Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 07: Jedermanns Feind - Rainer Schorm - E-Book

Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 07: Jedermanns Feind E-Book

Rainer Schorm

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Beschreibung

Das Cover entstand durch freundliche Mithilfe von Manfred Schneider, der bereits für die ursprüngliche Raumschiff-Promet-Heftroman-Serie, Anfang der Siebziger, Titelbilder und Innen-Illus anfertigte. Wir danken ihm sehr für seine Unterstützung!

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Rainer Schorm

JEDERMANNS FEIND

In dieser Reihe bisher erschienen:

5001  Christian Montillon Aufbruch

5002  Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003  Vanessa Busse Dunkle Energie

5004  Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005  Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006  Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007  Rainer Schorm

Rainer Schorm

Jedermanns Feind

© 2015 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati und Manfred Schneider

Umschlaggestaltung: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-95719-497-8

PräludiumDer Anfang vom Ende

Pulsus tardus, parvus, mollis:

Alles wird ruhig. Alles fließt … aber träge.

Die Umgebung verliert an Bedeutung. Eine merkwürdige Wahrnehmung, denn wie kann eine Decke an Bedeutung verlieren? Ein Boden? Eine Pritsche? Oder einer der Leuchtkörper?

Er denkt darüber nach, während sich sein Geist in Watte hüllt. Eine leichte Unruhe will sich in ihm breitmachen und versinkt ebenfalls in dieser weichen, absorbierenden Empfindung.

„… ein leichtes Sedativum.“

Das Gesicht über ihm ist … nur ein Gesicht. Er verbindet nichts mehr damit. Das war vor ein paar Minuten anders.

Und was sind schon ein paar Minuten.

Er lächelt.

Es bedeutet ihm nichts, er fühlt sich sehr, sehr ruhig. Beruhigt.

„… ein leichtes Sedativum.“

Ist das eine Endlosschleife, die direkt in die Besinnungslosigkeit führt?

Eine bedeutungslose Frage.

Die Stimme erzeugt ein Echo in seinem Kopf, das sich wiederholt und wiederholt … und wiederholt …

Müdigkeit kriecht in ihm empor. Schwäche sitzt in jedem einzelnen Muskel, den er in seinem Körper hat. Er versucht, den Arm zu heben, nur ein wenig.

Es geht nicht. Seine Extremitäten liegen auf der pneumoaktiven Matratze, als bestünden sie aus massivem, schwerem, grauem Blei. Er kann sogar die einzelnen Finger kaum spielen lassen, alles ist Last.

Das Gesicht verschwindet aus seinem Sichtbereich. Wenn er versucht, den Kopf zu drehen, nur ein kleines bisschen zu Seite, scheitert er. Er stößt ein leises, entsagungsvolles Geräusch aus. Wenigstens das funktioniert.

Obwohl alles ohne Bedeutung ist.

Bleigrau. Bleischwer. Grauschwer.

Die Farben werden blass, verlieren ihre Konsistenz. Selbstverständlich war bei der Innengestaltung des Schiffes kein Farbdesigner anwesend, kein Raumausstatter. Die dominierenden Farben sind in den meisten Fällen keine. Abstufungen von Grau und Schwarz. Weiß dort, wo man Helligkeit bevorzugt. Einige Kunststoffe in merkwürdig gedeckten Tönen – ohnehin kein Fest fürs Auge.

Doch jetzt, in diesem Moment der Schwere, kriecht das Bleigrau sogar in diese harmlosen Nichtfarben hinein. Entwertet sie zu etwas … Bedeutungslosem.

Es wird dunkel.

Er schließt die Augen, weil ihm nichts anderes übrig bleibt. Dabei will er nicht einschlafen. Es fühlt sich nicht so an. Dies ist etwas anderes. Erneut schleicht sich eine sanfte Unruhe in seine Gedanken, ohne etwas ausrichten zu können. Sie versickert.

Nein. Er schläft nicht und doch überlässt er sich der anbrandenden Müdigkeit. Vollständig.

Denn es bleibt ihm nichts anderes übrig! Nur die Erinnerung steigt aus dem warmen Nebel …

Pirata communis hostia omnium!{1}

Cicero, 66 v.Chr.

Teil I – Auf der Lauer

Memo

Aus den Akten der Recycling and Disposal of Space Scrap:

Memo über die Abgängigkeit des zum Recycling vorgesehenen Frachters der ZU-Reihe mit der Kennnummer 045, Eigenname „Rennschwein“.

Tdwat: 78.645 / BRZ: 76.389 / TEU 4500.

Baujahr 2057.

Technische Angaben: Anhang, file sealed.

Überprüfungsquartal 2089/4.

Der außer Dienst gestellte Raumfrachter ZU-045 ist in seinem Bereitstellungsraum nicht mehr aufzufinden. Nachforschungen über den Verbleib blieben ergebnislos. Ebenso war ein verwaltungstechnischer Fehler nicht nachweisbar. Der Frachter wurde teilbetankt gelagert, da eine Verlegung zur endgültigen Zuführung in den Recyclingprozess absehbar war.

Da der versiegelte ID-Codegeber ausgebaut und deaktiviert wurde, ist eine Ortung ohne Weiteres nicht möglich. Ansonsten ist der Frachter, trotz seines Alters, voll funktionsfähig. Die Ausmusterung folgte der grundsätzlichen Technischen Anweisung zur Vermeidung von Ermüdungsschäden.

Eine kriminelle Nutzung scheint im Bereich des Möglichen, eine Gefährdung ist jedoch aufgrund des Erhaltungszustandes und der technischen Auslegung des ZU-045 nicht zu befürchten.

Die vollständige Version dieses Reports wird der Space Police codiert zugestellt. Der Fall wird zur weiteren Behandlung mit polizeilichen Mitteln anempfohlen.

*

Piratennest

„Was für ein Schrotthaufen!“ In Pike Ellingers Stimme war deutlich Abscheu zu hören. Tom Boomers Gesicht verzog sich kaum merklich. Nur wer ihn gut kannte, bemerkte, dass er sich amüsierte. Ellingers Ausbruch war keineswegs der erste. Wie üblich steigerte sich der Jüngere in seinen Widerwillen förmlich hinein.

Der ZU-045 war keine Schönheit. Das war er nie gewesen, nicht einmal, als er seinen Dienst als Raumfrachter tat. Im Vergleich zu modernen Schiffen wirkte er grobschlächtig, um nicht zu sagen: plump. Seiner Fähigkeit, Fracht zu transportieren, tat das keinen Abbruch. Alles an ihm war darauf ausgelegt. Ein bauchiger Laderaum, der gute 4500 Standardcontainer fasste, die minimalistische Ausstattung was Komfort anging.

Jack Redburn stand reglos vor dem großen Zentralschirm des Nestes, der wie alles andere keinen Hehl aus seinem Alter machte. Die Flüssigkristallfläche funktionierte, doch das Bild, das sie lieferte, war ungleichmäßig, was Schärfe und Auflösung anging. Doch der zentrale Bildbereich arbeitete zufriedenstellend.

„Passt dir was nicht, Pike?“, erkundigte sich Redburn, ohne sich umzudrehen, doch seinem Tonfall war zu entnehmen, dass ihm das ständige Gejammer des jüngsten Besatzungsmitgliedes langsam gegen den Strich ging. Die athletische Gestalt straffte sich.

„Jack, ich …“, setzte Ellinger an, doch eine Handbewegung brachte ihn zum Schweigen.

„Ich weiß, Pike. Das ist ein Schrotthaufen, wie du noch keinen gesehen hast. Du glaubst nicht, dass er fliegt und schon gar nicht, dass er uns ans Ziel bringt. Außerdem hast du keine Lust die alten Einrichtungen zu benutzen, weil nicht nur das Klo nicht richtig funktioniert, sondern alles andere ebenfalls nicht.“

„Genau, Jack. Ich …“ Ellinger zögerte.

Tom Boomer legte seinem Kollegen warnend die Hand auf die Schulter. „Vorsichtig!“, sagte er leise. Redburn war bereits unter normalen Umständen kein geduldiger Mann, wenn es um seine Mitmenschen ging. Er ertrug es, zu warten, wenn es sich um ein Geschäft handelte, einen Job, aber Pike Ellinger stand kurz davor, den Boss in den Wahnsinn zu treiben. Boomer wusste im Gegensatz zu ihm genau, was in diesem Falle auf sie alle zukam.

Redburn hob eine Hand und streckte einen Finger aus. Die flackernden Lichter der Kontrollanzeigen des Nestes reflektierten auf dem wie poliert wirkenden Schädel. „Dieses alte Wrack ist genau das, was wir brauchen. Es ist, streng genommen, sogar ein Glücksfall. Wir mussten nur einsteigen.“ Er drehte sich um. Die kalten Augen fixierten den jungen IT-Spezialisten, der als Ingenieur bei der HTO gearbeitet hatte. „Das hier wird keine Spazierfahrt, nur für den Fall, dass dir das nicht klar ist, Boomer.“

Der nickte. Tom Boomer war alles andere als gesprächig. Im Gegensatz zum groß gewachsenen James Jack Redburn wirkte er beinahe gedrungen.

„Und wovor fürchtest du dich eigentlich?“, fuhr Redburn fort, ohne das Zusammenzucken Ellingers zur Kenntnis zu nehmen. „Der ZU-045 ist ein altes, zuverlässiges Schiff. Wir haben die wesentlichen Systeme mehrfach gecheckt. Er wird fliegen und er wird uns genau dorthin bringen, wo wir ihn haben wollen. Wenn das getan ist, muss er nur noch eines tun. Dafür ist gesorgt.“

Ellinger presste die Lippen zusammen. Mit Autorität tat er sich schwer; einer der wesentlichen Punkte, die zu seinem Abgang bei der HTO-Corporation geführt hatten.

Nicht teamfähig hatte die lakonische Beurteilung gelautet, obwohl niemand seine fachliche Kompetenz bestritten hatte. Wie üblich sah Ellinger das anders, doch hier war er einmal mehr gezwungen, sich unterzuordnen. Da er es niemals gewagt hätte, den beiden ehemaligen Mitgliedern der Space Police zu widersprechen, äußerte er seinen Unmut an anderer Stelle. Wie immer übertrieb er. Weder Redburn noch Boomer, die beide die große Lizenz besessen hatten, waren dadurch zu beeindrucken.

„Ich fürchte mich nicht, Jack!“, betonte der jüngere Mann.

Der lächelte dünn. „Natürlich nicht.“

Das Nest bestand lediglich aus einem stahlhart aufgeblasenen Kugelkonglomerat, das auf der Oberfläche des Near-Earth-Object 29872-23 verankert war. Eine Expeditionsunterkunft, wie sie häufig von Prospektoren nicht nur im Weltraum gerne verwendet wurde. Der ZU-045 war direkt über dem NEO verankert. Er war weder von der Erde noch von der Lunarstation aus zu orten. Ein wunderbares Versteck, das Redburn und Boomer etliche Male genutzt hatten, um den einen oder anderen Coup zu landen – damals, im Dienst der Space Police. Doch das war vorbei. Er und Boomer hatten die große Lizenz verloren. Redburn spuckte verächtlich aus.

Die Space Police war ein Haufen bürokratischer, größenwahnsinniger Nichtskönner, die sich tatsächlich einbildeten, ihre Verwaltungs- und Ordnungsvorschriften seien verbindlich. Sogar Männer wie Harry T. Orell, vor dem Redburn durchaus Respekt hatte, hielten sich nicht an die offiziellen Vorgaben.

„Er hat verstanden, dass man Neuland nicht mit standardisierten Vorschriften erobert. Jetzt ist so viel Neuland vor unserer Haustür, dass wir die gesamte Zukunft, die wir haben, damit beschäftigt sein werden.“

„Mit wem redest du?“ Boomer trat an ihn heran. „Ich denke, es wird Zeit. Wir haben kaum Informationen über die Promet und ihren Zeitplan. Je früher wir vor Ort sind, desto besser. Unter Umständen ist Zeit genau das, was wir brauchen.“

Redburn holte tief Luft. „Ja. Du hast recht. Also los.“

Er nahm einen Transportsack und warf ihn sich über die Schulter. Boomer deaktivierte die Systeme des Nestes, das nach ihrem Überwechseln zum ZU-045 in einen Tiefschlafmodus wechseln würde. Kein einziger Impuls würde die Existenz des Nestes verraten, bis der Aktivierungscode die Sensoren zu neuem Leben erwecken würde.

„Vielleicht müssen wir nie wieder hierherkommen“, murmelte Boomer. Er war sich sicher, dass er das Nest nicht vermissen würde. Es war ein Provisorium. Das war es immer gewesen. Zusammengeklempnert aus allen möglichen Teilen, die sie in vielen Schwarzflügen hierhergebracht hatten. Darum war hier alles etwas zu alt, als dass man sich hätte wohl oder gar sicher fühlen können; doch wenn dieses Unternehmen gelang, hatten sie ausgesorgt. Alle drei. Für den gesamten, verdammten Rest ihres Lebens. Geld, Luxus, Weiber. Nicht zwangsläufig in dieser Reihenfolge. Dazu kam die Befriedigung, es der Space Police heimzahlen zu können. Dieses Gefühl der Befriedigung gefiel ihm besonders. „Los, Junge, wirf einen letzten Blick auf deine Pornos und mach, dass du rüberkommst. Die nächste Zeit musst du’s ohne aushalten“, rief er dem jüngeren Mann zu.

Ellinger schnaubte und schloss den Raumanzug. Er kletterte die Aluminiumleiter zur oberen Schleuse hinauf. Redburn folgte ihm. Boomer aktivierte den Timeloop und loggte sich aus. Das System würde im Folgenden alle Energie verbrauchenden Einrichtungen herunterfahren. Nach dem Schließen der Außenluke würde es hier dunkel werden. Dunkel und sehr, sehr kalt.

*

Riddle

„Anflugsequenz. Trajektorie nominal. Alles okay!“ Szer Ekkas Meldung kam routiniert. Peet nickte. Er verfolgte den Kursverlauf auf dem Flach-Holo. Hinter sich hörte er ein Rascheln. Er grinste. Diese Geräusche kannte er nur zu gut. Jörn Callaghan hatte vor, sich endlich seine neu von der Erde herbeigeschaffte Pfeife anzuzünden und war mit dem Stopfen beschäftigt.

„Süchte deuten auf einen schwachen Charakter“, meinte Peet anzüglich.

„Und natürlich haben sie auch psychische Komponenten!“, fügte Ben Ridgers in professionellem Tonfall hinzu.

Ein empörtes Schnaufen war die Antwort. Irgendwo im Hintergrund tönte ein provozierendes Ha! von Vivien.

„Geschwätzigkeit ebenso“, kommentierte Callaghan gemütlich und zündete die Pfeife mit einem altmodischen Streichholz an.

„Wenn du dir wenigstens das abgewöhnen könntest!“, fauchte Vivien Raid gereizt. Sie verzog die Nase. „Als ob dieses Zeug nicht schlimm genug wäre.“

„Man zündet eine Pfeife nicht mit einem Feuerzeug an“, murmelte Callaghan. Gleich darauf gesellte sich zum Gestank verbrannten Phosphors etwas anders hinzu, ein Geruch, der wärmer, dichter, viel weniger flüchtig war. „Das macht alles kaputt. Geschmack wie Atmosphäre. Ich benutze mein Feuerzeug nur, wenn ich keine Streichhölzer zur Verfügung habe. Leider sind sie viel zu schnell aufgebraucht. Eine Pfeife lebt und will am Leben gelassen werden. Nicht verbrannt. Kulturlose Banausen!“

Vivien war offenbar kratzbürstig aufgelegt. „Dunst – genau das richtige Wort. Ich hab’ allerdings ein anderes, das sehr viel passender ist. Smog! Du alter Umweltverschmutzer.“

Arn Borul beobachtete die Szene lächelnd, aber es war ihm anzusehen, dass dies eine der menschlichen Verhaltensweisen war, die ihm nach wie vor Rätsel aufgab.

Peet drehte sich zu ihm hin. „Das Rauchen selbst ist eigentlich längst verpönt. Obwohl die modernen Tabake kaum schädliche Substanzen enthalten, hat die Hexenjagd zu Beginn des 21. Jahrhunderts Folgen gehabt. Es gibt nur sehr wenige Raucher. Die allerdings sind eine verschworene Gemeinschaft. Sie nehmen nun Rache für die Diskriminierung während dieser Phase. Von Gesundheitsgefährdung kann keine Rede mehr sein, es gibt kaum eine Handhabe, dieses Laster zu verbieten.“

„Laster?“, ließ sich Jörn Callaghan vernehmen. „Das ist ein Ritual. Jawohl! Ein kulturelles und zivilisatorisches Ritual. Mir ist klar, dass ihr keinen Sinn dafür habt.“

Vivien näherte sich ihm. Sie lächelte so zuckersüß wie falsch. „Du Traum meiner vergangenen Nächte, willst du damit sagen, ich sei ein unzivilisierter Barbar?“

Jörn fixierte sie. „Barbar vielleicht nicht. Barbarin aber schon! Wenn ich dran denke …“

„Du …“

Peet wandte sich den Kontrollen zu. Das Rufsignal der Basis II wurde angezeigt. Riddle meldete sich. „Hallo, Danton. Alles im grünen Bereich?“

Der Chefingenieur, der den Aufbau der Basis leitete, schnitt eine Grimasse. Fahrig fuhr er sich durch die dunklen, zerzausten Haare. Eine Bewegung, die er ganz offensichtlich häufiger durchführte. „Hallo, Promet. Ja, alles im grünen Bereich soweit. Die Integration unserer Technik geht zügig voran, aber ein anderes Problem haben wir wohl unterschätzt.“ Danton warf eine Zigarettenkippe zu Boden, die nur noch aus einem gebräunten Filter bestand.

Peet lehnte sich zurück. „Was meinen Sie?“

„Die Defensivzentrale ist sehr viel größer, als wir ursprünglich angenommen haben. Sehr weitläufig, aber die Räumlichkeiten sind dabei eigentlich das Wenigste. Die technischen Einrichtungen ziehen sich bisweilen weit über die Grenzen der Anlage. Die Sensorik an sich ist zwar übersichtlich, aber wir haben kaum eine Möglichkeit, die entsprechenden Aggregate räumlich zu orten, geschweige denn, sie zu betreten oder eventuell auftretende Schäden zu reparieren. Viele der Sensorenkonglomerate sind viele hundert Kilometer entfernt. Von der Tatsache, dass es sich um Fremdtechnik handelt, mal ganz abgesehen. Das hier ist ein Forschungsfeld für viele Jahre. Vielleicht Jahrzehnte. Die Riddler waren definitiv keine Menschen. Ihr Zugang zur Technik ist bisweilen ein komplett anderer. Wir haben hier die bizarrsten Verbindungen oder Leitungsführungen gefunden, die zwar funktionieren, aber deren innere Logik uns nicht klar ist.“

Arn Borul beugte sich seitlich hinüber. „Das war zu erwarten. Um ehrlich zu sein, ich war von dem bisher Erreichten beeindruckt. Wir können eines daraus schließen: Die Technik der Riddler geht nicht auf Konfrontationskurs, sondern tut das genaue Gegenteil. Ich würde vermuten, sie unterstützt Ihre Bemühungen und korrigiert Fehler, wo immer Ihnen welche unterlaufen.“

Dantons Miene wurde säuerlich. Die Falten auf seiner Stirn ließen ihn deutlich älter wirken als Ende zwanzig. „Da sprechen Sie etwas an, das mir schon lange auf dem Magen liegt. Wir haben bisher keine schweren Unfälle bei der Integration der Techniken gehabt. Ich will’s nicht beschreien, aber das ist eigentlich unmöglich. Irgendwann hätte uns aus rein statistischen Gründen mal eine Fehlschaltung unterlaufen müssen, die ernste Folgen hat. Aber nichts dergleichen. Je länger das alle glattgeht, umso größer wird die Katastrophe werden. Jetzt deuten Sie an, die Fremdtechnik wäre quasi – intelligent?“ Er fühlte sich offensichtlich unwohl bei diesem Gedanken.

Arn lächelte. „Intelligent ist vielleicht ein wenig übertrieben. Aber entgegenkommend ist sie bestimmt. Ich vermute, wir wurden in irgendeinem unterschwellig ablaufenden Prüfverfahren positiv eingestuft. Danach sind wir zumindest teilweise nutzungsberechtigt. Daher kommen wir in den Genuss aller Sicherheitsredundanzen. Dass die Technik ohne kontrollierende Lebewesen funktioniert, haben wir ja festgestellt. Ich denke, solange Sie keine groben Fehler machen, wird Ihnen weiterhin nichts um die Ohren fliegen.“

Danton war nur unwesentlich beruhigt. „Na, wenn Sie das sagen …“ Er wandte sich an Peet Orell. „Sie können ungehindert landen. Der Peilstrahl steht. Ich nehme nicht an, dass Sie unbedingt eine rein manuelle Landung durchführen wollen?“

Jörn lachte leise, als er den leisen Unmut in Peets Gesicht bemerkte, denn der junge Kommandant der Promet hatte genau das vorgehabt. Er trat neben ihn, legte ihm die Hand auf die Schulter. „Nur die Ruhe. Du wirst ausreichend Gelegenheiten haben, uns mit deinem fliegerischen Können zu beeindrucken. Das hab’ ich so im Gefühl.“

Peet holte tief Luft. „Du und deine Gefühle …“

Vivien kicherte, sagte aber nichts, was wiederum Jörn Callaghan dazu brachte, ihr einen bösen Blick zuzuwerfen.

Peet winkte Szer Ekka zu. „Also gut. Der Kommandant darf mal wieder nicht das tun, was er will. Immer dasselbe.“

Der indianische Navigator lächelte nicht, nickte aber. „Ich habe den Peilstrahl auf das Navigationspaneel gelegt. Bestätigung kommt. Anflugparameter fixiert. Ich gebe jetzt die Landungsprotokolle für Basis II frei.“

Der Kontinent Him zeichnete sich ab. Nebel lag über der Küstenregion. Ein grün aufleuchtendes Signal führte dazu, dass sich Peet Orell nach hinten fallen ließ. Er machte mit beiden Armen eine weit ausholende Geste, die jedem Anwesenden klar machen sollte, dass er mit dem nun Folgenden nichts, nicht das Mindeste, zu tun haben würde. Die Landung fand ohne ihn statt.

*

Die tropfenförmige Raumjacht schwebte mit unnachahmlicher Eleganz in den gewaltigen Hangar ein. Er war nicht mehr leer, wie er das bei ihrer ersten Ankunft gewesen war. Überall hatten die Leute der HTO Aggregate installiert, Leitungen verlegt oder Versorgungsgüter gestapelt. Die glasartigen Flächen, Wände oder Begrenzungen wirkten, mit all dem menschlichen Material dazwischen, längst nicht mehr so fremdartig. Hinter der Promet schloss sich die gewaltige Einflugschleuse. Vivien zog den Kopf leicht zwischen die Schultern. „Ich kann mir da nicht helfen: Ich fühl mich jedes Mal, als sei ich in eine Falle gelaufen.“

Jörn Callaghan sog an seiner Pfeife. „Und da du ansonsten gerne mal die Katze spielst, ist dir die Mäuschenrolle unangenehm.“

Vivien Raid betrachtete ihn anzüglich. „Du musst es ja wissen, nicht? Schmusekater.“

„Ha, ich sag’ dir …“, setzte Callaghan an, aber Peet unterbrach das Geplänkel.

„Wir setzen auf. Alle Systeme auf Stand-by.“ Er aktivierte die Verbindung in den Maschinenraum. „Tak. Alles klar soweit? Probleme?“

Der Finne schüttelte den kahlen Schädel. „Nein. Probleme kann man das nicht nennen. Nur die üblichen, kleinen Ruckeleien. Immerhin kann man bei alldem hier nicht unbedingt von etablierter Technik sprechen. Ich würde gerne einen Rundumcheck durchführen, wenn das geht.“

Peet sah Arn Borul fragend an.