Rabentanz - Katharina Erfling - E-Book

Rabentanz E-Book

Katharina Erfling

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Beschreibung

Leb wohl, mein Schatten Leb wohl, mein Licht Endlich hat Siandra ein Zuhause gefunden, einen Ort, an den sie hingehört. Doch der Frieden scheint nur flüchtig. Schon bald muss sie erkennen, dass ihr wahrer Feind in den Schatten lauert - und ihr Zufluchtsort nicht so sicher ist, wie sie immer dachte. Sie muss kämpfen - für die Freunde, die ihre Familie geworden sind, während ihr die Zeit durch die Finger rinnt. Denn die Ewigkeit an Elyanos Seite droht kürzer zu sein, als erhofft.

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Für Nina

Inhaltsverzeichnis

01. Verbotene Gedanken

02. Zeit vernichtet alles

03. Ein Leben nach dem Tod

04. Mein anderes Herz

05. Gefährliche Wege

06. Den Tod im Nacken

07. Eine Krankheit im Geiste

08. Wer braucht schon eine Armee?

09. Flucht ins Unbekannte

10. Ein Gefallen

11. Schatten, die sie nicht losließen

12. Zwischen Terror und Verzweiflung

13. Drei Blutstropfen

14. Der Preis für Unsterblichkeit

15. Der Froschkönig

16. Ein gefälschter Frieden

17. Leb wohl, mein Schatten

18. Seidenkalter Wahnsinn

19. Familienbande

20. Einige Wenige

21. Weder gut noch böse

22. Alles zu seiner Zeit

23. Rein hypothetisch

24. Vor was könnten wir noch Angst haben?

1. Verbotene Gedanken

Mit jeder Minute, die zähflüssig an ihm vorbeifloss, verstand Fynn immer besser, weshalb Zephir es abgelehnt hatte, Hüter des Ordens zu werden. Er unterdrückte das Seufzen, das in seiner Kehle aufstieg und strich mit dem Daumen über seine Fingerkuppen. Am liebsten hätte er bereits vor einer knappen halben Stunde seinen Stuhl aus dem Fenster geschmissen.

Angestrengt versuchte er, dem Streit, der zwischen den Ratsmitgliedern Malik Sorokov und John Ryan entbrannt war, zu folgen. Schon wieder. Verhandlungen über Besitztümer, Genehmigungen, Abgaben, doch ihrem eigentlichen Ziel kamen sie nicht näher. Jedem Schritt, den sie in die richtige Richtung setzten, folgten drei in die entgegengesetzte.

Seit einem knappen Jahr ging es weder vor noch zurück. Ein Jahr voller erfolgloser, diplomatischer Bemühungen. Eine Ratssitzung folgte der nächsten. Zeit, in der er sinnvolleres tun könnte.

Immerhin hatte er es geschafft, die Großen des Reiches an einen Tisch zu bringen. Zwanzig Politiker, Männer und Frauen aus den obersten Schichten, da zuzubringen, an einem Strang zu ziehen, war kein Spaziergang. Nach dem Fall der Fürstinnen mussten sich die Machtverhältnisse innerhalb der Reiche neu zusammensetzen und ein jeder von ihnen versuchte, sich das größte Stück vom Kuchen zu sichern. Fynn stand als letzter verbliebener Hüter zwischen ihnen, nachdem Jaquar vor einem dreiviertel Jahr gestorben war. Er versuchte, sie irgendwie davon abzuhalten, sich gegenseitig zu meucheln und zu unterjochen, und gleichzeitig sich zwischen ihnen zu behaupten. Er wusste nicht, wie lange er sie noch hinhalten konnte. Sie pochten auf Antworten, verlangten Entscheidungen, die er nicht treffen konnte. Er und die Seinen waren die Letzten, die noch an eine Fürstin gebunden waren. Bei den vielen Entscheidungen, die er dennoch traf, schabte er jedes Mal haarscharf am Rand des Möglichen entlang. Noch wagte er es nicht, ihn zu übertreten.

Fynns Blick streifte Thomas Brockmann. Ted. Der Reichskanzler saß nicht weit von ihm, die Arme vor der Brust verschränkt, und beobachtete die beiden Kontrahenten mit grimmiger Gelassenheit. Fynn wusste, dass er mit den Fortschritten der Verhandlungen genauso unzufrieden war, wie er. Doch seine Stimme hatte im Rat kaum noch Gewicht. Dass er überhaupt noch vertreten war, hatte er seinem Namen, seinem Eid und einflussreichen Freunden zu verdanken. Vor ihm lag eine schwere Entscheidung. Er konnte seiner Familie die Wahrheit sagen und erneut den Zorn des Rates auf sich ziehen – womöglich dieses Mal schutzlos – oder seiner Familie den Rücken kehren. Lange würde er es jedenfalls nicht mehr geheim halten können. Seine Frau wurde misstrauisch.

Kurz trafen sich ihre Blicke und Teddys Lippen verzogen sich kurz zu einem schwachen Lächeln. Fynn erwiderte es. Doch auch das konnte ihn nicht vergessen lassen, wo er hier saß. Es frustrierte ihn, dass es keinen Schritt vorwärts ging. Er wusste, dass er seiner Fürstin gehorchen musste. Dass er ihr vertrauen musste. Doch wie konnte er das? Ständig wich sie ihm aus, beantwortete seine Fragen mit Gegenfragen, stellte ihn vor Rätsel, die er nicht lösen konnte. Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, sich von ihr zu lösen und nach eigenem Willen zu handeln. Aber es gab keinen Weg und allein schon der Gedanke daran, konnte als Verrat ausgelegt werden. Dennoch pflanzte das Misstrauen ihre Saat immer tiefer in sein Herz. Langsam und schleichend. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie ihnen etwas verschwieg.

Angespannt presste Fynn die Fingerspitzen aneinander. Nach den Geschehnissen in Shaikos‘ Weingut hatte er seine Fürstin zur Rede gestellt. Aschenputtel hatte seine Fragen gleich im Keim erstickt, abgeblockt und sich herausgeredet... und er hatte keine Macht, etwas dagegen zu unternehmen. So konnte es nicht weiterlaufen. Doch jedes Mal, wenn sie das Thema in den Ratsversammlungen ansprachen, kam es wieder zum Streit, aus dem keine Gewinner hervorgehen konnten. Eigentlich hatten sie es sogar fast geschafft, eine Einigung zu erzielen: Neue Fürstinnen einzusetzen, die an der Spitze ihrer Reiche und Räte standen. Doch niemand schien dafür geeignet, es gab niemanden, der sich mit den verstorbenen Fürstinnen messen konnte. Einige andere kämpften dafür Aschenputtel offiziell als alleinige Herrscherin anzuerkennen – ein Gedanke, der Fynn einen Schauer über den Rücken jagte. Andere verlangten einen großen, offiziellen Rat, der über die Reiche herrschte. Für einen Entschluss brauchten sie eine eindeutige Mehrheit – ein Umstand, der dem Ganzen schon seit langem den Hals brach.

Angespannt strich Fynn über seinen Nacken. „Könnten wir bitte zum Thema zurückkommen?“, warf er kühl ein, als Malik Sorokov auf Teddy und seine Stellung im Rat losging, um von seinen eigenen Fehlern abzulenken. Der Russe schien etwas erwidern zu wollen, doch er schluckte es herunter und wandte sich wieder dem Thema zu.

„Wir sollten unser Treffen vertagen“, schlug eines der älteren Ratsmitglieder vor, dessen Name Fynn jedes Mal aufs Neue vergaß. „Wir werden heute sicherlich keine Ergebnisse mehr erzielen.“ Erleichtert seufzte Fynn auf und strich über sein leicht pochendes Bein. Sein Blick wanderte über die Ratsmitglieder, eines unterschiedlicher als das andere. Doch eines hatten sie alle gemeinsam: ihr Streben nach Macht und ihre Sturheit.

Er atmete geräuschvoll aus, als er sich aufrichtete. Neben ihm regte sich Hans im Glück, der seinen gräulichen Kopf auf sein Bein gebettet hatte. Hastig sprang er auf und starrte ihn fast schon entrüstet an, doch Fynn achtete nicht auf den Hund. Hatte das Herz des Reiches aufgehört zu schlagen oder pochte es schneller als zuvor?

Fynn hob den Kopf, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Lächelnd nickte Teddy in Richtung Tür und der Hüter des Ordens erkannte, was sein Ratsherr gesehen hatte. Erwartungsvoll spähte ein kleines Mädchen durch den Türrahmen und wich immer wieder den Beinen aus, die an ihm vorbeidrängten. Die langen schwarzen Haare fielen ihr glatt ins Gesicht. Suchend tastete ihr Blick den Raum ab, bis sie ihn entdeckte. Ihre hellblauen Augen leuchteten auf, als sie sich ungestüm vom Türrahmen löste und sich an den Ratsmitgliedern vorbeischob. „Daidi!“

Fynn wurde warm ums Herz, als er sich mühsam hinkniete und beinahe umgerannt wurde. „Thoir an aire!“, rief er und zog sie an sich. „Nicht so stürmisch, Fia.“ Sein Blick fiel auf Llwyn, die etwas langsamer folgte und er zwinkerte ihr zu. Ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. Die beiden waren ein Herz und eine Seele. Ständig heckten irgendeinen Unfug aus. Wobei Fia der Kopf dieses infernalischen Duos war. Manchmal glaubte er, dass Llwyn einfach zu lieb für seinen kleinen Teufel war.

„Ich habe extra gewartet, daidi“, eröffnete Fia stolz. Sie lispelte ein wenig und vor lauter Begeisterung drohte ihre Stimme sich zu überschlagen. „Ich bin nicht früher reingekommen.“

Sanft strich Fynn ihr eine dunkle Strähne hinters Ohr. „Ja, du hast gewartet, mo cuishle. Aber du musst dich noch einen kleinen Moment länger gedulden.“

Aus dem Augenwinkel beobachtete Fynn Fia und Llwyn, die rechts und links neben ihm standen, während er seiner Rolle gerecht wurde und die Ratsmitglieder gebührend verabschiedete. Llwyn wartete ruhig neben ihm und den lächelte Vorbeiziehenden schüchtern zulächelte, schaffte Fia es kaum, ruhig stehenzubleiben. Fynn lachte in sich hinein. Das kleine Wiesel konnte es scheinbar kaum erwarten, an den Ratsmitgliedern vorbeizuschießen. Unruhig schielte sie in Richtung Tür. Fynns Blick streifte kurz seine Schwester. Fia würde sie bald schon eingeholt haben. Bis zu ihrem 12. Lebensjahr wuchsen ihre Kinder mehr als doppelt so schnell, wie die der Menschen. Erst dann verlangsamte sich ihre Entwicklung so sehr, dass Menschenkinder sie sogar überholten. Der Kampf in Shaikos‘ Weingut war über ein Jahr her und doch glich Fia eher einem Menschenkind von knapp vier Jahren. Llwyn hingegen war bei Menschen aufgewachsen. Sie hatten ihre Entwicklung verlangsamen müssen, damit sie nicht auffiel und sie würde nicht mehr schneller wachsen.

Fynn seufzte auf, als auch der letzte der Ratsherren den Raum verlassen hatte. Mit einem erleichterten Grinsen auf den Lippen beugte er sich zu seiner Tochter herunter. Die verstand den Wink sofort. Vergnügt quietschte sie und erklomm seine Schultern, klammerte sich mit ihren kleinen Ärmchen an seinen Kopf. „Halt dich gut fest“, rief er und stand auf. Sie hatten es schließlich geübt - auch wenn Aisling es gar nicht gerne sah, wenn er das tat. Grinsend kitzelte er Llwyn mit der freien Hand, mit der anderen stützte er sich auf seinen Gehstock. Jemand rief nach ihr. Fynn erkannte Heinrich am Ende des Ganges, der grüßend die Hand hob. Er erwiderte den Gruß und stupste seine Schwester leicht. „Nun geh schon. Sonst kommst du noch zu spät zu deinem Unterricht.“ Llwyn nickte eilig und lief auf Heinrich zu.

Fynns Weg führte ihn in die entgegengesetzte Richtung. Etwas schwerfälliger als sonst, setzte er einen Fuß vor den anderen, doch es störte ihn nicht. Nicht, wenn er an das Glück dachte, das ihm beschert war – und in diesem Moment auf seinen Schultern saß und sein rechtes Ohr malträtierte.

„Erinnerst du dich an die super geheime Sache, die ich dir aufgetragen habe?“, flüsterte er Fia verschwörerisch zu. Es war sicherer, Fia zu beschäftigen, damit sie nicht auf dumme Gedanken kam und am Ende noch den Orden in Schutt und Asche legte. Fynn grinste innerlich. Er erinnerte sich gut an Zeiten, als man ihn selbst auf Botengänge geschickt hatte, auch wenn die Nachrichten oftmals nur den Zweck hatten, ihn abzulenken. An manchen Tagen schien Fia ihn noch zu übertreffen.

„Mama hat gesagt, Yano ist mit Sia in der Schule zum Lernen.“

Fynn nickte. „Haben sie gesagt, wann sie zurück sein wollten?“

Fia schüttelte den Kopf. Er spürte die Bewegung mehr, als dass er sie sah. „Mama ist böse auf mich“, sagte sie nach einer Weile.

Fynn hob die Augenbrauen. „Warum? Was hast du getan?“

Doch seine Tochter brummelte nur, legte ihr Kinn auf seinem Haar ab und schlang ihre Arme noch fester um seinen Kopf.

„Fia?“

„Ich wollte doch nur nachgucken, ob die Schere scharf ist...“

Fynns Augen weiteten sich. „Was hattest du denn damit vor, ghràidh?“

Vergnügt zupfte Fia an seinen blonden Haaren. „Mein Bild ausschneiden.“

Ein Schmunzeln zupfte an seinen Lippen. „Also. Was hast du angestellt?“

„Auf dem Stuhl lag Mamas Kleid...“, nuschelte sie in sein Haar.

Fynn sog scharf die Luft ein, wurde dann aber von einem Grinsen übermannt. „Oje. Dann sollten wir vielleicht schauen, ob wir Mamis Laune ein wenig verbessern können und ihr bei den Vorbereitungen helfen, meinst du nicht auch?“

Angestrengt versuchte Siandra sich auf die Blätter, die vor ihr lagen, zu konzentrieren, doch das war alles andere als einfach. Sie wusste, dass Elyano sie beobachtete, auch wenn er unbeteiligt tat, wenn sie den Kopf hob. Doch der vertraute Schleier umspielte jedes Mal aufs Neue ihre Schultern und sein Blick lag so schwer auf ihr, dass es ein Kraftakt war, ihn weiterhin zu ignorieren. Und so gerne sie auch alles beiseite fegen und Dinge tun wollte, die sich in einer Bibliothek absolut nicht gehörten, musste sie an die Klausuren denken, die vor ihr lagen und für die sie noch viel zu wenig getan hatte.

„Du stresst dich zu sehr“, sagte Elyano, ohne von dem Tablet in seinen Händen aufzusehen. Seine Füße hatte er auf die Heizung gelegt, ganz zum Missfallen der Mitarbeiterin, die gelegentlich vorbeikam, die Nase rümpfte, aber ansonsten kein Wort darüber verlor.

„Glaub mir, ich stresse mich noch viel zu wenig“, erwiderte Siandra und suchte in ihren Mitschriften hektisch nach einer Zeichnung. Natürlich fand sie sie nicht. War ja klar. Kurz ertappte sie sich dabei, zu Elyano herüber zu sehen. Seine Augen hingen gebannt auf dem Bildschirm in seiner Hand. Sie musste ihm zugutehalten, dass er sich allergrößte Mühe gab, aber stillsitzen war nun einmal absolut nicht sein Ding. Eine halbe Stunde lang war es sogar noch gut gegangen. Sie hatte gelernt, während er mit seinem Handy rumgespielt und seine Opfer mit zahlreichen Nachrichten genervt hatte. Kurz danach hatte die Bibliothekarin schon gedroht, sie rauszuwerfen, als Elyano angefangen hatte, einen Ball an die Wand zu werfen. Sie fragte sich noch immer, wo er den auf einmal hergenommen hatte... Besser sich über so etwas keine Gedanken zu machen. Nun starrte er aber schon seit einer geschlagenen Stunde auf den flachen Bildschirm, auf dem er neuerdings alte Atarispiele spielte. Gefühlte drei Pixel, die sich auf einem farbigen Hintergrund bewegten,... riss sie persönlich jetzt nicht unbedingt vom Hocker.

Ihre Augen wanderten zurück zu ihren Aufzeichnungen. Seit Stunden starrte sie schon auf die Zettel und versuchte, ihre Zusammenfassungen zu schreiben, doch sie hatte nicht das Gefühl je etwas davon lernen zu können. Ihr Kopf war ein verfluchtes Sieb. Es war zum verrückt werden. Genervt strich Siandra mit den Zähnen über ihre Unterlippe. Das Lernen war einfacher gewesen, als Marie noch Marie gewesen war – und nicht Ashara, ihre Halbschwester. Bilder blitzten vor ihrem inneren Auge auf. Von Wolfsbestien und Blut. Bilder von Ashara, ihrem Vater Shaikos und dem Weingut. Als sie an die beiden dachte, überkam sie für einen kurzen Moment Traurigkeit. Das war doch verrückt. Wie konnte sie um Personen trauern, die sie kaum gekannt hatte? Die sie verraten und festgehalten hatten und für den Tod so vieler Unschuldiger verantwortlich waren? Doch ihre Gefühle konnte sie nicht lenken.

„Was ist los?“, fragte Elyano sanft.

Siandra hob den Kopf und begegnete seinen dunklen Augen, die sie besorgt musterten. Das Tablet hatte er auf den Tisch gelegt. Er hakte einen Fuß hinter das Stuhlbein, um sie an sich heranzuziehen.

Siandra drängte sich ein Lächeln auf die Lippen. „Es ist nichts, schon okay. Anatomie nervt nur tierisch.“

Elyano sagte nichts, erwiderte ihr Lächeln nur warm. Sie spürte, dass er ihr das nicht abnahm, doch er hakte nicht weiter nach. Er strich ihr nur behutsam übers Bein und ließ seine Hand dort ruhen. Siandras Lächeln wurde ehrlicher, als sie ihre Hand auf seine legte und die Finger mit seinen verschränkte. Sie wusste nicht einmal, warum sie überhaupt traurig war. Shaikos und Ashara hatten sie von vorne bis hinten belogen und hintergangen. Und doch waren sie ihre Familie. War es da nicht normal zu trauern?

Siandra versuchte die negativen Gedanken zu verbannen, doch ganz schaffte sie es nicht. Elyano und die Jäger waren ihre Familie. Familie, das war mehr als Blut. In einer fahrigen Bewegung strich sie sich über den Nacken. Von ihrer Tante hatte sie schon lange nichts mehr gehört, wenn man von den einsilbigen Telefonaten absah, die sie in letzter Zeit geführt hatten. Immerhin hatte sich das Verhältnis zu ihrer Mutter verbessert. Sie würden wohl nie zu den Gilmore Girls werden, aber es reichte für wöchentliche Telefonate, ganz ohne Mord und Totschlag.

Mit einem Seufzen schob Siandra ihre Unterlagen beiseite und legte ihren Kopf auf Elyanos Schulter, um ihn bei seinem Spiel zu beobachten. Ihr Rabe legte einen Arm um sie und zog sie noch dichter an sich heran.

„Du weißt aber schon, dass du nicht die ganze Zeit hier bei mir bleiben musst, oder?“, flüsterte sie an seiner Schulter. Sie spürte sein Lachen wie ein sanftes Rütteln an ihrem Kinn.

„Und den ganzen Spaß verpassen?“

Sie knuffte ihm spielerisch in die Seite. „Du bist unmöglich.“

Elyano beugte sich zu ihr vor und war ihr plötzlich so nah, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spürte. „Da hat man mich schon weitaus schlimmer genannt.“ Seine Lippen, die kurz vor ihren innehielten, hinterließen eine drängende Hitze, bevor er sich zurücklehnte. Ein verheißungsvolles Lächeln trat auf das Gesicht ihres Raben, als er sah, was er in ihr ausgelöst hatte. Tadelnd schnalzte er mit der Zunge, doch der Ausdruck, der auch in seinen Augen lag, strafte ihn Lügen.

„Komm“, flüsterte Siandra, die ihrer Stimme kaum mehr vertraute. „Für heute habe ich mehr als genug gelernt.“

Sie seufzte auf, als sie den großen grauen Block hinter sich lassen konnte. Auch wenn sie deutlich weniger geschafft hatte, als sie sich eigentlich vorgenommen hatte, dachte sie nur noch daran, endlich nach Hause zu kommen. Das Einzige, was sie jetzt noch wollte, war sich in ihren bequemsten Sachen zusammen mit Elyano aufs Sofa zu kuscheln und irgendwelche Wiederholungen zu gucken.

Elyano hatte den Arm um ihre Taille geschlungen und tippte etwas auf sein Handy ein. Es störte sie nicht. Sie wusste, wie viel er koordinieren musste. Die unruhigen Zeiten machten die ganze Sache nicht einfacher. Auch nicht sein Kontrollwahn, der ihn immer wieder dazu zwang, alles nochmal selbst nachzuprüfen und der es ihm schwer machte, Aufgaben zu delegieren.

Angestrengt strich Siandra über ihren Nacken und unterdrückte das Gähnen, das in ihr aufstieg. Wie war sie froh, dass Elyano sie dazu überredet hatte, das Auto zu nehmen. Auf eine Fahrt in der überfüllten Straßenbahn konnte sie gut verzichten. Sie zuckte zusammen, als Elyano sie kitzelte.

„Wer macht denn da schon schlapp?“, fragte er feixend und zog sie enger an sich.

„Nach dem Anatomie-Marathon habe ich es ja wohl mehr als verdient, müde zu sein. Ich will jetzt nur noch zwei Dinge. Eine warme Decke und ein Sofa. Okay und dich vielleicht auch noch obendrauf.“

Elyano grinste und steckte sein Handy zurück in die Hosentasche, um nach dem Autoschlüssel zu fischen. „Zu gütig. Aber ich fürchte, du wirst noch nicht gleich zur Ruhe kommen.“

Siandra schmollte spielerisch. „Aber ich bin müde. Es ist schon 27 Uhr.“

Elyanos Grinsen wurde immer breiter. „Vertrau mir, das wird dir gefallen.“

Er ignorierte Siandras fragenden Blick, als er ihr die Tür aufhielt und sich selbst auf dem Fahrersitz niederließ.

„Was hast du vor?“, fragte Siandra beunruhigt, als Elyano das Auto in den Verkehr lenkte. Wenn ihr Rabe schon so anfing, konnte das nichts Gutes bedeuten.

Vergnügt zuckten seine Augenbrauen. „Lass dich nur überraschen.“

„Aha“, sagte Siandra nur schlicht und machte sich an dem Radio zu schaffen. Überraschungen brachten in der Regel nie etwas Gutes. Nur Chaos. Und Chaos war etwas, auf das sie heute gut verzichten konnte. Das Studieren ließ sie scheinbar ganz schön alt werden. Ein Niesen durchzuckte sie und ließ sie zu den Taschentüchern greifen, die sie wohlweislich weit oben in ihrer Tasche deponiert hatte. Seit Wochen zog sich das nun schon und ließ sie einfach nicht los. Das volle Programm. Laufende Nase. Kopfschmerzen. Sie schmeckte kaum noch etwas und riechen konnte sie gleich vergessen. Eigentlich hatte sie gedacht, ihre Entscheidung würde sie vor so etwas bewahren. Sie hatte nie beobachtet, dass Elyano oder einer der anderen jemals krank gewesen war – von Erwachsenenkopfschmerzen mal abgesehen.

„Du schleppst das ganze immer noch mit dir rum?“ Kurz löste sich Elyanos Blick von der Straße und streifte sie mitleidig.

„Was soll ich sagen. Ich hab‘s halt liebgewonnen. Vielleicht sollte ich ihm einen Namen geben und ein Halsband kaufen.“

„Mit Strass“, zwinkerte Elyano und verfiel in leises Lachen. Siandra erwiderte es, als ihr einfiel, woran er sich erinnern musste. Als sie das letzte Mal mit Fynn und seiner kleinen Familie einkaufen waren, hatte Fia sich in ein pinkes Hundehalsband verliebt. Princess stand in Strassbuchstaben geschrieben und ein neonfarben leuchtender Anhänger in Form eines Herzchens war daran befestigt. Fia wollte den Laden partout nicht ohne das Halsband für „ihren“ Hansi verlassen und Fynn hatte alle Mühe sie davon zu überzeugen, dass das pinke Strasswunder nicht das Richtige für ihren Rüden war. Das Ende vom Lied? Fynn hatte den Laden um zwanzig Euro ärmer verlassen und Hans im Glück trug seitdem ein neues Halsband. Fynn konnte seiner Kleinen einfach keinen Wunsch abschlagen. Wie gut, dass Aisling ab und an den Part des bösen Bullen übernahm. Andernfalls würde wohl alles ein wenig aus dem Ruder laufen.

Fast schon im Schritttempo krochen sie über die Innere Kanalstraße. Genervt trommelte Elyano auf dem Lenkrad und bewies ihr aufs Neue, dass er mit der Tugend Geduld nicht übermäßig gesegnet war. Beruhigend strichen ihre Finger über die Hand, die auf der Gangschaltung lag.

Nach einer Weile wanderte ihr Blick aus dem Fenster, beobachtete die Fußgänger, die stetig an ihnen vorbeizogen, während sie inmitten einer Baustelle schmorten. Im Radio verlas die monotone Moderatorenstimme die Nachrichten, doch sie hörte kaum zu. Die Nachrichten dieser Welt waren nicht mehr wichtig für sie, zumindest nicht mehr so wichtig, wie noch vor einiger Zeit. Doch auch als sie noch ein Mensch – oder besser gesagt ein Halbblut gewesen war, hatte sie sich nicht sonderlich für Politik interessiert. Einen kurzen Augenblick dachte sie den Namen Ashara Beleton gehört zu haben, doch sie schob den Gedanken beiseite. Das konnte sie sich nur eingebildet haben.

Die Macht die eigene Lebensspanne zu beeinflussen hat ihren Preis. Sie schloss die Augen, als die Stimme ihres Vaters sie zu übermannen drohte. Sie hatte versucht, es zu verdrängen, einfach nicht darüber nachzudenken, doch in den letzten Tagen kam es immer wieder hoch. Noch immer wusste sie nicht, was sie davon halten sollte. Was hatte ihr Vater nur damit gemeint? Unter ihre Unsicherheit mischte sich nach und nach immer mehr Furcht. Was hatte es bloß mit dem Preis auf sich von dem Shaikos erzählt hatte? Auch Beliar hatte etwas von einem Preis gesagt, den er gezahlt hatte und wie schwer es war – auch wenn er seine Entscheidung nicht bereute. Doch was hieß das für sie?

Elyano spürte, dass etwas sie beschäftigte. Ohne den Blick von der Straße zu heben, auf der der Verkehr wieder im normalen Tempo floss, legte er seine Hand auf ihre. Er zeichnete mit seinem Daumen kleine Kreise und unterbrach den Hautkontakt nur zum Schalten. Er sagte nichts und das brauchte er auch nicht. Seine Nähe allein schaffte es, einen Teil ihrer Angst hin fortzuwischen.

„Jetzt rück endlich mit der Sprache heraus. Was hast du geplant?“ Siandra versuchte, sich von den Gedanken in ihrem Inneren abzulenken, doch Elyano blieb weiterhin geheimnisvoll. Er grinste verschwörerisch, als er den Wagen auf den hellen Kiesweg lenkte, der zum Orden führte.

Siandra hob die Augenbrauen, als er um das Auto herumkam und die Tür öffnete. Galant hielt er ihr den Arm hin. „Mylady“, flüsterte er und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

Mit einer Mischung aus Misstrauen und Belustigung beobachtete sie ihn, während er sie um das Hauptgebäude herumführte. Einen Moment schwieg sie, doch dann brach die Neugierde wieder aus ihr hervor. „Was...?“

Sie stockte, als ihr Blick auf den Pavillon und die Wiese hinter dem Haus fiel. Lampions leuchteten ihnen aus der Abenddämmerung entgegen und überall hingen Banner mit bunten Schriftzügen. Geburtstagsglückwünsche in allen Variationen. Sie entdeckte Fynn und Aisling, die vor einem langen Tisch standen, Teddy und Becca, selbst ihre Mutter stand dort. Als die hellen Töne einer E-Gitarre erklangen, fiel ihr Blick auf eine kleine Bühne auf der Zephir mit zwei weiteren Männern stand und ihr zuzwinkerte. Etwas abseits erkannte sie sogar Beliar. Erstaunt hob sie kurz die Augenbrauen. Er war ohne Aschenputtel gekommen. Doch ihr blieb keine Zeit länger darüber nachzudenken. In diesem Moment kam Fynn auf sie zu und zog sie in seine Arme.

„Alles Gute, kleine Nachtigall“, lächelte er und gab sie frei, als Aisling an seine Seite trat und sie ebenfalls umarmte.

„Ihr Scherzkekse.“ Rührung überkam Siandra, als sie all das sah, was ihre Freunde, ihre Familie für sie vorbereitet hatten. „Ich werde doch nicht mehr älter. Das ist doch der Witz an der Sache. Warum dann Geburtstag feiern?“ Immer wieder wurde sie umarmt und beglückwünscht.

Fynn feixte. „Tut mir leid. Herzlichen Glückwunsch zu deiner Entscheidung-Luftballons gibt es halt noch nicht.“

„Eine Marktlücke“, erwiderte Siandra gespielt ernst, ehe sie den Arm um ihre Taille spürte, der sie an einen festen Körper zog. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer wieder neben ihr stand.

„Irgendwie fehlt mir hier ein bisschen die Musik“, sagte Elyano dicht an ihrem Ohr.

Das schien das Stichwort für Zephir zu sein, der erst ein paar Töne auf seiner Gitarre anklingen ließ und dann das erste Lied anstimmte. Im ersten Moment erkannte Siandra das Lied nicht, doch als Ariels Sohn den Refrain einleitete, erkannte sie, dass es eigentlich von Abba war – eine schnelle metallartige Version von Dancing Queen, doch immer noch Abba. Elyano legte beide Arme um sie und zog sie dicht an sich heran. Entspannt lehnte Siandra sich zurück, genoss seine Nähe, seinen Herzschlag an ihrem Rücken und den Atem, der über ihre Haut strich.

Einige johlten, als Zephir von Abba zu 90er Teenie Musik überging. Als Siandra die Klänge von Genie in a Bottle erkannte, seufzte jemand theatralisch neben ihr. Ihr Blick traf Becca, die die Arme in gespieltem Ärger vor der Brust verschränkt hatte. Doch nicht einmal sie konnte das Schmunzeln verbergen, das sich hinter ihren Lippen versteckte. „Als ich gesagt habe, er könne ein wenig freier interpretieren, habe ich sicherlich nicht so was gemeint.“

„Mach dir nichts draus“, sagte Aisling plötzlich hinter ihnen. „Zephir macht in der Regel nie das, was man von ihm erwartet.“ Sie lächelte, drehte sich zu dem Büffettisch um und griff nach einem langhalsigen Glas. Siandras Blick fiel kurz auf Zephir, der wie eine angespannte Feder auf der Bühne auf und ab sprang. Doch ihr entging nicht, wie er seine Schwester immer wieder mit Argusaugen beobachtete. Siandra verfolgte seinem Blick und entdeckte Aiofé, die mit einem der Jäger flirtete. Ob er sich immer noch solche Sorgen machte?

„Wenn ich um diesen Tanz bitten dürfte?“ Elyanos Stimme schien durch ihren ganzen Körper zu vibrieren. Sie küsste ihn zur Antwort und griff nach der Hand, die er ihr reichte.

Sanft wogen sie sich zu dem Takt, den die Musik ihnen vorgab. Kurz warf Siandra einen Blick über Elyanos Schulter hoch zur Bühne, auf der Zephir ein langsameres Lied angestimmt hatte. Er lächelte ihr nur kurz zu und ließ seine Augen wieder über die Menge schweifen.

Mit einem lautlosen Seufzen schmiegte Siandra sich an ihren Raben. Elyano bettete sein Kinn auf ihr Haar und strich sanft über ihren Rücken. Sie vergaß alles um sich herum, verlor sich in der Geborgenheit seiner Umarmung.

Irritiert hob sie den Blick von Elyanos Schulter, als ihr Rabe innehielt.

„Habt ihr Fia gesehen?“, fragte Fynn unruhig. „Ich finde sie einfach nicht.“

„Beruhige dich, sie kann nicht weit sein“, sagte Elyano und lächelte seinem Bruder beruhigend zu. Fia hatte das unweigerliche Talent von jetzt auf gleich wie vom Erdboden zu verschwinden.

„Vielleicht glaubt er ja dir“, sagte Aisling plötzlich, als sie näherkam und einen Arm um Fynn schlang. Sie trug ein dunkelgrünes Kleid und ihre Haare, die mittlerweile wieder deutlich länger geworden waren, fielen ihr offen über die Schultern. Sanft küsste sie ihn auf die Wange. „Wo soll sie denn auch hingelaufen sein? Die Tore sind geschlossen und die Mauern sind hoch. Und noch hat sie keine Maulwurfsklauen entwickelt, um sich ins Freie zu graben.“

Fynn schien das alles nicht im mindesten zu beruhigen. Angespannt ließ er seinen Blick wieder über den Garten wandern. „Glaub mir, sie kann auch hier drinnen genug anstellen“, sagte er, ehe er seine Schwester entdeckte und herbeiwinkte.

Mit hochroten Wangen kam Llwyn angelaufen. Doch auf die Frage, ob sie Fia gesehen hatte, schüttelte sie vehement den Kopf. Siandra und Elyano tauschten wissende Blicke. Llwyn würde Fia nicht verraten. Doch langsam fragte Siandra sich wirklich, wohin die Kleine jetzt schon wieder verschwunden war.

„Mach dir nichts draus“, sagte Elyano und wandte sich wieder Siandra zu. Er zog sie dichter an sich heran und begann sich ganz demonstrativ im Takt der Musik zu wiegen. „Du warst viel schlimmer, als du noch klein warst.“

„Das kann ich mir kaum vorstellen“, erwiderte Fynn trocken, als Aisling die Arme um ihn schlang und ihn ebenfalls dazu brachte, mit ihr zu tanzen. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr. Siandra verstand nicht, was sie ihm da zu raunte, doch er schien sich zu entspannen und ein zweideutiges Lächeln trat auf seine Züge.

Nach einer Weile wurde die Musik wieder schneller und auch Becca und die anderen zog es auf die Tanzfläche. Zephir sprang von der Bühne, ohne in seinem Lied zu stoppen und ohne, dass die Musik verstummte. Er zog eine Flöte hervor und stimmte ein schnelles, fröhliches Lied an. Es dauerte nicht lange, bis ihm unzählige Gäste folgten, während er sie in Schlangenlinien durch den Garten führte.

Siandras Herz quoll beinahe über vor lauter Freude. All das hatten ihre Freunde für sie auf die Beine gestellt. Sie schafften es sogar, die trüben Gedanken und Fragen beiseite zu wischen, die sie noch im Auto beschäftigt hatten.

Zephir war verdammt gut. Er hatte die Bühne wieder für sich erobert und heizte sein Publikum mit immer schnelleren Gitarrenklängen und seinem Gesang an. Siandra wusste ja, dass er singen konnte und auch eine Zeit lang in einer Band gespielt hatte, aber, dass er so gut war, hätte sie nicht gedacht.

„Sieh mal da.“ Sie folgte Elyanos Blick zur Bühne und atmete auf. Ein kleines schwarzhaariges Mädchen schlich sich an Zephir heran und zupfte an seinem Bein. Erst schien er sie gar nicht zu bemerken, doch Fia blieb hartnäckig. Sie jauchzte vergnügt, als Zephir sich plötzlich zu ihr hinabbeugte und sie auf die Schultern nahm. Ihn schien das zusätzliche Gewicht kaum zu stören. Als hätte sich nichts verändert, spielte er weiter und stimmte sogar ein kleines Duett mit Fia an.

Siandra runzelte die Stirn, als Zephir seine Gitarre schlagartig verstummen ließ. Wärme durchfuhr sie, als er nach einem Moment der Stille einige Töne spielte und zu einem Lied wachsen ließ. Elyano schlang von hinten die Arme um sie, als sie ein Geburtstagslied anstimmten. Vor lauter Rührung wusste Siandra nicht, was sie sagen sollte und spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals breit machte. „Wenn ihr so weitermacht, sehe ich noch aus wie ein Waschbär“, rief sie lachend und strich sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

Die anderen fielen in ihr Lachen ein, als Elyano sie zu sich herumdrehte und küsste. „Aber du bist der schönste von allen. Außerdem bist du mein Waschbär.“ In seinem Blick lag ein stummes Versprechen, das sie nur allzu gerne erwiderte.

Doch plötzlich machte sich ein anderer Ausdruck in Elyanos Augen breit. Sie verengten sich und seine Brauen zogen sich zusammen. Sie folgte seinem Blick und entdeckte Fynn, der mit Florian sprach. Der Jäger schien nicht hier zu sein, um zu feiern. Er trug seine Lederrüstung und hielt eine Klinge in der Hand. Auch wenn Florian sich nichts anmerken ließ, las sie aus Fynns Blick, dass etwas passiert sein musste. Noch bevor Elyano irgendetwas sagen konnte, setzte sie sich in Bewegung und bemerkte im Augenwinkel, dass ihr Rabe direkt neben ihr lief. Er griff nach ihrer Hand und drückte sie kurz.

„Was ist los?“, fragte Elyano ruhig. Er wirkte unbeteiligt, doch sie spürte die Unruhe, die durch ihre Verbindung pulsierte.

Kurz streifte Fynns Blick Siandra. „Wir bekommen Besuch“, sagte er nur knapp und drehte sich zu Aisling um. Er sprach so schnell auf Gälisch auf sie ein, dass Siandra es wohl nicht einmal dann verstanden hätte, wenn sie die Sprache beherrschen würde. Kurz breitete sich stiller Protest in Aislings Augen aus, doch dann nickte sie. Sie wandte sich den Gästen zu und schaffte es mit ihrem entwaffnenden Lächeln, sie wieder auf die Feier zu konzentrieren. Auf ein Zeichen hin fing die Band an zu spielen, diesmal jedoch ohne Zephir. Ariels Sohn lief schon in Richtung Haupttor.

Siandra folgte Elyano und Fynn. Ihr Rabe schien protestieren zu wollen, doch dann er atmete nur geräuschvoll aus und griff nach ihrer Hand.

Das Erste, was Siandra sah, waren die Jäger, die mit Scharfschützengewehren auf der Mauer standen. Die roten Punkte der Projektile tanzten wie Glühwürmchen über den Boden.

Am Tor hatte sich eine kleine Menge gebildet. Wütend Stimme fuhren durcheinander, verschwommen zu einer Einheit. Die Jäger forderten Blut. Furcht kroch wie eine eiskalte Hand über Siandras Rücken. Beunruhigt folgte sie Elyano und Fynn, die sich durch die Traube der Jäger schoben.

Siandra erstarrte. Ihre Augen weiteten sich, als sie an Elyano vorbeisah und erkannte, wer da vor dem Tor stand. „Ich dachte du wärst tot...“

2. Zeit vernichtet alles

Ohne auf die Reaktionen der Jäger zu achten, schob Siandra sich an Elyano vorbei. Mit einer forschen Handbewegung brachte Fynn die Scharfschützen dazu, ihre Gewehre zu senken. Doch das bemerkte Siandra nicht. Auch nicht, dass Elyano versuchte, nach ihrem Arm zu greifen. Ihr Blick klammerte sich an die Person, die an der Spitze der kleinen Gruppe stand. Sein Haar war länger geworden und der Schatten eines Bartes bedeckte sein Gesicht, doch der fröhliche Zug um sei „Gabriel!“, rief sie erleichtert und fiel dem Mann um den Hals.

„Das nenne ich doch mal eine gelungene Begrüßung.“ Schmunzelnd löste er sich von Siandra. „Herzlichen Glückwunsch übrigens. Das hätte ich doch um nichts in der Welt verpassen wollen. Wenn Jäger etwas wissen, dann, wie man eindrucksvolle Partys feiert.“ Sein Blick glitt über seine Begleiter hinter ihm, zu den Scharfschützen über ihnen, bis er Fynn erreicht hatte. „Ich komme mit Worten zu euch, nicht mit dem Stahl meiner Klinge“, sprach er die traditionellen Worte, die ihm Schutz versprachen. Seine Miene blieb unbewegt, doch Siandra konnte den Sturm an Gefühlen sehen, der durch seine Augen tobte. „Ich erbitte Asyl für mich und die Meinen.“

Einige Jäger lachten, doch Fynn wechselte nur einen kaum merklichen Blick mit seinem Bruder.

„Wie haben die dreckigen Halbblüter uns nur gefunden?“, kam es halblaut aus der Menge.

Gabriel hob kurz einen Mundwinkel, doch es hatte nichts Freundliches an sich. „Mit euren hohen Mauern könnt ihr euch nicht verstecken. Dass ich schon einmal hier gewesen bin, macht das Ganze noch einfacher.“ Sein Blick traf erneut Fynn. Der Hüter des Ordens schwieg noch immer. Seine Miene zeigte nicht, was er dachte, doch Siandra war sich sicher, dass er seine Möglichkeiten abwog. Es dauerte einen Moment, ehe er zum Sprechen ansetzte.

„Als rechtmäßiger Vertreter unserer Fürstin Aschenputtel und Hüter ihres Ordens gewähre ich dir diesen Schutz.“ Proteste wurden hinter ihnen laut, doch Fynn hob einfach die Stimme. „Dir und den Deinen soll kein Leid geschehen, weder durch mich noch durch meine Jäger.“ Fynn wusste, dass er sich auf ein Minenfeld begeben hatte. Nur ein falscher Schritt und all der Gehorsam, den er sich im vergangenen Jahr aufgebaut hatte, war vergebens. Doch er hatte keine andere Wahl, selbst wenn er es gewollt hätte. Gabriel hatte Worte gesprochen, denen er sich nicht entziehen konnte. Und er war der Letzte, der Gabriel diesen Schutz verwehren würde. Durch ihn hatte er seine Aisling und sein Bruder seine Nachtigall zurückkommen. Auch wenn die Chancen gering standen, hatte er nach Gabriel gesucht. Doch nachdem die Spuren immer wieder ins Leere verliefen, hatte er die Hoffnung begraben. Die Hoffnung, die Schuld wiedergutzumachen. Fynn hatte eine Menge Fragen, die eine Antwort verlangten. Fragen, die nur einer beantworten konnte. Allen voran die Frage, wie er es schaffen konnte, dem Weingut zu entkommen.

„Wir sollten reingehen“, sagte Fynn ruhig, obwohl die Stimmen seiner Jäger stetig lauter wurden. „Hier draußen spricht es sich nicht gut und wir haben einiges zu besprechen.“

Gabriel nickte. „Das haben wir in der Tat, doch unser Weg war beschwerlich. Meine Gefährten sind erschöpft und ich bin es auch. Wir haben Verwundete bei uns, die medizinischer Versorgung bedürfen und Frauen und Kinder, die solche Anstrengungen nicht gewohnt sind.“

„Wir werden uns morgen in der Frühe zusammenfinden. Bis dahin könnt ihr euch in den Gästequartieren ausruhen. Für eure Verletzten wird selbstverständlich gesorgt.“ Er bemerkte die misstrauischen Blicke, die Gabriel seinen Jägern zuwarf. „Mach dir keine Sorgen, Gabriel. Sie werden es nicht wagen, Hand an die Deinen zu legen. Dafür werde ich sorgen.“

„Daídi? Wer ist das?“

Fynn fuhr herum, als er die Stimme seiner Tochter hörte. „Was machst du denn hier?“, fragte er und strich ihr sanft übers Haar.

„Du warst so lange weg“, murmelte sie.

Fynn hob den Kopf, als er eine vertraute Präsenz spürte und sein Gefühl trog ihn nicht. Aisling schob sich durch die Menge auf sie zu, streifte ihn kurz mit ihrem Blick, ehe sie sich zu ihrer Tochter herunterbeugte. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst bei Llwyn und Heinrich bleiben. Du darfst nicht immer weglaufen, m‘eudail. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustößt.“

„Aber...“

„Kein aber.“ Aisling nahm sie an der Hand. Erst jetzt bemerkte sie Gabriel, der die ganze Szene beobachtet hatte. Ihre Augen weiteten sich.

„Eure?“, fragte er belustigt.

Noch bevor Fynn oder Aisling antworten konnte, streckte Fia ihm ein Kinderhändchen entgegen. „Ich bin Fia und wer bist du?“

Gabriel schmunzelte und beugte sich zu ihr vor. „Hallo kleine Lady. Ich bin Gabriel, ein... Freund deiner Eltern.“

„Übernachtet ihr hier?“

„Ja Fia“, antwortete Fynn für ihn und strich Aisling fast schon unbeteiligt über die Schultern. „Sie übernachten hier.“ Auf ihren fragenden Blick schickte er ihr ein stummes ,Später‘. „Aisling, würdest du Gabriel und seine Gefährten bitte zu den Gästequartieren geleiten? Und sorge bitte dafür, dass Andreij und Neyrissa nach ihnen sehen. Sie haben Verwundete.“

„Natürlich“, sagte Aisling, lächelte ihm kurz zu und bat die Halbblüter ihr zu folgen.

„Ich möchte jetzt noch ein Wort mit meinen Offizieren wechseln“, sagte Fynn kühl, als Aisling im Haus verschwunden war. „Alle anderen können verschwinden.“ Abschätzig hob er die Augenbrauen, als die Jäger keine Anstalten machten, sich zu rühren. Einige starten ihn zornig an, andere perplex und ein paar murmelten leise vor sich hin. „Wird‘s bald?“ Seine kühle Stimme schien wieder Leben in sie zu bringen. Hastig entfernten sie sich, nicht ohne noch den ein oder anderen halblauten Spruch loszuwerden, bis nur noch eine Handvoll Personen vor ihm stand.

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Nikolai, das Scharfschützengewehr noch immer neben sich. Seine lederne Rüstung war dreckig und an einigen Stellen zerrissen. Scheinbar war er gerade rechtzeitig von seiner Patrouille zurückgekehrt und hatte sofort reagiert. Der Offizier wirkte nicht wütend, nur verwundert.

„Ich möchte, dass ihr dafür sorgt, dass die Jäger sich an diese Abmachung halten“, sagte Fynn ruhig und versuchte die Unsicherheit, die ihn befallen hatte, zu verstecken. „Gabriel und die Seinen sind unsere Gäste und als solche werden sie auch behandelt.“ Sein Blick glitt zu Elyano, der etwas abseitsstand. Sein Bruder wusste ebenso gut wie er, dass viele seiner Jäger diese Entscheidung nicht gutheißen konnten und er wollte sich gar nicht erst vorstellen, was seine Fürstin dazu sagen würde.

„Was wirst du nun tun?“, fragte Larissa, die jüngste seiner Offiziere. „Die Halbblüter werden vielleicht zwei, drei Tage bei uns sicher sein, aber was ist dann? Auch wenn du die Halbblutjagd soweit heruntergeschraubt hast, wie es in deinen Möglichkeiten war, ohne unserer Fürstin ungehorsam zu werden, wirst du es nicht ewig geheim halten können. Aschenputtel wird es erfahren – wenn sie es nicht ohnehin schon weiß. Und ich weiß nicht, wie viel Schutz du ihnen dann noch versprechen kannst.“ Larissa war nicht gerade dafür bekannt mit der Wahrheit hinterm Berg zu halten, etwas, das Fynn sehr an ihr schätzte.

Er atmete tief ein, ehe er zum Sprechen ansetzte. „Ich werde morgen erst einmal hören, was sie hierhergetrieben hat. Gabriel hat seine Gefährten mit Sicherheit nicht ohne Grund in die Höhle der Löwen gebracht.“

Elyano nickte und trat näher an ihn heran. „Wir werden hören, was Gabriel von uns will und dann sehen wir weiter. Bis dahin sollten wir die Gästequartiere überwachen. Aber nicht zu auffällig. Wir wollen ihnen nicht das Gefühl geben, eingesperrt zu sein.“ „Was ist denn los mit dir?“ Besorgt musterte Elyano sie von der Seite. Sie waren auf dem Weg zum Ratssaal, um eine Kleinigkeit zu frühstücken, bevor Elyano dem Rat beisitzen und Siandra sich wieder in ihren Anatomieunterlagen vergraben würde. Ohne Vorwarnung hielt er in der Bewegung inne und zog sie in einen der schmaleren Gänge.

Siandra hob amüsiert die Augenbrauen, auch wenn sie wusste, dass Elyano ihr das Lächeln nicht abkaufen würde. Die Schatten der Nacht saßen noch zu tief.

Elyano strich ihr über die Arme, bis seine Hände auf ihren Schultern zum Liegen kamen. Die Sorge, die in seinen Augen geschrieben stand, brachte die Angst und den Kloß in ihrem Hals fast wieder zurück, die sie so mühevoll weggesperrt hatte. Elyanos Hände wanderten weiter in ihren Nacken, seine Daumen zeichneten die Linie ihres Kiefers nach. „Du hast in der letzten Nacht unruhig geschlafen.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Natürlich hatte er es bemerkt. Doch auch seine Arme, die sie umfangen hielten, konnten ihr nicht die gewohnte Geborgenheit vermitteln. Nicht nach den Alpträumen, die sie heimgesucht hatten. Es war fast, als hätte Gabriels Ankunft etwas in ihr geweckt. Etwas, das lieber verborgen geblieben wäre.

„Mir gehen Shaikos‘ Worte einfach nicht aus dem Kopf. Die Sache mit dem Preis für meine Unsterblichkeit.“ Sie hatte Elyano nach der Sache im Weingut von dem Gespräch mit Shaikos erzählt. Er hatte versucht, sie zu beruhigen und hatte es auch geschafft. Vorerst. Doch nun fragte sie sich, ob an den Worten ihres Vaters nicht doch etwas dran gewesen war. Wie hoch war der Preis für Unsterblichkeit?

Auf Elyanos Lippen breitete sich ein aufmunterndes Lächeln aus, ehe er sich zu ihr herabbeugte und sie kurz küsste. „Mach dir keine Sorgen, mo cridhe. Er wollte dir mit Sicherheit nur drohen und Angst einjagen.“

„Aber was, wenn nicht? Was wenn er Recht behält und...“ Sie stockte. „ich den Preis für dieses Leben noch bezahlen muss?“

Elyanos Lippen strichen erneut über ihre, verharrten dicht vor ihrem Gesicht. „Ich lasse nicht zu, dass dir irgendetwas geschieht. Mach dir nicht so viele Gedanken. Es hat mit Sicherheit nichts zu bedeuten.“ Er legte einen Arm um ihre Taille, als er sie weiter in Richtung des kleinen Ratssaals führte, doch sie konnte spüren, dass er seinen eigenen Worten nicht ganz vertraute. Auch er war sich unsicher. Auch er fürchtete sich davor, dass ihre Wahl Folgen bringen würde, denen sie sich nicht stellen wollten.

„Yano!“, rief Fia ihnen freudig entgegen, als sie den Raum betraten. Die Kleine saß auf Aislings Schoß, während diese Marmelade auf das Brötchen ihrer Tochter strich. Elyano zwinkerte seiner Nichte zu, ehe er sich gemeinsam mit Siandra zwischen Fynn und Heinrich setzte – nicht ohne im Vorbeigehen seine Schwester zu kitzeln. Llwyn lächelte breit und biss von ihrem Croissant ab.

„Ihr seid zu spät“, bemerkte Fia und schob die Unterlippe vor.

Elyano grinste. „Coole Onkel dürfen das. Und solange du mir noch etwas übriggelassen hast, kleines Wiesel, gibt es auch keinen Grund zur Panik.“

Siandras Blick wanderte zu Fynn, der zwischen Elyano und Aisling saß. Sie wusste, dass er in aller Frühe mit den Jägern, die die ersten Patrouillen übernahmen, gegessen hatte. Doch das waren die Pflichten, die er sich selbst auferlegt hatte – in seiner Rolle als Hüter des Ordens. Hier war er nicht der Anführer, sondern nur ein Familienvater, Bruder und Freund, der im engsten Kreis die freie Zeit genoss, bevor das Chaos des Alltags ihn wieder einholte. Wann dieser Kerl überhaupt schlief, war Siandra schleierhaft. Jeden Tag war er spätestens um vier Uhr morgens auf den Beinen und das sieben Tage die Woche. Wenn sie so wenig Schlaf bekommen würde wie er, würde sie nicht so wach und gut gelaunt aussehen. Ein Lächeln zupfte an Siandras Lippen, als sie beobachtete, wie Fia sich zu ihrem Vater vorbeugte, ihn am Kragen zu sich herunterzog und ihm aufgeregt etwas ins Ohr flüsterte.

„Wie läuft eigentlich dein Studium?“, fragte Aiofé und kippte Milch über ihre bunten Cornflakes, ehe sie sich auf dem Stuhl zurücklehnte und den Radiosender wechselte. Sie schien geradezu auf dem Sprung zu einem Auftrag zu sein. Ihre Waffe lag neben ihr auf dem Tisch und eine Umhängetasche hing über der Stuhllehne, aus der eine Waffe hervorlugte. „Machst du uns auf gefälligst stolz?“

Siandra zwinkerte. „Mach ich doch immer. Abgesehen davon, dass ich mir diese lateinischen Begriffe wohl niemals alle merken werde ist alles in Ordnung. Das grenzt schon an Telefonbuch auswendig lernen. Das Tutorium zerrt auch ganz schön an meinen Nerven.“ Sie verdrehte die Augen und griff nach dem Brotkorb. „Der Tutor ist ein überheblicher Arsch. Natürlich muss es auch noch abends stattfinden. Als hätte ich zu der Zeit nichts Besseres zu tun.“

„Mach dir nichts draus, Eorlina. Auch das längste Semester findet irgendwann ein Ende.“ Aufmunternd lächelte Heinrich ihr zu. Er wirkte müde und abgekämpft, doch in seinen Augen lag das heitere Funkeln, das Siandra von ihm kannte.

Siandra hob den Kopf, als die Tür aufflog. „Wo hast du gesteckt?“, fragte Aisling, als Zephir sich zu ihnen an den Tisch setzte. Den Karton, den er mit sich trug, stellte er vor sich. Mit einem breiten Grinsen strich er Fia eine lange Strähne hinters Ohr. „Ich hatte noch etwas zu erledigen. Wir können uns aber gleich gerne zusammensetzen.“

„Du-hu, was ist denn da drin?“, fragte Fia mit Unschuldsmiene und zupfte an seinem Ärmel.

Zephir zwinkerte verschwörerisch und hob den Deckel des Kartons. Mit leuchtenden Augen zog Fia einen rosa Donut hervor. „Deshalb bin ich der coolere Onkel.“ Feixend schob Zephir ihn in Richtung Tischmitte und nahm sich selbst einen heraus.

Aisling warf ihm einen strengen Blick zu, doch sie konnte das Schmunzeln nicht verbergen. „Dein Gehirn braucht mehr als Puderzucker.“

„Kommen da etwa deine Mami-Gene zum Vorschein?“

Siandra fiel in sein Lachen ein und auch Elyano grinste breit, als sein Handy klingelte. Noch im Lachen nahm er den Angriff entgegen und erstarrte. Ohne auch nur einen Ton von sich zu geben, legte er auf und ließ das Handy auf den Tisch fallen, als hätte er sich daran verbrannt.

Irritiert sah Siandra ihn an und Fynn hob verwundert eine Augenbraue. „Was wird denn das, wenn es fertig ist?“, fragte er.

„Keine Ahnung. Verdammt, das war ein Reflex.“

Die zweite Augenbraue gesellte sich zur ersten. „War das etwa diejenige, von der ich denke, dass sie es ist?“

Genervt seufzend lehnte Elyano sich auf seinem Stuhl zurück. „Was weiß ich.“

„Das wird sheanamhair aber ganz und gar nicht gefallen. Du kannst ihr nicht ewig ausweichen.“

„Aber lange genug“, knurrte Elyano und wandte den Blick um, als sich eine schmale Hand auf seine legte.

„Wer hat dich da angerufen?“ Siandra versuchte unbeteiligt zu wirken, doch so ganz gelang ihr das nicht. Wer das wohl war? Niemand Angenehmes nahm sie an.

„Nichts Schlimmes. Keine Sorge, Siandra“, sagte Fynn lächelnd. „Unser lieber Rabe drückt sich nur wieder einmal vor Pflichten.“

„Sag bloß, du hast noch nicht mit der bösen Hexe des Westens gesprochen“, kam es lachend von Zephir. Doch dann stockte er, als würde ihm plötzlich etwas einfallen. Kurz formten seine Lippen ein Oh, ehe er holprig die Sprache wiederfand. Sein Blick streifte Siandra. „Du hast noch gar nicht...“

Er verstummte, als Elyano ihm einen durchdringenden Blick zuwarf. Dann wandte der Rabe sich wieder Siandra zu. „Nur lästige Pflichten, nichts von Bedeutung. Ich habe nur im Moment keine Lust, mich darum auch noch zu kümmern.“

Siandra runzelte die Stirn. „Aber warum...?“ Sie zuckte zusammen, als etwas Warmes über ihre Hand lief, dicht gefolgt von einem erschrockenen Quietschen. Neben ihr sog Elyano scharf die Luft ein, ehe er blitzschnell nach ihrer Hand griff und sie aus der Lache zog. Siandra war viel zu perplex, um zu reagieren.

„Tut dir das nicht weh?“, fragte Elyano besorgt und tupfte ihre gerötete Haut ab. „Der Kaffee war kochend heiß.“ Erst jetzt kam wieder Leben in sie. Vorsichtig nahm sie das Tuch mit dem Elyano hantierte und wischte sich über die Hand und den Tisch. Die Haut war stark gerötet und brannte ein wenig, aber abgesehen davon spürte sie nichts. Nicht den Schmerz, den sie fühlen sollte.

Fia murmelte etwas zerknirscht und senkte schuldbewusst den Kopf, doch Siandra lächelte ihr beruhigend zu.

Fynn griff hinter sich, zog etwas hervor und streckte es ihr entgegen. „Hier, leg das hier da drauf.“

„Ein Toastbrot?“, fragte Siandra belustigt.

Fynn zuckte mit den Schultern. „Muss eh auftauen.“

„Da komme ich dir wohl ganz gelegen, was?“, neckte sie ihn.

„Wer weiß, vielleicht war es ja kein Zufall.“ Er grinste dämonisch und drehte sich zu dem kleinen Tisch um, auf dem die Post lag. Er seufzte, als er die Berge sah, durch die er sich noch durcharbeiten musste. Willkürlich griff er nach einigen Briefen und überflog die Umschläge.

„Und?“, fragte sein Bruder. „Was wichtiges dabei?“

„Vor allem Rechnungen“, entgegnete Fynn, ohne aufzublicken. Seine Mundwinkel zuckten schalkhaft. „Ansonsten nur die üblichen Briefe aus Hogwarts. Du kennst das ja.“ Er lachte und warf Zephir einen der Briefe zu. „Der ist wohl für dich. Aus Italien. Aber nein. Sonst nichts Interessantes oder Wichtiges.“

„Du hast die Geschenke vergessen“, grinste Aisling und erntete ein genervtes Stöhnen ihres Gefährten.

„Dass immer noch Pakete eintrudeln“, sagte er und drehte sich wieder zu dem Tisch um. Mit zwei Fingern hob er ein Stück rosa Rüschenstoff hoch, der nur mit gutem Willen als Kleid zu erkennen war. Er atmete geräuschvoll aus. „Ich wünschte, sie würden das lassen.“

„Immerhin noch besser als das hier.“ Er hatte gar nicht bemerkt, wie Zephir um den Esstisch herumgetreten war. Feixend hob er einen Fächer aus Autoaufklebern hoch. „Also ernsthaft mal. Unsere Eltern brauchten unsere Namen ganz sicher nicht ans Auto zu pinnen. Man kannte uns auch so schon gut genug.“

„Wohl wahr“, grinste Fynn. „Ariel konnte ein Lied davon singen. Es gab wohl kaum jemanden im Reich, der nicht schon Zeuge eurer ,Abenteuer‘ wurde.“

„Was für Abenteuer, daídi?“, fragte Fia und verputzte den Rest ihres Brötchens.

Zephir wollte zum Sprechen ansetzen, doch Fynn unterbrach ihn mit einem warnenden Blick. „Du musst ihr nicht noch mehr Flausen in den Kopf setzen.“

Leise prasselte der Regen gegen das Fenster. Es regnete schon seit den frühen Morgenstunden, als Fynn seine Jäger auf die ersten Patrouillen des Tages geschickt hatte. Immer wieder kam jemand auf ihn zu, um etwas über die Halbblüter zu erfahren. Die Unsicherheit war groß und Fynn konnte sie ihnen nur zum Teil nehmen. Erst einmal wollte er das Gespräch mit Gabriel abwarten.

Nachdenklich wandte er sich vom Fenster ab und humpelte auf den Tisch zu, an dem sie noch vor einer knappen Stunde gemeinsam gefrühstückt hatten. Elyano saß bereits an seinem gewohnten Platz. Fynn entging nicht, dass er ihn aus dem Augenwinkel beobachtete. Besorgt – wie es für einen älteren Bruder üblich war.

Fynn atmete tief ein. Er konnte überhaupt nicht einschätzen, wohin das Gespräch sie führen würde. Es musste doch einen Weg geben, die Halbblüter zu schützen und gleichzeitig die Einheit des Reiches wiederherzustellen und zu bewahren. Er mochte Gabriel. Nicht nur, weil er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um sie zu retten. Er war ins Grübeln gekommen. Über die Halbblüter und die Jagd auf sie. Konnten sie es überhaupt noch verantworten, Prinzipien zu folgen, die aus einem ganz anderen Zeitalter stammten?

Schlanke Arme umfingen seine Hüften und ein warmer Körper schmiegte sich von hinten an ihn. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er die Hände über ihren faltete und es sich einen kurzen Moment lang gestattete, sich fallen zu lassen. Ihre Verbindung ging tief. Genau wie er es spürte, wenn Aisling etwas bewegte, hatte sie die Anspannung, die ihn befallen hatte, bemerkt und instinktiv gewusst, was ihm helfen würde.

Nur widerwillig löste er sich von Aisling und setzte sich auf seinen Platz am Kopf der Tafel, als Aiofé Gabriel hereinbrachte. Fynn hatte sich dazu entschlossen, keine offizielle Ratssitzung einzuberufen. Er wollte Gabriel nicht gleich allen zum Opfer vorwerfen. Zumal er eine Ratssitzung nicht vor Aschenputtel geheim halten konnte und er Gabriels Ankunft so lange wie möglich verschweigen wollte. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als er an seine Fürstin dachte. Immer mehr formte sich die Idee in seinem Kopf, Gabriel um Hilfe zu bitten. Er hatte Shaikos‘ Maschine entwickelt, hatte seine und Rotkäppchens Forschung vorangetrieben. Vielleicht konnte er ihm Möglichkeiten aufzeigen, die Ketten zu lösen, die Aschenputtel ihm auferlegte. Doch dazu musste er das Halbblut unter vier Augen sprechen. Nicht, dass er Elyano oder Aisling nicht vertraute. Er wagte es bisher nur kaum, auszusprechen.

Misstrauisch musterte Gabriel ihn. Er versuchte locker zu wirken, doch Fynn erkannte, wie angespannt er war. Zu Recht. Fynn wusste nicht, wie er an seiner Stelle reagieren würde.

„Wie geht es deinen Gefährten?“, fragte Aisling neben ihm ehrlich besorgt. „Ich hoffe, man hat sich gestern noch gut um die Deinen gekümmert?“

Gabriel deutete eine höfliche Verbeugung an. „In der Tat. Abgesehen von einem kleinen Zwischenfall haben wir alle eine recht ruhige Nacht gehabt. Nur ganz entspannen konnten wir uns innerhalb eurer Mauern noch nicht.“

„Zwischenfall?“ Fynn runzelte die Stirn.

„Einige unserer Jäger sahen sich nicht gezwungen, sich an unsere Vorschriften zu halten“, sagte Elyano. Ein dünnes Knurren lag in seiner Stimme.

Aislings Augen weiteten sich. „Ist irgendjemandem etwas zugestoßen?“ Doch Gabriel verneinte.

„Gabriel“, setzte Fynn ruhig an. „Wie hast du es bloß geschafft da rauszukommen?“

Er musste nicht erklären, worauf er hinauswollte. Gabriels Gesicht verdüsterte sich. „Reines Glück, schätze ich“, sagte er kurz angebunden und ließ sich auf seinem Stuhl zurücksinken.

Aus dem Augenwinkel beobachtete Fynn aufmerksam seinen Bruder. Er schien jetzt schon vor Wut zu schäumen. Warum machte Gabriel ihn nur so rasend? Vielleicht war es keine so gute Idee gewesen, ihn zu diesem Gespräch dazu zu bitten. Andererseits hätte ihn wohl nichts davon abhalten können, dabei zu sein. Fast schon erwartete Fynn einen bösen Kommentar, doch noch schien Elyano sich beherrschen zu können.

„Ich glaube, wenn unsere Zusammenarbeit funktionieren soll, sollten wir anfangen einander zu vertrauen – und ehrlich miteinander sein“, versuchte Fynn es diplomatisch. „Wie hast du es geschafft, zu entkommen? Wir dachten, du wärst tot.“

„Ich wollte auch, dass man mich für tot hält“, entgegnete Gabriel, doch seine bemüht unnahbare Fassade begann zu bröckeln. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich da rausgekommen bin. Ich habe einen lauten Knall gehört – doch das war‘s. Das Nächste, an das ich mich erinnere, ist ein großes Maisfeld – und ein Bauer, der mich beinahe überfahren hätte.“

Nachdenklich musterte Fynn ihn. Er suchte nach der Lüge in seinen Worten, doch er konnte nichts Unehrliches in seinen Augen erkennen. Trotzdem war da etwas, das ihm sagte, dass das nicht die ganze Wahrheit war. Er wechselte einen kurzen Blick mit Aisling, aber ehe er etwas sagen konnte, hatte sie bereits das Wort ergriffen.

„Warum bist du nicht eher zu uns gekommen?“, fragte sie behutsam. „Wir hätten dir doch helfen können.“

Gabriel schüttelte den Kopf und ein bitterer Zug umspielte seine Lippen. „Ich musste mir erst über einiges klar werden. Und dann habe ich mich auf die Suche gemacht – nach denen, die mir geblieben sind. Nach und nach habe ich sie gefunden, manche musste ich befreien. Nicht alle konnte ich retten.“ Seine Hand verkrampfte sich auf der Tischplatte.

„Was ist passiert?“, fragte Aisling atemlos.

Gabriels Lippen wurden schmal und seine Augen hart. „Jäger, das ist passiert.“

Fynn musterte ihn mit regungsloser Miene. Er spürte Aislings fragenden Blick auf sich liegen, doch er wandte sich nicht zu ihr um. Es waren keine seiner Jäger gewesen, so viel war sicher. Dafür kontrollierte er sie zu stark, vor allem seit die Halbblutjagd zum Erliegen gekommen war. Es gab genug Brandherde, an denen seine Jäger arbeiten konnten, ohne dass Aschenputtel Verdacht schöpfte. Aber vielleicht sollte er Verdacht erregen. Vielleicht konnte er ein Gespräch mit ihr provozieren und sie dazu bringen, ihm nicht immer wieder auszuweichen.

„Warum bist du dann zu uns gekommen?“, fragte er ruhig. Ein Blick in Gabriels Gesicht gab ihm die Antwort. Das Halbblut glaubte nicht, dass seine Jäger dafür verantwortlich waren.

„Ich bin wohl wieder hier, um dich um deine Hilfe zu bitten“, sagte Gabriel ruhig.

Betont gelassen faltete Fynn seine Hände aneinander. „Wenn es mir möglich ist, werde ich dir helfen. Du hast mein Wort.“ Sein Blick streifte kurz Elyano, der mit verschränkten Armen dasaß und Gabriel beobachtete. Doch er schwieg beharrlich.

„Ich will Rache“, sagte Gabriel plötzlich mit kalter Stimme. „Ich will sie für das, was sie uns angetan haben, bluten sehen.“

„Wir opfern keinen unserer Jäger, um der Rache eines Einzelnen nachzugehen“, warf Elyano ein. Seine Miene war regungslos, wie nur er es vermochte. „Wen willst du zur Rechenschaft ziehen? Shaikos ist tot, genau wie seine Sippe.“

Einen Augenblick lang schienen die beiden sich mit ihren Blicken zu erdolchen. „Willem lebt. Und seine Tochter.“

Ein Knurren löste sich aus Elyanos Kehle. „Siandra...“

„Ich spreche nicht von Siandra!“, unterbrach Gabriel ihn unwirsch. „Ashara.“

Fynns Augen weiteten sich. „Aber diese Kreaturen hatten sie. Wie konnte sie das überleben?“

„Der Kampf hat sicherlich Spuren hinterlassen. Willem hat sich in seine alte Heimat, Shaikos einstiges Reich, zurückgezogen und Ashara hat die Firma ihres Vaters übernommen. Ich weiß nicht, wie viele der Forschungsergebnisse durch den Brand zerstört wurden und was sie damit vor hat...“

„Was willst du von uns, Gabriel?“, fragte Elyano eisig.

Er erwiderte den Blick des Raben nicht freundlicher. „Siandra hat ein Anrecht auf die Firma. Wenn sie dagegen angeht...“

Sie alle zuckten zusammen, als Elyanos Faust auf die Tischplatte donnerte. „Sie wird nichts dergleichen tun! Ich lasse es nicht zu, dass sie sich noch einmal in Gefahr begibt.“

„Das hat dir doch bisher auch nichts ausgemacht“, entgegnete Gabriel bissig.

Fynn hielt die Luft an. Noch schien sein Bruder die Wut unter Kontrolle halten zu können. Gabriel spielte mit dem Feuer – ob es ihm bewusst war oder nicht.

„Siandra wird aus allem rausgehalten. Das ist mein letztes Wort.“

„Ob du es glaubst oder nicht, sie ist alt genug, um eigene Entscheidungen zu treffen. Immerhin muss sie schon den Preis für die Entscheidung tragen, in die du sie hineingedrängt hast.“

„Was willst du damit sagen?“ Das Knurren in Elyanos Stimme war kaum zu überhören. Aisling legte eine Hand auf seinen Arm, doch nicht einmal sie schaffte es, den Zorn zu durchdringen.

„Das weißt du selbst gut genug, Schlächter. Siandra hat einen großen Fehler begangen, als sie sich gegen ihre Menschlichkeit entschieden hat.“ Gabriel machte Anstalten aufzuspringen, doch er blieb im letzten Moment sitzen. „Hat sie dich als Halbblut wirklich derart angewidert?“, fragte er mit vor Verachtung triefender Stimme. „Hast du es nicht neben ihr ausgehalten, solange sie nicht deinen Weg angenommen hat?“

„Was erlaubst du dir?“, mischte Fynn sich ein, bevor sein Bruder aufspringen und seiner Wut Ausdruck verleihen konnte.

„Verzeiht mein Hüter“, sagte Gabriel und erinnerte ihn auf einmal so stark an seinen Halbbruder Pyrros, dass Fynn den Ärger nicht unterdrücken konnte, der in ihm aufstieg. „Ich wollte keine alten Wunden aufreißen.“

„Was hat das alles zu bedeuten? Wovon sprichst du?“, fragte Fynn ruhiger, als sein Bruder es vermochte.

Gabriel zog die Augenbrauen zusammen. „Die Macht die eigene Lebensspanne zu beeinflussen hat ihren Preis. Es gibt gute Gründe, weshalb wir uns vor dieser Entscheidung fürchten. Und es gibt nur wenige, die sie getroffen haben.“

Elyanos Lippen wurden dünn wie ein Bleistiftstrich. „Was ist mit ihnen?“

„Sie sind tot“, antwortete Gabriel unverblümt.

Fynn versuchte den Blick seines Bruders zu deuten, doch es spiegelten sich so viele Gedanken in seinen Augen wider, dass er nicht sagen konnte, welche überwogen. „Was heißt das für Siandra?“

„Das weiß ich nicht.“

„Was soll das heißen, du weißt es nicht?!“

„Es gibt nicht gerade Lexikonartikel darüber“, entgegnete Gabriel bissig. „Es gibt kaum Informationen und die meisten sind widersprüchlich. Glaubst du, wir hätten etwas unversucht gelassen?“

„Was wird nun mit ihr passieren?“, fragte Aisling blass.

Gabriel senkte den Blick. „Das kann ich nicht sagen. Es verläuft niemals identisch und kaum jemand weiß darüber Bescheid.“

„Aber es muss doch etwas geben, dass wir tun können“, warf Fynn ein. Sein Blick streifte Elyano, doch der schwieg, schien sich ganz seiner Selbstgeißelung hinzugeben.

„Gegen die Zeit kann man nicht gewinnen. Die Zeit vernichtet alles.“

„Lässt du die Tür auf, daídi?“, kam es halblaut aus dem Dunkel des Zimmers. Fynn lächelte und öffnete die Tür wieder ein Stück weit.

„Schlaf gut, mein Schatz“, flüsterte er und trat durch den kleinen Flur in ihr Wohnzimmer. Mit einem leisen Seufzen ließ er sich auf einem der Sessel nieder. Es war das erste Mal, seit dem