Rache auf der Reeperbahn - Lion C. Rationus - E-Book

Rache auf der Reeperbahn E-Book

Lion C. Rationus

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Beschreibung

Felix wird von zwei Türstehern angesprochen. Sie glauben, in Felix den Mann zu erkennen, der die Prostituierte Hayal entführt und ermordet hat. Die Türsteher informieren den Chef, welcher der unbestrittene Boss ist der Zuhälter und Clubbesitzer auf der Reeperbahn. Der Chef befiehlt, Felix in einem unbenutzten Clubkeller festzusetzen. Dort wird Felix gefoltert und vergewaltigt, damit er ein Geständnis ablegt. Felix kann fliehen. Gezeichnet von der Gefangenschaft sinnt er auf Rache … Die Novelle "Rache auf der Reeperbahn" enthüllt die unbekannte, brutale Seite der Reeperbahn, die vor Touristen und Freiern sorgsam geheimgehalten wird. Der Hamburger Autor und Kiez-Insider Lion C. Rationus erzählt "mitreißend und psychologisch dicht, sodass der Leser ihm atemlos bis zur letzten Seite folgt." (Bert Müller im Nightlounge-Magazin). Das Buch beruht auf einer wahren Begebenheit

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Seitenzahl: 270

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Rache auf der Reeperbahn

Kiez-Novelle
nach einem wahren Fall

Von Lion C. Rationus

Besuchen Sie die Internetseite des Autors: rationus.net

Ungekürzte Originalveröffentlichung

FS-Verlag Edition Störtebeker

ISBN 978-3-932733-28-4

Der Inhalt des Buches ist durch das Urheberrecht geschützt.

Titelbild MPS

Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel: Liebe am Abgrund
2. Kapitel: Jeder zahlt für sich allein
3. Kapitel: Das Brummen der Hornissen
4. Kapitel: Der dicke Chef im Topless-Club
5. Kapitel: Mit unnachgiebiger Hand
6. Kapitel: Der Haifisch schnappt zu
7. Kapitel: Das üppige Fleisch
8. Kapitel: Der Schmerz und die Liebe
Leseprobe: Sechs Richtige mit Zusatztod
Leseprobe: Das Reichsgold Geheimnis
Leseprobe: Der Mädchenfänger von St. Pauli

1. Kapitel: Liebe am Abgrund

Hannah fragte sich, ob es zwischen Felix und ihr wieder so werden könnte wie früher.

Felix lag neben ihr im Bett und starrte an die Decke. Nachlässig hatte er in der Nacht Oberhemd und Straßenhose neben dem Bett auf den Teppich gleiten lassen.

"Was ist mit dir?", fragte Hannah. In den letzten Wochen hatte er sich verändert.

"Ich weiß nicht, ob es richtig ist, was wir tun."

"Wir lieben uns."

"Genau."

"Was könnte falsch daran sein?"

Statt einer Antwort starrte er. — Wie anders war er gewesen. Leidenschaftlich, liebevoll, fordernd, fesselnd. Ja, fesselnd. Er hatte sie mit einer Liebe konfrontiert, die sie nicht gekannt hatte. Die sie lieben gelernt hatte. Sie wollte nicht, dass es vorbei war, sie wollte ihren alten Felix wieder haben. Unter der Decke suchte ihre Hand nach ihm.

"Lass uns diese Nacht einmal alles vergessen", lockte sie.

Sie wusste, dass Felix sich Sorgen machte. Dachte er sich sonst vor dem Zähneputzen schon eine neue Kampagne aus, so blieb er jetzt liegen, auch wenn der Wecker geklingelt hatte.

Die Telefonate mit dem Gebietsleiter hatten bereits vor Wochen aufgehört. Früher hatte Felix mit ihm gestritten, denn Felix wollte nicht in Zeitungen inserieren. Er war überzeugt, dass die Kunden im Internet surften. Dort musste man sie ansprechen, nicht aber über Zeitungen. Der Gebietsleiter, dreißig Jahre älter als Felix, bestand auf den Zeitungsinseraten, und Felix hatte sich als Mitglied der Einkaufsgenossenschaft zu beteiligen.

Felix stritt nicht mehr, er zahlte die Umlage auf das Konto des Gebietsleiters.

Jedenfalls glaubte Hannah, dass Felix zahlte. Sie war nicht sicher, ob noch Geld auf dem Firmenkonto war.

Felix regte sich. Endlich. Er war auch noch Mann. Ihr Mann. In guten wie in schlechten Tagen. Oder so ähnlich. Hatte die Pastorin bei der Trauung gesagt. Jetzt waren sie bei den schlechten Tagen angekommen. Hannah begriff nicht, wie es dazu hatte kommen können. Sie wusste nicht mal genau, was Felix bedrückte. Aber sie würde zu ihm halten.

Sie würde ihn aufmuntern. Sie wollte ihr glückliches Leben wieder haben. Gerade jetzt, da sie eine frohe Botschaft für ihn hatte … für sie beide hatte. Aber es war nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu sprechen. Sie würde das Geheimnis vorerst für sich behalten müssen.

Ihre Berührungen wirkten. Felix beugte sich zu ihr und küsste ihren Hals.

"Es wird alles gut werden", sagte er.

"Felix, liebe mich, bitte."

Sie wollte ihn spüren, sie brauchte seine Liebe.

Er kuschelte sich an sie.

Seine Haut und seine Wärme taten ihr gut.

"Ich kann nicht länger weglaufen", sagte er. "Seit einem Jahr bin ich davongelaufen. Ich will nicht länger."

"Wovor flüchtest du?"

"Vor meiner Verantwortung." Er strich über ihre Brust. "Heute Mittag wird alles vorbei sein."

"Was wird vorbei sein?"

"Ich kann nicht zurückzahlen."

Also doch. Das Firmenkonto war leer. Am Klang seiner Stimme hörte sie, dass er Angst hatte.

"Wie viel?", fragte sie. "Wir können deine Gürtelschnalle zu Geld machen." Sie war aus Gold, ein Hochzeitsgeschenk ihres mittlerweile verstorbenen Vaters. "Oder unsere Ringe!" Sie setzte sich auf und zog ihren Ring vom Finger.

Dann nahm sie seine Hand, und er ließ es geschehen. Sie legte ihren Ring in seine Hand und drückte sie zur Faust. Den Ehering an seiner rechten Hand bekam sie jedoch nicht abgezogen.

"Es ist zwecklos", flüsterte er.

Michael wusch sich jeden Morgen die Haare. Das hielt bis zwölf Uhr. Ab dann waren die Haare strähnig. Frittenfett — auch die stärkste Abzugshaube kam nicht gegen den Nebel aus Pflanzenfetttröpfchen an, der von den beiden Fritteusen aufstieg. Ab vierzehn Uhr trug Michael daher Pferdeschwanz. Er band ihn sich gerade, als zwei Männer hereinkamen. Das hochgebundene Haar brachte seine grauen Schläfen zum Vorschein, und die ließen ihn vorteilhaft aussehen, fand Michael. Er hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, die Frau fürs Leben kennenzulernen. Leider kamen nur selten Frauen in die Curry-Truhe.

Die beiden Neuankömmlinge hatten frisch gewaschene Haare. Dem Langen lagen die Haare über den Ohren, dazu hatte er sich Koteletten wachsen lassen. Michael schaute zuerst auf die Haare seiner Kunden.

Der deutlich kleinere der beiden neuen Gäste studierten das Angebot auf der Tafel über der Abzugshaube. Michaels Spezialität waren Currywürste. Er bot sie in drei Schärfen an. "Pain is good", "Ground Zero" und "Holy Shit": "Pain is good" schmeckte fruchtig und prickelnd, mit zitroniger Note und einer Prise Zimt. "Ground Zero" brannte beim Schlucken. "Holy Shit" tötete jeden Geschmacksnerv, der sich der Soße auf ihrem Weg in den Magen entgegenstellte. Manche Kunden mochten das.

Stammgast Piet stand neben den neuen Gästen. Piet hatte zum ersten Mal "Holy Shit" gewählt. Dienstags und freitags stellte Piet sein Fahrrad mit der Prospektkiste an den Zaun und aß in der Curry-Truhe. Der Imbiss lag in seinem Zustellbezirk.

Piet biss ab und schluckte. Das Curry biss zurück und stieg Piet in die Nase. Er hatte Tränen in den Augen.

"Bei mir dürfen Männer weinen", sagte Michael und regelte die Fritteuse herunter, denn das Fett rauchte.

"Holy Shit", hüstelte Piet und leerte die Cola in einem Zug und sah die zwei Neuen mit wässrigen Augen an.

Der Blick des Kurzen klebte weiter an der Tafel über der Abzugshaube.

Schließlich sagte er: "Inhalieren darf man hier aber nicht, Meister."

"Inhalieren?", fragte Michael.

"Kriegt man 'nen Herzinfarkt von."

Michael stellte die Abzughaube auf volle Leistung. Das vermied er sonst, da die Abzughaube dann dröhnte.

"Wir haben auch vegetarische Sandwiches. Die sind ohne Fett und Cholesterin."

"Willst du mir ein Gespräch aufzwingen?", fragte der Kurze.

Michael schaute zu Piet hinüber. Der rollte mit den Augen. Sie schwammen in Tränenflüssigkeit.

"Lass die Wurst stehen, Piet. Geht auf Haus", sagte Michael.

Doch Piet kämpfte weiter.

Der Kurze entschied sich: "Ich nehme eine Currywurst ohne Soßenverzierung. Nackt."

"Dann ist es keine Currywurst."

Die Hand des Kurzen schoss über die Theke und fasste Michael am Kittel und zog den Imbissbudenbesitzer heran:

"Willst du diskutieren? Oder Currywurst verkaufen? Was kannst du wohl besser?"

Der Lange warf einen Schein auf die Theke.

"Für mich auch eine. Aber mit Soße."

Er steckte die Geldbörse in die Innentasche und zeigte auf ein Ding, das in seinem Hosenbund steckte und metallisch schimmerte. Michael vermutete, dass es eine Waffe war.

Der Lange sagte: "Wenn ich mir die Zunge an deiner Soße verbrenne, bist du tot."

Michael trat der Schweiß auf die Stirn. Er sagte:

"'Pain is good' wird die Richtige für Sie sein."

Derart unangenehme Gäste hatte er noch nie bewirten müssen. Gern hätte er sie hinausgeworfen, aber er traute sich nicht.

Er nahm Piet den Teller weg.

"Ich bin noch gar nicht fertig."

"Ist dir zu scharf."

Piet wollte weiter protestieren, Michael schnitt ihm das Wort ab: "Besser, du gehst jetzt."

Der Lange sagte: "Ja, Piet, es wäre besser gewesen, du wärst gegangen."

Er stellte sich Piet in den Weg, schubste ihn hinter die Theke.

"Pass auf, dass du dich nicht verbrennst, Piet."

Er drehte Piet den Arm auf den Rücken und hielt Piets freie Hand mit hartem Griff über dem sprudelnden Fett der Fritteuse.

"Nein, bitte nicht …!"

"Du machst keine Zicken, Piet. Dann behältst du deine Hand", sagte der Lange und zog den Polizeigriff an. "Solltest du aber Zicken machen, frittiere ich dir die Finger zu fünf Bratwürstchen."

Der Kurze kicherte. "War Felix schon hier?"

"Was wollen Sie von Felix?", traute sich Michael zu fragen.

"Er kommt jeden Mittag, oder?", fragte der Kurze.

"Kann sein."

"Es ist so. Wir wissen es. Wir wissen alles."

"Aber er hat niemandem etwas getan. Hat er Ihnen etwas getan?"

"Er hat uns nie gesehen."

Der Lange mischte sich ein: "Er wird uns nur einmal sehen."

Der Lange stellte die beiden Fritteusen ab und die Abzugshaube aus. Er schob Piet hinter den Tresen und fesselte ihn so, dass Piet auf den Fliesen knien musste und nicht über den Tresen schauen konnte.

Zu Michael sagte der Lange: "Wenn jemand kommt, erklärst du, es gibt heute kein Essen. Die Fritteusen sind kaputt. Verstanden?"

Michael nickte heftig. Michael wollte kein Risiko eingehen. Er wollte seine kleine Welt nicht verlieren, mit der er die Rente aufbaute.

"Warum tun Sie das?", fragte er.

"Wir tun es für einen Freund", sagte der Kurze.

Ein Gast kam herein und bestellte.

Michael sagte: "Es geht heute leider nicht, Thomas. Die Heizwendel unten im Öl wird nicht heiß."

Der Lange bestätigte: "Ich repariere es gerade. Aber wir müssen erst das Fett ablassen, um an die Elektrik zu kommen." Er stellte sich so, dass der gefesselte Piet nicht zu sehen war.

Der Gast ging.

Der Kurze fragte: "Wo bleibt Felix?"

"Wenn er jetzt noch nicht hier war, kommt er nicht mehr. Dann hat er im Supermarkt zu viel zu tun", sagte Michael.

"Im Supermarkt ist er auch nicht", sagte der Kurze und machte seinem Kumpel ein Zeichen. Der Lange kam hinter der Theke hervor.

An der Tür drehte sich der Kurze noch mal um und sagte: "Deine Currywürste wären wahrscheinlich lecker gewesen, Michael, wenn du sie serviert hättest."

Dann waren sie draußen.

Michael befreite den Fahrradboten Piet.

Felix war ein netter Kerl. Felix ließ anschreiben, wenn Michael bei ihm Einkäufe für den Imbiss machte und nicht flüssig war. Felix aß zweimal in der Woche zu Mittag bei Michael.

"Sie sind bestimmt zu Felix nach Hause! Wir müssen ihn warnen", sagte Michael.

Piet rieb sich die Knöchel. "Ich mach das", sagte er.

Hannah sagte in die Sprechmuschel: "Mein Mann fühlt sich nicht wohl. Er kommt erst gegen Mittag."

Es war das erste Mal, dass Felix nicht zur Arbeit ging. Mit dem eigenen Supermarkt hatte er sich nach Jahren als angestellter Marktleiter einen Traum erfüllt. Er führte seinen Supermarkt mit Eifer, achtete auf frisches Obst, wollte vergessene traditionelle Apfelsorten in den Verkauf nehmen, organisierte ein Sommerfest, spendete abgelaufene, noch zum Verzehr geeignete Waren der Hamburger Tafel.

Felix lag weiterhin im Bett. Sie hatten sich geliebt. Seit die Morgendämmerung angebrochen war, klagte er über Kopfschmerzen.

Sie gab ihm eine Tablette. Sie überlegte, ob sie Frühstück machen sollte, verwarf den Gedanken aber. In dem Zustand würde er nichts essen. Im ersten Jahr ihrer Ehe hatten sie jeden Morgen gemeinsam gefrühstückt. Als Felix sich selbstständig machte, blieb dazu keine Zeit mehr: Er fuhr mit dem noch nicht abbezahlten Transporter um fünf Uhr auf den Großmarkt, sie arbeitete ab mittags in einem Altenheim. Obwohl sie sich wenig sahen, waren sie glücklich, denn es ging voran in ihrem Leben. Jedenfalls hatte Hannah das geglaubt.

Wenn er nur genauer sagen würde, worum es ging, welche Summe er wem schuldete.

Sie legte sich neben ihn und schmiegte sich an.

"Was ist los mit dir, Felix?"

Er kam unter der Bettdecke hervor, und sie strich ihm eine Strähne aus der Stirn.

Vielleicht war jetzt der richtige Moment.

"Felix … ich möchte dir etwas sagen …", begann sie.

"Etwas sagen? Was willst du sagen?"

In seiner Stimme war kein Leben.

Es ging nicht. Jetzt nicht. Sie stotterte Belangloses und behielt für sich, was sie ihm mitteilen wollte. Er war so niedergeschlagen. Es musste anders sein. Es musste warten.

Am Anfang ihrer Ehe war sie schwanger geworden, hatte das werdende Leben nach fünf Wochen verloren. Danach: nie mehr. Sie hatten alles versucht. Sie waren zu Ärzten gegangen. Felix hatte sich untersuchen lassen, Hannah ebenso. Zweimal hatten sie es mit künstlicher Befruchtung probiert - ohne das ersehnte Ergebnis. Es wurde tabu, über Kinder zu reden.

"Was willst du mir sagen, Hannah?" Er hielt die Augen geschlossen, als wolle er den beginnenden Tag aussperren.

Bevor sie passende Worte gefunden hatte, klingelte das Telefon.

Piet war am Apparat. Felix hörte zu.

"Es gibt nichts, was ich tun könnte", antwortete Felix ihm.

"Ich kann dir beschreiben, wie sie aussehen!" Piet war so laut, dass Hannah ihn verstehen konnte.

"Ich will es nicht wissen", sagte Felix.

"Soll ich die Polizei rufen, Felix?"

"Nein. Es würde nichts nützen."

"Kann ich irgendetwas für dich tun?"

"Es gibt nichts, was du ändern könntest."

"Du musst aus der Stadt."

"Ich habe hier mein Geschäft. Ohne Geschäft bin ich nichts."

"Was wollen sie von dir?"

"Ich habe mir etwas geliehen, und ich hätte es zurückgeben sollen. Es war ein Fehler, und ich muss bezahlen. Jeder muss irgendwann bezahlen."