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Es wäre gefährlich gewesen, hätte Gefahr noch eine Bedeutung für ihn gehabt Nach dem Kampf im Orden richten sich alle Augen auf Köln. Fynn, der neue Hüter des Ordens muss sich behaupten - nicht nur gegen seine eigenen Jäger. Gerüchte werden laut, über einen erneuten Aufstand der Halbblüter. Doch wie sollte er sie mit seinem verletzten Bein aus dem Chaos retten? Siandra hat sich für ein Leben an Elyanos Seite entschieden, aber sie findet keine Ruhe. Warum will ihr Vater sie treffen? Was hat es mit den Konsequenzen ihrer Entscheidung wirklich auf sich? Hat die Macht, die eigene Lebensspanne zu beeinflussen wirklich einen hohen Preis?
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Seitenzahl: 554
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für Nina
Gebrochene Schwingen
Kalte Winde
Nec Soli Cedit
Aislings Geheimnis
Der Marsch der Halbblüter
Bittere Narben
Gremlins bei Mitternacht
Die Familie kommt zuerst
Die Schlinge zieht sich zu
Wenn das deine Mutter wüsst‘
Ein Weg zu Stärke
Ein goldener Käfig
Der Wolf in Ketten
Scharfkantige Wahrheit
Die Halbblüter
Krieg ohne Sieger
Der Norden vergisst nicht
Der Preis der Macht
Dunkler Friede
Nur du kannst sie aufhalten. Ariels Worte verfolgten Fynn, als er sich mühsam die schmale Treppe herunterschleppte. Schweiß stand auf seiner Stirn und sein ganzer Körper bebte vor Anstrengung, doch er trieb sich immer weiter voran. Er war ein Jäger. Jahrelanges Training hatte ihn gestählt und zu einer tödlichen Waffe gemacht. Er konnte nicht akzeptieren, dass sein eigener Körper sich nun so gegen ihn stellte.
Wenn Aisling wüsste, dass er wieder diesen Weg in die Krypta nahm, würde sie ihn einen Kopf kürzer machen. Das heißt, das hätte sie getan, bevor Pyrros und seine Diener in den Orden eingefallen waren und der Prinz der Wölfe ihm die Flügel gebrochen hatte.
Fynn hielt einen Moment lang inne, um sein pochendes Bein zu entlasten. Geräuschvoll atmete er aus. Alle schlichen sie um ihn herum, verstummten, wenn er den Raum betrat und schafften es kaum, normal mit ihm zu sprechen. Er konnte es ihnen nicht einmal zum Vorwurf machen. Der Schmerz, der ihn seit der Schlacht verfolgte, hatte sich, einer Schlange gleich, tief in seinen Brustkorb geschlichen und sich dort verbissen. Er ließ ihn nicht vergessen, weder seinen zerbrochenen Körper, noch die Last, die auf seinen Schultern lag, seit Ariel diese Welt verlassen und ihn zum Hüter des Ordens ernannt hatte.
Nur du kannst sie aufhalten! Wütend schlug Fynn gegen die harte Steinwand. Rotkäppchen war tot, ihr Orden zerschlagen. Wen sollte er also aufhalten? Und wie? Vor wenigen Monaten hätte er Ariels Nachfolge mit Stolz angetreten und seine Sache gut gemacht. Doch jetzt hatte sich alles verändert. Er war kein Jäger mehr, nur ein Schatten seiner selbst. Und ein Hüter, der seinen Orden nicht mit der Klinge verteidigen konnte, war kein Hüter.
Der Gang wurde enger und die Stufen steiler. Sein Gehstock verlor auf der glatten Oberfläche immer wieder den Halt. Jedes Mal ging ein Ruck durch seinen Körper. Jedes Mal zuckte ein heller Schmerz durch sein Bein. Es wäre gefährlich gewesen, hätte Gefahr auch nur noch irgendeine Bedeutung für ihn gehabt. Aisling. Elyano. Die Zwillinge. Sie machten sich doch alle nur etwas vor. Er würde den Orden nicht halten können. Die Jäger würden ihn nicht als Anführer akzeptieren und rebellieren. Es würde Krieg geben. Gegen wen, wusste er nicht, ebenso wenig, wie viel Zeit ihnen noch blieb. Doch er würde kommen. Die Orden der verstorbenen Fürstinnen dürsteten bereits nach Rache, die Uneinigkeiten der Ratsmitglieder wuchsen mit jedem Tag. Nicht mehr lang, und alles würde zugrunde gehen.
Die letzte Stufe wurde Fynn zum Verhängnis. Sein Gehstock rutschte auf dem glatten Marmor weg und riss ihn von den Füßen. Erst spürte er nur die Taubheit, die sich durch sein Bein fraß, ehe der Schmerz ihn wie ein Raubtier überfiel. Doch er schaffte es kaum, das Pochen zu übertönen, das ihn schon seit Wochen quälte. Einen Herzschlag lang überlegte Fynn, einfach hier liegen zu bleiben, an nichts mehr zu denken, nichts mehr zu fühlen und die Welt geschehen zu lassen. Aber dann regte er sich. Mühevoll rappelte er sich auf und setzte seinen Weg fort.
Fynn beachtete die zahlreichen Namen kaum, die auf Schieferplatten die Wände bedeckten. Sein Blick klammerte sich fast schon Halt suchend an das Grab, das in der Mitte des Raumes lag. Ariels Grab. Als er seinen Gehstock an den dunklen Stein lehnte, kippte er mit einem lauten Scheppern zur Seite. Der Krach erreichte ihn kaum. Schwer atmend stützte er sich auf die Grabplatte. Wie konnte Ariel nur so entscheiden? Warum hatte er nicht seinen Sohn Zephir als seinen Nachfolger gewählt, sondern ihn? Den Raben, der seine Schwingen verloren hatte. Würde er nun eine andere Wahl treffen? Fynns Hände verkrampften sich, und die Schlange in seinem Inneren wand sich immer fester um sein Herz. Natürlich würde er das. Ariel hätte das nicht gewollt. Doch diese Entscheidung war unantastbar und seine Worte gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Noch nie zuvor hatte es einen neuen Hüter gegeben. Seit der Orden sich vor so vielen Jahrhunderten zusammengefunden hatte, war es stets Ariel gewesen, der an seiner Spitze gestanden hatte. Er hatte sich als Krieger in der Schlacht bewährt und seine Jäger waren ihm gefolgt, weil sie ihn respektierten und er ihnen Schutz versprach. Wie sollte Fynn sie bloß beschützen können?
Ariel... Der Gedanke an den Hüter des Ordens ließ sein Herz schwer werden. Ohne Bedenken hatte er ihn und Aisling vor so langer Zeit bei sich aufgenommen, zwei obdachlose Jugendliche, die aus ihrer Heimat geflohen waren. Er hatte sie an seinen Tisch geholt und sie wie seine eigenen Kinder behandelt. Aiofé und Zephir wurden zu ihren Geschwistern, auch wenn sie den Gedanken an seine Brüder und seine Schwester nie ganz vertreiben konnten.
„Fynn?“ Eine leise, fast schon scheue Stimme ließ ihn herumfahren. Aisling. Seine Miene blieb eine kalte Maske, als sie näher kam und die Arme um seinen Nacken schlang. Er wusste nicht, ob er sein Gesicht je wieder zu einem Lächeln zwingen konnte. Es war fast, als hätte Pyrros ihm selbst das genommen.
Aislings Lippen hauchten zaghaft über seine und einen kurzen Moment lang schloss er die Augen, spürte die Wärme, die sie ausstrahlte, als sie sich an ihn schmiegte. Behutsam strich sie eine blonde Strähne aus seiner Stirn und ließ ihre Finger weiter über seinen Kiefer wandern, über seinen Hals, bis sie über seinem Herzen stoppte. „Was machst du hier?“, fragte sie leise.
„Den Toten die letzte Ehre erweisen. Antworten finden.“
„Aber die Toten werden nicht mit dir sprechen können.“
„Das weiß ich auch“, erwiderte er schroffer, als beabsichtigt. Mit ruhigerer Stimme flüsterte er ein weiteres Mal: „Das weiß ich auch.“
Wortlos bückte Aisling sich, um Fynns Gehstock aufzuheben. Mit einem traurigen Flackern in den Augen küsste sie ihn erneut und gab ihm den Stock. „Komm“, sagte sie und griff nach seiner, fast schon tauben, rechten Hand. „Lass uns diesen Ort verlassen.“
Er nickte stumm und folgte ihr die breitere Treppe hinauf, auch wenn die Schlange in seinem Inneren fauchte und schrie, dass es keinen anderen Ort gab, an dem er lieber verweilen wollte.
„Hast du eine Ahnung, was die da machen?“, fragte Aiofé und ließ sich neben Siandra auf das Ledersofa sinken. Siandra zuckte nur mit den Schultern, ohne die Augen von den Jägern abzuwenden, die sich um einen der PCs geschart hatten. Einer von ihnen beugte sich krampfhaft über die Tastatur. Sie versuchte, den Bildschirm zu erspähen, doch er wurde von den Jungs verdeckt. Konnte ihr auch egal sein. Im Gegensatz zu Elyano stand sie nicht sonderlich auf Games.
Sie trank einen Schluck von ihrem Mango Chai und ließ ihren Blick auf der Suche nach jemanden durch den Raum schweifen. „Wo ist Fynn?“, fragte sie leise.
Aiofé seufzte. „Keine Ahnung. Vielleicht ist er wieder unten in der Krypta. Aisling wollte nach ihm sehen.“
Siandra nickte traurig. Alles war anders geworden, seit Rotkäppchen den Orden angegriffen hatte. Ariel war tot und Aschenputtel die letzte verbliebene Fürstin. Und Fynn... Sie spürte, wie sich eine unangenehme Enge in ihrem Hals ausbreitete. Einige Wochen waren seit dem Kampf vergangen und noch immer versagte sein Bein ihm den Dienst und sein Arm war ihm mehr Last als Nutzen. Er lebte. Etwas, das andere nicht von sich behaupten konnten. Doch Fynn war ein Jäger, der nun in einen zerstörten Körper gesperrt war. Er empfand nur das Unglück und nicht die Freude darüber, dass die Gefahr gebannt war. Vorerst.
Ihr Blick fiel auf Elyano, der bereits seit geraumer Zeit telefonierte. Bei seinem ersten Gespräch mit Pascao hatte er noch gegrinst, doch nun ließ er sich von einem der Kundschafter auf den neusten Stand bringen. Das Telefonat schien seine Laune nicht gerade zu heben. Seine Züge waren hart und so sehr Siandra sich auch anstrengte, konnte sie einfach nicht erkennen, was er dachte. Nur hin und wieder sah er zu ihr herüber und schenkte ihr ein kaum sichtbares Lächeln, gefolgt von dem warmen Schleier, der es immer schaffte, ihr Trost zu spenden.
Bei dem Gedanken an ihr letztes Gespräch wurde ihr beinahe übel. Die Fürstinnen waren tot, ihre Räte und Orden führerlos. Alle Augen richteten sich auf Köln und seine Fürstin, doch die lebte seit dem Kampf im Orden zurückgezogen und verschloss ihre Augen vor der Welt. Nachdem Beliar auf dem Neujahrsfest aufgetaucht war, hatte Fynn versucht, Kontakt aufzunehmen - ohne Erfolg. Als er seine Fürstin endlich traf, schien es fast, als hätte das Gespräch auf dem Fest nie stattgefunden. Ob das Fürstenpaar ihnen etwas verschwieg?
Siandra ließ sich in die Kissen sinken. Fynn wusste nicht, wie er mit all dem umgehen sollte - weder mit Aschenputtel, noch mit seinem Orden. Noch immer musste er vor das Volk treten und Ariels Nachfolge offiziell antreten. Erst dann hatte der Orden wieder einen Hüter. Und Fynn war derjenige, der das sinkende Schiff über Wasser halten musste.
Sie erschrak, als ein metallischer Ton aus den PC-Boxen drang und die Jäger laut fluchend durcheinanderbrüllten. Tief atmete sie durch und trank einen weiteren Schluck.
Unruhen breiteten sich in den Reichen aus. Adlige konkurrierten um Macht. Das Volk war verunsichert. Noch immer war unklar, was mit Rotkäppchens Jägern geschehen sollte, genau wie mit ihrem Offizier Pyrros, der seit dem Kampf verschwunden war. Und im Osten wurden Gerüchte laut über einen Aufstand der Halbblüter.
„Hör auf, so viel zu grübeln, das gibt nur Falten“, sagte Zephir mit einem Lachen und ließ sich zwischen sie und seine Schwester fallen. Das Grinsen auf seinen Lippen konnte nicht über den Schmerz in seinen Augen hinwegtäuschen. Die Trauer um seinen Vater saß tief, auch wenn er besser damit klarzukommen schien, als seine Schwester.
Siandras Blick streifte die Jägerin. Heute schien es ihr gut zu gehen, doch sie wusste, dass sie erst gestern wieder verschwunden war. Ihr Bruder war ganz außer sich vor Sorge gewesen, als er abends vor ihrer Tür stand und Elyano bat, ihm zu helfen. Ihr Rabe hatte keine Sekunde gezögert. Er wusste, wie dicht Aiofé davor stand, etwas furchtbar Dummes zu tun und in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Erst nach Stunden hatten die beiden sie in irgendeiner kleinen Bar in der Südstadt gefunden. Jetzt ließ ihr Lächeln nicht mehr auf den gebrochenen Menschen schließen, der noch gestern auf diesem Sofa gesessen hatte.
Siandra schielte zu Zephir. Sein Grinsen war nicht falsch, doch es wirkte festgetackert. Wo seine Schwester auf ihre Art versuchte, den Schmerz zu vergessen, verrannte er sich in Arbeit, um nicht zur Ruhe zu kommen und darüber nachzudenken, was geschehen war.
Zephir beugte sich über die Lehne des Sofas und steckte dem Papagei eine Nuss durch die Gitterstäbe zu. Nachdem sie vor einer knappen Woche Siandras restliches Hab und Gut in den Orden gebracht hatten und sie mehr oder weniger mit Elyano zusammengezogen war, hatte auch Jack seinen Wohnort gewechselt - mitten in den Gemeinschaftsraum der Jäger. Seitdem hatte er sich als geheimes Maskottchen entpuppt und genoss die Aufmerksamkeit, mit der er den ganzen Tag überhäuft wurde.
Siandra erwiderte Zephirs Grinsen und lauschte dem Gespräch zwischen den Geschwistern, hörte ihnen aber nur mit einem Ohr zu. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie Elyano, der das Handy in seine Hosentasche gleiten ließ und zielstrebig auf den schmalen Schreibtisch zuging. Er schien etwas Bestimmtes zu suchen und flog geradezu über die Zettelberge. Nur einmal sah er kurz auf, als Florian einen dummen Kommentar abgab. Der Jäger saß auf der Rückenlehne eines Sofas und biss gelassen in eine Pflaume. Siandra verstand nicht, was er sagte, doch Elyanos warnender Blick verriet ihr genug.
Ihr stockte ein wenig der Atem, als ihr Rabe einen ganz bestimmten Brief aus dem Wust an Blättern hervorzog. Angespannt biss sie auf ihre Lippe. Sie hätte schwören können, das Schreiben schon längst in den Untiefen ihrer eigenen Schubladen verbannt zu haben. Doch dann erinnerte sie sich. Sie hatte den Gemeinschaftsraum Hals über Kopf verlassen, um Aisling zu folgen. Aisling, die versuchte, vor ihren eigenen Schmerzen davonzulaufen. Danach hatte sie keinen einzigen Gedanken mehr an diesen Brief verschwendet.
Lies ihn nicht. Bitte ließ ihn nicht, dachte sie, doch da hatte Elyano ihn bereits überflogen und war an den entscheidenden Wörtern hängen geblieben. Er wirkte ganz schön sauer, als er auf das Sofa zukam und Siandra ihren eigenen Brief unter die Nase hielt. Doch er schaffte es schon lange nicht mehr, sie einzuschüchtern. Nicht so, wie noch vor einigen Monaten.
„Was hat das zu bedeuten?“
Okay, er war nicht nur sauer, er war richtiggehend wütend. Trotzdem schaffte sie es, seinem Blick zu trotzen. „Was meinst du?“, fragte sie unschuldig, obwohl sie genau wusste, wovon er sprach. Verdammt, sie hatte es ihm doch erzählen wollen. Obwohl seine Reaktion wohl ähnlich ausgefallen wäre.
Elyano erwiderte nichts. Er warf ihr nur den Brief in den Schoß. Siandra verschränkte die Arme vor der Brust. „Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass es unhöflich ist, die Post anderer Leute zu lesen?“
„Dann lass sie nicht so offen herumliegen“, knurrte Elyano und schritt vor der Couch auf und ab. Er senkte den Kopf und massierte seine Nasenwurzel. Dann ging er vor ihr in die Hocke, ohne den Blick von ihr zu lösen, ohne die Härte von seinen Zügen zu verbannen. „Du willst also studieren?“
„Und wenn es so wäre? Du hast mich doch selbst gefragt, was ich mit meinem Leben anfangen möchte.“ Das hatte er wirklich. Erst vor wenigen Tagen hatte er sie das abends gefragt, als sie zusammen auf dem Sofa gelegen und einen Film gesehen hatten. Schon da hatte sie es ihm sagen wollen, doch es war einfach nicht über ihre Lippen gekommen.
„Damit habe ich nicht gemeint...“, setzte Elyano an und strich sich fahrig durch die dunklen Strähnen.
„Wo ist dein Problem? Du tust ja gerade so, als würde ich etwas Verbotenes tun, oder einer Sekte beitreten.“
„Du weißt genau, weshalb das keine gute Idee ist.“
„Und du weißt genau, dass du mich nicht ewig in einem Turm einsperren kannst.“
„Es ist zu gefährlich.“
Siandra atmete geräuschvoll aus. All ihre Gespräche liefen derzeit auf das Gleiche hinaus: Die Gefahr, die draußen lauerte. Rotkäppchen war tot, doch die Orden waren ohne Führung. Auch wenn Siandra jetzt eine Eshani‘i war - ein Gedanke, an den sie sich noch immer nicht gewöhnen konnte - erkannten die Jäger sie als das, was sie einst war. Und für viele von ihnen stand die Reinheit des Blutes über alles. Zudem wusste niemand, wohin Pyrros mit seinen Wölfen verschwunden war und ob er etwas aus dem Schatten heraus plante.
Sie wollte zum Sprechen ansetzen, als die Tür aufflog und ein Jäger eintrat, den Siandra nicht kannte. „Rabe“, sagte er angespannt. „Fynn sucht nach dir.“
Der Angesprochene nickte und erhob sich. „Damit sind wir noch nicht fertig“, zischte er drohend, ehe er den Raum verließ.
Der Sitz vibrierte unter Siandra, als sich der Bus in Bewegung setzte. Aus einem Smartphone klang lauter Rap und ein Kleinkind schrie bereits seit geschlagenen fünf Minuten wie am Spieß, doch es erreichte sie kaum. Sie hatte eine unsichtbare Blase um sich herum hochgezogen, eine Blase aus Erinnerungen. Ihre Augen waren von den Bildern auf dem Display ihres Handys gefesselt. Wie ein rückwärts laufendes Daumenkino zogen die Fotos an ihr vorbei. Fotos, die im letzten halben Jahr entstanden waren. Sie sah sich zusammen mit Becca bei einem Badeausflug am Baggerloch. Elyano und einige Jäger bei einer Besprechung im kleinen Ratsaal - vermutlich hatten sie nicht einmal gemerkt, dass sie ihr Handy gezückt hatte. Ihre Gesichter verrieten grimmige Entschlossenheit. Auf dem Nächsten die Rücken von Fynn und Aisling. Sie lehnten an das Geländer auf einem der Balkone im Orden. Nur Fynns Gesicht war von der Seite zu sehen. Das Gesicht seiner Begleiterin war auf etwas gerichtet, das sich unter ihnen abspielte. Noch vor einigen Wochen war das Lächeln kaum von seinen Lippen zu verbannen, doch nun war alles anders.
Als der Bus hielt, steckte sie ihr Handy zurück in die Tasche und stieg aus. Wie von selbst trugen ihre Füße sie auf dem vertrauten Weg zum Haus von Beccas Eltern. Fynn hatte sie gebeten, einige wichtige Dokumente abzuholen. Ehrlich gesagt, hatte Aisling sie danach gefragt. Als Aschenputtels Reichskanzler war Teddy im Besitz von Unterlagen, die Fynn für das, was vor ihm lag, dringend brauchte - auch wenn er vermutlich nie selbst darum bitten würde. Sie hatte keine Ahnung, was das für Akten waren. Sie ahnte, dass es etwas mit der Eidsprechung zu tun hatte, die immer näherrückte. Nur noch wenige Tage, dann musste er vor den Rat und seine Jäger treten und seinen Platz als Hüter des Ordens beanspruchen. Denn auch wenn Ariel seinen Nachfolger auserwählt hatte, wusste niemand, wie sich die Jäger verhalten würden, wenn dann alles erst einmal offiziell war.
Ein etwas verwundert dreiblickender Teddy öffnete die Tür. „Siandra“, sagte er und trat zur Seite, um sie hereinzubitten. „Haben wir dich erwartet? Becca ist nicht da.“
„Wo ist sie?“, fragte sie und folgte ihm in das Wohnzimmer, in das ihre alte Wohnung wohl mehr als einmal hineingepasst hätte. Durch hohe Fenster, die die ganze lange Seite ausmachten, fiel Licht und zeichnete Farbenspiele an die Wand. Einige Entwürfe lagen auf dem Sofa, Skizzen, Stoffproben und Muster.
„Sie hat dir nichts gesagt?“, fragte der Ratsherr und ließ sich in einen der Ledersessel sinken. Seine stahlgrauen Augen verfolgten Siandra, als sie sich auf das Sofa setzte und den Kopf schüttelte. „Sie ist bei einem Freund.“ Siandra hob die Augenbrauen, doch sie sagte nichts. Ein Freund? Warum hatte Becca ihr nichts erzählt?
„Du bist mit Sicherheit nicht grundlos hier, oder?“ Sein Mundwinkel zuckte. „Ich bezweifle, dass du gekommen bist, um mit einem alten Mann Kaffee zu trinken und ein Schwätzchen zu halten.“
„Als könntest du jemals als alt durchgehen.“
„Elyano hätte dich in diesen Zeiten sicherlich nicht...“
„Elyano weiß nicht, dass ich hier bin“, unterbrach sie ihn.
Teddy lächelte leicht. „Oh doch, er weiß es. Da bin ich mir sicher.“
Siandra wusste es ebenfalls. Immerhin spürte sie den wärmenden Schleier, der sie die ganze Zeit über begleitete. Aber sie war ihm aus dem Weg gegangen und hatte ihm nichts von ihren Plänen erzählt. „Fynn schickt mich. Er sagt, du wüsstest, worum es geht.“
Ihr Gegenüber nickte und erhob sich aus seinem Sessel. Aus einem der Schränke zog er einen Aktenordner hervor, der seine besten Zeiten schon lange hinter sich hatte. „Hier“, sagte er und reichte ihr die Blättersammlung. „Fynn wird damit zurechtkommen.“
„Glaubst du, die Jäger werden ihm folgen?“
„Ich hoffe es. Meinen Rückhalt hat er jedenfalls. Doch ich kann nicht sagen, wie die anderen reagieren werden. Nicht alle unterstützen Ariels Entscheidung. Ein Jäger, der nicht in der Lage ist, ein Schwert zu führen, ist kein wahrer Jäger. Und nur ein Jäger, der sich beweisen kann, ist würdig, Hüter des Ordens genannt zu werden.“
„Aber“, wollte sie einwerfen, doch Teddy unterbrach sie kopfschüttelnd.
„Das sind Krieger. Auch wenn die alten Tage längst vergangen sind, gilt noch immer das Gesetz des Stärkeren. Von jeher haben sich die Jäger unter einem fähigen Krieger zusammengeschart und das war seit jeher Ariel gewesen. Es gibt zwar viele, die verwundert sind, dass nicht Zephir die Nachfolge seines Vaters angetreten hat, trotzdem ehren wir die Blutlinie nicht.“
„Zephir ist kein Offizier. Nicht so, wie Fynn.“
„Nein, Zephir hatte nie den Wunsch danach gehabt. Seine Aufgabenbereiche lagen stets woanders. Als Offizier wäre er an Köln gekettet gewesen und wir hätten unseren besten Diplomaten eingebüßt.“ Teddy strich über sein Kinn. „Auch wenn wir uns schon früh Gedanken über eine etwaige Nachfolge gemacht haben, hätten wir niemals wirklich erwartet, dass dieser Fall eintreffen würde. Vielleicht wollten wir es aber auch nicht sehen. Auch nur der Gedanke an diesen Verlust...“ Der Ratsherr atmete geräuschvoll aus, ehe er sich wieder auf dem Sessel niederließ. „Niemand weiß, wie er mit der Situation umgehen soll. Am allerwenigsten Fynn. Wie geht es ihm?“
„Den Umständen entsprechend, schätze ich. Ehrlich gesagt, weiß niemand, wie es ihm wirklich geht. Er hat eine Mauer um sich herum errichtet. Nicht einmal Aisling schafft es, zu ihm durchzudringen.“ Ihr Blick schweifte über den Ordner in ihrer Hand. Vorsichtig öffnete sie ihn und blätterte durch die Seiten. Sie konnte die Schrift der Eshani‘i zu schlecht lesen, um auch nur annähernd zu verstehen, was dort geschrieben stand. „Und das hier wird ihm helfen?“
„Ich hoffe es. Das ist alles, was wir über Jahre zusammengetragen haben. Ariel hat es mir zum Schutze anvertraut. Fynn war nur bei wenigen Ratsversammlungen, die die Nachfolge zum Thema hatten, anwesend. In dem Ordner finden sich Protokolle der Treffen, aber auch Gedanken, die Ariel selbst dazu hatte.“
„Wirst du auch kommen, wenn Fynn vor die Jäger tritt?“, fragte sie und knetete unruhig ihre Hände.
Teddy nickte. „Als Reichskanzler ist es meine Pflicht, bei dieser Zeremonie anwesend zu sein. Doch auch wenn es anders wäre, würde ich Fynn an diesem schweren Tag beistehen.“
„Aisling hatte recht, oder? Für ihn hat es nie eine Entscheidung gegeben.“
Ihr Gegenüber senkte den Blick. „Nein, ich fürchte nicht. Ariel hat ihn zu seinem Nachfolger bestimmt und ihn damit an seine Stellung gebunden.“
„Glaubst du, er kann es schaffen?“
„Ich hoffe, dass die Jäger treu an seiner Seite stehen. Immerhin war er viele Jahre lang ihr Offizier gewesen und ein überaus guter noch dazu. Vielleicht wird das reichen. Es wird aber auch andere geben. Jene, die sich gegen Fynn auflehnen und seine Führung in Frage stellen. Und wenn das der Fall ist, sind seine Mauern hoffentlich stark genug, um diese Vorwürfe abprallen zu lassen.“
„Ich habe Gerüchte gehört“, begann Siandra zaghaft. „Man sagt, es wird wieder einen Aufstand der Halbblüter geben.“
Teddys Hände verkrampften sich kaum merklich. „Und das ist genau, was sie sind. Gerüchte“, erwiderte er mit unnachgiebiger Stimme.
„Aber was, wenn nicht?“
„Dann wird Fynn mehr Probleme bekommen, als er ohnehin schon hat.“ Er stand auf und ging zum Fenster herüber. Ein Schweigen breitete sich über ihnen aus, das Siandra nicht zu brechen wagte. „Ich habe auch davon gehört.“ Sie horchte auf, als er fortfuhr. „Die Halbblüter sollen sich unter Gabriel und Ekziel zusammenscharen. Der Orden hat sicherlich mehr Informationen, doch allein schon das Gerücht ist äußerst besorgniserregend. Die Brüder haben früher unter Fürstin Gretel gedient. Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb sie es tun sollten.“ Er atmete geräuschvoll aus. „Ich kann nur hoffen, dass sich dieses Gerücht als falsch herausstellt.“
„Du fürchtest dich davor.“
„Natürlich fürchte ich mich davor. Ich wäre ein Narr, wenn ich es nicht täte. Es gab schon einige kleine Versuche der Halbblüter, sich aufzulehnen. Doch keiner war so verheerend, wie der Aufstand von 1792, als die Halbblüter sich den Menschen anschlossen und unter einem Anführer jeden einzelnen Orden angriffen. Sie nutzten das Chaos, das in den Reichen der Menschen herrschte, für sich und versetzten dem Orden einen schweren Schlag. Es kam auf beiden Seiten zu enormen Verlusten.“
„Ariel hat dort mitgekämpft.“
„Das hat er. Er hat es geschafft, Varga und seine Anhänger zurückzudrängen. Damals waren wir aber zahlreicher und im Kampf erprobter. Und nun, da Ariel nicht mehr in unserer Welt weilt und unsere Fürstin sich immer weiter von uns entfernt, kann ich nur hoffen, dass die Gerüchte Hirngespinste bleiben.“
Siandra zuckte zusammen, als ihr Handy in der Hosentasche vibrierte. Ein kurzer Blick auf das Display verriet ihr, dass es eine Nachricht von Elyano war, doch sie hob den Blick, ohne sie zu lesen. „Hast du etwas Neues von ihr gehört?“
„Nicht mehr, als ihr im Orden bereits wisst. Scheinbar fühlt die Fürstin sich zurzeit unpässlich. Keine Ahnung, was wirklich dahinter steckt. Spätestens zu Fynns Eidsprechung werden wir es wohl erfahren.“
Siandra horchte auf. „Werden wir?“
„Natürlich wird Fürstin Aschenputtel anwesend sein, wenn ihr neuer Hüter seinen Platz beansprucht.“
Wieder summte ihr Handy, doch Siandra versuchte, es zu überhören. Teddy hob eine kunstvoll geschwungene Augenbraue. „Elyano?“, fragte er belustigt.
„Vermutlich.“
Einen Moment lang verharrte der Reichskanzler, ehe er sich auf die Oberschenkel klopfte und aufstand. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen reichte er ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. „Dann ist es wohl das Beste, du machst dich auf den Weg. Elyano hat stets einen Grund, wenn er sich Sorgen macht. Du solltest seinem Gespür vertrauen. Seine Raben leisten ihm stets gute Arbeit.“
„Ich würde ihn eher als paranoid bezeichnen“, grummelte Siandra, ohne das Grinsen verbergen zu können. Ihr Handy klingelte immer noch - oder besser gesagt, wieder, als sie sich an der Tür von Teddy verabschiedete. Der Reichskanzler warf ihr noch einen wissenden Blick zu und versprach sich zu melden, als sein eigenes Telefon klingelte. Siandra zog ihr Handy hervor, als sie den Gartenzaun fast erreicht hatte.
„Wo bist du?“, ertönte Elyanos Stimme am anderen Ende der Leitung. Er klang gehetzt und beunruhigt. Irgendetwas musste vorgefallen sein.
„Auf dem Weg zum Bus. Ich habe etwas bei Teddy abgeholt. Hat Aisling dir nichts erzählt?“
„Ein Glück.“ Im Hintergrund heulte ein Motor auf. „Bleib wo du bist. Ich hole dich ab.“
„Aber“, wollte sie protestieren, doch da hatte ihr Rabe bereits aufgelegt. Innerlich zuckte sie mit den Schultern und balancierte um die Spielzeuge herum, die Beccas Bruder auf dem Weg liegen gelassen hatte. Das gusseiserne Gartentörchen knarzte, als sie es hinter sich schloss und sich gegen den Zaun lehnte. Nur Minuten später bog ein dunkles Auto um die Ecke.
„Hast du dich hergewarpt, oder warum bist du jetzt schon hier?“, witzelte sie, als sie einstieg. Ein Blick in Elyanos Gesicht ließ ihr Lachen gefrieren. „Was ist passiert? Irgendetwas mit Fynn?“
Seine Augen waren starr auf die Straße gerichtet, doch seine Hand tastete nach ihrer und drückte sie kurz. Er schwieg einen Moment und wechselte den Gang, ehe er den Kopf schüttelte. „Nein, es ist nichts mit Fynn.“
„Was ist dann passiert? Was macht dir so große Sorgen?“
Elyano rieb über seinen Nacken und bog in eine dichter befahrene Straße ein. „Unsere Jäger haben Pyrros überwältigt. Seine Wölfe hingegen waren nicht auffindbar und er selbst behauptet, nichts zu wissen.“
„Braucht Fynn dich dann nicht im Orden?“, fragte Siandra behutsam.
„Ich konnte nicht bleiben. Nicht, wo du da draußen warst und niemand wusste, ob Rotkäppchens Jäger noch geschlossen hinter ihrem Offizier stehen. Die Möglichkeit, dass sie sich jemanden suchen, um ein Druckmittel in der Hand zu haben und Pyrros auslösen zu können, war zu groß.“
Eine Schwere breitete sich in ihrem Hals aus, die sie am Sprechen hinderte. Sie griff nach seiner Hand und ließ ihre Finger über seinen Handrücken wandern, zu den Linien, die nie ganz verschwinden würden. Doch sie waren eine Erinnerung, die keine Gefahr mehr für sie darstellte. Nicht mehr. Sanft hob sie seine Hand von der Gangschaltung und strich mit ihren Lippen über seine Fingerknöchel. „Was wird jetzt mit ihm geschehen?“, fragte sie tonlos.
Ihr Rabe atmete geräuschvoll aus. „Das Tribunal wird entscheiden. Doch nach all seinen Taten wird der Ausgang klar sein.“
Teddys Worte hallten in ihrem Kopf wider. Sie waren Krieger. Ihr Gesetz war das des Stärkeren und Pyrros hatte ihnen auf jede nur erdenkliche Weise geschadet. So viele von ihnen hatte er auf dem Gewissen. Es war seine Schuld, dass Fynn sein Lächeln verloren hatte. Sie wusste, was den Fürsten der Wölfe erwartete. „Wann?“, fragte sie nur und schielte aus dem Fenster. Sie waren schon fast da.
„Als ich mich auf den Weg gemacht habe, warteten sie nur noch auf Aschenputtel. Und darauf, dass die Jäger mit dem verdammten Wolf eintreffen.“
„Aschenputtel wird da sein?“, fragte Siandra überrascht. Sie hatte die Fürstin schon seit Wochen nicht mehr gesehen - niemand hatte das, abgesehen von Fynn. Doch nicht einmal ihm hatte sie mehr als eine halbe Stunde ihrer Zeit geschenkt.
Elyano nickte und bog auf den hellen Kiesweg ein, der zum Orden führte. „Sie ist die Fürstin des Reiches. Ihr obliegt die Rechtssprechung, gemeinsam mit ihrem Reichskanzler und dem Hüter des Ordens.“
„Aber Fynn wurde noch nicht offiziell eingesetzt.“
„Das macht die Sache nicht einfacher.“
Die beiden schwiegen, als sie aus dem Auto stiegen und sich ihren Weg in Richtung Ratssaal bahnten. Elyano hatte einen Arm um sie gelegt. Ihr war die Anspannung, die in jeder Faser seines Körpers steckte, mehr als bewusst.
Es war ungewohnt, Fynn auf Ariels Platz sitzen zu sehen und das Raunen, das in der Menge lag, verriet ihr, dass es nicht nur ihr so ging. Die Jäger saßen auf Stühlen an den langen Seiten des Raumes. Nur in der Mitte, vor den erhöht stehenden Sitzen des Hüters und des Reichskanzlers und denen der Fürsten, war Platz gelassen worden, ebenso für einen schmalen Gang, der zur Tür führte.
Siandra folgte ihrem Raben zu Aisling, die neben den Zwillingen saß. Ihre Augen waren gerötet und unter ihnen lagen die Schatten vergangener Tage und Nächte. „Wie geht es ihm?“, fragte Elyano behutsam.
Siandra hob den Blick und sah zu Fynn herüber. Sein Gesicht war hart und unnahbar und seine Hand krallte sich in die Lehne seines Stuhles. Die restlichen Stühle waren unbesetzt. Aschenputtel war noch nicht eingetroffen. Von Teddy fehlte ebenfalls noch jede Spur - was nicht verwunderlich war. Immerhin hatte er bis zu ihrem Besuch noch an seinen Mustern gearbeitet. Ob er sich bereits auf den Weg gemacht hatte?
„Wie soll es ihm gehen?“, fragte Aisling tonlos und sah zu ihren Fingern herab, die sich verkrampft ineinander verwoben hatten.
Behutsam griff Elyano nach ihnen und löste sie. „Und wie geht es dir?“
Sie lachte freudlos und sah ihn zum ersten Mal seit einer ganzen Weile direkt an. Doch sie sagte nichts.
Es vergingen einige Minuten, ehe sich die Tür öffnete. Kurz wurden die Jäger still, bis sie erkannten, dass es nur ihr Reichskanzler war, der gekommen war, um seinen Platz neben dem Hüter des Ordens einzunehmen. Kurz sah er Fynn besorgt an, ehe er sich hinsetzte. Dann schwangen die hohen Flügeltüren auf und Aschenputtel schritt am Arm ihres Gemahls herein. Mit anmutigen Schritten durchquerte sie den Raum und ließ sich neben Fynn nieder. Beliar warf dem neuen Hüter einen flüchtigen Blick zu, ehe er auf dem Stuhl zwischen seiner Gemahlin und dem Reichskanzler Platz nahm. Schlagartig verstummten alle Gespräche und sämtliche Augen richteten sich auf die Fürstin. Fast schon prüfend ließ Aschenputtel ihren Blick über die Menge schweifen. Irgendetwas war anders an ihr. Siandra konnte es nicht benennen, doch es jagte ihr eine leichte Kälte über die Haut.
Aschenputtels Gesicht zeigte keine Regung, als sie jemandem zunickte. Der Jäger verließ den Raum und kehrte kurz danach zurück.
Die Stimmen der Menge wurden laut, als Pyrros hereingebracht wurde. Ihre Wut brodelte immer höher. „Mörder! Verräter!“, tobten die aufgescheuchten Jäger. Ein jeder von ihnen hätte nichts lieber getan, als seine Waffe zu ziehen und sie dem Fürsten der Wölfe eigenhändig ins Herz zu bohren.
Pyrros keuchte auf, als ihm die Arme brutal auf den Rücken gerissen wurden und sie ihn in die Knie zwangen.
„Pyrros Raeghár, Fürst der Wölfe“, sagte Aschenputtel mit seidenkalter Stimme. „Es ist lange her.“
„Meine Fürstin“, erwiderte Pyrros voller Spott. Rotkäppchens Offizier sah schrecklich aus. Das blonde Haar, das ihm unbändig in die Stirn fiel, war genau wie sein Bart verfilzt und blutverkrustet und seine Haut war dunkel vor Schmutz. Selbst seine Kleidung schien vor Dreck zu strotzen, als sei er durch einen Sumpf gewatet. Ein selbstsicheres Lächeln lag auf seinen Zügen, doch er wirkte abgekämpft und das raubtierhafte Funkeln war aus seinen Augen verschwunden. „Ich würde ja vor Euch auf die Knie sinken und Euch meinen Respekt zollen, aber wie mir scheint, haben Eure Lakaien mir diese Entscheidung bereits abgenommen.“
„Du weißt, was dir vorgeworfen wird, Wolf?“, fragte sie mit harter Stimme.
Pyrros sah aus, als würde er nachdenken. „Ihr habt recht, da gibt es einige Dinge, die ich getan habe. Aber ihr vergesst etwas Entscheidendes, meine Fürstin“, sagte er und seine letzten Worte klangen mehr wie Hohn, als wie eine respektvolle Anrede. „Immerhin wart ihr die Erste, die zuschlug.“
Verwirrt sah Siandra die Fürstin an. Wovon sprach er? Doch nicht nur sie war ratlos. Die Jäger tauschten verwunderte Blicke. Es ist ein Trick. Die Erkenntnis rieselte langsam in ihren Verstand.
„Ich tat lediglich der Gerechtigkeit genüge.“
„Gerechtigkeit.“ Pyrros spie das Wort geradezu aus. „Sagt mir, meine Fürstin, wo war die Gerechtigkeit, als ich Ariel meine Klinge durch das Herz jagte? Wo war sie, als Rabe Alessandras Kopf von ihren Schultern löste? Sagt es mir.“ Er lachte tonlos auf. „Gerechtigkeit. Wenn es sie einst gegeben hat, ist sie bereits vor langer Zeit gestorben.“
Das Raunen in der Menge wuchs zu einem Sturm heran, schwoll an, bis zu einem fast schon ohrenbetäubenden Orkan. „Hängt ihn!“, verlangten aufgebrachte Stimmen. „Nieder mit dem Wolf!“
Einige Minuten verfolgte Aschenputtel das Schauspiel schweigend, ehe sie die Stimme erhob. „Ruhe!“, rief sie und mit einem Schlag verstummten die Jäger.
„Ihr habt Eure Schlächter gut im Griff, meine Fürstin.“
„Mit deinen Taten hast du dir das Genick gebrochen und dein eigenes Grab ausgehoben“, fuhr Aschenputtel kühl fort. „Deine Verbrechen gegen den Orden sind unverzeihlich. Geringere Vergehen wurden bereits mit dem Tode bestraft.“
„Dann tut es“, sagte Pyrros ungerührt. „Tut es gleich, jetzt und hier. Reißt mir mein Herz heraus und präsentiert es euren Jüngern, es ist mir gleich.“
Aschenputtels sonst so sanftes Gesicht war hasserfüllt. „Genau das ist es, was du der ganzen Welt weismachen willst, was?“, fragte sie mit gefährlich leiser Stimme. „Der große Wolf, der keine Angst kennt, nicht einmal vor dem Tod.“
„Ich habe keine Angst vor dem Tod. Nicht das ist es, was ich fürchte, auch wenn ich auf ihn verzichten kann.“
Erneut wurden Rufe laut, doch Aschenputtel brachte die Jäger zum Schweigen. „Mein Hüter“, wandte sie sich nun zum ersten Mal direkt an Fynn. „Was denkst du?“
Stahl hatte sich über seine Stimme gelegt, als er zum Sprechen ansetzte. Er klang so fremd, dass es Siandra einen Stich versetzte. „Er ist ein Mörder und Verräter. Wir können ihm nicht trauen, auch nicht in Gefangenschaft. Für seine Taten hat er nur eine Strafe verdient. Und dieses Urteil sollten wir sofort vollziehen.“
Die Jäger jubelten und johlten, doch Aschenputtel ließ sie mit einer Handbewegung verstummen. Ohne den Blick von Pyrros abzuwenden, sagte sie: „Das erachte ich als unklug. Vielleicht sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen. Der Wolf kann uns noch von Nutzen sein.“
„Das ist nicht Euer Ernst!“, fuhr Fynn sie an, ehe er beinahe erschrocken verstummte und den Kopf leicht senkte. „Verzeiht mir, meine Fürstin. Ich wollte nicht...“
Aschenputtel löste ihren Blick von Pyrros und sah Fynn an. Ihre Züge wurden weich und auf einmal war sie wieder die sanfte Fürstin, die Siandra kannte. „Gräme dich nicht, Fynn. Ich weiß, dass du nichts lieber tätest, als dich an ihm zu rächen. Doch der Wunsch nach Rache darf dein Urteilsvermögen nicht schmälern. Ein Wolf in Ketten ist uns bei weitem nützlicher, als einer mit gebrochenem Genick. Also, was denkst du?“
Fynn seufzte, ehe Härte auf sein Gesicht zurückkehrte. „Du hast es gehört, Wolf. Ich werde dich verschonen - vorerst.“ Dann wandte er sich an die beiden Jäger, die Rotkäppchens Offizier noch immer hielten. „Führt unseren Gast in seine neuen Gemächer.“
Die beiden zögerten kurz, folgten dann aber seiner Anweisung. Die restlichen Jäger protestierten lautstark. Einige von ihnen fluchten leise auf Fynn, als Aschenputtel und Beliar wortlos, wie sie gekommen waren, den Raum verließen.
Aisling eilte zu Fynn, als dieser unbeholfen aufstand, doch ihre Liebe prallte an seiner Mauer ab. Hoch erhobenen Hauptes schritt er auf die Flügeltüren zu. Siandra war sich sicher, dass er jedes feindselige Wort hörte, das die Jäger ihm an den Kopf warfen, doch er ließ es sich nicht anmerken. Seine Mauer schirmte ihn ab, schützte ihn und sperrte ihn gleichzeitig ein.
„Bitte tu das nicht!“, rief Aisling verzweifelt, doch ihre Stimme vermochte es kaum, zu Fynn hindurchzudringen. Etwas in seinem Inneren wollte lächeln, doch die Schlange in seiner Brust hielt ihn im eisernen Würgegriff. Aisling hatte ihn auf dem Weg in Richtung der Kerker abgefangen. Seine Hoffnung, ihr nicht zu begegnen, war unerfüllt geblieben. Er wollte nicht, dass sie sah, dass er sein Versprechen brach. Tränen glitzerten in ihren Augen und es schmerzte ihn bei dem Gedanken daran, dass er für diese tiefen Schatten auf ihrem Gesicht verantwortlich war. Als er seine Hand heben wollte, versagte sie ihm den Dienst und erinnerte ihn daran, was er nun war. Und die Schlange bohrte ihre giftigen Fänge immer tiefer in sein Herz.
Fynn sagte nichts. Er wollte seinen Weg fortsetzen, als er eine Berührung spürte, zart, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Sie reichte aus, um ihn in der Bewegung gefrieren zu lassen.
Aisling lehnte die Stirn an seinen Rücken und fuhr mit den Fingern an seiner Wirbelsäule auf und ab. Tränen benetzten sein Hemd, als sie die Arme um seine Taille schlang und sich dicht an ihn schmiegte. „Tu es nicht“, flüsterte sie erstickt. „Bitte. Es ist nicht gut, wenn du zu ihm gehst.“
Er lächelte bitter. „Was kann ein Wolf in Ketten mir noch anhaben? Was kann er mir nehmen, was nicht schon längst sein Eigen ist?“
„Dein Leben.“
„Mein Leben?“ Mit behutsamer Kälte löste er ihre Hände. „Mein Leben gehört zu den Dingen, die er an sich riss.“ Er ignorierte Aislings verzweifeltes Rufen, als er seinen Weg fortsetzte. Er konnte nicht anders - er musste ihn sehen. Den Mann, der Schuld an all dem Leid war.
Nur langsam kam er auf dem unebenen Boden voran. Der Weg führte einer Spirale gleich immer tiefer ins Erdreich hinab und schien kein Ende zu nehmen. Das Pochen in seinem Bein war das Einzige, das sein Denken bestimmte.
Schwer atmend musste er eine Pause einlegen und versuchte, sein Bein zu entlasten, doch der Schmerz blieb wie ein Makel an ihm haften. Er war wie ein Fluch, der ihn nie mehr ganz loslassen würde. Vielleicht sollte er tatsächlich etwas gegen die Schmerzen nehmen. Doch er hatte bereits seinen gesunden Körper verloren, er wollte nicht auch noch seinen Geist einbüßen. Wenn er doch nur einfach vergessen könnte. Er presste die Lippen aufeinander, als mehr und mehr unsichtbare Messer durch sein Bein wanderten und seine Adern von innen aufschlitzten. Er unterdrückte einen Schmerzenslaut, als er sein Bein wieder belastete. Schritt für Schritt tastete er sich voran.
Der Wächter sah ungläubig von seiner Zeitung auf, als Fynn den Gefängnistrakt betrat. Sofort fiel Fynns Blick auf die Titelseite, von der ihm sein eigenes Gesicht entgegenlächelte. Er kannte das Foto, auch wenn es schon sehr alt war. Er hatte darauf einen Arm um Aisling gelegt und hielt sie dicht an sich gedrückt. Es war auf einem Fest aufgenommen worden, noch bevor sie verschwand. Damals waren sie glücklich gewesen, hatten Träume, Ziele, Wünsche. Nun war ihnen nichts mehr davon geblieben.
„Fy... M-mein Hüter?“, fragte der Jäger und riss ihn damit aus seinen Erinnerungen.
Fynn versuchte, die trüben Gedanken zu verbergen. Sein Blick wanderte durch die Gitterstäbe. Schemenhaft konnte er Pyrros‘ Umrisse im Zwielicht ausmachen. „Gönn dir eine Pause“, sagte er kühl. „Ich muss mit unserem Gast sprechen.“
Der Wächter zögerte. „Denkst du, dass das so klug ist? Ich meine...“
„Du solltest verschwinden!“, erwiderte Fynn mit eisiger Stimme. Der Jäger blieb skeptisch, dennoch raffte er die Zeitung zusammen und übergab ihm die Schlüssel.
Pyrros reagierte nicht, als Fynn in seine Zelle trat und die Gittertür hinter sich anlehnte. Seine Hände waren auf den Rücken gekettet und seine Stirn ruhte auf den angezogenen Knien. Fynn dachte schon, der Wolf würde schlafen, doch dann zuckte er. Als eine heisere Stimme an sein Ohr drang, ging ihm auf, dass der Wolf lachte.
„Scheinen ja gut auf dich zu hören, oh großer Hüter des Ordens“, sagte Pyrros spöttisch und hob den Kopf. Das Grinsen konnte nicht über seinen jämmerlichen Zustand hinwegtäuschen. Doch Fynn hatte kein Mitleid. Er fühlte nur die unsägliche Pein und grenzenlosen Zorn. „Wie sind die Schmerzen?“, fragte er und entlockte dem Gefangenen ein weiteres Lachen.
„Schmerzhaft.“ Pyrros legte den Kopf leicht schief. „Aber was interessiert es dich? Hast du plötzlich Gefallen an mir gefunden, Rabenjunge? Das wird der kleinen Aisling aber ganz und gar nicht gefallen. Oder liegt es daran, dass du mich so gerne leiden siehst? Ich bin schier entsetzt.“
„Versteck dich ruhig hinter deiner Mauer aus Spott, sie wird dir nichts nützen. Und wag es ja nicht noch einmal ihren Namen in den Mund zu nehmen.“
„Ich hörte, es läuft nicht so gut zwischen euch beiden. Vielleicht sollte sie die Hoffnung in dich aufgeben. Niemand kann verbitterte...“ Pyrros‘ Stimme brach, als Fynn die Spitze seines Gehstocks auf seinen Fuß stieß. „Also hast du deinen Willen noch nicht bekommen“, stöhnte er.
„Aber bald schon, verlass dich drauf.“ Seine Hand schloss sich fester um den Stock, als er sich zu dem Wolfsfürsten herabbeugte. „Bald schon wird meine Klinge dein Blut kosten.“
„Das würde sie vielleicht, wenn du sie nur heben könntest.“ Fynn sagte nichts. Er schlug einfach nur zu. Pyrros spuckte Blut, doch dann kehrte ein rotes Lächeln auf seine Lippen zurück. „Einen guten Schlag hast du immer noch. Nur was willst du, falsche Krähe? Was erwartest du, hier zu finden?“
„Antworten.“
Pyrros hob die Augenbrauen. „Und die suchst du bei mir? Frag euren Heinrich, der steckt doch den ganzen Tag mit der Nase in Büchern.“
„Was planst du? Wo sind deine Wölfe?“
Einen Augenblick lang sah er ihn unergründlich an, ehe er den Blick abwandte. „Warum sollte ich es dir verraten?“
„Dafür gibt es viele Gründe aber der Entscheidendste ist doch deine überaus günstige Lage.“
Der Fürst der Wölfe hob den Kopf und ein Lächeln voll grausamer Gewissheit trat auf seine Züge. „Wie fühlt man sich, als frisch gebackener Hüter des Ordens?“
„Das geht dich einen Scheißdreck an!“
„Ariel wäre ja so stolz auf dich.“
Fynns Wangen hatten sich gerötet, aus Zorn, nicht aus Verlegenheit. „Ich hätte auf meine Jäger hören sollen, als sie sagten, wir sollen dir die Zunge herausreißen und die Beine brechen. Dann würdest du keine Gefahr mehr für uns darstellen.“
Pyrros‘ Mundwinkel zuckten. „Auge um Auge, Zahn um Zahn, oder wie sagt man so schön? Wie überaus passend.“
Wütend richtete Fynn sich auf und ballte die Hände zu Fäusten. „Wenn du nicht endlich...“
„Wenn ich nicht endlich was?“, unterbrach Pyrros ihn. „Womit willst du mir noch drohen? Mein Schicksal ist doch schon längst besiegelt. Glaubst du wirklich, ich wäre so naiv, anzunehmen, dass es anders wäre? Und ich kann mir kaum vorstellen, dass du mir eine Begnadigung anbieten möchtest.“
„Du verdammter...“
„Gib es auf, Fynn. Bei ihm wirst du nur auf taube Ohren stoßen. Er kann dir nicht sagen, was du hören willst.“
„Wie kannst du dir da sicher sein?“, fragte Fynn und drehte sich zu Heinrich um. Doch der achtete nicht auf den neuen Hüter des Ordens. Sein Blick suchte den, des Wolfsfürsten.
„Wo sind deine Wölfe, Pyrros?“
„Warum sollte ich...?“
„Du weißt es nicht, habe ich recht? Deine Wölfe sind verschwunden, einer nach dem anderen und haben dich allein zurückgelassen.“
Pyrros schnaubte abfällig. „Wenn du es weißt, warum fragst du dann, alter Mann?“
„Weil mir nicht klar ist, warum alles so gekommen ist.“
„Dann geht es dir, wie mir“, sagte Pyrros und ließ für einen kurzen Moment die Maske aus Spott fallen. Doch schnell kehrte sie mit einem siegessicheren Lächeln auf sein Gesicht zurück. „Selbst, wenn es so wäre, es würde euch nichts nutzen. Unruhige Winde ziehen auf, doch die einen verstecken sich hinter Mauern, wo andere Windmühlen bauen. Du wirst schon sehen, mein lieber Hüter. Bald schon wirst du Freund von Feind nicht mehr unterscheiden können, während die neuen, kalten Winde deine Mauern einreißen.“
„Wir sollten das Urteil gleich hier vollziehen“, knurrte Fynn und wollte zu seiner linken Seite greifen, doch seine Hand versagte ihm den Dienst. Und da war auch keine Klinge, die er ziehen könnte. Eine Hand legte sich auf seinen Arm. Als er den Blick von Pyrros abwandte, sah er in Heinrichs wasserblaue Augen.
„Das ist wahre Größe“, flüsterte er. „Ein Leben nicht zu nehmen, sondern es zu bewahren.“
„Pah“, stieß Fynn abfällig aus und schob Heinrichs Hand zur Seite. „Denk daran, großer Wolf “, sagte er und trat durch die Gittertür. „Nur Rache allein währt ewig.“
Auch wenn die Sonne strahlte und sie von fröhlichem Lachen umgeben war, konnte die Heiterkeit nicht so recht auf Siandra abfärben. Der September zeigte sich von seiner besten Seite: Keine einzige Wolke verdunkelte den blauen Himmel und die Luft war so warm, dass ein jeder im T-Shirt nach draußen ging. Um der Anspannung im Orden zu entkommen, war Siandra zusammen mit Becca und Aisling auf ein Festival gefahren, das auf der Wiese vor dem Fußballstadion stattfand. Doch nichts schaffte es, Aislings trübe Gedanken zu vertreiben. Sie schienen immer wieder zu Fynn in den Orden zu wandern, der sich in dieser Sekunde gemeinsam mit Elyano und Zephir auf den morgigen Tag vorbereitete. Seine Eidsprechung.
„Kommt!“, rief Becca mit einem Grinsen und hakte sich bei ihren beiden Begleiterinnen unter. Nichts vermochte ihr die Laune zu verhageln. „Wir sollten uns was zu Futtern besorgen.“ Nur wenige Momente später schlug sie vor einem Wagen auf, der aussah, als würde er keinen einzigen Windhauch überleben. „Ich habe schon ewig kein Sushi mehr gegessen“, quietschte sie.
„Becca...“, setzte Siandra an, doch sie wurde von der gepresst klingenden Stimme des Verkäufers unterbrochen.
„Wollen kaufen?“, fragte er und sah sie aus glasigen Augen heraus an.
Während Becca begeistert nickte und Aisling sich verhalten anschloss, winkte Siandra ab und machte sich auf die Suche nach einem Stand, der eine Kontrolle der Gesundheitsbehörde überstehen würde. Auch wenn das bedeutete, sich in eine schier unendliche Schlange zu stellen. Als sie dann schließlich mit einem dampfenden, vor Amaretto triefenden Crépe, von dannen zog, waren Becca und Aisling verschwunden. Die beiden hatten es sich im Gras bequem gemacht und lauschten den krummen Tönen eines Sängers. Siandra hatte ihn irgendwo schon einmal gesehen, doch sie konnte sich nicht daran erinnern, wann das gewesen sein sollte.
Becca winkte sie hektisch heran, als sie Siandra entdeckte. Ihr Sushi hatte sie längst verputzt. Auf ihren Beinen lag eine halbvolle Tüte Mini-Donuts, die sie, einen nach dem anderen, verschlang. Wie konnte sie so viel essen und trotzdem so dünn bleiben? Eigentlich sollte ich sie dafür hassen, dachte Siandra und ließ sich neben ihrer besten Freundin ins Gras fallen.
„Sieh ihn dir an“, sagte Becca mit vollem Mund und verteilte Puderzucker im Gras. „Kann kaum singen, schimpft sich aber Deutschlands neuer Superstar. Selbst ich könnte das besser.“
„Und du bist nicht unbedingt für deine geraden Töne bekannt. Ich glaube, selbst Elyano könnte besser singen und dabei habe ich ihn bisher nicht einmal singen gehört.“
„Zephir singt gut“, sagte Aisling auf einmal.
Siandra horchte auf. Das war ja mal ganz was Neues. „Ach ja?“
Sie nickte. „Aber er hat in den letzten Jahren nur noch wenig gesungen. Und jetzt... hat er ganz damit aufgehört.“ Sie stockte kurz. „Aiofé hat ihn immer damit aufgezogen. Dass er vor Jahren mal einen Amöbenhit hatte und sich seitdem wie der König von Mallorca fühlt. Ganz zum Leidwesen ihres Bruders. Der fühlte sich ein wenig in seiner männlichen Ehre gekränkt.“
„Aber wohl nicht halb so sehr, wie nach seinem Knock-Out durch Siandra“, sagte Becca und entlockte selbst Aisling ein leises Lachen.
„Hey“, protestierte Siandra. „Ich hätte ja nicht ahnen können, dass er mich nur retten wollte!“ Nein, damals war alles anders gewesen. Damals, als sie in einer Spirale aus Misstrauen und Verrat gefangen gewesen war, aus der sie sich nur langsam hatte befreien können. Ihr Blick streifte Aisling. Sie war froh, sie wieder lachen zu sehen, wenn auch nur kurz.
Der blonde Sänger verließ die Bühne, begleitet von dem Kreischen zweier Mädchen und etlicher erleichterter Seufzer. Eine altertümlich wirkende Gruppe trat an seine Stelle. Sie spielten auf Lauten und eigenartig wirkenden Flöten und sangen alte französische Texte. Siandra verstand nicht, wovon die Lieder erzählten, doch sie fing immer wieder Worte wie Jeunesse und l‘Amour auf.
Einige Zeit blieben sie noch auf der Wiese sitzen und lauschten den Liedern der Band, doch als Aisling zunehmend stiller wurde und auch der Himmel sich langsam zuzog, beschlossen sie, sich auf den Heimweg zu machen. Nebeneinander liefen sie durch den Wald, auf dem Weg zur Straßenbahnhaltestelle. Becca hatte ihr Handy herausgezogen und schrieb jemanden eine Nachricht. Ob es der besagte Freund war, von dem Teddy gesprochen hatte? Doch Siandra wollte sie nicht nach diesem ominösen Fremden fragen. Sie hatte keine Ahnung, in welche Richtung diese Unterhaltung laufen würde und auf ein Drama konnte sie heute gut verzichten. Und so zog sie ihr eigenes Handy hervor, um es zumindest einmal wieder einzuschalten. Entgegen aller Erwartungen sprangen ihr nicht unzählige Nachrichten und Anrufe in Abwesenheit entgegen. Scheinbar war Elyano beschäftigt genug, um nicht alle paar Minuten nach seinem Handy zu greifen. Nur wusste Siandra nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.
Einige Kinder fütterten die Schwäne am Ufer des Kahnweihers. Lautes Lachen drang von den Paddelbooten an sie heran. Becca war wieder mit ihrem Handy beschäftigt, Siandra jedoch beobachtete aus dem Augenwinkel Aisling, die von Sekunde zu Sekunde blasser zu werden schien. „Aisling?“, fragte sie vorsichtig.
Die Angesprochene hob den Kopf, doch dann fuhr sie herum. Sie klammerte sich Halt suchend an einen Mülleimer und übergab sich in den metallenen Behälter. Einige alte Damen, die mit ihren fetten Hunden des Weges kamen, rümpften die Nase, doch Siandra achtete nicht auf sie. In Windeseile hatte sie die Entfernung zu Aisling überbrückt und strich ihr beruhigend über den Rücken, als sich ihr Körper wieder und wieder gegen sie auflehnte.
„Ach du Scheiße“, fluchte Becca, als sie sich umdrehte, um zu sehen, wo die beiden blieben und hechtete zu ihnen zurück. „Was ist mir ihr?“
Siandra zuckte mit den Schultern und strich Aislings Haare zurück, als es erneut den Körper ihrer Freundin schüttelte. „Ihr habt Sushi von einem heruntergekommenen Imbisstand gegessen. Was denkst denn du?“
Vorsichtig richtete Aisling sich auf und nahm das Taschentuch, das Becca ihr reichte. Sie nickte. „Das Essen. Der Stress. Das wird’s sein.“
Sie mussten nicht lange auf ihre Straßenbahn warten. Auch wenn Elyano darauf bestanden hatte, sie abzuholen, hatte Siandra ihn davon überzeugen können, dass Fynn ihn dringender an seiner Seite brauchte, als sie. Und es reichte ja wohl, dass sie schon einen regelrechten Verfolgungswahn entwickelte, sobald sie auch nur einen Raben sah. Auch wenn nicht jeder dieser Vögel unweigerlich zu Elyano gehören musste.
Aisling starrte stumm aus dem Fenster und Siandra wagte es nicht, sie anzusprechen. Einige Zeit hatten Becca und sie versucht, die Jägerin in eine belanglose Unterhaltung zu verstricken, doch als sie immer einsilbiger wurde, hatten sie es schließlich aufgegeben. Siandra warf Becca, die die ganze Zeit am Display ihres Handys hing, einen genervten Blick zu, ehe ihre Augen wieder aus dem Fenster wanderten.
Kurz wurde es dunkel, als sie in einen Tunnel fuhren. Siandra sah nicht auf, als das Licht nach nur wenigen Augenblicken den Waggon erhellte. Doch plötzlich dröhnte ein dumpfer Knall durch das Zugdach und ließ die Lampen flackern. Siandras Magen verkrampfte sich und selbst Becca sah kurz von ihrem Handy auf. Was war das nur gewesen? Unruhig schoss Siandras Blick umher, als das Licht auf einmal gänzlich erlosch und sie in Dunkelheit hüllte.
Mit unsicherer Hand griff Fynn nach der Klinge. Aislings Dolch. Er wusste, dass er am morgigen Tag nach ihm greifen und sich selbst in die Haut schneiden musste. Um einen Bluteid zu schwören, der die Zeiten überdauerte und nur gemeinsam mit seinem Leben endete. Doch wie sollte er den Eid mit einem lahmen Arm ablegen? Er spürte die Blicke seines Bruders und Zephirs in seinem Rücken, die ihn mitfühlend beobachteten. Doch er wollte ihr Mitleid nicht.
Er versuchte, die Schmerzen in seinem Bein zu vergessen und konzentrierte sich einzig und allein auf seine Finger, schloss sie um den Griff des Dolches. Doch sein Arm war taub und seine Bewegungen ungelenk. Viel zu krampfhaft umfasste er das geflochtene Leder. Er legte alle Kraft in seine Hand, doch nach nur wenigen gewonnenen Zentimetern fiel er scheppernd zu Boden. Fynn fluchte und schlug wütend auf den Tisch. Der Schmerz erreichte ihn kaum. Jede einzelne Sekunde war eine Erinnerung daran, wie schwach er nun war.
„Lass gut sein“, sagte Elyano und legte eine Hand auf seine Schulter.
Doch Fynn presste nur die Lippen aufeinander und machte sich von seinem Bruder los. Mit schmerzverzerrtem Gesicht bückte er sich, um den Dolch aufzuheben, dieses Mal mit der linken Hand. Es fühlte sich ungewohnt an, die Klinge nicht mit seiner Schwerthand zu führen, doch immerhin schaffte er es so, sie zu heben. Er lehnte sich an die Tischkante, um nicht die Balance zu verlieren.
„Weißt du schon, was du sagen wirst?“, fragte Zephir, der im Schneidersitz auf einem der Tische im Ratssaal saß. Die Tische standen noch vom gemeinsamen Essen dort, doch da viele Jäger zu Aufträgen unterwegs waren, hatten sie nicht, wie sonst, in langen Reihen gestanden, sondern waren wahllos im Raum angeordnet. „In deiner Rede, meine ich. Denk daran, wie wichtig sie ist. Immerhin...“
Fynn zuckte mit den Schultern und ließ den Dolch in einer abgehackten Bewegung durch die Luft gleiten. „Eine Rede wird mich auch nicht retten“, sagte er bitter und humpelte auf einen der Stühle zu. Er konnte sich ein Stöhnen kaum verkneifen, als er sich hinsetzte und sein Bein entlastete.
Er hob den Blick und sah in die dunklen Augen seines Bruders, der seinen Blick suchte. Er hatte sich vor ihm niedergekniet und stützte sich auf den Stuhl. Tiefe Sorge stand in sein Gesicht geschrieben. Am liebsten hätte Fynn sie mit Worten vertrieben, so wie er es immer getan hatte, doch das Monster aus Hass, Schmerz und Trauer hatte sich dort eingenistet, wo einst sein Herz gesessen hatte. Und erneut wünschte er sich, etwas anderes zu spüren, als den ewig gleichen Schmerz.
„Willst du wirklich nichts gegen die Schmerzen nehmen?“, fragte sein Bruder sanft, doch Fynn schüttelte den Kopf. Noch wollte er nicht kapitulieren und seinen gesunden Geist opfern.
Erst, als Elyano den Kopf drehte, bemerkte er, dass sich die Tür geöffnet hatte. Es war Llwyn, die mit geröteten Wangen in der Tür stand. Auf Elyanos Züge schlich sich ein Lächeln, als er die Hand nach ihr ausstreckte. Das ließ sich der kleine Wirbelwind nicht zweimal sagen. Llwyns Augen wanderten zu Fynn und ihr Blick bewölkte sich. „Geht es deinem Bein besser?“, fragte sie vorsichtig.
„Nein“, presste Fynn hervor. Er musste sich an seinem Zorn festklammern, um nicht auseinanderzubrechen. „Nein und besser wird es auch nicht.“
„Fynn...“, flüsterte Elyano mit Nachdruck in der Stimme, doch das machte ihn nur noch wütender.
„Nein, Elyano. Sie soll ruhig die Wahrheit kennen. Meinem Bein geht es nicht besser und wird es auch nicht. Der neue Fynn gefällt dir nicht? Kann ich nicht ändern. Mein altes Ich ist an Ariels Seite gefallen, so wie es auch mein Schicksal war.“ Als er die Tränen in Llwyns Augen glitzern sah, wusste er, dass er zu weit gegangen war.
Elyano zog das Mädchen kurz in seine Arme und drückte ihm einen Kuss auf den Scheitel. „Mach dir keine Sorgen, kleiner Vogel“, flüsterte er in sein Haar. „Fynn geht es bald wieder besser. Er ist nur müde und sein Bein tut ihm weh. Deshalb ist er so miesepetrig. Und jetzt lauf spielen, wir müssen hier noch einiges tun.“
Als das Mädchen den Raum verlassen hatte, wandte Elyano sich wieder seinem Bruder zu. Fynn konnte sehen, dass er versuchte, seine Wut zu zügeln. „Fynn“, sagte er und schaffte es kaum, das Knurren in seiner Stimme zu verbergen. „Ich möchte ungern, dass unser Gespräch erneut Formen annimmt, an denen uns beiden nichts liegt, aber...“
Doch Fynn achtete nicht auf ihn. Er stützte sich auf seinen Gehstock und stand unbeholfen auf, ehe er zur Tür humpelte.
„Hey, wo willst du hin?“, rief Zephir ihm nach. „Wir sind noch nicht fertig!“
„Es ist deine Pflicht...“, setzte Elyano an, doch die zufallende Tür ließ ihn verstummen. Fynn folgte dem Gang ohne wirkliches Ziel. Seine Lippen verzogen sich zu einer bitteren Fratze. Pflicht... Er begann, dieses Wort zu hassen.
„Was war das?“, rief Becca schrill. Panische Stimmen erfüllten die Luft. Aufgeregt blickten die Fahrgäste einander an und redeten wild durcheinander. Siandra tauschte einen angespannten Blick mit Aisling, doch die war bereits aufgesprungen. Die Jägerin in ihr war erwacht. „Was auch immer es war, es ist wegen uns hier“, flüsterte sie, ohne ihre Augen von der Decke abzuwenden, als Siandra neben sie trat. Auch sie hörte das leise dumpfe Geräusch. Es klang, als würde jemand über das Dach laufen... oder etwas.
„Verdammt“, zischte Aisling. „Ich habe alles im Orden gelassen. Nur mein Messer habe ich dabei.“
Auch Siandra hatte nichts an Waffen eingepackt. Wären sie doch nur vorsichtiger gewesen.
Das Licht ging wieder an. Nach und nach atmeten die Fahrgäste erleichtert auf, doch Aisling und Siandra konnten nicht entspannen. „Was auch immer es war, es hat freundlich angeklopft“, sagte Aisling leise. „Dann wollen wir doch genauso höflich sein und es in Empfang nehmen.“
„Aber“, wollte Becca protestieren, doch da hatte die Bahn bereits an der nächsten Station gehalten. Siandra folgte Aisling hinaus und zog ihre beste Freundin hinter sich her.
Ohne es zu merken, hatten sie den Tunnel verlassen. Die kleine Haltestelle lag verlassen und menschenleer da und wurde nur noch von einigen Laternen beleuchtet. „Was habt ihr vor?“, fragte Becca ängstlich. „Ihr könnt doch nicht...“
„Ich habe einen Eid geschworen“, sagte Aisling und zog ihre Waffe hervor. Siandra hatte ein kleines Schweizer Taschenmesser erwartet und nicht die handlange Klinge, die Aisling aufklappen ließ. „Ich habe geschworen, meine Welt vor den Augen der Menschen zu verbergen. Und genau das habe ich auch vor. Zeigt euch!“, rief sie in die Dunkelheit.
Einen Moment lang geschah nichts, ehe eine vermummte Gestalt aus dem Zwielicht trat. Sie war nicht allein. Zwei Wölfe begleiteten sie, doch sie hatten nichts mit Pyrros‘ Wölfen gemein. Sie waren größer und breiter, mit massigeren Köpfen und schärferen Zähnen. Ihr Fell schimmerte rötlich und dunkle Linien schienen sich über ihren Körper zu winden.
„Wie süß“, klang eine heisere Stimme unter der Kutte hervor. „Willst du mich allen Ernstes mit diesem Zahnstocher angreifen?“
„Wer bist du und was willst du?“
„Immer so gerade heraus, liebe Jägerin? Ihr habt euch weit aus eurem Bau hervorgewagt.“
„Willst du uns etwa drohen?“, zischte Aisling wütend.
Das Gesicht des Fremden war durch die Kutte verhüllt, doch Siandra hätte schwören können, ein Lächeln in seiner Stimme zu hören. „Drohen ist so ein hässliches Wort. Nennen wir es lieber einen gut gemeinten Ratschlag. Ich wollte lediglich ein wenig auf mich aufmerksam machen.“
Siandra sah ihn nicht kommen. In der einen Sekunde stand er noch an dem Maschendrahtzaun, dann spürte sie schon seinen Atem in ihrem Nacken und einen Arm, der erstaunlich dünn war und sie dennoch mit ungeahnter Kraft festhielt. Ihr stockte der Atem, als sich metallene Kälte an ihre Haut legte.
Aisling wollte ihr zu Hilfe kommen, doch die Wolfsbestien stellten sich ihr in den Weg. „Lass sie los“, verlangte ihre Freundin mit harter Stimme.
„Ich werde ihr schon nicht weh tun“, sagte der Fremde und wieder hörte Siandra sein Lächeln. „Ich gebe ihr nur ein kleines Souvenir mit auf den Weg.“
Siandra zuckte zusammen, als sich der Schmerz glühend heiß durch ihre Wange fraß, doch dann verschwand das Metall schlagartig. Sie spürte, wie jemand nach ihrem Arm griff und sie hinter sich zog.
Der Fremde zischte und wich zurück, als einige Jäger mit gezogenen Waffen näherkamen. „Bestellt eurem neuen Hüter einen schönen Gruß“, knurrte der Fremde und schwang sich auf den Rücken einer seiner Bestien. „Die kalten Winde wehen und er sollte lernen, sich vor dem Meister der Stürme in Acht zu nehmen. Er ist nicht allein hier.“ Damit verschwand er so rasch im Zwielicht, wie er gekommen war.
Im ersten Moment dachte Siandra, es wäre Elyano gewesen, der sie von dem Fremden losgerissen hatte, doch als der Schein einer Laterne auf sein Gesicht fiel, erkannte sie, dass es Florian war. Seine Miene war geradezu versteinert. „Hier“, sagte er und reichte ihr ein Taschentuch. „Drück das auf die Wunde.“