria rüberflutschen und die Maria schubste ihn nach hinten zur Rosi, dem Pult-Co vom Pauli.
Die Rosi schob den Schulschlapfen zu Paulis linken Fuß und der Pauli schlüpfte rein.
„Du bist aber echt wieder einmal die totale Spaßbremse!“, zischte der Axel, der hinter der Rosi sitzt.
Die Dr. Krautsack kehrte zum Lehrertisch zurück und sprach: „Wir wenden uns nach diesem unerfreulichen Vorkommnis wieder mit voller Aufmerksamkeit der zweiten Türkenbelagerung zu!“
Und die Rosi drehte sich zum Axel und zischte retour: „Manche Späße sind eben unter meinem Niveau!“
Die Dr. Krautsack schilderte bewegt, wie nach zweimonatiger Belagerung von Wien endlich der Herzog Karl von Lothringen das Entsatzheer heranführte und gemeinsam mit dem Polenkönig Johann Sobieski von den Hängen des Wienerwalds tapfer die türkischen Belagerer angriff. Währenddessen kritzelte der Pauli auf seinem Schmierblock eine Einkaufsliste für das Mittagessen, und die Rosi linste ihm unauffällig über die schreibende Hand, weil sie wissen wollte, was es heute zum Mittagessen geben wird.
Der Pauli und die Rosi haben nämlich keine Hausfrauen-Mütter, die daheim mit dem Mittagessen auf sie warten, sondern Mamas mit Fulltime-Job, und weil ihre Schule leider keine Ganztagsschule ist und sie auch nicht in einen Hort gehen wollen, müssen sie unter der Woche selber für ihre Mittagessen und ihre Jausenbrote sorgen. Also, eigentlich sorgt der Pauli allein für das Mittagessen und die Jausenbrote. Er kocht nämlich sehr gern und auch sehr gut. Dafür sorgt die Rosi für die Mathematik-Hausübungen. Weil sie sehr gern rechnet. Und auch sehr gut. Während der Pauli kocht, schreibt die Rosi ihre eigene und Paulis Mathe-Hausübung. Wobei sie Paulis krakelige Ziffern und Buchstaben perfekt nachmacht. An den Tagen, an denen es keine Mathe-Hausübung zu machen gibt, kocht der Pauli natürlich auch für die Rosi. Er ist ja nicht kleinlich.
Die Dr. Krautsack war bei den Säcken mit ungebrannten Kaffeebohnen angekommen, welche die flüchtenden Türken den staunenden Wienern bei der Flucht hinterlassen hatten, da ratschte die Schulglocke den Unterricht für heute aus und die Dr. Krautsack, eine äußerst pünktliche Beenderin des Unterrichts, verließ die Klasse.
Die Rosi schnappte sich Paulis Einkaufsliste. „Was wird denn das Schönes?“, fragte sie.
„Gemüse-Nudel-Auflauf“, sagte der Pauli. „Mit Champignons und jungen Erbserln und Brokkoli.“
„Nein, Pudding, also echt nicht!“, protestierte die Rosi. „Das dauert doch ewig, bis so ein Auflauf aufgelaufen ist, und ich bin jetzt schon total am Verhungern.“
„Dann mach halt einen besseren Vorschlag!“, verlangte der Pauli und schaute ein Häuchlein beleidigt drein.
Auf dem Weg in den Keller runter, zu den Garderoben, überlegte die Rosi, was sie heute gern essen würde. Doch alles, was ihr einfiel, dauerte entweder genauso lang wie ein Nudel-Gemüse-Auflauf, oder es war sauteuer. Und es war schon Donnerstag, und im Geldtopf, in den die Rosi und der Pauli jeden Montag ihr „Kostgeld“ legen, war sicher nicht mehr viel drin. Und die Rosi will nicht, dass der Pauli im Supermarkt mit seinem Taschengeld bezahlt, wenn der Kostgeldtopf leer ist. Obwohl der Pauli behauptet, dass es nur gerecht ist, wenn er mehr zahlt als die Rosi. Weil er ja auch viel mehr Geld hat. Der Pauli ist nämlich ein echter Taschengeld-Kaiser. Er kassiert reichlich von seiner Mama, noch reichlicher von seinem geschiedenen Papa, und sooft er seine Großmutter besucht, spendiert sie ihm großzügig zum Abschied einen Zwanziger oder einen Fünfziger, manchmal sogar einen Hunderter. Angeblich nur deswegen, weil sie – vermutet Paulis Mama – immer noch in Schillingen denkt und vergisst, dass Euros viel mehr wert sind.
Echte Freunde, erklärt der Pauli der Rosi immer, kennen kein „Mein und Dein“, die teilen alles, und wenn sie das nicht tun, sind sie mickrige Geizkrägen! Aber die Rosi besteht trotzdem darauf, dass sie mit dem Geld aus dem Kostgeldtopf auskommen müssen. Doch der Pauli trickst sie oft aus und legt heimlich Geld in den Topf rein! Und an den Samstagen fährt er mit seiner Mama in einen riesigen Supermarkt, und dort packt er allerhand in den Einkaufswagen, was er für die Mittagessen der nächsten Woche gut brauchen kann. Und seine Mama ist nicht so knickrig, ihn für diese Lebensmittel extra bezahlen zu lassen.
Als der Pauli und die Rosi zur Kellertreppe kamen, hörten sie aus dem Keller aufgeregtes Geschrei.
„Was ist denn da unten los?“, fragte der Pauli einen aus der 3b, der gerade die Treppe hochkam.
„Es ist schon wieder etwas gestohlen worden!“, sagte der aus der 3b.
„Eine nagelneue, angeblich sündhaft teure Regenjacke von einem Girl aus einer Ersten.“
„Oh du Hölle! Das ist schon der dritte Diebstahl in dieser Woche“, sagte die Rosi. „Das wächst sich ja schön langsam zu einer echten Pandemie aus!“
„Das kannst laut sagen“, murmelte der aus der 3b und stieg weiter die Treppe rauf.
Die Rosi und der Pauli jappelten die Treppe runter. Gleich am Ende der Treppe, vor dem Gitterkäfig, in dem die Spinde der 1a sind, waren jede Menge Schüler versammelt und redeten und kreischten aufgeregt durcheinander. Die Rosi und der Pauli wurstelten sich an ihnen vorbei zum 3a-Gitterkäfig, wo die Hälfte ihrer Klassenkollegen ebenfalls aufgeregt am Diskutieren war.
„So geht es aber wirklich nicht weiter!“, rief der Nenad, „die Käfige müssen abgesperrt werden und die Schlüssel kommen zum Schulwart. Dann ist dem Dieb das Handwerk gelegt.“
„Dann müsste aber jemand in jedem Käfig bis zum Acht-Uhr-Läuten im Keller bleiben und Wache halten“, wandte der Pauli ein.
„Und erst beim Läuten zusperren!“
„Und dann stehst du jeden Tag vor einer versperrten Käfigtür“, sagte die Verena.
Der Pauli kommt nämlich sehr oft zu spät in die Schule.
„Dann muss er sich eben den Käfigschlüssel vom Schulwart holen“, sagte die Lea.
„Okay!“, sagte der Pauli. „Aber dann wären auch nur die Garderoben sicher. Und seit Neuestem wird doch überall im Haus gestohlen. Sogar im Schulhof.“
„Sogar vor der Schule!“, rief der Moritz. „Der Michi Meierberg aus der Fünften hat seinen Rucksack auf den Stufen beim Tor abgestellt und mit ein paar anderen ein bisschen gequatscht und plötzlich ist der Rucksack futsch gewesen!“
„Einfach hinter seinem Hintern weggefladert!“, sagte der Joschi.
„Die Frechheit musst du dir geben!“
Der Pauli und die Rosi schlüpften in ihre Jacken und in ihre Straßenschuhe, sagten „Bis morgen dann, die Herrschaften“, verließen die aufgeregten Kollegen, liefen die Treppe hoch und aus dem Schulhaus.
„Wird schön langsam Zeit, dass du meldest, was du essen willst“, sagte der Pauli.
„Lass einfach die Nudeln und das Gemüse nicht auflaufen!“, schlug die Rosi vor. „Vermisch bloß das gekochte Zeug. Das geht dann schnell und schmeckt auch!“
„Da mach ich lieber gleich Spaghetti carbonara“, sagte der Pauli. „Da brauchen wir gar nicht in den Supermarkt zu gehen, da hab ich alles daheim.“
Rezept Seite
148
„Salat auch?“, fragte die Rosi.
„Sowieso“, sagte der Pauli. „Auf den Vitamine-Vorrat achtet meine Frau Mutter, da besorgt sie immer Nachschub.“
Weil die 3a am Donnerstag keine Mathematik-Stunde hat, war die Rosi arbeitslos. Während der Pauli fetten Speck zuerst in Streiferln und dann in winzige Würferln schnipselte und die Spaghetti im Salzwasser heftig brodelten, saß sie auf dem Küchentisch, baumelte mit den Beinen und dachte laut vor sich hin.
„Seit drei Wochen“, sagte sie, „wird fast jeden Tag mindestens irgendein Teil gestohlen. Angefangen hat es mit meiner schönen neuen Weste!“
Die schöne neue Weste hatte die Rosi über ihrer Sessellehne in der Klasse hängen lassen, als die 3a in den Physiksaal gegangen war.
Und als die Rosi eine Stunde später in die Klasse zurückgekommen war, war die Weste weg gewesen.
Der Pauli widersprach: „Nein. Am Tag vorher ist schon meine Baseballkappe weg gewesen.“
„Die könntest du sehr wohl auch anderswo verschlampt haben“, behauptete die Rosi. „Du bist dir ja nicht einmal hundertprozentig sicher gewesen, ob du sie in der Früh überhaupt aufgehabt hast.“
Der Pauli tat die Speckwürferln in eine Pfanne und die Pfanne auf den Herd. „Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist das wirklich eine Pandemie. Oder wenigstens eine Epidemie.“
Die Rosi tippte sich an die Stirn. „Das habe ich doch nicht im Ernst gemeint. Seit wann gibt es denn Klau-Viren? Oder denkst du an Klau-Bakterien?“
Der Pauli rührte mit einem Kochlöffel im Speck herum und blickte sinnend auf die sanft brutzelnden Würfelchen. „Es könnte doch sein, dass zuerst einer oder eine eine Jacke stiehlt, und dann denkt sich der oder die Bestohlene, okay, wenn es so ist, dann stehle ich mir eben eine andere Jacke zurück, und so geht das immer weiter!“
Die Rosi tippte sich wieder an die Stirn. „Du stiehlst doch nicht nur, weil du selber bestohlen worden bist! Stehlen ist nicht ansteckend, stehlen ist Charaktersache.“
Der Pauli nahm den Spaghetti-Topf vom Herd und leerte ihn über einem Sieb, das er in die Abwasch gestellt hatte, aus. „Außer jemand ist in echter Not. Bevor du verhungerst, darfst du dir etwas zu essen stehlen, auch wenn du einen guten Charakter hast. Ich glaube, das ist sogar ein Gesetz.“
Er beutelte die Spaghetti im Sieb tropffrei und sagte: „Sei so gütig und reib den Parmesan.“
Die Rosi rutschte vom Tisch, holte sich die „Laterndel“-Reibe vom Wandhaken und einen Parmesanbrocken aus dem Eisschrank und rieb emsig drauflos. Und der Pauli übersiedelte die abgetropften Spaghetti in die Pfanne mit den Speckwürferln.
„Pudding, deine Theorie“, sagte die emsig reibende Rosi, „hat aber noch einen anderen Haken. Wenn das nämlich so wäre, wie du meinst, dürften ja nur Jacken gestohlen werden. Es sind aber auch Pullis weggekommen. Und Westen. Und Rucksäcke und Schuhe. Und in der 3b sogar ein nagelneuer iPod.“
„Ja, ja, das weiß ich doch eh, war ja nur so eine Idee!“, sagte der Pauli, holte zwei Eier aus dem Eisschrank, schlug sie über einer kleinen Tasse auf, ließ das Eiklar in die Tasse runterflutschen, tat die zwei Dotter in eine kleine Schüssel, goss ein bisschen Obers dazu und verquirlte mit einer Gabel Dotter und Obers.
„Und ein Zirkel samt Etui“, fuhr der Pauli fort. „Und drei Malkästen aus dem Zeichensaal. Und eine Schachtel Buntstifte. Und weiß der Kuckuck was sonst noch alles! Aber wenn so ein verdammter Klau-Virus erst einmal umgeht, dann fallen eben alle Hemmungen!“
Er goss das gelbe Soßerl über die Spaghetti und rührte durch. Die Rosi stellte zwei tiefe Teller auf den Tisch und fragte: „Meinst du das echt ernst?“
Der Pauli kam mit der Pfanne zum Tisch.
„Eher nicht“, seufzte er und verteilte die Spaghetti gerecht auf die zwei Teller.
Dann starrte er auf den Teller voll geriebenem Parmesan und rief: „Verflixt und zugenäht und wieder aufgetrennt! Der Parmesan hätte doch schon in das Eier-Gmachtl reingehört! Aber das kommt eben davon, wenn man beim Kochen nicht nur an das Kochen, sondern auch an Diebstähle denkt! Kochen muss der Mensch mit voller Konzentration, sonst wird es nichts!“
„Ist doch Jacke wie Hose, Pudding, ob der Parmesan jetzt oder schon vorher auf die Spaghetti kommt!“ Die Rosi grapschte sich den Parmesan-Teller und bestreute ihre Spaghetti üppig mit Käse. „Und wo ist der Salat?“
Der Pauli zog ihr den Parmesan-Teller weg, weil er um seinen gerechten Käse-Anteil bangte. „Der Salat ist noch im Gemüsefach.
Wenn ich den jetzt anmache, werden die Spaghetti kalt. Kriegst halt morgen die doppelte Portion Grünfutter!“
„Jedenfalls“, sagte die Rosi, Spaghetti auf die Gabel wickelnd, „hast du insofern sicher recht, dass da nicht einer oder eine allein am Werk sein kann!“
„Und was schließen wir daraus?“, fragte der Pauli.
Die Rosi zuckte mit den Schultern. „Pudding, das kriminelle Hirn bist du!“
Pauli Pistulka interessiert sich nämlich seit vielen Jahren für Kriminalfälle aller Art und deren Aufklärung. Später einmal will er unbedingt Kriminalkommissar werden. Oder Privatdetektiv. Und dass in ihm ein gewisses Talent zum Knacken von „kriminellen Angelegenheiten“ steckt, hat er bereits bewiesen. Mit Rosis Hilfe hat er die Sache mit dem „verschwundenen Herz“ der Lea geklärt und die zwei „Hunde-Entführer“ entlarvt.1
Der Pauli räumte das verdreckte Geschirr in die Spülmaschine und sagte: „Soweit ich die Sache überblicke, wird zwar hauptsächlich, aber nicht nur in unserer Schule gefladert, sondern angeblich auch im Park und im Schwimmbad und sogar im Eissalon. Und ich gehe davon aus, dass das alles irgendwie zusammenhängen muss. Weil diese Fladerei überall exakt zur gleichen Zeit, also vor ein paar Wochen, angefangen hat. Vorher hast du doch überall alles rumliegen lassen können, ohne dass es jemand genommen hat. Sogar mein gut gefülltes Geldbörsel ist drei Tage in der Turnsaal-Garderobe gelegen und nachher war noch das ganze Geld drin.“
„Machen wir eine Liste“, schlug die Rosi vor. „Vielleicht sehen wir dann klarer.“
Nach einer Viertelstunde hatten der Pauli und die Rosi eine ansehnliche Latte von gestohlenen Sachen zusammengeschrieben:
8 Jacken aus Stoff, diverse Größen
2 Lederjacken, eine klein, eine groß
4 Regenjacken, diverse Größen
2 Regenmäntel
5 Pullover
3 Strickwesten
1 Rucksack, samt Inhalt
1 Paar Cowboystiefel
2 Paar Nike-Sportschuhe
5 Baseballkappen
1 iPod
1 Sack mit Turnzeug
4 Malkästen
3 Füllfedern
2 Zirkel, samt Etui
diverse Buntstifte
Darunter schrieb die Rosi: Ohne Gewähr auf Vollständigkeit!
Mit gerunzelter Stirn betrachtete der Pauli die lange Liste.
„Hast du einen Verdacht, Pudding?“ Die Rosi schaute den Pauli erwartungsvoll an.
Der Pauli nickte.
„Und zwar?“, fragte die Rosi.
„Dass wir den Fall nicht aufklären können“, sagte der Pauli. „Weil wir immer brav in der Klasse hocken und dem Unterricht lauschen müssen, während gestohlen wird.“
„Außer der gütige Kommissar Zufall hilft uns wieder einmal!“, sagte die Rosi.
Der Pauli wischte mit einem feuchten Lappen ein paar Parmesanbrösel vom Tisch.
„Ich sehe ja nicht einmal ein halbwegs brauchbares Motiv für diese Klauerei“, sagte er. „Außer, dass sich da eine Familie mit zehn Kindern Klamotten und Schulsachen zusammenstiehlt. Aber das ist doch Plunder!“
„Vielleicht ist es einfach pure Bosheit“, meinte die Rosi. „Es gibt doch so komische Kinder, Pudding, die haben einen irren Spaß daran, anderen zu schaden.“
Die Rosi ging ins Wohnzimmer rüber, lümmelte sich auf die weiße Sitzbank, griff nach der TV-Fernbedienung und zappte sich durch die Kanäle. Und da der Fernseher vom Pauli einen Satelliten-Anschluss hat, hatte sie über hundert Programme zur Auswahl.
„Willst ein Leckerli?“, rief der Pauli aus der Küche.
„Immer!“, rief die Rosi zur Küche hin.
Der Pauli kam mit zwei Tafeln Schokolade. Eine Himbeer-Chili, eine Orange-Minze. Er hielt der Rosi beide Tafeln hin. Die Rosi schnappte sich die Himbeer-Chili-Schokolade.
„Brösel aber bitte nicht rum“, sagte der Pauli. „Meine Mama kriegt einen Kreischanfall, wenn wieder Schokoflecken auf den Kissen sind.“
Die Rosi wickelte ihre Schokolade aus dem Stanniolpapier und sagte: „Das Saubartel bist immer du, schieb mir gefälligst nicht deine Dreckflecken unter!“
Der Pauli starrte zum Fernseher hin. Dort sang eine prallbusige Frau lautlos in ein Mikro. Das ist so einer der Ticks der Rosi. Sie schaut gern bei weggedrücktem Ton fern.
„Eine Füllfeder, einen Malkasten, einen Zirkel, von mir aus auch einen Pullover“, sagte die Rosi, „kannst du in deiner Schultasche verstecken, ohne dass es jemand merkt. Aber eine ganze Jacke? Wie kriegst du denn die unbemerkt aus der Schule raus? So eine Jacke, zusammengerollt, ist doch ein ziemlicher Binkel!“
Der Pauli benagte seine Unterlippe und dachte nach. Ziemlich lange. Dann sagte er: „Rosi, das geht supereinfach. Du ziehst die fremde Jacke an und drüber deine eigene! Aber vielleicht ist das gar nicht nötig. Unsere Jacken schauen doch alle fast gleich aus.“
„Stimmt!“ Die Rosi schob sich ein Eckerl Schokolade in den Mund.
„Unlängst hab ich der Evi ihre Jacke angezogen und hätte es gar nicht bemerkt, wenn in den Taschen nicht so komischer Kram drin gewesen wäre.“
„Na eben!“, seufzte der Pauli.
„Aber zwei Paar Schuhe kann sich niemand übereinander anziehen“, sagte die Rosi. „Und ein Paar Cowboystiefel kriegst auch in keine Schultasche rein.“
Der Pauli widersprach. Zu zweit, meinte er, wäre das schon möglich, denn einen Stiefel bringt man in einer Schultasche sehr wohl unter, wenn sonst nicht viel drin ist.
Bis die zwei Tafeln Schokolade ratzeputz aufgegessen waren, hockten der Pauli und die Rosi auf der Sitzbank und überlegten hin und her und her und hin. Nachher waren sie so schlau wie zuvor. Bloß, dass da nicht nur ein Dieb am Werk ist, stand für sie fest. Und das war ja keine neue Erkenntnis.
Bevor sich die Rosi auf den Heimweg machte, sagte sie: „Pudding, ich habe aber ein ganz anderes Problem! Am nächsten Sonntag hat mein Papa Geburtstag. Was könnte ich ihm denn schenken? Er raucht nicht, er trinkt nicht, er trägt nie eine Krawatte, ein Rasierwasser schenkt ihm schon meine große Schwester. Seife kommt mir blöd vor. Und mehr als zwanzig Euro habe ich nicht.“
„Topfentorte“, schlug der Pauli vor. „Selbst gebackene Topfentorte. Die macht was her.“
„Echt? Das würdest du für mich machen, Pudding?“, schnurrte die Rosi.
„Das wirst du schön selber machen“, sagte der Pauli. „Geht ja um deinen Papa, nicht um meinen.“
„Ich? Ich ganz allein?“ Jetzt schnurrte die Rosi nicht mehr.
„Unter meiner Oberaufsicht natürlich!“, versprach der Pauli großzügig. „Und wenn dir die erste Torte misslingt, machst du eben eine zweite. Für zwanzig Euro kriegst du, wenn es nötig ist, sogar eine dritte Torte hin!“