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Paris versinkt im feurigen Strudel der Revolution. Die auch nicht vor der Welt der Schatten Halt macht … Leos neues Leben und seine neue Liebe werden auf eine harte Probe gestellt. Die rote Königin, Herrscherin der Schattenwelt, gibt ihm einen Auftrag, der nicht nur den kostbaren Frieden zu zerbrechen droht, sondern auch die Schatten seiner Vergangenheit auf seine Fährte lockt. Eine gefährliche Suche beginnt die Leo und seinen dunklen Geliebten Laurent nicht nur in den mysteriösen Hof der Wunder führt, sondern auch in das prunkvolle und dem Ende geweihte Versailles. Die Abgründe, die dort lauern, sind ebenso verführerisch wie tödlich.
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Seitenzahl: 579
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Copyright 2025 by
Dunkelstern Verlag GbR
Lindenhof 1
76698 Ubstadt-Weiher
http://www.dunkelstern-verlag.de
E-Mail: [email protected]
Dieses Werk darf weder im Gesamten noch in Auszügen zum Training künstlicher Intelligenzen, Programmen oder Systemen genutzt werden.
Lektorat: Dunkelstern GbR
Korrektorat: Nicole Gratzfeld
Cover: Bleeding Colours Coverdesign
Satz: Bleeding Colours Coverdesign
ISBN: 978-3-98947-045-3
Alle Rechte vorbehalten
Ungekürzte Taschenbuchausgabe
Für alle, deren Nächte zu oft von Albträumen erfüllt sind und die sich nach dem Licht sehnen.
Und für alle, die meinen Weg begleitet haben und noch immer begleiten.
Inhalt
Content Notes
Playlist
Le prince de sang et de roses - Der Prinz von Blut und Rosen
Cher Lionel … - Lieber Lionel …
La reine rouge - Die rote Königin
Le lion de la reine - Der Löwe der Königin
L‘habit fait le vampire - Kleider machen Vampire
Les âmes perdues - Verlorene Seelen
Nuit de tempête - Sturmnacht
Café, gâteaux et révoltes - Kaffee, Kuchen und Revolten
L‘audience - Die Audienz
Un vieil ami - Ein alter Freund
La cour des lumières - Der Hof der Lichter
Le loup au pelage de velours - Der Wolf im samtenen Pelz
Yeux rouges - Rote Augen
La cour des miracles - Der Hof der Wunder
Chasseurs et chassés - Jäger und Gejagte
Grandiose et terrible à la fois - Großartig und schrecklich zugleich
Les roses sanglantes - Die Blutrosen
Compagnons dans la nuit - Gefährten in der Nacht
Le temple des rêves - Der Tempel der Träume
Rêveurs - Traumwanderer
Doux comme le miel - Süß wie Honig
Vive la marquise - Lang lebe die Marquise
Un vestige des temps anciens - Ein Relikt aus alter Zeit
Jeu dangereux - Gefährliches Spiel
Un renard fidèle - Ein treuer Fuchs
Aurore - Morgengrauen
Petite pêche - Kleiner Pfirsich
Réunion - Zusammenkunft
Réalisateur de désirs - Erfüller der Wünsche
Celui qu‘il faut - Genau der Richtige
Commandements de l‘hospitalité - Gebote der Gastfreundschaft
Ombre de la mémoire - Schatten der Erinnerung
Assassin de mon assassin - Mörder meines Mörders
Un bonheur rare - Ein rares Glück
Liaisons dangereuses - Gefährliche Liebschaften
Les épines de la rose - Die Dornen der Rose
Ami ou ennemi - Freund oder Feind
Messagers à pattes - Boten mit Pfoten
Peur et noblesse - Furcht und Adel
La cour des ombres - Der Hof der Schatten
Chasse au sang - Blutjagd
La fureur de la reine - Der Zorn der Königin
Du sang et des larmes - Blut und Tränen
Chez soi - Zu Hause
Petit joie – Laurent - Douce nuit - Stille Nacht
Danksagung
Französisch Glossar
Content Notes
Content Notes
Das Buch, welches ihr in euren Händen haltet, ist getränkt vom Blut der Lebenden und der Toten und hat genug Liebe, Leid und Hoffnung gesehen, um Bibliotheken zu füllen. Der Prinz von Blut und Rosen findet sich in seinen schlimmsten Albträumen wieder, aus denen er nur mit der Hilfe seines verführerischen dunklen Retters entkommen kann.
Damit aber eure Träume süß und unbeschwert bleiben, findet ihr auf den hinteren Seiten dieses Buches wohlgemeinte Warnungen zu Inhalten, die zu gesundheitlichen Problemen führen könnten. Folgt mir also nicht in die Schatten, wenn ihr nicht dazu bereit seid.
Zudem findet ihr dort auch ein paar nützliche Hinweise zu den französischen Ausdrücken und dem historischen Hintergrund, der mir vielleicht bekannt sein mag, aber nicht jedem von euch.
Amusez-vous bien!
Lionel
Playlist
The Pretty Reckless – 25
Saint Mesa – Lion
Taemin – Want
Kangdaniel – Paranoia
Woodkid – Run Boy Run
Sam Tinnesz – Play with Fire
Monsta X – Beautiful Liar
Bow Wow Wow – I Want Candy
The 69 Eyes – Dance D’Amour
Evanescence – Snow White Queen
Imagine Dragons – Enemy
Subway to Sally – Wolfstraum
(G)I-DLE - LION
Ruelle – Secrets and Lies
Evanescence – Whisper
HIM – The Sacrament
Assassins Creed Unity & Ezio Trilogy Soundtrack
Bonsoir, mes amis. Habt ihr mich vermisst? Ich für meinen Teil verhungere ohne eure exquisite Gesellschaft. Den Beginn meiner Geschichte kennt ihr bereits. Ich habe geliebt, gelitten, den Tod gebracht und bekam ein neues Leben geschenkt. Es ist Zeit, mein Altes hinter mir zu lassen und mich tiefer in die verlockenden Schatten zu begeben. Folgt ihr mir?
Auf uns warten größte Genüsse, dunkelste Albträume, eine Königin, deren Ende naht, und eine, die im Blut ihrer Feinde badet. Lasst uns gemeinsam in meine Vergangenheit reisen und herausfinden, welche Regentin triumphiert.
Schenkt mir eure Zeit und eure Träume, denn mein Herz gehört euch.
Lionel de la Fayette
Le prince de sang et de roses
Der Prinz von Blut und Rosen
Paris, Juni 1789
Der Duft von Blut und Rosen erfüllte den Saal. Leos Hände krallten sich in den dunklen Stoff von Laurents Gehrock, während er sich alle Mühe gab, dem Takt der Musik zu folgen. Die kühlen Finger seines Gefährten strichen sanft über seine Wange bis zu seinem Kinn und zwangen ihn dazu, seinem Blick zu begegnen.
»Habe ich dir zu viel versprochen?« Laurents Lippen formten sich zu einem selbstgefälligen Lächeln, von dem Leo nicht wusste, ob er es ihm vom Gesicht wischen oder es küssen wollte.
»Man kann dir viel vorwerfen, aber nicht, dass du zu viel versprichst.«
Die freie Hand seines Gefährten lag auf seiner Taille und führte ihn durch den Tanz, ihre Körper so nah, dass es sich auf einer Soirée unter Menschen ganz und gar nicht geziemt hätte. Gut, dass dies keine der Menschen war. Wenn einer der anderen Gäste ihnen einen Blick zuwarf, dann nur aus Neugierde. Die Vampire um sie herum genossen die kleine Vorstellung, falls sie nicht mit ihren eigenen Vergnügungen beschäftigt waren.
»Ich frage mich, wen sie mehr beneiden«, flüsterte Laurent und sein Atem nahe Leos Ohr, jagte ihm einen angenehmen Schauer über den Rücken. »Dich oder mich.«
Leos Herz schlug höher bei dem Gedanken, einen der begehrtesten Männer hier seinen Gefährten nennen zu dürfen. Er seufzte, als er sich an Laurent schmiegte und sie im langsamer werdenden Takt hin und her wogen, statt die passenden Schritte zu tun.
Der Frühling war bereits dem Sommer gewichen. Seit jener Nacht, in der Leo Rache an Mathis, dem Mörder seiner Familie und Peiniger seiner Schwester, genommen hatte, waren die Nächte wie ein Schleier an ihm vorbeigezogen. Seine Gedanken kreisten um den Moment, immer und immer wieder, bis Laurent ihn davon überzeugt hatte, sich Ablenkung zu suchen. Von der erhoffte er, dass sie Leo daran erinnerte, dass das Leben weiterging und sich nicht für immer um den Tod des Mannes drehte, der ihm sein Leben entrissen hatte.
Zunächst war Leo skeptisch gewesen, ob er die Feier genießen konnte. Aber das hatte sich spätestens nach ein paar Gläsern Blutwein gelegt. Jetzt genoss er die Unbeschwertheit, die er so vermisst hatte. Sein altes Leben war unwiederbringlich fort, aber nun fand er immer mehr Gefallen an seinem neuen. Als Vampir, an der Seite seines Gefährten, für den sein Herz nun fester schlug, als er es bis vor kurzem noch für möglich gehalten hatte.
Was die Zukunft brachte, darüber wollte er sich aber lieber keine Gedanken machen. Wenn es nach ihm ging, würden sie hier für immer tanzen.
Die Gäste wirbelten um sie herum, bis die Musik einen langsameren Takt anschlug. Weite Röcke streiften Leos Beine, der Duft von floralem Parfum wehte zu ihm herüber und für einen kurzen Moment fühlte er sich wie damals, als er noch als Mensch durch die Säle der Stadt getanzt war.
Vor einigen Wochen hatte Laurent ihn auf seine erste Soirée in der Welt der Schatten mitgenommen. Eine recht bescheidene Feier, wie Leo nun feststellte. Dieses Mal war es nicht Laurents obskurer Freund Vieru, der sie ausrichtete, sondern die Donatrice, eine exzentrische Vampirin, der unter anderem dieses luxuriöse Haus auf der Île de la Cité gehörte.
Leos Blick wanderte durch den Saal. Blut und Wein flossen reichlich, ob aus Krügen oder freiwilligen Spendern, die im Gegensatz zu gewöhnlichen Menschen Teil der Welt der Schatten waren.
»Es gehört zum guten Ton, menschliche Gäste unversehrt zu lassen.« Laurent zwinkerte Leo zu.
Dieser beobachtete, wie eine Vampirin die feine Bisswunde eines jungen Mannes mit einem Taschentuch abtupfte und ihm ein Kissen reichte. So sanft gingen Vampire sonst kaum mit ihren Opfern um.
»Aber hast du mir nicht beigebracht, dass wir nicht mehr Teil ihrer Welt sind? Und dass Freundschaften zwischen Vampiren und Menschen tragisch enden?« Leos Augen fanden Laurents, dessen Gesichtsausdruck nur schwer zu deuten war. »Ganz abgesehen davon, dass nicht zu viele Menschen von der Schattenwelt wissen sollten.«
»Das ist wahr, kleiner Prinz. Ich bin froh, dass meine Worte Früchte getragen haben.« Er grinste und fuhr Leo spielerisch mit den Fingern durch die Haare. »Wir sind nicht mehr Teil ihrer Welt, aber manche sind ein Teil unserer. Sie stellen sich aus unterschiedlichen Gründen in unsere Dienste. Aber sie leben dann in der Welt der Schatten, bis sie zu Einem der Unseren werden oder sie für immer verlassen.«
Leo nickte nachdenklich. Es war wohl etwas anderes als seine Freundschaft mit François, seiner Jugendliebe. Er hatte ihn aufgeben müssen, zu dessen Wohl, damit er ein glückliches menschliches Leben führen konnte. Zwar lebte Marie, Leos kleine Schwester, noch bei ihnen, obwohl sie ein Mensch war. Aber das war nur vorübergehend. Bald würde sie zu François‘ Familie ziehen.
»Es gibt allerdings auch andere Fälle«, fuhr Laurent fort, als er sah, dass Leo mit seinen Gedanken abgeschweift war. Dieser schenkte ihm nun wieder seine Aufmerksamkeit. »Auf gewissen Zusammenkünften ereilen Menschen deutlich schlimmere Schicksale, doch das billigt unsere Königin nicht. Wir töten zwar auch, um uns zu ernähren, aber nie unsere Gäste.«
Erneut nickte Leo. Der Gedanke, dass anwesende Menschen nur als Abendessen vorgesehen waren, missfiel ihm, so sehr er sich von ihnen auch bereits entfremdet hatte. Dafür fühlte er sich endlich weniger fehl am Platz in der übernatürlichen Gesellschaft, obwohl sie ihm noch oft genug unheimlich vorkam. Hier ließen die vampirischen Gäste, wie auch die vereinzelten Wertiere, die bunten Feiern der Menschen beinahe farblos erscheinen. Ihre Kleider waren eine wilde Mischung aus der Mode der vergangenen Jahrhunderte. Sie tanzten und lachten frei, ohne das höfische Protokoll zu beachten. Kamen sich so nahe, dass es überall sonst skandalös gewesen wäre, und schienen keinen Unterschied zu machen, ob sie mit einem Mann, einer Frau oder jemandem tanzten, der frei von den gewohnten Kategorien war. Es erfüllte Leos Herz mit einem Gefühl von freudiger Spannung und Freiheit, sodass er selbst ohne Laurents Zutun seine eigenen kreisenden Gedanken schnell vergaß.
Und doch spürte er, je länger sie sich unter den Feiernden aufhielten, dass manche Blicke prüfender waren als zunächst gedacht. Einige schienen sich über sie zu unterhalten und von bestimmten Gästen ging eine unterschwellige Gefahr aus, die Leo kaum greifen konnte. Ob es die raubtierhaften Bewegungen waren, die kalten schattigen Augen oder sogar die Aura, die sie umgab, die unmissverständlich verdeutlichte, dass es sich bei ihnen um mächtige Artgenossen handelte – Leo wusste nur, dass er sich keinen Fehltritt erlauben durfte. Also hielt er sich an Laurent, wortwörtlich, und folgte seinem Beispiel, was sein Gefährte sehr begrüßte.
»Seit wann bist du so handzahm, kleiner Prinz?« Sein Lächeln war sanft, spiegelte aber auch ein wenig Besorgnis. »Wenn es dir hier zu viel wird, sag es mir.«
Leo schüttelte den Kopf und begegnete Laurents Blick. Es fiel ihm schwer, sich auf seine Worte zu konzentrieren, wo doch seine dunkelroten Augen drohten, ihn in ihren Bann zu schlagen.
»Das ist es nicht. Ich beobachte nur die Gäste.«
Leise lachte Laurent, die Sorge aus seinen Augen war verschwunden.
»Überraschend weise. Aber mach dir nicht zu viele Gedanken. Solange du bei mir bist, geschieht dir nichts.«
»Würde ich denn in Gefahr schweben, wenn ich allein wäre?« Leos Magen verkrampfte sich. Ein paar gewaltbereite Menschen konnte er verkraften, aber unter den Vampiren fühlte er sich wie Beute, obwohl er einer von ihnen war.
»Nicht unbedingt.« Laurents Miene verfinsterte sich. »Aber wer weiß, was sie über dich und deine Eskapaden gehört haben. Und wie sie dazu stehen.«
Leo gefiel es gar nicht, dass sein Gefährte so vage mit den Andeutungen war. Das hieß selten etwas Gutes.
»Ich plane nicht, erneut auf Jagd nach Revolutionären zu gehen, keine Sorge. Ganz im Gegenteil, von jetzt an werde ich mein neues Leben genießen. Und das werde ich mir von niemandem verderben lassen.« Er wusste, dass der Ausdruck in seinem Gesicht selbstgefällig war. Es machte ihm nichts aus, bis er bemerkte, wie kritisch Laurent ihn ansah.
»Bien. Ich hoffe nur, dass du deine Chance auf ein neues Leben nicht mit leeren Freuden vertust.« Laurents Augen fixierten ihn, sie drangen so tief, dass Leo ein Schauer über den Rücken rann. »Versteh mich nicht falsch, ich bin selbst ein großer Anhänger des Hedonismus. Aber irgendwann wird dir diese Lebensweise nicht mehr genug sein. Die Ewigkeit ist lang, mon Cher.«
Bevor sich Leo den Kopf über Laurents Worte zerbrechen konnte, prallte etwas Weiches mit erstaunlicher Kraft gegen seinen Rücken. Er stolperte und sein Gefährte konnte ihn geradeso davor bewahren, den Halt zu verlieren. Ein Tanzpaar war in sie hineingelaufen und zunächst dachte Leo, dass sie betrunken waren. Zu langsam und bedächtig war die Musik für derlei Fehltritte. Bei dem Paar handelte es sich um die prunkvolle Donatrice und einen Mann, der beinahe menschlich wirkte. Keiner von ihnen schien berauscht. Die Gastgeberin entschuldigte sich mit einem übertriebenen Lachen, wobei sie kokett den Fächer vor ihre blutroten Lippen hielt. Der Mann dagegen betrachtete sie nur mit einem Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. Sie waren von einem so hellen Grau, dass sie Leo an den Vollmond erinnerten. Es war das Einzige, was ihn als mögliches Wertier verriet, denn sein schweres Parfum verdeckte alles andere. Sogar seine Kleidung war so modern, dass Leo ihn für einen der gewöhnlichen Adeligen gehalten hätte, die in Versailles ein und aus gingen.
»Pardonnez moi. Ich war zu abgelenkt von meiner bezaubernden Begleitung.« Seine Stimme war rau, aber sanft. Die Vampirin winkte ab und kicherte nervös, ihr schien das Kompliment unangenehm zu sein. Nun sah Leo auch, dass er sie noch immer festhielt. Vermutlich hätte sie sich sonst bereits aus der Situation herausgezogen.
»Pas de problème.« Leo winkte ab, er wollte lieber nicht herausfinden, was der Mann eigentlich von ihnen wollte.
»Ganz im Gegenteil, ich muss mich entschuldigen. Erlaubt mir, Euch wenigstens ein paar Erfrischungen zu bringen.« Sein Lächeln war raubtierhaft, als er einen Diener herbeiwinkte. Seine Reißzähne waren ebenso lang und spitz wie Leos eigene. Zu seinem Unmut wurde niemand auf ihn aufmerksam.
Der Mann eilte zu einem der Tische und Leo hörte ein erleichtertes Seufzen neben sich.
»Endlich. Sagt ihm bitte, dass ich fortgerufen wurde!« Die Donatrice seufzte pathetisch und trippelte weg, bevor Leo antworten konnte.
»Vielleicht ist das keine schlechte Idee«, zischte Laurent, nahm Leos Hand und führte ihn mit schnellen Schritten durch die Menge und auf einen angrenzenden Balkon.
Das nächtliche Paris war in einen samtenen dunkelblauen Mantel gehüllt. Der Mond versteckte sich hinter ein paar Wolken und dennoch ließ die Aussieht Leo innehalten. Würde er sich jemals an die Schönheit der Stadt gewöhnen? Sanft kaschierte die Nacht all die Fehler, die tagsüber den Glanz so vieler Orte trübten. Ein Zauber, den er vor seiner Verwandlung nie wahrgenommen hatte, bedeckte die Dächer.
»Leo? Hörst du mir zu?« Laurents Stimme drang zu ihm durch und er blinzelte. Dabei hatte er doch noch gar nicht so viel Blutwein getrunken. Das letzte Glas musste zu viel gewesen sein. »Du hast es sicher schon bemerkt, aber vor genau solchen Leuten solltest du dich in Acht nehmen.«
»Kanntest du den Mann?« Leo war froh, dass er sich gegen das Geländer lehnen konnte.
Laurent wich seinem Blick aus und strich sich die lockigen Haare zurück. Einige der dunkelroten Strähnen hatten sich beim Tanz gelöst.
»Möglich. Was viel wichtiger ist: Kannte er dich?«
»Woher soll ich das wissen? Wir sind nicht geflüchtet, um ihn zu fragen.« Leo zog die Augenbrauen zusammen. Der Abend war doch bisher so schön gewesen.
Unzufrieden blickte Laurent an ihm vorbei, bis er schließlich seufzte und einen Arm um ihn legte.
»Vielleicht war er nur neugierig. Aber wie ich dir bereits gesagt habe, sollten wir auf der Hut sein.«
Nachdenklich nickte Leo und zupfte an Laurents Jabot, bis es wieder perfekt saß.
»Lassen wir uns die Nacht nicht davon verderben, mon Cher.« Seine Lippen formten sich zu einem vielsagenden Lächeln. Elegant schmiegte er sich an seinen Gefährten und wurde damit belohnt, dass Laurents Wangen sich ein wenig röteten.
»Ganz bestimmt nicht«, schnurrte er, die Anspannung beinahe vergessen. »Ich habe doch noch ein paar exquisite Ideen für uns beide. Obwohl wir dafür vermutlich erstmal nach Hause gehen sollten.«
In Leos Bauch breitete sich eine angenehme Wärme aus und sein Lächeln wandelte sich in ein breites Grinsen.
»Wo bleibt denn da der Spaß? Dieses Haus hat sicher mehr als genug Räume für uns. Isabeau, unsere Gastgeberin, nutzt es schließlich nicht nur für Soirées wie diese. Viele Feiern führen zu deutlich leichter bekleideten Resultaten.«
An Räumen mangelte es tatsächlich nicht. Entgegen Leos Vorschlag, doch einfach eines der nächstbesten Schlafzimmer zu nehmen, bestand Laurent darauf, sich so weit von den anderen Gästen zu entfernen wie möglich. Das Gästezimmer, in das sie sich zurückgezogen hatten, war klein, aber gemütlich. Sanftes Mondlicht kleidete es in einen silbrigen Schimmer.
Noch immer plagten Laurent die Nachwirkungen der Verletzungen, die er sich während des Kampfes gegen die Revolutionäre zugezogen hatte. Als Vampir heilte er schnell, unverwundbar war er jedoch nicht.
»Daran könnte ich mich gewöhnen.« Aus schweren Augenlidern schaute er zu Leo hinauf, der nun erschöpft und zufrieden über die blasse Haut von Laurents Oberkörper streichelte.
»So gerne ich auch weitermachen würde.« Leo unterbrach sich, um zu gähnen. »Die Nacht war lang. Und sich gut um dich zu kümmern, braucht so einige Kraft, mon Cher.«
Widerwillig löst er sich von seinem Gefährten, den er bis eben enthusiastisch rittlings beglückt hatte. Er kämpfte sich aus den Decken, um zu den Fenstern herüberzugehen, wobei seine nackten Füße leise auf den Holzboden unter ihm tapsten.
»Du machst dich gut, kleiner Prinz. Hast du etwa Übung darin?« Laurents Lächeln war teuflisch.
»Vielleicht? Auch ich habe meine kleinen Geheimnisse.« Leo zwinkerte und zog die schweren Vorhänge vor die hohen Fenster. Als er sich wieder zu Laurent legte, kuschelte er sich an ihn, bis der Schlaf ihn holte.
***
Die Straßen von Paris waren in ein schwaches rotes Licht getaucht. Leo schaute sich um, aber niemand war zu sehen, nicht einmal Kerzenlicht schien aus den Fenstern. Es herrschte eine seltsame Stille, die ihm nun lauter erschien als jeder Lärm, der tagsüber an den Fassaden widerhallte. Vorsichtig atmete er tief ein. Es stank nach Rauch und verbranntem Fleisch und doch konnte er kein Feuer sehen. Das Viertel kannte er. Es war Faubourg Saint-Antoine, das Arbeiterviertel, in dem Mathis und seine Gruppierung gehaust hatten. Leo ging ein paar Schritte, wobei er bemerkte, dass er nur sein langes Hemd trug. Etwas regte sich in den Schatten nicht weit von ihm. Er drehte sich in diese Richtung, aber jetzt bewegte es sich durch eine Gasse auf der anderen Straßenseite. Leo konnte ihm kaum schnell genug folgen. Er spürte, wie ihm Schweißperlen auf der Stirn standen, es war viel zu warm, so warm konnte es nachts in Paris selbst im Hochsommer nicht werden.
»La Fayette!« Die Stimme war hinter ihm und Leo fuhr herum.
Er konnte die Gestalt des Mannes nur schemenhaft erkennen, die Stimme allerdings würde er nie vergessen.
»Wie schläft es sich mit all dem Blut an deinen Händen?« Mathis lachte kalt und Leos Hände verkrampften sich.
»Das sollte ich dich fragen. Im Gegensatz zu mir, wachst du schließlich nicht mehr auf.« Leo knirschte mit den Zähnen, er wollte sich auf kein Gespräch einlassen. Er wusste, es konnte sich nur um einen Traum handeln, aber es war nicht gut, die schmerzhaften Erinnerungen wieder an die Oberfläche schwimmen zu lassen.
»Solange ich dich besuchen kann, schlafe ich ganz wunderbar.« Mathis Schattengestalt neigte sich auf eine unnatürliche Weise nach vorne und kam langsam, aber stetig auf Leo zu.
Er wich ein paar Schritte zurück und kam dabei ins Taumeln, als er auf dem schlammigen Grund ausrutschte. Plötzlich war die Gestalt nur noch einen halben Meter von ihm entfernt. Als sich der Schatten lichtete und Leo Mathis‘ Gesicht erblickte, schrie er.
»Leo! Leo, wach auf!«
Laurents Stimme drang nur langsam zu ihm durch und Leo öffnete mit einiger Mühe die Augen. Das Schlafzimmer war noch viel zu hell. Es drang zwar kein direktes Sonnenlicht durch die Vorhänge, es war aber offensichtlich, dass draußen Tag war. Leo stöhnte leise und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
»Ich dachte, die Albträume hätten aufgehört.« Auf Laurents Gesicht stand Sorge. Er strich Leo sanft über die hellen Haare, seine dunkelroten Augen studierten ihn aufmerksam.
»Hatten sie auch …« Leo wollte nicht zugeben, wie sehr ihn dieser Traum beunruhigte. »Ab und zu ist es doch normal, schlecht zu träumen, oder?«
Laurent nickte zögerlich. Er schien nicht überzeugt.
»Bitte sag mir, wenn es noch einmal passiert.« Er legte sich wieder neben Leo auf die Kissen und drückte ihn fest an sich.
Leo nickte nur und schloss die Augen. Mathis‘ Gesicht wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen. Genau genommen wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen, was er anstelle seines Gesichts gesehen hatte. Nichts, nichts als Schatten, die drohten, ihn zu verschlingen.
Cher Lionel …
Lieber Lionel …
Wenige Nächte später
Die Melodie, die Leo spielte, begleitete Maries glockenhelle Stimme. Zusammen verwandelten sie den dämmerigen Salon in ein Märchenreich, in dem es nur noch die zauberhaften Klänge gab und kein Gedanke an die Vergangenheit oder die Zukunft den Moment störten.
Laurent lehnte in seinem Sessel, der Wein in seiner Hand vergessen, während er der Musik lauschte. Die Soirée lag ein paar Nächte zurück, doch die Angst vor weiteren Albträumen hatte sich wie ein Schatten über Leos Herz gelegt. Seine kurzen blonden Wellen fielen ihm ins Gesicht, als er fasziniert beobachtete, wie seine schlanken Finger über die Tasten glitten. Er konnte sich an so viele Stücke erinnern, obwohl er geglaubt hatte, sie bereits vergessen zu haben. Noch immer schmerzte seine Hand, die Bewegung tat ihr aber gut. Das Feuer hatte ein rotes Muster auf seiner Haut hinterlassen, das mit jeder Nacht ein wenig blasser wurde. Die Stelle, an dem sich das heiße Metall seines alten Familienrings hineingebrannt hatte, war aber noch immer tiefrot und schlängelte sich in einem Lilienmuster um seinen Finger. Etwas in ihm wollte, dass diese Erinnerung nie verblasste.
So wie das Kerzenlicht Marie in ihrem fliederfarbenen Kleid beleuchtete, sah sie nicht viel menschlicher aus als Leo. Obwohl das Rot zurück auf ihre Wangen gefunden hatte, waren die Blässe und die dunklen Schatten auf ihrem Gesicht geblieben. Ihre langen hellen Locken fielen über ihre Schultern und ihre blauen Augen funkelten glücklich. So zufrieden und unbeschwert hatte er sie seit seiner Verwandlung nicht mehr gesehen. Es wärmte Leos Herz, obwohl es sich schwer anfühlte bei dem Gedanken, dass sie bald zu François ziehen würde und er die beiden nicht mehr oft zu sehen bekam. Er hoffte, dass sie friedlich ihr Glück finden würden, trotz des Sturms, der sich auf den Straßen von Paris zusammenbraute. Die Feuer der drohenden Revolution schwelten und Leo fiel es immer schwerer, die Augen davor zu verschließen.
Ein leises Klopfen unterbrach sie, aber da das Lied ohnehin fast zu Ende war, störte es sie nicht besonders. Celine, Laurents Haushälterin und Vertraute, öffnete beinahe lautlos die Tür und schaute ein wenig peinlich berührt in den Salon.
»Ihr müsst nicht aufhören, ich wollte nur nicht unhöflich sein«, erklärte sie und ging zu ihnen herüber, ein Tablett in der Hand, auf dem ein Brief lag. »Er ist an dich adressiert.«
Leo erhob sich und schaute mit großen Augen auf das Papier. Von François konnte es nicht sein, so formell hätte sie es ihm nicht übergeben. Nun schaute auch Laurent skeptisch zu ihnen herüber.
»Von wem ist er?«, forderte er zu wissen und gesellte sich ebenfalls zu ihnen.
»Es steht nicht drauf, aber das Siegel …« Celine sprach nicht weiter, sie schien nervös und Leo bekam ein mulmiges Gefühl.
Zögerlich nahm er den Brief. Das Siegel zeigte eine Mondsichel umgeben von einem Lorbeerkranz. Leo brach es und faltete das Papier auseinander.
»Er ist von Madame Cadieux«, sagte er überrascht und ein wenig erleichtert.
Laurent rollte mit den Augen und verschränkte die Arme.
»Lies vor«, befahl er und Leo entschied, dass er dieses Mal lieber keine Widerworte geben wollte. Nachdem er tief Luft geholt hatte, begann er zu lesen:
Cher Lionel,
nur wenige junge Vampire können von sich behaupten, so früh so viel Aufsehen erregt zu haben. Deine Taten haben sich in unseren Kreisen bereits herumgesprochen und viele fragen sich nun, nicht mehr nur wegen deiner hübschen Gestalt, wer Laurents neuer Gefährte ist. Dies kann dir viele Vorteile bringen, aber es birgt auch eine Unzahl an Gefahren. Um sicher zu gehen, dass du deinen Weg durch die Welt der Schatten findest, ohne von ihr verschlungen zu werden, haben wir uns entschieden, dich persönlich anzuhören und dir unseren Rat mitzuteilen. Finde dich morgen nach Sonnenuntergang im Palais de la Reine Rouge ein.
Hochachtungsvoll, Seraphine Cadieux
Zunächst wollte Leo aufatmen, doch dann wurde er sich Laurents düsterem Gesichtsausdruck gewahr. Celine ging sogar einen Schritt zur Seite. Sein Gefährte schien innerlich zu kochen.
»Ich schätze, das klingt besser, als es tatsächlich ist?«, fragte Leo und hob eine Augenbraue. Er traute Laurent zu, aufgrund der alten Rivalität zwischen ihm und Cadieux empfindlich zu reagieren.
»So kann man das sagen«, schnaubte er.
»Leo, das Palais de la Reine Rouge ist das Anwesen der einflussreichsten Vampirin von ganz Paris. Von ganz Frankreich. Nichts geschient ohne ihre Erlaubnis.« Celine sagte es leise, Sorge klang in ihrer Stimme. »Gegen Kallisto, die rote Königin, wirkt Vieru wie ein harmloses Kätzchen.«
Wenn Leo noch geatmet hätte, hätte er nun die Luft angehalten, das war eine beunruhigende Vorstellung. Laurent legte forsch die Hand auf seine Schulter und drehte ihn zu sich.
»Deswegen spricht Cadieux von ›wir‹. Sie ist Kallistos Gefährtin.« Er wirkte nun nicht mehr verärgert, sondern schien ebenso besorgt wie Celine. »Das ist keine nette Einladung, Leo. Das ist eine Vorladung.«
»Ist Leo in Gefahr?«, fragte Marie mit leiser Stimme. Ihre zierliche Hand legte sich um Leos unverletzte und drückte sie fest.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Cadieux mag dich, das ist dein Vorteil. Wie sie schon sagte, wenn du dich gut anstellst, kannst du viel herausholen. Wenn nicht … hoffen wir einfach, dass es gutgeht.« Laurent hob resigniert die Hände. »Ich wusste, dass dein irrsinniger Plan nicht ohne Konsequenzen bleiben würde. Aber du wolltest ja nicht auf mich hören.«
Die Worte verunsicherten Leo, aber er war nicht durch die Feuertaufe gegangen und hatte dutzenden wahnsinnigen Revolutionären die Hölle auf Erden gebracht, um sich nun unterkriegen zu lassen. Zudem war er schrecklich neugierig darauf, die Königin zu treffen, von der er schon so einiges gehört hatte. So schlimm konnte sie nicht sein, wenn sie die Geliebte einer Frau wie Madame Cadieux war.
»Bien«, sagte er mit einem vielsagenden Lächeln. »Dann werde ich mich von meiner besten Seite zeigen.«
»Genau das ist meine Befürchtung«, seufzte Laurent, erwiderte dann aber sein Lächeln.
***
Auch ein paar Nächte später waren die Albträume nicht wiedergekommen. Allerdings erinnerte sich Leo ab und zu daran, über die roten Straßen gewandelt zu sein. Auch Mathis war nicht wieder erschienen. Vielleicht war es doch nur ein normaler Albtraum gewesen.
Zerstreuung fand Leo glücklicherweise genug. Laurent war gut darin, ihn abzulenken, aber auch Marie und mit ihr François sorgten dafür, dass seine Gedanken anderweitig beschäftigt waren. Die Beaumonts, François‘ Familie, waren überglücklich gewesen, als sie davon erfuhren, dass Marie überlebt hatte, und wollten sie so früh wie möglich aufnehmen.
»Es haben so wenige meiner Kleider überlebt – wenn ich mit den zerschlissenen Teilen ankomme, weint François‘ Mutter vor dem Traualtar.« Marie hob die Hände und ließ sie theatralisch fallen, wobei sie geräuschvoll in dem fliederfarbenen Stoff verschwanden.
Nach dem Eintreffen des Briefs hatte sich die Stimmung wieder ein wenig beruhigt. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Celine heiße Schokolade servierte.
»Chérie, niemand will, dass du auf deiner Hochzeit unglücklich bist. Oder deine Schwiegermutter.« Laurent seufzte und faltete die Gazette in seiner Hand, um die andere Seite zu lesen.
»Wir bringen dich vorher noch zu einem Schneider.« Leo schenkte ihnen vorsichtig etwas Schokolade in die Tassen. »Oder, mon Cher? Das werden wir doch?«
Laurent sah von seiner Zeitung auf und rollte mit den Augen.
»Das meinte ich damit, dass sie nicht unglücklich sein soll.« Seine Augen wurden groß, als Marie zu ihm herüber eilte und ihn überschwänglich umarmte. »Sachte, du willst doch nicht, dass ich auf Ideen komme.« Laurent deutete auf ihren Hals, aber sie zuckte nur mit ihren Schultern.
»Du müsstest schon verhungern, um mich ungefragt zu beißen. Da habe ich keine Sorge.«
Laurent knurrte leise, woraufhin Marie nur lachte und sich neben Leo setzte. Er betrachtete die beiden mit einem sanften Lächeln. Es wärmte sein Herz zu sehen, wie gut sich sein Gefährte und seine Schwester verstanden, obwohl Laurent sonst kaum ein gutes Wort für Menschen übrighatte.
»Jetzt verhandeln sie schon wieder. Die Bürger.« Er hatte die Zeitung wieder aufgeschlagen, seine Miene verhieß nichts Gutes. »Als ob sie diesen Dickkopf von einem König dazu bewegen könnten, ihnen die gleichen Rechte einzuräumen wie dem Adel und der Kirche. Der Mann plant doch nicht über sein nächstes Mittagessen hinaus.«
Bisher hatte Leo die politischen Ereignisse größtenteils links liegen lassen. Er hoffte, dass sich die Unruhen wieder legen würden und es nicht doch zu einer Revolution kam, wie es ihm Mathis und seine Schergen versichert hatten. Tatsächlich ignorierte er die Nachrichten meist, weil sie ihn beunruhigten, nicht aber, weil er sich nicht für sie interessierte. Doch das behielt er für sich.
»Jetzt hat er Truppen nach Paris berufen. Sie sollen für Sicherheit auf den Straßen sorgen.« Laurent knallte die Gazette so geräuschvoll auf den Tisch, dass Marie sich an ihrer Schokolade verschluckte. Sie hustete und beobachtete ihn dann mit zusammengezogenen Augenbrauen.
»Weißt du eigentlich, was das für uns heißt, kleiner Prinz?« Seine Augen waren auf Leo gerichtet.
»Wahrscheinlich ignorieren sie Leute wie uns. Wir sind ruhig, zivilisiert, wohlhabend. Im Zweifel würden sie uns vermutlich sogar beschützen.« Leo winkte ab und trank einen Schluck von der Schokolade. Sie schmeckte dezent nach Orangenblüten. Er war froh, sie noch genießen zu können, obwohl er keine gewöhnliche Nahrung mehr brauchte.
Laurent schnaubte verächtlich. »Vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, aber jetzt bist du nicht mehr so privilegiert, kleiner Prinz. Wenn sie dich anhalten und fragen, wer du bist, was sagst du dann? Willst du dich wirklich als einen Toten ausgeben? Abgesehen davon macht es die Jagd für uns deutlich komplizierter. Die trauen sich nämlich auch in abgelegenere Gassen und finden es sicher nicht so erbaulich, wenn sich unsere Fangzähne in unbescholtene Bürger verirren.«
Daran hatte Leo nicht gedacht. Peinlich berührt ließ er seine Tasse sinken und schüttelte den Kopf. Vorsichtig schaute er zu Marie hinüber, die aber nur konzentriert zuhörte. Sie hatte sich überraschend schnell an die vampirischen Themen in ihrem neuen Umfeld gewöhnt.
»Wenn ihr Hilfe braucht, könnte ich sie ablenken. Ich darf mich mit meinem Namen vorstellen und meine Zähne verirren sich bestimmt nicht.«
Sie hatten Marie versichert, dass sie – wenn möglich – keinem Menschen das Leben nahmen. Das genügte ihr. Sie war der Ansicht, dass es Schlimmeres auf den Straßen gab als maßvolle Vampire. Nach ihrer Tortur in Mathis‘ Keller wunderte Leo diese Einstellung nicht.
»Wer hätte gedacht, dass mir mal ein Mensch bei der Jagd helfen wollen würde.« Laurent konnte ein Lachen nicht unterdrücken. »Die Welt steht Kopf.«
La reine rouge
Die rote Königin
So schnell wie sein Herz klopfte, konnte Leo kaum mehr unterscheiden, ob es aus freudiger Erwartung oder aus Nervosität war. Wie er Seite an Seite neben Laurent ritt, gaben sie ein eindrucksvolles Bild ab. Beide trugen sie ihre besten Mäntel, Leo in seinem geliebten Rot und Laurent in edlem Violett. Auf den geschäftigen Straßen von Paris erregten sie damit allerdings mehr Aufsehen, als es ihnen lieb war, aber sein Gefährte erstickte mit seinem kalten Blick jede Ambition derer im Keim, die sie zu lange beobachteten. Die Nacht war angenehm warm und noch immer kleideten die letzten Strahlen der Abendsonne den Himmel zu ihrer Rechten in ein sanftes Orange.
Sie waren so früh aufgebrochen wie möglich. Die rote Königin duldete keine Verspätung. Nicht einmal für ein Frühstück war ihnen Zeit geblieben und Leo bemerkte mit Unbehagen, wie verführerisch die Menschen auf der Straße um sie herum nun rochen.
Im südlich gelegenen Quartier Latin drängten sich zu dieser Zeit weit mehr Menschen durch die Gassen als in ihrem Zuhause in le Marais. Früher hatte Leo die Atmosphäre hier gemocht, doch jetzt wünschte er sich, die Menschen würden bald den Weg in ihre Betten finden. Zu ihren Seiten mischten sich moderne sandfarbene Häuser im edlen Stil von le Marais mit deutlich älteren Fachwerkhäusern. An jeder Ecke warteten eine neue Taverne, ein Restaurant oder ein Café, die zum größten Teil von den zahlreichen Studenten und Gelehrten frequentiert wurden, die den Abend ausklingen ließen. Aber ihr Weg führte sie vorbei an den einladenden Fassaden, die Grand‘rue Saint-Jacques hinunter, die laut Laurent die älteste Straße der Stadt war.
Als sein Gefährte auf ein Eckhaus zusteuerte, das im Gegensatz zu den umliegenden Häusern beinahe verlassen aussah, dachte Leo zunächst, er hätte sich geirrt oder wollte sich noch schnell um eine Mahlzeit kümmern. Doch nun stieg er von seinem Pferd und wies ihn an, es ihm gleich zu tun. Bei näherer Betrachtung stellte sich das Haus als noch seltsamer heraus als zuvor angenommen. Leo war davon ausgegangen, dass das Palais de la Reine Rouge eben genau das sein würde: ein Palast. Er hatte sich zwar gewundert, wie die einflussreichste Vampirin der Stadt so vor den Menschen verborgen bleiben konnte, hatte aber vermutet, dass es sich um ein prunkvolles Stadthaus wie in le Marais handelte. Doch dieses Gebäude sah aus, als bräche es bald zusammen. Die Balken des Fachwerkhauses waren morsch, Efeu und Moos krochen die Fassade entlang und in den Fenstern spannten sich unzählige Spinnweben.
Ein unbehagliches Gefühl machte sich in Leos Magengrube breit. Es wunderte ihn nicht, dass die Menschen Abstand zu dem Gebäude hielten, denn es machte den Eindruck, als würde es jeden ungebetenen Besucher verschlucken und in die Unterwelt ziehen. Wenn es in diesen Mauern nicht spukte, dann gab es keine Geister. Leo atmete vorsichtig ein und bereute es sofort, als ihn der Geruch von Moder und Verwesung würgen ließ.
»Was hast du erwartet, kleiner Prinz?« Laurent grinste. Er schien belustigt von Leos Verwirrung und offensichtlichem Abscheu. »Die rote Königin lebt nicht in Versailles.«
»Wenigstens ein hübsches Anwesen wie das Maison des Désirs.« Leos Worte waren begleitet von einem Husten und sein Gefährte lachte amüsiert. Das sogenannte ›Haus der Wünsche‹ erhielt seinen Namen durch Laurents Tätigkeit als Erfüller von Wünschen für die Schattenwesen. Manche liebten ihn deswegen, andere nannten ihn den Teufel.
»Übe dich in Geduld, auch wenn dir das schwerfällt.«
Laurent legte ihm seine Hand auf den Rücken und schob ihn an der verschlossenen Eingangstür vorbei, bis sie einen kleinen Hinterhof erreichten. Dort führte eine dunkle Treppe in den Keller. Dies war scheinbar das Ziel, doch bevor sie die Tür erreichten, konnte Leo geradeso einen Schrei unterdrücken. Ein schwarz gekleideter Mann saß im Schatten. Er hätte ihn beinahe übersehen, wenn dieser nicht seinen Kopf gehoben und sie mit prüfenden roten Augen begutachtet hätte. Er nickte nur kurz und Laurent schob Leo durch die Tür, bevor er noch etwas sagen konnte. Auf dem morschen Holz konnte er geradeso noch die Inschrift Mors tua, vita mea lesen. Dein Tod ist mein Leben.
Der Spruch diente nicht unbedingt Leos Beruhigung und der schwach beleuchtete Gang, den sie nun betraten, sah nicht einladender aus. Auch hier roch es nach Zerfall, obwohl sich ein seltsamer süßlicher Geruch dazugesellte. Nach ein paar Schritten erreichten sie eine weitere Treppe, die sie tief in den steinigen Grund unter dem Haus führte.
»Liegt ihr Palast in den Katakomben?«, flüsterte Leo und wusste dabei selbst nicht, ob er scherzte.
»Geduld ist eine Tugend, kleiner Prinz.« Sein Gefährte seufzte und zog ihn weiter in die Dunkelheit zu ihren Füßen.
Leo konnte nicht einschätzen, wie tief unter dem Gebäude sie sich nun befanden, es musste aber ein gutes Stück sein, denn die Luft hier war deutlich kühler und feuchter als im Untergeschoss. Der süßliche Geruch wurde intensiver und zu seiner Überraschung konnte er ihn jetzt als den angenehmen Duft von Gewürzen, Blüten und frischem Blut identifizieren. Ebenso überrascht war er von den Geräuschen, die nun an seine Ohren drangen und immer lauter zu werden schienen. Es war das Gemurmel zahlreicher Stimmen und wenn er sich nicht täuschte, hörte er sogar die sanften Klänge eines Streichinstrumentes.
Schließlich trennte sie nur noch eine Tür von der anderen Seite, hinter der sich die Geräusche und der Duft verbargen. Unter der Schwelle drang überraschend helles Licht hervor und Leo sah, dass das Holz der Tür sorgfältig rot lackiert war und das gleiche Mondsymbol sie zierte wie das Siegel des Briefs. Auf dem Stein über der Tür stand eine weitere Inschrift: In absentia lucis, tenebrae vincunt.
»Worauf wartest du?«, fragte Laurent hinter ihm.
»In der Abwesenheit des Lichts herrscht die Dunkelheit«, las Leo und warf seinem Gefährten einen vorsichtigen Blick zu. »Vermutlich sollte mich das als Vampir nicht mehr ängstigen, n’est-ce pas?«
Laurent schüttelte lachend den Kopf. »Non, chéri. Die Dunkelheit ist nun dein Freund.«
Er schob Leo zur Seite und öffnete die Tür mit einer einladenden Geste. »Bienvenue à la cour de la Lune. Der Hof des Mondes.«
Leos Augen brauchten einen Moment, um sich an das Licht zu gewöhnen, doch was ihn nun erwartete, verschlug ihm den Atem. Sie standen in einer weitläufigen Halle, die sanft gelben Kalksteinwände waren glatt geschlagen und erinnerten an das Innere eines Tempels. Von der Decke hingen goldene Kronleuchter und die Vorhänge, die Teile der Wände schmückten, waren ebenso blutrot wie der feine Teppich zu ihren Füßen. Griechische Säulen und Statuen rundeten das Bild ab und gaben dem Ort eine unwirkliche Atmosphäre.
Leo zuckte vor Schreck zusammen, als er Finger unter seinem Kinn spürte. Laurent hatte ihm den Mund geschlossen, der ihm wohl offengeblieben war. Sein Gefährte genoss sichtlich die Fassungslosigkeit, die ihm ins Gesicht geschrieben stand. Doch das störte Leo nicht weiter, dafür war er viel zu aufgeregt. Sein Herz flatterte freudig nervös. Natürlich waren sie nicht die einzigen hier. Ganz im Gegenteil, die Halle war gefüllt mit zahlreichen Vampiren, viele von ihnen trugen die gleichen schwarzen Mäntel mit goldenen Verzierungen wie der Mann vor der Tür, andere schienen aber ebenso Gäste zu sein wie sie. In kleinen Gruppen standen sie beieinander oder saßen auf edlen Sofas und Chaiselongues. Viele warfen ihnen neugierige Blicke zu. Es erinnerte ihn an Vierus Soirée, nur dass es weniger wie eine Feier wirkte und mehr wie das höfische Treiben, was Leo zuvor nur in Versailles beobachtet hatte. Tatsächlich machte dieser Ort dem Namen ›Palast‹ alle Ehre.
»Etwas sagt mir, dass wir nicht durch den Haupteingang gekommen sind.« Mit einer gehobenen Augenbraue schaute er zu Laurent herüber, der noch immer zufrieden grinste und nun den Kopf schüttelte.
»Au contraire, mon cher. Das war tatsächlich einer der Haupteingänge. Schließlich möchte niemand, dass sich versehentlich Menschen oder andere ungebetene Gäste hierher verirren. Glaub mir, die Gruselgeschichten um das Haus auf der Grand‘rue Saint-Jacques sind legendär. Kaum ein Mensch traut sich hinein. Und noch weniger kommen wieder lebend heraus.« Er hob den Arm und gebot Leo, sich bei ihm unterzuhaken, was dieser auch dankbar tat.
»Das scheint mir eine gute Taktik zu sein«, sagte er nur heiser und ließ sich von seinem Gefährten bis zu einem weiten roten Vorhang führen, der ihn an die Bühne eines Theaters erinnerte. Er war gesäumt von weiteren Säulen und stand ein Stück offen. Dahinter war das Licht schwächer und er konnte einige Personen in schwarzen Mänteln erkennen, die an einigen Schreibtischen saßen, andere bewachten eine reich verzierte Tür.
»Arrêttez!«
Eine der Personen löste sich aus den Schatten und versperrte nun ihren Weg. Es war ein großgewachsener Mann mit langen dunkelblonden Haaren und ungewöhnlich silbrigen Augen, eine Farbe, die Leo bei Vampiren bisher nicht aufgefallen war. Die Augenfarben verrieten, welche Fähigkeiten ein Vampir besaß. Wie die anderen Wachen um ihn trug er einen langen schwarzen Mantel, allerdings deuteten die verzierte Weste und eine silberne Brosche in der Form eines Mondes auf seiner Brust auf eine höhere Stellung hin.
»Was ist euer Anliegen?«, erkundigte er sich höflich, aber kühl.
Leo hatte das Gefühl, dass es keine gute Idee war, sich mit ihm anzulegen.
»Wir haben eine Vorladung von der roten Königin. Laurent de Fiori und Lionel de la Fayette«, erklärte Laurent knapp und der Vampir vor ihnen nickte. Er trat einen Schritt zur Seite und öffnete ihnen die schwere Tür.
Der folgende Raum war nicht weniger imposant, wenn auch etwas kleiner. In seiner Mitte ragte ein goldener Thron in die Höhe, hinter ihm waren die Wände mit schweren roten Samtvorhängen geschmückt. In der Mitte saß die beeindruckendste Frau, die Leo je gesehen hatte. Die anderen Vampire, die ihm bisher begegnet waren, hatten immer noch etwas Menschliches an sich gehabt, aber sie wirkte wie ein Wesen völlig anderer Art. Aufmerksam schauten ihre rotgoldenen Augen bis in seine Seele. Ihre Haare waren so hell, dass sie beinahe weiß schienen, und sie fielen ihr ungehemmt über die Schulter bis zu ihren Hüften. Ihr Kleid war aus roter Seide, der Stil wirkte altertümlich und aus der Zeit gefallen, wie eine Mischung aus Mittelalter und Antike. Die reichen, goldenen Stickereien ließen es feiner wirken als das meiste, was er am Hof von Versailles gesehen hatte. Ihre blutroten Lippen formten sich zu einem kaum merklichen Lächeln, was ihre kühlen Augen ein wenig wärmer erscheinen ließ.
Zu ihrer Seite stand Madame Cadieux. Die dunkelhaarige Vampirin in ihrem androgynen Gehrock nickte ihnen kurz zu, bewegte sich aber nicht weiter. Es war ungewohnt, sie so zu sehen. Hier schien sie ganz ihre Rolle als Wächterin und Gefährtin auszufüllen. Leo hatte aber das ungute Gefühl, dass die Vampirin auf dem Thron gewöhnlich keinerlei Hilfe benötigte. Laurents Hand drückte seine und langsam spürte er auch seinen Herzschlag wieder.
»Du bist also der kleine Prinz, von dem alle reden.« Als sie begann zu sprechen, weiteten sich Leos Augen. Ihre Stimme war tief und schwer. Es lag eine Süße in ihr, aber auch eine Kälte, die ihm einen Schauer über den Rücken jagte. »Der Prinz von Blut und Rosen, der eigenhändig einen Rachefeldzug gegen eine Groupage von Revolutionären geführt hat.«
Laurent musste Leo kein Zeichen geben, sich zu verbeugen, vor dieser Königin ging er ohne einen weiteren Gedanken auf die Knie. Seinen Blick konnte er jedoch nicht gesenkt halten, was sie aber nicht zu stören schien.
Schließlich erhob sie sich und ging langsam zu ihnen herüber, jeder Schritt bedacht und kontrolliert. Die Schleppe ihres Kleides floss wie eine Spur aus Blut hinter ihr her. Vor ihnen angekommen beugte sie sich ein Stück zu ihnen herab und Leos Herz blieb erneut stehen, als er ihre Fingerspitzen unter seinem Kinn spürte. Ihre vergoldeten Fingernägel ähnelten Klauen.
»Du hast ein Feuer entfacht, das sich so leicht nicht mehr löschen lässt, Lionel.«
Mit großen Augen schaute er zu ihr auf, bis der sanfte Druck ihrer Finger ihm signalisierte, dass er sich erheben sollte. Neben ihm tat Laurent das Gleiche. Die Vampirin vor ihnen war erstaunlich groß, sogar noch ein kleines Stück größer als sein Gefährte, wenn auch nicht so ungewöhnlich hochgewachsen wie Vieru.
Von nahem konnte Leo ihr Gesicht genauer erkennen. Der Großteil ihrer Augen war golden, um ihre Pupillen zog sich aber ein auffälliger roter Rand. Gab es Vampire mit zwei Augenfarben? War sie Chevalière und Séductrice, Kriegerin und Verführerin, zugleich? Wieder einmal fiel ihm auf, wie wenig er eigentlich über die Welt der Schatten und die Vampire wusste.
»Je suis honoré, Votre Altesse«, sagte er mit belegter Stimme und versuchte, ihrem Blick standzuhalten.
Die Kälte in ihren Augen schmolz ein wenig und das Lächeln wurde deutlicher. Leo konnte neben sich hören, wie Laurent aufatmete. Schweigend betrachtete sie ihn, bis ihre Fingernägel über seine Wange strichen und dabei ein paar Tropfen Blut hervorlockten. Sogleich leckte sie sie von ihrem Finger und nickte anerkennend.
»Starkes Blut für einen Neugeborenen«, sagte sie und schaute zu Laurent herüber. »Wusstest du um das Risiko, als du ihn verwandelt hast?«
Leo zog die Augenbrauen zusammen und folgte ihrem Blick. Was meinte sie damit?
»Nein, meine Königin.« Sein Gefährte schüttelte den Kopf. »Ich wusste, dass er heißblütig sein würde, aber nicht mehr als das.«
Sie nickte nachdenklich und ihre Augen wanderten wieder zu Leo.
»Wenige Vampire erregen so früh so viel Aufsehen. Ich hoffe, dir ist bewusst, dass du dich auf einem gefährlichen Weg befindest.«
Leo wartete einen Moment, verstand dann aber, dass sie eine Antwort erwartete.
»Mein Rachedurst wurde gestillt. Ich habe nicht vor, diesen Weg weiterzugehen, seid unbesorgt.«
Kallistos Augen verengten sich und Leo schluckte, dann trat sie einen Schritt zurück und durchquerte geschmeidig den Saal, bis sie ihren Thron erreichte und sich wieder setzte.
»Gut. Das höre ich gerne«, sagte sie und nahm einen Kelch an, den Cadieux ihr reichte. Sie trank einen Schluck und Leo konnte an dem Geruch erkennen, dass es Blut war.
»Ich muss dennoch eine Warnung aussprechen. Wenn Seraphine nicht ein gutes Wort für dich eingelegt hätte, würdest du vielleicht schon deinen Verwandten im Mausoleum Gesellschaft leisten.«
Natürlich hatte Cadieux ihr von allem Bericht erstattet. Es war ihm dennoch etwas unheimlich, dass die goldäugige Vampirin scheinbar genau wusste, wo und wie die la Fayettes begraben lagen. Welche weitere Bedeutung ihre Aussage hatte, versuchte er, so gut es ging, nicht an sich herankommen zu lassen.
»Das oberste Gebot in der Welt der Schatten ist es, dass die Welt dort oben, die Welt des Lichtes, so wenig wie möglich von uns erfährt. Wir machen uns keine Illusionen – die meisten Menschen erahnen unsere Existenz. Umso wichtiger ist es, dass wir ihnen keinen Grund geben, auch nur einen weiteren Gedanken an uns zu verschwenden. Wenn also von Zeit zu Zeit eine Leiche mit Bissspuren gefunden wird oder ein Mensch von glühend roten Augen erzählt, ist es akzeptabel. Wenn aber eine ganze Gruppe von Revolutionären von Vampiren und Wertieren geschlachtet wird und es das ganze Viertel bemerkt, ist das inakzeptabel. Glücklicherweise habt ihr euren Plan besonnen geschmiedet und Seraphine sowohl bei der Vorbereitung als auch der Vertuschung der Todesumstände miteinbezogen.« Sie schaute zu ihrer Gefährtin, die nun aus ihrer Starre erwachte und ihr ein liebevolles Lächeln schenkte. »Trotz des Feuers, das in dir brannte, hast du es nicht auf die Stadt überspringen lassen. Das hat dein Leben gerettet, kleiner Prinz.«
Erschrocken sah Leo zu Laurent, der zu seiner Überraschung nur mit den Schultern zuckte und leise seufzte.
»Wie dem auch sei. Ich erwarte, dass dies ein einmaliges Ereignis bleibt. Kannst du mir das versprechen, Lionel de la Fayette?« Ihr Blick war erneut so durchdringend, dass Leo sich fühlte, als sähe sie in sein tiefstes Inneres. Ihn erfasste ein seltsames Gefühl, was ihn an Laurents und seine Fähigkeiten erinnerte. Er glaubte nicht, dass es ihm möglich gewesen wäre, die Unwahrheit zu sagen.
»Das kann ich, meine Königin.« Seine Stimme klang weit entfernt und er räusperte sich. »Mein Peiniger ist tot. Von jetzt an beginnt für mich ein neues Leben.«
»Ein neues Leben sagst du?« Kallisto musterte ihn mit einem Funkeln in ihren Augen. »An der Seite deines Gefährten, nehme ich an?«
Leo nickte und sah aus dem Augenwinkel, wie Laurent es ihm gleichtat.
»Ich habe einen Vorschlag für dich«, sagte sie nun und erhob dabei ihre Stimme, was Leo zurückschrecken ließ. »So wie ich meinen guten Willen gezeigt habe, erwarte ich von dir, dass du deinen zeigst. Der Ruf ist in der Welt der Schatten alles. Baue ihn auf, pflege ihn und du wirst es gut bei uns haben. Erlaube dir zu viele Fehltritte und du machst dir Feinde, die dir die Hölle auf Erden bereiten können. Auch Vampire sind nicht unsterblich.«
Ihre Worte hallten in seinem Geist wider. Er traute sich kaum, sich zu bewegen. So gerne er auch aufbegehrt hätte, konnte er doch verstehen, was sie meinte, und zwang sich zur Ruhe.
»Du hast das Fundament bereits gelegt. Der schöne junge Prinz, der kleine Löwe, der denen das Feuer bringt, die sich ihm in den Weg stellen. Es ist ein starkes Fundament, aber birgt unzählige Gefahren. Manche sind der Meinung, dass sich Neugeborene zunächst unterordnen und sich ihren Platz erkämpfen müssen. Bist du dem gewachsen?«
Hilfesuchend schaute Leo zu Laurent herüber.
»Das musst du selbst wissen. Ich kann dir aber sagen, dass du in den wenigen Wochen, seit ich dich zu mir geholt habe, mehr Mut bewiesen hast als viele, die schon Jahrzehnte länger unter uns weilen.« Laurent lächelte sanft und griff nach seiner Hand.
»Das kann ich bestätigen.«
Leo war überrascht, Cadieux‘ raue Stimme zu hören. Ihre und Laurents Worte gaben ihm eine Sicherheit, die er bisher vermisst hatte.
»Ich werde mein Bestes geben. Und wenn ich eines kann, dann ist es, andere für mich zu gewinnen«, sagte Leo schließlich und fühlte, wie langsam die Wärme und Kraft zurück in seinen Körper fanden.
»Gut. Bleibt also nur noch eine Frage.« Kallistos Lächeln wurde breiter und sie stützte sich entspannt auf die Lehne ihres Throns, während ihre Hand mit der von Cadieux spielte. »Ich sehe das Potenzial in dir. Und ich gedenke nicht, es einfach so ziehen zu lassen. Ich habe Nutzen für den roten Engel, als den du dich so gerne präsentierst. Willst du mir deinen guten Willen unter Beweis stellen?«
Wieder weiteten sich Leos Augen und sein Magen verkrampfte sich. In seinem Herzen kämpfte die Angst gegen etwas Stärkeres, eine Hitze, die er gut kannte und gelernt hatte, für sich zu nutzen. Also nickte er entschlossen und machte eine leichte Verbeugung.
»Das will ich, meine Königin.«
Zufrieden betrachtete Kallisto ihn aus ihren feurigen Augen.
»Reise nach Versailles. Misch dich unter die Höflinge und sei meine Augen und Ohren.« Ihr Lächeln war enigmatisch und Leo lief ein kühler Schauer über den Rücken. »Deine Erfahrungen als Mensch bringen dir Vorteile, die meinen Spähern verwehrt bleiben. Etwas entzieht sich meinem Blick. Etwas, was das Gleichgewicht unserer Schatten in Gefahr bringen könnte. Berichte mir von den Machenschaften der Schattenwesen am Hofe des Menschenkönigs, kleiner Löwe, und hilf, deine neue Heimat zu bewahren.«
Le lion de la reine
Der Löwe der Königin
»Oh Leo, Leo, Leo.« Laurent lachte, als sie wieder an der Oberfläche waren und auf die dunkle Straße traten. »Da wir beide unversehrt sind, erkläre ich unser kleines Abenteuer zu einem Erfolg.«
Unzufrieden griff Leo nach seinem Arm und blieb stehen. »Ich finde, ich habe mich gut geschlagen«, murmelte er mit zusammengezogenen Augenbrauen.
»Natürlich hast du das.« Laurent grinste und gab ihm einen flüchtigen Kuss.
»Ich meine es ernst. Ich weiß, wie man mit Königinnen spricht. Im Gegensatz zu dir bin ich schon vor Kallisto einer begegnet.« Er war sehr stolz darauf, schon mehrere Male mit der Dauphine gesprochen zu haben, auf Soirées in Paris und am Hof.
»Woher willst du das wissen, kleiner Prinz?« Laurent knurrte, in seinen Augen lag eine Aufforderung und Leo hatte das Gefühl, zu viel gesagt zu haben.
»Schon gut. Ich dachte, ich hätte wenigstens im Umgang mit dem Adel mehr Erfahrung als du.« Er seufzte resigniert und war fast schon erleichtert, als er seinen Gefährten erneut lachen hörte.
»Vielleicht ein wenig.« Er zwinkerte, aber Leo wusste, dass er es nur sagte, um ihn aufzuheitern. »Wie dem auch sei, ganz ungeschoren sind wir nicht davongekommen. Du hast es geschafft, sowohl der Königin und ihrer Gefährtin als auch Vieru etwas zu schulden. Wir müssen aufpassen, dass es uns nicht das Genick bricht, mon Cher.«
»So seltsam das klingen mag, ich habe das Gefühl, Kallisto besser einschätzen zu können als Vieru.« Leo steuerte auf ihre Pferde zu, aber Laurent griff nach seiner Hand.
»Sei dir da nicht so sicher, nur weil sie dir deutlicher sagt, was sie von dir erwartet. Vieru schuldest du nur einen Gefallen, aber du stehst nun in Kallistos Dienst. Du solltest beides nicht unterschätzen. Hoffen wir, dass sich ihre Interessen nicht im Weg stehen.« Bevor Leo nachfragen konnte, was er damit meinte, deutete er auf die dunklen Gassen nahe dem maroden Gebäude neben ihnen. »Lass uns jemanden zum Trinken suchen. Ich habe Durst.«
»Du lenkst schon wieder ab«, beschwerte sich Leo halbherzig. Durst hatte er ebenfalls. So gerne er seinen Gefährten fragen wollte, welche Art von Gefallen Vieru möglicherweise einfordern könnte, erinnerte er sich doch daran, dass er auch schon die vorherigen Male keine Antwort bekommen hatte.
»Ich frage mich, ob das Blut der Menschen am Hof anders schmeckt als das der Leute in Paris.« Laurent ignorierte Leos Kommentar und schaute um die Ecke des alten Hauses. Das Licht der Straßenlaternen flackerte und fand kaum seinen Weg in die Gasse. Er drückte Leos Hand und zog ihn hinein.
»Ist das das Einzige, woran du bei Versailles denkst?«
Leo ließ sich mitziehen. Sie streiften durch die Gasse, in der aber nur eine Frau einen Korb mit Abfällen vor eines der Häuser stellte und schnell wieder verschwand.
»Mitnichten, aber ich habe Hunger.« Laurent grinste und zeigte dabei seine spitzen Eckzähne. »Und niemand verbietet uns, ein wenig Spaß zu haben.«
Leo rollte mit den Augen und schluckte einen Kommentar hinunter. Er war der gleichen Meinung, war aber zu stolz, es zuzugeben.
Die Gasse führte zu einem kleinen Hinterhof, von dem aus weitere schmale Wege abgingen. Der Ort war überraschend gut besucht. Bei einem der Häuser handelte es sich um eine Taverne. Gäste und einige käufliche Damen tranken und lachten im warmen Licht der Kerzen.
»Hast du ein paar Livre dabei? Es wäre am sichersten, ihre Dienste zu beanspruchen.« Als hätte es Leo geahnt, traten Soldaten nicht weit von ihnen durch eine der Gassen, hielten kurz an und entfernten sich wieder, als sie sicher waren, dass alles in Ordnung war. Sie hatten schon einmal Freudendamen für eine Nacht bezahlt, um etwas von ihrem Blut zu trinken.
Laurents Antwort war ein unzufriedenes Knurren. Er fischte ein paar Münzen aus einer Manteltasche und nickte knapp.
***
Das Blut der Frauen war süß vom Wein gewesen und Leo fühlte sich warm und zufrieden, als sie ihr Zuhause in le Marais erreichten. Selbst Laurent hatte sich beruhigt. Er mochte es nicht, wenn ihm die Umstände vorgaben, wie er sich verhalten musste. Schon gar nicht bei der Jagd. Er fragte sich allerdings, wie es Vampire taten, die ihre Opfer nicht hypnotisieren und die Geschehnisse vergessen lassen konnten, wie es die rotäugigen Séducteurs vermochten.
»Wie kommt es eigentlich, dass Kallisto zwei Augenfarben hat?«, erkundigte er sich, als er seinen Gehrock auszog und ihn auf einen Stuhl nahe der Eingangstür legte. Nachdem er soeben seine eigenen Kräfte genutzt hatte, wollte ihm die Frage nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Laurent entknotete sein Halstuch – er trug es nur selten zu Hause – und schaute zu Leo herüber.
»Es ist sehr selten unter uns Vampiren. Ich habe in meinen dreihundert Jahren vielleicht eine Handvoll Vampire mit mehreren Farben gesehen. Es bedeutet, dass sie entsprechende Fähigkeiten haben. Sie sind für gewöhnlich sehr mächtig.«
»Werden sie so geboren? Sind sie schon nach ihrer Verwandlung so mächtig? Wie passiert das?«
Laurent lachte und legte Leo einen Finger auf die Lippen.
»Sachte, kleiner Prinz. Sonst verschluckst du dich noch an all den Fragen.«
Für einen Moment debattierte Leo mit sich, ob er Laurent in den Finger beißen sollte. Schließlich sah er aber davon ab und knurrte nur leise. Sein Gefährte spazierte an ihm vorbei Richtung Salon. Mit ein paar schnellen Schritten holte Leo ihn ein. Es dauerte aber, bis Laurent es sich in seinem Sessel gemütlich gemacht hatte, und er so eine Antwort erhalten konnte.
»Niemand wird so mächtig geboren. Auch Kallisto nicht. Sie ist älter, als du es dir vorstellen kannst. Durch hohes Alter, Erfahrung und einschneidende Erlebnisse werden wir nicht nur stärker, es kann sich auch eine weitere Fähigkeit entwickeln. Ich kenne allerdings niemanden mit drei oder mehr Kräften. Das sind nur Märchen, die man sich in den Schatten erzählt.« Er griff nach der Zeitung, die Celine, ebenso wie etwas Gebäck, schon auf dem Tisch bereitgelegt hatte.
»Ich frage mich, was sich bei mir noch entwickeln könnte.« Leo brach sich ein Stück von der Brioche ab und steckte es sich genüsslich in den Mund. Er fand zu seiner Freude wieder Gefallen an normalem Essen, jedenfalls solange er genug Blut getrunken hatte und sein Körper es ihm erlaubte. Glücklicherweise standen ihm viele seiner menschlichen Körperfunktionen noch zur Verfügung, wenn er durch ausreichend vampirische Nahrung angetrieben wurde.
»Darüber reden wir nochmal in fünfhundert Jahren, Chéri.« Laurent konzentrierte sich auf einen Artikel, scheinbar nicht an dem Gedankenspiel interessiert.
Leo seufzte, Gold würde zu seinen roten Augen passen, ähnlich wie bei Kallisto. Ob er wohl irgendwann einmal eine solche Kraft entwickeln würde? Er konnte es sich zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen. Noch war er kaum stärker als ein sehr kräftiger Mensch und nur etwas schneller. Was ihn deutlicher von seinen ehemaligen Mitmenschen abhob, waren die hypnotischen Kräfte, seine geschärften Sinne und seine Fangzähne.
»Wusstest du, dass sie Necker abgesetzt haben?« Laurents Stimme drang durch seine Gedanken und Leo blinzelte irritiert.
»Wen meinst du?«
»Jacques Necker, den Finanzminister.« Laurent schnaubte und deutete auf einen Artikel. »Wozu braucht man denn schon einen während einer Finanzkrise?«
»Warum kümmert dich die Politik der Menschen?« Leo hatte sich schon früher kaum dafür interessiert, als Vampir wollte er eigentlich nur noch wissen, ob die Straßen sicher waren. Solange er nicht hörte, was dort draußen passierte, musste er auch keine Angst um sich, Marie oder François haben. Er wusste zwar, dass das naiv war, aber er fühlte sich nach den Geschehnissen der letzten Monate wirklich nicht danach, sich damit zu beschäftigen.
»Im besten Fall kümmert sie mich gar nicht. Im schlimmsten Fall kümmert sie mich, weil sie uns betrifft, wie die Soldaten auf den Straßen. Oder Mathis‘ Gruppe, bis wir sie vernichtet haben. Was denkst du, wie es die Bürger finden, dass der einzige Mann, der noch für etwas Ordnung und Gleichheit gesorgt hat, vom König entlassen wurde?«
»Vermutlich nicht gut.« Leo zog die Augenbrauen zusammen und tippte mit dem Finger auf seine Lippen. »Du meinst, das könnte zu weiteren Unruhen führen?«
»Genau das.« Bedächtig nickte Laurent. »Das wird sich durch ganz Paris ziehen, vielleicht sogar bis nach Versailles.«
Leo seufzte leise, es ging nicht an ihm vorbei, dass sich die Situation immer weiter aufheizte. Wenigstens konnte er sich nun auf ein neues Ziel konzentrieren, was für ihn eine willkommene Ablenkung war.
»Als wen geben wir uns eigentlich am Hof aus? Du bist dort nicht bekannt, aber ich kann schlecht den Comte de la Fayette spielen.« Der Gedanke beschäftigte ihn schon, seit Kallisto ihm den Auftrag gegeben hatte.
»Das müssen wir uns noch überlegen. Ist die Gesellschaft dort noch immer so groß? Ein paar neue Gesichter fallen hoffentlich nicht auf.«
Leo nickte, worauf er sich seine Augen weiteten. »Du warst schon einmal da? Wann war das?«
Er hatte angenommen, dass Laurent noch nicht dort gewesen war.
Laurent faltete die Zeitung und legte sie neben sich. Er lächelte. Es schien, als erinnerte er sich gerne.
»Ich war vor hundert Jahren häufiger in Versailles. Zur Zeit des Sonnenkönigs. Seit Louis XV. den Thron bestieg aber kaum mehr. Es fällt auf, wenn man nicht altert.«
Gewissermaßen hatte Leo schon geahnt, dass sein Gefährte ihm nicht alles erzählt hatte. Es überraschte ihn dennoch und machte ihn schrecklich neugierig.
»Du musst mir mehr erzählen! Wie war es damals?«
»Fragen! Immer nur Fragen.« Laurent grinste und beugte sich zu Leo herüber. »Vielleicht erzähle ich dir einmal mehr davon, wenn wir Langeweile haben. Aber das ist heute Nacht nicht der Fall.«
Leo seufzte unzufrieden, gab sich aber keine Mühe, ihn zu überzeugen. Er wusste, dass er damit keinen Erfolg haben würde.
»Wenn ich meine alte Kleidung trage, erkennen mich einige Leute am Hof. Ich falle mit meinen blonden Haaren und den roten Gehröcken mehr auf, als mir gerade lieb ist.« Sonst beschwerte er sich bestimmt nicht über Aufmerksamkeit, aber jetzt war sie hinderlich.
»Dann brauchst du etwas Neues, mon Cher. Ein paar neue Hemden und Hosen könnten auch nicht schaden, du kannst dir nicht alles von mir leihen und so viel ist nach dem Feuer nicht übriggeblieben.« Laurents Worte waren ungewohnt sanft, er wusste, welch schwieriges Thema es für Leo war. Nach dem verheerenden Feuer im Schloss der la Fayettes waren Leo nur wenige Kleidungsstücke geblieben. Er hatte noch ein paar Sachen von seinem Bruder gefunden, aber die waren ihm etwas zu groß und voller schmerzhafter Erinnerungen. Laurent konnte ihm zwar Hemden leihen, aber die wurden schnell schmutzig, schließlich machte Blut hartnäckige Flecken. Culottes, die modischen Kniebundhosen, konnte er sich kaum von ihm leihen, sein Hintern war ein wenig runder und so fühlte er sich eingeengt, wenn er versuchte, sie zu tragen.