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Das Buch ist Ergebnis und erweiterte Zusammenstellung jahrelanger Vortrags- und Lehrtätigkeit zu Schlüsselqualifikationen im weitesten Sinne. Der Verfasser hat es gewagt, immer weiter in das für ihn zunächst fremde, aber äußerst aufregende und fruchtbare Reich der Psychologie einzudringen. Das schlichte Ziel: Die vielfältigen und äußerst nützlichen Erkenntnisse der Psychologie auch in der (juristischen) Praxis zielführend einsetzen zu können.
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Seitenzahl: 698
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Es ist schon recht seltsam. Zwei Phänomene bestimmen die Qualität unseres Lebens in besonderem Maße: Die Kommunikation, die wir mit unseren Mitmenschen führen, und die großen und kleinen Entscheidungen, die wir allenthalben treffen. Und obwohl diese Feststellung ebenso zutreffend ist wie sie trivial erscheint, wird uns in der Schule in aller Regel weder etwas Nennenswertes zur Theorie der Kommunikation noch zu den theoretischen und praktischen Grundlagen von Entscheidungen beigebracht.
Wir müssen zwar Grammatik und Interpunktion büffeln, um die deutsche Sprache zu beherrschen, müssen zuletzt höhere Literatur lesen und interpretieren, so dass wir uns bei Schulende – zumeist – mündlich und schriftlich korrekt und gewählt ausdrücken können (was allerdings von Hochschullehrern zunehmend in Abrede gestellt wird). Aber wie man in unterschiedlichen Situationen mit Menschen kommunizieren sollte, welche Mechanismen dazu führen, dass Kommunikation misslingt und in Zerwürfnissen endet, wie man solche Kommunikationsstörungen erkennen, analysieren und beseitigen kann, das lernen wir nicht. Und anstatt man uns zumindest ein wenig Stochastik, also Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik beibringt, beides zum Verständnis des Lebens und zur Vorbereitung wichtiger Entscheidungen höchst relevant, quält man uns mit Differential- und Integralberechnungen, denen wir, so wir nicht ein Fach aus den Naturwissenschaften studieren, im restlichen Leben nicht mehr begegnen.
Gleichermaßen bleiben wir, was etwa die psychologischen, ökonomischen und sonstigen Grundlagen von Entscheidungen angeht, völlig unbeleckt. Und dies, obwohl wir mit einigen unserer Entscheidungen erhebliche Konsequenzen für uns selbst, aber auch für unsere Umwelt (im engeren wie weiteren Sinne) herbeiführen.
Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, bleiben diese Bereiche auch in den meisten Studienfächern und insbesondere auch im Fach Rechtswissenschaften weiße Flecken auf der Landkarte.
In einigen Berufen, die aufzuzählen mir die Rücksichtnahme verbietet, ist beides eher nicht von Bedeutung. Bei Juristen aber, deren Handwerkszeug das Kommunizieren ist, deren berufliches Elixier aus Entscheidungen besteht, ist das verheerend.
Während ich das Thema Kommunikation einem weiteren Buch vorbehalte, möchte ich mit diesem (ersten) Buch zunächst einen etwas tieferen Einblick in den Bereich der Entscheidungen ermöglichen. Denn bei der Kommunikation geht es immer auch darum, den Kommunikationspartner zu überzeugen, und weil die Kenntnisse um das Entscheidungsverhalten von Menschen ausgesprochen nützlich sind, um Überzeugungskraft zu entwickeln (Stichwort: Psychologische Rhetorik), beginne ich mit der Psychologie der Entscheidung. An geeigneten Stellen werde ich dabei auch – im Wege kleiner Exkursionen – auf Fragen eingehen, die nicht unmittelbar mit dem Entscheidungsverhalten zusammenhängen, aber zum Verständnis menschlichen Verhaltens nützlich sind.
Das Buch ist zwar von einem (ehemaligen) Juristen geschrieben und es enthält demzufolge auch zahlreiche Beispiele aus dem Rechtsleben. Gerichtet ist es aber auch an Nichtjuristen. Und für Vertreter anderer Fachrichtungen kann es sogar ein doppelter Gewinn sein, gewinnen sie doch neben den hier ausgebreiteten Kernbotschaften über die Erkenntnisse der verschiedenen Sozial- und anderen Wissenschaften einen kleinen Einblick in die Justiz.
Spätestens an dieser Stelle – ich habe eben von "Vertretern" gesprochen – muss ich es unumwunden gestehen: ich bin ein konservativer Sprachfetischist. Zwar trete ich uneingeschränkt und nachdrücklich für die Gleichberechtigung aller Menschen ein, glaube aber einfach nicht daran, dass ein erzwungener Wandel der Sprache dazu beitragen kann, diese Gleichberechtigung zu fördern. Demgegenüber bin ich zutiefst davon überzeugt, dass eine wie auch immer geartete Gendersprache die Lesbarkeit eines Textes beeinträchtigt. Deshalb verwende ich hier überwiegend das generische Maskulinum und meine damit stets alle Menschen, welchen Geschlechts auch immer.
Alle in den Fußnoten eingesetzten Internetadressen habe ich im November 2023 zuletzt überprüft. Apropos Internetadressen! Häufig werden Online-Artikel auf kommerziellen Seiten nur kostenpflichtig angeboten. Gibt man nicht vorschnell auf, kann man aber mit den entsprechenden Suchmaschinen Quellen ausfindig machen, wo die Artikel als Originalkopie kostenfrei bereitstehen. Es ist mir jedenfalls gelungen, weitgehend solche Internetadressen anzugeben, mit deren Hilfe das gewünschte Dokument gleich als pdf-Datei auf dem Bildschirm erscheint oder aber mit einem Klick heruntergeladen werden kann.
Agii Theodorii, im November 2023
Dr. h.c. Stefan Kaufmann
1. Vorbemerkungen
1.1 Wie kommt ein Jurist zu diesem Thema?
1.2 Vorstellung des Autors
1.3 Evolution
1.4 Erste Allgemeine Verunsicherung
1.5 Freier Wille
1.6 Und nun die allerletzte Vorbemerkung
2. Grundzüge des Entscheidens
2.1 Problemaufriss
2.2 Begriffliches
2.2.1 Im Namen des Volkes: Urteil
2.2.2 Bewertungsurteile (evaluative Urteile)
2.2.3 Prognoseurteile (prädiktive Urteile)
2.2.4 Wahrheitsurteile
2.3 Entscheidungen
2.4 Problem
2.5 Entscheidungstheorien
2.5.1 Philosophische Theorien
2.5.2 Ökonomie vs. Psychologie
2.5.3 Entscheidungselemente
2.5.4 Wert-Erwartungstheorie
2.5.5 Erwartungsnutzen-Theorie
2.6 Rationales Entscheiden
2.6.1 Was heißt rational?
2.6.2 Prinzipien rationalen Entscheidens
2.6.2.1 Dominanz
2.6.2.2 Das Prinzip der Invarianz (Unveränderlichkeit)
2.6.2.3 Das Prinzip vollständiger Ordnung (Transitivität)
2.6.2.4 Das Prinzip der Unabhängigkeit
2.6.3 Exkurs: Kontrastprinzip
2.7 Urteile als Grundlage der Entscheidung
2.7.1 Stichprobenziehen
2.7.2 Erwartungen
2.7.3 Schemata
2.8 Entscheidungsarten
2.8.1 Entscheidungen unter Sicherheit
2.8.2 Entscheidungen unter Unsicherheit
2.8.2.1 Entscheidungen unter Risiko
2.8.2.2 Entscheidungen unter Ungewissheit oder Unbestimmtheit
3. Intuition vs. Ratio
3.1 Der homo oeconomicus
3.1.1 Entscheidungsmodell der Wirtschaftswissenschaften
3.1.2 Verhaltensökonomik (Behavioral Economics)
3.1.3 Neue Erwartungstheorie
3.1.3.1 Ultimatumspiel
3.1.3.2 "Bewusste und unbewusste Ignoranz"
3.2 Über Gefühle und Systeme
3.2.1 Reiz-Reaktions-Schema
3.2.1.1 Behaviorismus
3.2.1.2 Psychoanalyse und andere Richtungen
3.2.2 Das Reiz-Reaktions-Schema und der Mensch
3.2.3 Unterscheidung von System 1 und System 2
3.2.3.1 Der unsichtbare Gorilla
3.2.3.2 Funktionsweise von System 1
3.2.3.3 Vor- und Nachteil von System 1
3.2.3.4 Regelmäßige Fehlleistungen
3.2.3.5 Der berühmte CRT
3.2.4 Beide Systeme richtig einsetzen
3.2.5 Kognitive Leichtigkeit
4. Heuristiken
4.1 Was sind Heuristiken?
4.2 Warum Heuristiken?
4.3 Beispiele
4.3.1 Allgemeine
4.3.2 Heuristiken für Juristen
4.4 Heuristik oder abgewogene Entscheidung?
4.5 Weitere Nachteile und Gefahren
5. Denkverzerrungen
5.1 Priming
5.1.1 Was ist Priming
5.1.2 Der bahnende Reiz
5.1.3 Affektives Priming
5.1.4 Semantisches Priming
5.1.5 Der Placebo-Effekt
5.1.6 Iss-Popcorn-trink-Cola-Studie
5.1.7 Metaphern
5.1.8 Priming in der Justiz
5.1.8.1 Zeugenaussagen
5.1.8.2 Sterblichkeit
5.1.9 Strafmaß-Priming
5.1.10 Kritik und Warnung
5.1.10.1 Florida-Experiment
5.1.10.2 Frauen als Matheversager?
5.1.10.3 Allgemeine Warnung
5.2 Ankereffekt
5.2.1 Unsicherheit
5.2.2 (Psychologische) Erklärung
5.2.3 Der Ankerindex
5.2.4 Experimente mit Richtern
5.2.5 Der Informatikstudent
5.2.6 Der Journalist
5.2.7 Der Zwischenrufer
5.2.8 Die Würfel
5.2.9 Was müssen wir uns merken?
5.2.10 Strategien mit dem und gegen den Anker
5.2.11 Lösung der Ausgangsfrage
5.2.12 Schlussbemerkung zum Anker
5.3 Rückschaufehler
5.4 Experten-Heuristik und Experten-Fehler
5.4.1 Das Milgram-Experiment
5.4.2 Die Heuristik
5.4.3 Rechtsanwälte und Richter als Experten
5.4.4 Experte muss mehr leisten
5.4.5 Wie werden wir (für) Experten (gehalten)?
5.4.5.1 Titel
5.4.5.2 Kleidung
5.4.5.3 Autos
5.4.5.4 Selbstvertrauen
5.4.5.5 Bücherregal
5.4.6 Expertenfehler
5.4.7 Fazit
5.5 Verlustaversion (Gewinn-und-Verlust-Verzerrung)
5.5.1 Nachlassender Grenznutzen
5.5.2 Trugschluss der versunkenen Kosten
5.5.3 Dispositionseffekt
5.5.4 Risikoscheu oder Risikofreude
5.5.5 Implikationen in der Justiz
5.6 Framing (Darstellungseffekt)
5.6.1 Was ist Framing?
5.6.2 Beispiele
5.6.2.1 Asia-Desease-Problem
5.6.2.2 Mehr Fett
5.6.2.3 Operation oder Bestrahlung
5.6.2.4 Corona
5.6.2.5 MPG-Illusion (Liter pro 100 km/h)
5.6.3 Rhetorik
5.6.4 Anwendung für Juristen:
5.6.4.1 Im Strafrecht
5.6.4.2 Im Zivilrecht
5.6.5 Abschlussbemerkung
5.7 Der Bestätigungsfehler (Confirmation Bias)
5.7.1 Darstellung
5.7.2 Nachweis-Experimente
5.7.2.1 Todesstrafe I
5.7.2.2 Todesstrafe II
5.7.2.3 Impfgegner
5.7.3 Neurologisches
5.7.4 Keine Provokation
5.7.5 Woher kommt der Bestätigungsfehler?
5.7.5.1 Eitelkeit
5.7.5.2 Bedürfnis nach Konsistenz
5.7.5.3 Commitment
5.7.5.4 Commitment-Regel nutzen
5.7.5.5 Bitte bloß kein Commitment!
5.7.6 Positives Hypothesentesten
5.7.7 Konsequenz der Konsistenz
5.7.8 Konsequenzen des Bestätigungsfehlers
5.7.8.1 Allgemein
5.7.8.2 Im juristischen Bereich
5.7.9 Kognitive Dissonanz
5.7.9.1 Was ist Kognitive Dissonanz?
5.7.9.2 Wann tritt Kognitive Dissonanz auf?
5.7.9.3 Wie gehen wir mit kognitiver Dissonanz um?
5.7.9.4 Kognitive Dissonanz in der Kommunikation
5.7.9.5 Kognitive Dissonanz bei Juristen
5.7.9.6 Kognitive Dissonanz und Querulanz
5.7.10 Strategien gegen Bestätigungsfehler
5.8 Besitztumseffekt
5.8.1 Status-quo-Fehler
5.8.2 Default-Verzerrung
5.8.3 Omission-Bias
5.9 Verfügbarkeitsheuristik
5.10 Halo-Effekt
5.11 Hyperbolic Discounting
5.12 Belief-Bias
5.13 Falscher Konsensus-Effekt
5.13.1 Ursprünge
5.13.2 Der Effekt
5.14 Kompetenzillusionen
5.14.1 Dunning-Kruger-Effekt
5.14.2 Better-than-Average-Effekt
5.14.3 Der Third-Person-Effekt
5.14.4 Die Kompetenzillusion
5.15 Fehlattributionen
5.15.1 Kausalattribution
5.15.1.1 Kontrollüberzeugung
5.15.1.2 Stabile oder instabile Gründe
5.15.2 Attributionsfehler
5.15.3 Kontrollillusion
6. Statistisches, Wahrscheinliches und Intuitives
6.1 Zunächst einige Rätsel
6.2 Einstieg
6.3 Wettervorhersagen, rechnende Richter u.v.a.m.
6.4 Repräsentativitätsheuristik
6.5 Spielerfehlschluss
6.6 Das Simpson-Paradox
6.7 Die Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten
6.7.1 Möglichkeitseffekt
6.7.2 Sicherheitseffekt
6.8 Das Ziegenproblem
6.9 Bedingte Wahrscheinlichkeiten
7. Entscheidungsstrategien
7.1 Kopfmensch oder Bauchmensch
7.2 Gewichtung
7.2.1 Ungewöhnliche Entscheidungen
7.2.1.1 Erst systematisch
7.2.1.2 Dann intuitiv
7.2.1.3 Die alten Perser und Benjamin Franklin
7.2.2 Entscheidungen in unserem Kompetenzbereich
7.2.3 Gigerenzer und das Bauchgefühl
7.3 Einzelne Strategien
7.3.1 Nichtanalytische Entscheidungsstrategien
7.3.2 Ein Zwischenruf
7.3.3 Analytische Entscheidungsstrategien
7.3.3.1 WADD
7.3.3.2 EQW
7.3.3.3 SAT
7.3.3.4 EBA
7.3.3.5 LEX
7.3.4 Bewertung
7.3.5 Die Methode Heath
7.3.6 Lass den Zufall entscheiden!
7.4 Denkfehler vermeiden
7.4.1 Kenntnis verschaffen
7.4.1.1 Denkfehler erkennen
7.4.1.2 Intuition trainieren
7.4.2 Ego-Depletion vermeiden
7.4.3 Hunger
7.4.4 Optimismus
7.4.5 Der Zeitfaktor
7.4.5.1 Druck von außen
7.4.5.2 Druck von innen
7.4.6 Die richtige Stimmung abwarten
7.4.7 Stress vermeiden
7.4.8 Nach einer Entscheidung