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Viele Jahrhunderte lebte Raven verlassen in den Wäldern in der Nähe von Düren, gezeichnet von grausamen Schicksalsschlägen und verstoßen von ihrer eigenen Mutter. Nachdem sich jedoch ein Silberstreif am Horizont zeigte und Penny in ihr Leben kam, erhoffte sich Raven endlich Liebe und Frieden zu finden, doch da hat sie die Rechnung ohne das Schicksal gemacht. Eine alte Bekanntschaft. Die Rückkehr der blutrünstigen Mary. Ein Kampf um Leben und Tod, um die Welt davor zu bewahren aus ihren Fugen gesprengt zu werden.
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Seitenzahl: 197
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Raven
Das Schicksal der zwei Schwestern
Von Lavinia Dierssen
Impressum
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
© Lavinia Dierssen
Buchsatz und Innenlayout: Lavinia Dierssen
Covergestaltung und Lektorat: Julia Diederichs
Verlagslabel: Lavinia Dierssen
ISBN Softcover: 978-3-347-82107-1
ISBN Ebook: 978-3-347-82110-1
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Bibliografische Information der deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten über http:// dnb.dnb.de abrufbar.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Vorwort
Prolog: Mary
Kapitel 1: Raven
Kapitel 2: Raven
Kapitel 3: Raven
Kapitel 4: Mary
Kapitel 5: Raven
Kapitel 6: Raven
Kapitel 7: Raven
Kapitel 8: Narziss
Kapitel 9: Raven
Kapitel 10: Raven
Kapitel 11: Raven
Kapitel 12: Raven
Kapitel 13: Raven
Kapitel 14: Col
Kapitel 15: Raven
Kapitel 16: Raven
Kapitel 17: Raven
Kapitel 18: Col
Kapitel 19: Col
Kapitel 20: Mary
Kapitel 21: Raven
Epilog
BONUS: Bloody Mary – Das Erwachen des Bösen
Glossar
Düren
Zaubersprüche
Danksagung
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Titelblatt
Urheberrechte
Prolog: Mary
Danksagung
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Vorwort
„Ein gutes Buch ist wie das wahre Leben, erst gegen Ende wird uns alles klar.“
Die Schwestern-Dilogie lädt zum Mitdenken und Miträtseln ein, nimmt dich mit auf ein Abenteuer voller Überraschungen und Wendungen. Nicht immer wird dir bewusst sein, was gerade geschieht, bis du das Ende erreichst.
Content Notes:
Alkoholmissbrauch
Tod
Missbrauch
Vergewaltigung
Prolog
Mary
(Lied: Madness von Ruelle)
Dreizehn geopferte Frauen der gleichen Erscheinung wurden benötigt, um mich aus dem Jenseits in das Hier und Jetzt zurückzuholen. Der einzige Grund, die mächtigste Hexe Deutschlands ins Leben zurückzubringen, ist, mich als Waffe einzusetzen um die Welt in Schutt und Asche zu verwandeln. Als ich zu mir komme, gefangen in einer mir unbekannten menschlichen Hülle, erblicken meine Augen ein Schlachtfeld ganz nach meinem Geschmack. Der Gestank nach Asche und verbranntem Fleisch liegt noch in der Luft, so tief wie die Rauchschwaden über den blutverschmierten Erdboden wabern, auf welchem ich mich sitzend vorfinde. Genüsslich betrachte ich meinen neuen Körper. Mir gefallen die schwarzen langen Haare und die braune Haut, die in diesem weißen sommerlichen Schlafanzug aussieht wie Karamell. Während meine Hände den noch fremden molligen Körper entlangfahren, um jeden Zentimeter genaustens zu inspizieren, spüre ich etwas Klebriges auf meinem Gesicht. Vorsichtig rubble ich mit den Fingerkuppen über die gespannte Hautstelle und sehe, dass Blut an ihnen haftet. So haben sie es also getan, die alte Geschichte der Bloody Mary. Es verwundert mich, dass jemand so viel Schneid besitzt und 13 Frauen der gleichen Erscheinung opfert, nur um mich zurückzuholen. Ich möchte mich im Stil der alten Schule bei meinen Befreiern würdig erweisen, denn auch wenn ich die Fähigkeiten habe, die Welt aus ihren Fugen zu reißen, so verfolge ich doch andere Pläne und bin niemandes Waffe. Als ich mich umsehe, entdecke ich drei tote junge Erwachsene und eine Vielzahl von Männern in Uniformen, die den Schauplatz des Verbrechens unter die Lupe nehmen. Ganz in ihrer Arbeit vertieft, bemerken sie nicht, wie ich mich von dem dreckigen Boden erhebe und mich elegant wie eine Raubkatze durch die Menge bewege. Ein Mann Ende 50 gerät in meinen Blick, er scheint das schwächste Glied der Gruppe zu sein. Sachte tippe ich ihm auf die Schulter. „Entschuldigen Sie bitte?“, frage ich mit niedlicher Stimme, um die Täuschung zu wahren. Der Mann dreht sich langsam zu mir, während er etwas auf einem Stück Papier notiert. „Junge Frau, ich muss Sie bitten zu gehen, dies ist kein Ort für eine…“ Unsere Blicke treffen sich. „Das kann nicht sein.“ Ich schmunzle ihm frech entgegen und umkreise ihn, bereit ihn anzuspringen, in seine Kehle zu beißen und solange auszuharren bis er erlegt ist. „Was kann nicht sein, mein Lieber?“ Seine Augen weiten sich, offenbar sind ihm die alten Geschichten über mich bekannt. Seine Kollegen scheinen nichts zu bemerken, bis er wieder seine Stimme findet. „Blo.. Blo.. Bloody Mary!!!“ In Sekundenschnelle heben alle anwesenden Personen ihre Köpfe und wenden ihre Blicke von ihrer Arbeit in Richtung des Schreis, der aus seiner Kehle emporsteigt. Ich sehe Angst in ihren Augen, rieche ihre Furcht, manche flüstern angespannt mit ihrem Nebenmann. Ich genieße diesen Moment ausgiebig, schließe meine Augen, atme den Geruch der aufkommenden Panik tief ein und öffne sie. Tonlos öffnen sich die Münder um mich herum, alle starren in meine blutroten Augen. Ein Trick, den ich als Junghexe schon geliebt habe. „Sie ist es wirklich“, flüstert einer, „Wie kann das sein?“, ein anderer. Ich lächele triumphierend in die Runde. „Da ich nun eure Aufmerksamkeit habe, möchte ich nur eine Sache wissen. Solltet ihr euch als hilfreich erweisen, lasse ich euch am Leben.“ Ein Murmeln umfasst die Menge, bis sich der Älteste mit zitternder Stimme zu Wort meldet. „Was möchtest du wissen, Hexenweib?“ Ich hasse Menschen. „Wo finde ich die Hexe Raven und behauptet ja nicht sie sei tot, ich habe das gesamte Jenseits durchwühlt und sie nirgends gesehen.“ Die Männer werfen sich irritierte Blicke zu, anscheinend muss ich deutlicher werden. Langsam hebe ich beide Hände mit nach oben gerichteten Handflächen gen Himmel und ein lodernder Feuerkreis um uns ersteht. Angsterfüllt rücken die Männer zusammen, wodurch ich mir ein Lachen nicht verkneifen kann. Und vor denen sollten wir Frauen uns beugen? „Ihr müsst falsch informiert sein, es wurden alle Hexen gefoltert und ermordet. Es gibt keine mehr in Deutschland.“ Die anderen Männer nicken zustimmend. Offenbar haben die Hexen gelernt, sich anzupassen nach der großen Hinrichtung damals. „Das ist nicht wahr. Leider seid ihr genauso nutzlos, wie ich es erwartet habe.“ Während ich meine linke Hand sinken lasse, drehe ich die rechte Handfläche in Richtung der Männer. Das Feuer springt sofort aus der Kreisform auf die Gruppe über. Schreie voller Schmerz und Leid überfluten den Platz, während sich die Menschen auf dem Boden wälzen, bis ihr fischartiges Gezappel mit ihrem Tod ein Ende findet.
„Ich werde dich kriegen, Raven…“
Kapitel 1
Raven
(Lied: Pound The Alarm von Nicki Minaj, Lied: If we ever meet again von Timbaland)
Wie jeden Freitagabend habe ich mich mit meiner Partnerin Penny zum Feiern verabredet. Während sie die Schulbank drückt und den ganzen Schulstress für einen Moment vergessen möchte, will ich einfach nur mein Leben vergessen. Ich weiß, dass ich hier nicht willkommen bin, nicht nachdem was 1632 passiert ist und auch wenn es über 300 Jahre und mehreren Generationen Vergangenheit ist, so können diese Kreaturen verdammt nachtragend sein. Jeden Tag muss ich im angrenzenden Wald der Stadt leben, dabei liebe ich das alte Fachwerk so sehr und könnte Ewigkeiten in den kleinen engen Gassen verbringen. Pennys sanfte Berührung an meinem linken Arm lässt meine Gedanken einen Weg zurück in die Realität finden. Wir sind umgeben von einer tanzenden Menge einheimischer Werwölfe und deren Mischlinge, andere Kreaturen sind nicht willkommen und auch ich bin nur einmal pro Woche geduldet, dank den Bemühungen meiner Freundin. Der Bass der Musik lässt den steinernen Fußboden vibrieren und zieht uns alle in einen atemberaubenden Bann. Es ist der einzige Moment, in welchem ich kurzzeitig das Gefühl bekomme, einem Rudel anzugehören, eine Familie zu haben. Seit fast 300 Jahren lebe ich allein in diesen Wäldern, Tag ein Tag aus. Eines Tages sah ich Penny zwischen den alten Bäumen meines Waldes nach Kräutern für eine heilende Mixtur suchen. Ich konnte sofort eine Verbundenheit zwischen uns spüren. Als sich unsere Blicke das erste Mal begegneten, konnte uns nichts mehr trennen, ganz egal wie viele versucht haben unsere Beziehung zu sabotieren. Es ist wieder ihr bezauberndes Lächeln, das mich in ihren Bann zieht und die Menge um uns herum in eine verschwommene Masse verwandelt. Ich spüre mit jeder Zelle meines Körpers jede Note des Liedes in mir tanzen, bewege mich mit dem Beat und genieße Pennys Nähe. Sanft gleiten ihre Hände über meine Haut. Dank des gut gewählten sommerlichen Outfit, eine kurze Jeans-Shorts und ein bauchfreies weißes Trägertop, gibt es für sie reichlich viele Stellen zu erkunden. Sanft presse ich meinen Hintern in ihre Leistengegend, spüre ihr verwegenes Lächeln auf meinem Nacken und rieche ihre Nervosität. Mir geht es nicht anders, denn nicht jeder ist uns wohlgesonnen. So eng umschlungen mit ihr im Rhythmus unseres gemeinsamen Lieblingsliedes zu tanzen, verbreitet ein angenehmes Kribbeln unter meiner Haut, die mit einer Gänsehaut auf die liebevollen Streicheleinheiten reagiert. Auch nach all den Monaten, die wir zusammen verbringen durften, ist es noch immer ungewohnt für mich körperliche Nähe zu ertragen und diese auf eine positive Art zu spüren. Etwas, das mir seit meiner Geburt verwehrt geblieben war. Kleine Erinnerungsfetzen an meine toxische Mutter versuchen sich ihren Weg in mein Bewusstsein zu kämpfen, doch Pennys Nähe verweigert ihnen das Ziel. Ich bin jeden Tag aufs Neue dankbar sie in meinem Leben zu haben. Es gibt kein Wesen auf der Welt, welches ich je mehr lieben werde, so viel steht fest. Gedankenverloren lasse ich den Blick durch die Menge gleiten. Ohne mein Zutun stoppe ich mitten in der Bewegung und entdecke ein mir altbekanntes Gesicht. Jemand, der hier nichts zu suchen hat. „Elias?“ Mit einem sanften Lächeln auf seinen wohlgeformten Lippen fixiert er meinen Blick. „Raven.“ Selbst durch die ohrenbetäubende Lautstärke der Partymusik kann er jedes Wort verstehen, denn er ist ein Vampir und hat ein unglaubliches Gehör entwickelt. Nicht nur Penny bemerkt meine Anspannung, auch den anderen Wölfen ist das Auftauchen eines ungebetenen Gastes aufgefallen. Meine Muskeln verkrampfen sich schlagartig, als die losgelöste Stimmung umschwenkt. Er muss sofort hier raus, bevor das Rudel ihn in Stücke reißt. Gerade als ich mich in seine Richtung bewegen möchte, stellt sich mir Lucas in den Weg, ein Werwolf, mit dem ich mich gelegentlich zum Ausgehen verabrede. Seine gelben Augen funkeln mich böse an. Als er sich mir zuwendet, liegt ein unheilvolles Knurren in seiner tiefen Stimme. „Denk nicht mal daran dem Blutsauger zu helfen, die sind Abschaum. Kenne deinesgleichen, Raven, sonst gehst du mit ihm unter“, faucht er mir entgegen. Abrupt stoppt die Musik und alle Blicke landen auf Lucas, Penny und mir. „Geh mir aus der Sonne, Wolf“, knurre ich zurück. Ich habe nie aus meinen Fehlern gelernt Werwölfen Paroli zu bieten, andererseits haben die Wölfe auch nicht dazugelernt. „Zwing mich doch, du Freak.“ Ohne mit der Wimper zu zucken, schießt mein Arm in seinen Brustkorb, meine Hand umgreift sein noch pochendes Herz und mit einem kräftigen Ruck halte ich ihm das blutige Teil vor die Augen. Mit schmerzerfülltem Gesicht fällt er vor mir zu Boden. Entfernt ertönt ein Ausruf der Trauer, im Augenwinkel sehe ich einen der anderen Wölfe in meine Richtung zucken, doch ich lasse ihn mit einem eiskalten Blick wissen, dass es sehr unklug wäre, mich anzugreifen. Durch sein Zurückweichen traut sich sonst niemand etwas zu sagen. Die Stille umhüllt uns. Ich kann den hektischen Pulsschlag jedes einzelnen Individuums spüren und rieche ihre Furcht. Blut rinnt mir den Arm entlang, was mich an eine vergangene Zeit zurückerinnern lässt – eine Zeit, die ich gerne vergessen würde. Von dem Adrenalin in meinen Adern berauscht, benötige ich nicht viel Mut, um mich gegenüber des Stadtrudels zu behaupten. „Will sich mir noch jemand in den Weg stellen?“, frage ich offen in die Runde. Stillschweigend geben sie den Weg zu Elias frei. Unbeeindruckt schmeiße ich einem der Wölfe das nun zum Stillstand gekommene Herz zu, wische mir das Blut an meiner Shorts ab und ziehe Penny hinter mir her zu Elias. Mit einem emotionslosen Blick empfängt er uns beide an einer abgelegenen Stelle des Raumes. „Hallo Raven, es ist schön dich zu sehen. Wie ich bemerken darf, hast du dich kein Stück in der Zeit verändert.“ Sein freundlicher Tonfall triggert mich umso mehr. „Das wüsstest du, wenn du dich in den letzten Jahrhunderten wenigstens einmal bei mir gemeldet hättest. Was willst du von uns?“ Pennys Griff um meine rechte Hand verstärkt sich, sie liebt es, wenn ich sie mit einbeziehe. „Ich bitte dich um Hilfe, Raven.“ Ein verachtendes Schnauben entflieht meinem Körper, noch bevor ich es unterdrücken kann. „Warum sollte ich DIR helfen wollen, Elias? Sobald man dir hilft, kann man dem Tod die Hand schütteln, darauf kann ich verzichten. Du weißt ja, wie es heißt? Einmal ist keinmal und zweimal ist einmal zu viel.“ Ich spüre Pennys fragende Blicke auf der Haut, ich habe jetzt keine Zeit ihr alles zu erläutern und muss da auf ihr Verständnis hoffen. Während meine Stimme voller Wut immer höhere Tonlagen erreicht, ist Elias weiterhin gefasst. Eine Eigenschaft, die ich gerne gelernt hätte in all den Jahren. „Ich .. es tut mir leid Raven, das habe ich alles nie gewollt und das weißt du. Es war nie meine Absicht, dich im Stich zu lassen. Wenn ich eine andere Möglichkeit hätte, würde ich sie nutzen, aber du bist die Einzige, die uns noch helfen kann.“ Elegant lässt er sich langsam in seinem Designeranzug auf den verschmutzten Boden auf die Knie sinken. „Ich flehe dich an, Raven, bitte.“ Verdammt, ich konnte diesem Blick schon damals nicht widerstehen und es gelingt ihm auch heute mich zu überzeugen. In Ruhe versuche ich meine Optionen durchzugehen. Tief in mir sagt mir mein Instinkt, dass ich diesem Idioten helfen muss, ob ich nun will oder nicht. Er weiß es, ich weiß es und dennoch lasse ich ihn auf meine Antwort warten, aus Prinzip. Ich beschließe, dass zwei Minuten ausreichend sind und erlöse ihn. „Na gut, ich werde dir helfen. Als ob mir etwas anderes übrig bleiben würde. Worum geht es?“ - „Wir werden dir helfen“, ertönt es neben mir und lässt mein Herz kurz einen Salto schlagen. „Bist du dir sicher, Penny? Du wirst dein Zuhause verlassen müssen und mit Elias und mir nach Bad Ems reisen müssen, dort wimmelt es nur von..“ - „Vampiren“, flüstert sie in einem besorgten Tonfall, so leise, dass ich Schwierigkeiten habe, sie zu verstehen. „Richtig.“ Kurzzeitig schweigen wir uns an, bis sie mir mit ihrem Blick zu verstehen gibt, dass sie mir folgen wird, koste es, was es wolle. „Ich denke, ihr beiden seid hier sowieso nicht mehr länger willkommen“, bemerkt Elias sarkastisch. In diesem Moment treten die auf uns ruhenden Blicke in meinen geistigen Vordergrund. Recht hat er damit, Wölfe sind nicht nur furchtbar nachtragend, sie sind auch sehr jähzornig, und da ist es gut so viele Kilometer wie möglich zwischen uns und dem Rudel zu bringen. „Gut, wir kommen mit. Wann geht es los?“ - „Jetzt sofort, packt eure Sachen, ich warte im Auto auf euch.“ Elias verlässt zuerst die Disco, wir folgen ihm mit einem kleinen Abstand. „Ein Blutsauger, der Auto fährt, jetzt habe ich ja alles gesehen“, lacht Penny vor sich hin. Ich liebe ihr Lachen, es ist so selten, aber wenn es sich aus seinem Versteck traut, dann lacht sie aus vollem Herzen. Wenn man mich fragt, ist das die schönste Melodie der Welt. Kalter Wind empfängt uns, als wir die Discothek verlassen und weckt unsere verschlafenen Geister für ein neues Abenteuer. Ich muss zugeben, nach über 300 Jahren ist mir schon etwas langweilig geworden, aber auf Elias hätte ich beim besten Willen verzichten können, so groß der Platz in meinem Herzen für ihn auch sein mag. Unsere Blicke bleiben an dem riesigen Fahrzeug vor dem Eingang haften, wie aus einem Mund entfährt Penny und mir ein „Was für eine Bonzenkarre“, wodurch wir beide herzhaft lachen müssen. „Wenn ihr Schwatztanten damit fertig seid euch über mein Auto lustig zu machen, können wir ja endlich los.“ Penny wirft mir einen warnenden Blick zu, der so viel sagt wie „Bau' ja keinen Mist, solange ich weg bin“, dann sprintet sie quer über die Hauptstraße und verschwindet in eines der Häuser. Ich habe mich schon immer gefragt, wie sie den Lärm der Stadt jede Nacht aushält. In meinem Wald ist es erholsam ruhig. Dort kann ich in der alles umschlingenden Dunkelheit und Stille die leuchtenden Sterne am Himmelszelt zählen. „Musst du auch etwas holen, Raven?“ Elias' Blick ruht auf mir, sucht nach Antworten auf die Fragen, die er sich offenbar seit unserem Wiedersehen stellt. „Nein, Penny packt für uns beide. Ich habe ja kein Zuhause mehr, du weißt schon, dank dir.“ Ein Seitenhieb, welcher die Luft zwischen uns so dick werden lässt, dass ich sie mit meinen Krallen zerschneiden könnte. Sein Blick wird weich. „Raven, ich..“ - „Lass gut sein“, stoppe ich genervt seine nicht enden wollenden Entschuldigungsversuche. Sie bringen mir mein Rudel auch nicht zurück. Nach zwanzig Minuten eisigen Schweigens taucht Penny mit einem großen gepackten Koffer am Auto auf. „Puh, ich denke ich habe alles. Meinetwegen können wir los. Vielleicht könntet ihr euch auf der Hinfahrt wieder vertragen, sonst gehe ich nochmal los und hole mir eine extra Kuscheldecke für die Fahrt. Die Kälte zwischen euch hält ja niemand aus.“ Ihre grenzenlose Empathie ist für mich absolut bewundernswert und auch wenn ich ihr in dem Punkt nicht gerne zustimme, Elias ist momentan unser einziges Zuhause und das funktioniert nicht, wenn ich ihn andauernd anzicke. Er möchte gerade auf den Fahrersitz steigen, da schnappe ich mir seine rechte Hand und zerre ihn mit einem kräftigen Ruck in meine Arme. Bemüht ihm nicht wehzutun, fallen wir in eine feste Umarmung. Als ich mich von ihm löse, blickt er mich mit Tränen in den Augenwinkeln an, als hätte ich ihm gerade ein neues Leben geschenkt. „Danke“, haucht er mir entgegen und küsst mich sanft auf die Stirn, was mein Blut sofort in Wallung bringt. „Hach, ist doch schön, wenn sich alle vertragen. Auf nach Vegas Baby!“ Spielerisch genervt rolle ich mit den Augen. „Bad Ems Penny, aber fast so cool wie Vegas …“ Elias gibt mir einen leichten Seitenstoß mit seinem rechten Ellenbogen. „Mindestens so cool.“
Kapitel 2
Raven
(Lied: Let me Down Slowly Fairlane Remix von Alec Benjamin)
Vorsichtig wagen sich die ersten Sonnenstrahlen über das ruhig fließende Gewässer der Innenstadt, als das Auto sich dem gemeinsamen Ziel nähert: dem Anwesen von Elias. Dort werden Penny und ich unterkommen, solange wir ihm bei seinem Problem helfen, so die Vereinbarung. Werwolf-Mischlinge in der Stadt, in denen Vampire und ihre Mahlzeiten sich die Hände schütteln, ist die Überlebenschance unseresgleichen gleich null. Ein melodisches Schnarchen ist von der Rückbank wahrzunehmen, welches von Elias freundlicher Ansage unterbrochen wird. „Guten Morgen die Damen, unsere Fahrt findet nun langsam ein Ende. Ich hoffe ihr habt wohl geruht und seid bereit für eine der aufregendsten Städte Deutschlands. Willkommen im Zuhause der Vampire, Bad Ems.“ Ich wische mir mit der Decke, die Penny für uns eingepackt hatte, unauffällig den Sabber des Schlafes aus meinem Gesicht und richte mich auf, um besser aus dem Seitenfenster sehen zu können. Auch Penny nimmt eine aufrechte Position ein. Ich erkenne in ihrem Blick die Bewunderung für die architektonische Kunst dieser Stadt, sie würde es nur nie vor einem Vampir zugeben. „Es ist wunderschön hier, Elias“, gebe ich im Namen von uns beiden zu. “Endlich kann ich mich hier auch mal umsehen.“ Für einen kurzen Augenblick fühlt es sich wie Urlaub an, doch dann kommt mir wieder in den Sinn, wo wir hier eigentlich sind. „Denkst du die anderen Vampire werden 'uns Wölfe' hier so lange dulden?“, frage ich angespannt. Wunderschönes Fachwerk offenbart sich rechts und links des breiten Flusses und lädt zum Schlendern und Erkunden ein. Ich spüre, wie sich Elias Aura trübt. Er wird mich anlügen, die Aura verrät ungewollt sehr viel über eine Person. „Natürlich, schließlich helft ihr uns und seid unsere Gäste.“ Da haben wir es, das kann ja eine spannende Zeit werden. „Moment mal, was heißt denn hier 'uns'?“, entfährt es Penny. Ihre blonden, zu Berge stehenden Haare in Kombination mit ihrem geschockten Blick entlocken mir ein herzliches Glucksen. „Penny … wenn Elias mich um Hilfe bittet, dann werden bestimmt noch andere Vampire dieser Stadt involviert sein, nicht wahr Elias?“, versuche ich sie zu beruhigen. „Natürlich, meine Brüder.“ Nun trifft auch mich der Schlag. „Deine was?“ Pennys Blick offenbart ihre blanke Unsicherheit und ich muss gestehen, dass ich davon auch nicht begeistert