Recht und Evidenz in der Pandemie - Kaspar Gerber - kostenlos E-Book

Recht und Evidenz in der Pandemie E-Book

Kaspar Gerber

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Beschreibung

Kaspar Gerber analysiert seit Beginn der Covid-19-Pandemie die behördlichen Massnahmen zum Schutz der Bürger aus rechtlicher Perspektive. Im Fokus seiner Analyse stehen der Umgang der Behörden mit Evidenz sowie die rechtlichen Grundlagen der verschiedenen Corona-Massnahmen. Die vorliegende Publikation umfasst seine Stellungnahmen aus den letzten beiden Jahren u.a. zu Maskenpflicht, Quarantäne, Schliessungen und Impfungen sowie den korrespondierenden Rechtschutzmöglichkeiten der Betroffenen. Neben einer retrospektiven Bewertung der Krisenbewältigungsmassnahmen bietet die Publikation Hinweise für einen ausgewogenen Umgang mit künftigen Krisenszenarien.

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Recht und Evidenz in der Pandemie von Kaspar Gerber wird unter Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International lizenziert, sofern nichts anderes angegeben ist.

© 2022 – CC BY-NC-ND (Werk), CC BY-SA (Text)

Verlag: EIZ Publishing (eizpublishing.ch)Produktion & Vertrieb: buch & netz (buchundnetz.com)ISBN:978-3-03805-476-4 (Print – Softcover)978-3-03805-477-1 (Print – Hardcover)978-3-03805-478-8 (PDF)978-3-03805-479-5 (ePub)DOI: https://doi.org/10.36862/eiz-477Version: 1.00 – 20220401

Dieses Werk ist als gedrucktes Buch sowie als E-Book (open access) in verschiedenen Formaten verfügbar. Weitere Informationen finden Sie unter der URL:https://eizpublishing.ch/publikationen/recht-und-evidenz-in-der-pandemie/.

1

Zum Geleit

Die Bewältigung der Covid-19-Pandemie hat alle Staaten der Welt vor grosse Herausforderungen gestellt. Auch die Schweiz und ihre Kantone waren mit zahlreichen neuen Fragestellungen konfrontiert. Häufig musste rasch und auf der Grundlage eines unsicheren Kenntnisstandes agiert werden. Einen vorbereiteten Plan für die Bewältigung einer Pandemie dieses Ausmasses gab es nicht. Auch weitere – gesetzliche an sich geforderte – Vorbereitungen für den Fall einer Pandemie waren nur in unzureichendem Mass getroffen worden.

Der demokratisch gesetzte rechtliche Rahmen sowie die möglichst rationale Orientierung an den Tatsachen, d.h. an der wissenschaftlichen Evidenz, bilden auch in Krisenzeiten die zentralen Orientierungspunkte eines staatlichen Handelns, das einem freiheitlich-demokratischen Verfassungsverständnis gerecht werden und eine Basis für den Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen schaffen will.

Die teilweise einschneidenden Massnahmen, die zur Bekämpfung und Bewältigung der Pandemie getroffen wurden, stellten allerdings in mancherlei Hinsicht Neuland dar. Gleichwohl war an sich unbestritten, dass sich die Pandemiebewältigung im Rahmen der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben zu bewegen hatte, zumal die Schweiz mit ihrem Epidemiengesetz über eine moderne, aktuellen Bedürfnissen angepasste Gesetzgebung verfügt.

Das Spannungsverhältnis zwischen den bestehenden rechtlichen Grundlagen und den im realen oder vermeintlichen Interesse der Pandemiebewältigung getroffenen Massnahmen hat den Autor der in diesem Band vereinten Beiträge schon frühzeitig zu juristisch-kritischen Überlegungen veranlasst. Häufig wiesen die Beiträge auf rechtliche Defizite bei einzelnen Massnahmen hin, nicht selten nahmen sie auch spätere Entwicklungen vorweg. Im Zentrum der Überlegungen stand dabei stets die Frage nach der Vereinbarkeit der Massnahmen mit dem geltenden Recht und – besonders wichtig – mit dem damals bereits bekannten wissenschaftlichen Erkenntnisstand; sie beschäftigen sich also, wie der Titel des Bandes erkennen lässt, mit Recht und Evidenz in der Pandemie.

Zahlreiche Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler haben sich im Laufe der Pandemie zu Wort gemeldet, um das behördliche Vorgehen zu unterstützen, zu begleiten oder auf allfällige Probleme hinzuweisen. Nur wenige Rechtswissenschaftler haben allerdings die Entwicklung so konsequent und beharrlich begleitet und kommentiert wie der Autor dieses Bandes. Man hätte sich gewünscht, dass die Diskussion der Pandemiebewältigung viel häufiger und auch viel intensiver auf der Grundlage der rechtlichen Vorgaben und der wissenschaftlichen Evidenz stattgefunden hätte – also mit stets erkennbarem Bezug zu den Orientierungspunkten des freiheitlich-demokratischen Verfassungsverständnisses.

Die Beiträge dokumentieren, dass es den Behörden in Bund und Kantonen nicht immer gleich gut gelungen ist, die rechtlichen Vorgaben sowie die wissenschaftlichen Erkenntnisse gleichermassen zu berücksichtigen. Die politische Diskussions- und Debattenkultur hat zudem während der zwei Jahre der Pandemie gelitten – wohl auch deshalb, weil die zentralen Orientierungspunkte rationaler Regulierung, also Recht und wissenschaftliche Evidenz, häufig nicht mehr im Zentrum standen.

Herr Dr. iur. Kaspar Gerber, LL.M., verdient für seinen beharrlichen Einsatz für Rechtsstaatlichkeit auch in Krisenzeiten höchsten Respekt. Und dafür, dass er seine Erkenntnisse aus den zwei Jahren der Covid-19-Pandemie in einem Sammelband vereint und damit die Erfahrungen im Hinblick auf künftige Herausforderungen diskutierbar macht, gebührt ihm ein zusätzlicher Dank.

Prof. Dr. iur. Thomas Gächter

2

Inhalt

Zum Geleit

Vorwort

Grundfragen

Covid-19: Menschenbild im Wandel

Wissenschaftliche Evidenz

Wissenschaftliche Evidenz und Corona-Massnahmen des Bundes

Wissenschaftliche Evidenz und Corona-Massnahmen des Bundes zum Zweiten

Faktoren für Covid-19-Mortalität – beeinflussbar?

Massnahmen gegenüber der Gesamtbevölkerung, gegenüber Risikogruppen in professioneller Obhut und das Präventionsparadoxon

Covid-19: Schlaglichter auf das Verhältnis zwischen «Recht» und «Wissenschaft»

Kommunikation in der Pandemie

Öffentliche Kommunikation der «Swiss National Covid-19 Science Task Force»

Einzelne Coronamassnahmen

Maskenpflicht

«Maskenpflicht» im öffentlichen Verkehr

Covid-19-Verordnung besondere Lage (Maskentragpflicht; Homeoffice-Empfehlung), Änderung vom 18. Oktober 2020 (Inkrafttreten am 19. Oktober 2020)

«Circuit Breakers»

Quarantäne

Covid-19: Bundesrechtliche Voraussetzungen für die Anordnung der Quarantäne bei engem Kontakt mit einer infizierten Person

Impfung

Covid-19: Verhältnismässigkeit von Massnahmen zur Impfmotivation

Zertifikat

Problematischer indirekter Impfzwang durch das Covid-Zertifikat

Ausweitung der Covid-19-Zeritifikatspflicht – Impfempfehlung, Impfobligatorium oder schon Impfzwang?

Beweisfragen

Drei Leiturteile des Bundesgerichts zu kantonalen Coronamassnahmen

Rechtsschutz

Rechtsschutz bei Massnahmen des Bundesrats zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie

Streifzug durch den Rechtsschutz

Rechtsschutz gegen bundesrätlich angeordnete Schliessungen von Gastronomiebetrieben und Fitnesscentern

Main Body

Vorwort

Nach über zwei Jahren im weltweiten «Coronamodus» ist es Zeit für eine Standortbestimmung, die sowohl zurück- als auch in die Zukunft blickt; denn unabhängig davon, ob die Covid-19-Pandemie bei Erscheinen dieses Buches für beendet erklärt ist, scheint klar: Nach der Pandemie ist vor der Pandemie.

Die vorliegende Publikation umfasst meine während meiner Postdoc-Zeit am Lehrstuhl für Staats‑, Verwaltungs- und Sozialversicherungsrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich publizierten Stellungnahmen zu verschiedenen Rechtsfragen rund um die Bewältigung der Pandemie. Die in diesem Buch zusammengestellten Aufsätze stammen aus dem jeweiligen «Akutstadium» der Pandemie. Es handelt sich also nicht um nachträgliche Beurteilungen aus dem «sicheren Hafen» und vor dem Hintergrund (vermeintlich) besserer Erkenntnis. Die Beiträge werden thematisch gegliedert, aber inhaltlich unverändert präsentiert. Dadurch ist es möglich, dass einige der zitierten Internetquellen vielleicht nicht mehr an den angegebenen Stellen auffindbar sind. Für die Nachbearbeitung der Pandemie steht jedoch die Absicht im Vordergrund, echtzeitlich abgegebene juristische Einschätzungen transparent und möglichst unverfälscht zu präsentieren.

Worin besteht nun die (juristische) Quintessenz aus den letzten zwei Pandemiejahren? Aus meiner Sicht ist, nebst der unmittelbaren medizinischen Problematik, eine offensichtliche Krise der Sachverhaltserhebung, d.h. generell bei der Erhebung und beim Umgang mit wissenschaftlicher Evidenz, feststellbar geworden. Bemerkenswert waren sodann die verschiedenen Ungereimtheiten rund um die (knappen) Spitalkapazitäten – mithin eine gesetzlich geschuldete Leistung für die gesamte obligatorisch versicherte Wohnbevölkerung der Schweiz. Auch die Kommunikation der Wissenschaft, namentlich der eigens eingesetzten Taskforce, sowie die Wissensvermittlung an die relevanten Akteure verliefen manchmal suboptimal. Etliche der ergriffenen Massnahmen liessen sich daher schwer auf eine belastbare evidenz- und faktenbasierte Grundlage stützen. Gelegentlich schienen Symbolpolitik und die blosse Orientierung an Massnahmen, die von Nachbarländern ergriffen wurden, das evidenzbasierte Handeln zu überwiegen. Das entsprechende behördliche Vorgehen stiess allerdings auf breite Akzeptanz in Gesellschaft und Politik. Letztlich war damit ein – hoffentlich nur temporärer – Wandel des juristischen Beweisbegriffs, des Wissenschafts- und letztlich des Menschenbilds zu beobachten.

Die genannten Entwicklungen waren wohl nicht nur für mich bis zum Pandemiebeginn für schweizerische Verhältnisse kaum vorstellbar. Die Aufarbeitung der Entwicklungen soll letztlich dazu beitragen, dass die evidenzbasierte und juristisch rationale Entscheidfindung bei der nächsten Krise besser gelingt.

Ich danke Herrn Prof. Dr. Thomas Gächter für die Postdoc-Anstellung an seinem Lehrstuhl, die den Rahmen für die hier zusammengestellten Schriften geboten hat, EIZ-Publishing für die Aufnahme des Buches ins Verlagsprogramm und schliesslich Herrn stud. iur. Selim Tisli, wissenschaftlicher Assistent, EIZ, für die grosse technische Unterstützung bei der Zusammenstellung dieses Buchs.

Dr. iur. Kaspar Gerber, LL.M.

I

Grundfragen

Covid-19: Menschenbild im Wandel

Homo homini virus est?

Erschienen in: Jusletter, Coronavirus-Blog vom 17. Dezember 2021.

Der sich wohl noch länger hinziehenden Coronalage ist mit der Erörterung einzelner epidemiologischer, juristischer und politischer Aspekte nicht mehr beizukommen. Zum echten «Gamechanger» wird möglicherweise erst eine breite Diskussion über das sich seit Pandemiebeginn gewandelte Menschenbild – vom vermutungsweise gesunden zum vermutungsweise kranken Menschen. 

Gegenwärtig rollt die x-te Coronawelle über die Schweiz. Seit Februar 2020 gelten verschiedene Coronamassnahmen. Zudem ist der «Kuchen» der gesetzlichen Leistungen, v.a. im Intensivpflegebereich, durch Personal- und damit auch Bettenverlust kleiner geworden. Anlass genug für ein Schlaglicht auf ein markantes Coronaphänomen: Das bis zum Pandemiebeginn in der Schweiz «übliche» Menschenbild scheint sich in dieser Zeit stark gewandelt zu haben.

Das «Big Picture» des staatlichen Risikomanagements bei Covid-19: Coronamassnahmen aller Art beruhen auf der rechtlich mehr oder weniger sinnvoll materialisierten Grunderkenntnis, wonach umso weniger Virenübertragungen erfolgen, je mehr physische Distanz die Menschen zueinander halten. Bei respiratorischen Viren handelt es sich allerdings um ein konstantes, im sozialen Leben alltägliches und saisonal akzentuiertes, zunächst grundsätzlich von allen Menschen zwangsläufig zu tragendes Lebensrisiko. Gegenmassnahmen wie das «Social Distancing» gegenüber der breiten Bevölkerung verursachen daher, je nach deren Intensität und Dauer, sofort gesamtgesellschaftliche Kollateralschäden. In der Gesamtbevölkerung die Verbreitung ubiquitärer respiratorischer Viren zu vermindern, ist ohnehin schwerer als das sprichwörtliche Hüten eines Sacks voller Flöhe. Hierzu ist je nach Massnahme ein technisch und personell beliebig aufwendiger (staatlicher) Kontrollapparat erforderlich. Es drohen zudem bei gleichzeitig ergriffenen und/oder undifferenzierten, nicht risikobasierten Massnahmen gegenüber der breiten Bevölkerung falsche und kontraproduktive Kausalitätsbeurteilungen sowie Kontrollillusionen. Bei erhöhter Gefahrenlage durch respiratorische Viren, wie gegenwärtig durch Covid-19, drängt sich realistischerweise der gezielte Schutz der unterdessen gut identifizierbaren Risikogruppen auf. Soweit die Theorie.

Heute zeigt sich allerdings die folgende Gesamtsituation: Staatliche Coronaregeln gelten in praktisch allen Lebensbereichen (noch) ausserhalb der eigenen vier Wände – unabhängig vom individuellen Risikostatus und vom klinischen Zustand der betroffenen Personen. Der Zutritt zu den meisten öffentlich zugänglichen Innenräumen ist für den Grossteil der Bürgerinnen und Bürger nur noch mit Masken und/oder Zertifikat möglich. Daneben sind weitere BAG-Hygienevorschriften wie Abstandsgebote, Niesvorschriften und Handschlagverbote einzuhalten. Auch (maskierte) Schulkinder werden mittels mehr oder weniger freiwilliger Massentests auf ihre epidemiologische Gefährlichkeit «gescannt».

Es entsteht der Eindruck, der Mensch solle möglichst hermetisch mit verschiedenen «Schutzschichten» bzw. Massnahmen von anderen Menschen abgeschirmt werden. Der Mensch wird von Staat und Gesellschaft somit einer persönlich zu widerlegenden «Krankheitsvermutung» unterworfen. Seine gesellschaftliche Relevanz wird zurzeit in erstaunlichem Ausmass über seine Eigenschaft als potenziell tödliche Virenschleuder definiert – im Grunde eine persönliche Beleidigung. Vermutungsweise gesunde Menschen existieren de iure coronae auch in der Schweiz praktisch nicht mehr.

Das Menschenbild scheint sich also verändert zu haben: Nur ein maskierter und/oder getesteter und/oder geimpfter Mensch ist ein (guter?) Mensch – und das auch nur mit genügendem Abstand oder hinter Plexiglasscheiben. Dieses Menschenbild hat seine Berechtigung (nur) in Gebieten mit massiv gesteigerten Sicherheitsanforderungen wie in einer Laborumgebung oder im professionellen Gesundheitsbereich.

Die Covid-19-Pandemie wird seit Beginn prominent via täglich medial frisch aufbereitetem Datenmaterial unerbittlich ins Alltagsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger gespeist. Dabei fehlen meistens gleichzeitige Relationsangaben zu mindestens so relevanten Lebensrisiken. Dazu kommt der Versuch der stigmatisierenden und Schuld oder Unschuld implizierenden Unterteilung von Bevölkerungsgruppen in «Treiber» oder «Nichttreiber» der Pandemie.

Die staatlich vermutete generalisierte Fremdgefahr durch Covid-19 hat den Boden bereitet für die undifferenzierte Kollektivierung der Gesundheit und entsprechenden moralischen Druck auf bestimmte Bevölkerungsgruppen – abwechselnd Reiserückkehrer im Allgemeinen, speziell z.B. Menschen aus dem Balkan, Partygänger, aktuell pauschal Ungeimpfte. Wer als nächstes?

Vorderhand wird das «Perpetuum mobile» von Virusmutationen und Massnahmen vermutlich ungebrochen weiterlaufen. Es wird sich aber je länger je mehr fragen, zu welchem Preis sich die gegenwärtig herrschenden Erwartungen an den coronabezogenen «Hygienestaat» aufrechterhalten lassen. Erst diese breite Diskussion wird möglicherweise zum echten «Gamechanger» der Pandemie.

Die künftige Aufarbeitung der Covid-19-Pandemie wird sich der Frage zuwenden müssen, wie sich ein Menschenbild aus einer Laborumgebung oder aus dem professionellen Gesundheitsbereich zum Massstab für das gesamtgesellschaftliche Leben entwickeln konnte. Eine unvoreingenommene Analyse wird wahrscheinlich erst in einigen Jahrzehnten möglich sein – wenn sich (auch in den Köpfen) die dunklen Coronawolken verzogen haben.

II

Wissenschaftliche Evidenz

Wissenschaftliche Evidenz und Corona-Massnahmen des Bundes

Erschienen in: Jusletter vom 14. April 2020.

Der Autor äussert sich, gestützt auf eine Kurzanalyse des Regelungsgegenstands von Art. 7 EpG, zur Massgeblichkeit einschlägiger wissenschaftlicher Evidenz für bundesrätliche Corona-Massnahmen in der «ausserordentlichen Lage» gemäss Art. 7 EpG. Vor diesem Hintergrund beurteilt er die Schulschliessungen kritisch. Er begrüsst hingegen die Einsetzung der «Swiss National Covid-19 Science Task Force» und erhofft sich aus grundrechtlicher Sicht vom Bundesrat zeitnah eine «Exit-Strategie» aus der «ausserordentlichen Lage» nach Art. 7 EpG.

Einleitung

Im Zuge der Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) hat der Bundesrat am 16. März 2020 die Situation in der Schweiz als «ausserordentliche Lage» gemäss Art. 7 des Epidemiengesetzes (EpG)[1] eingestuft.[2] Gleichzeitig hat er mit der «Covid-19-Verordnung 2»[3] verschärfte Massnahmen wie Geschäftsschliessungen, Schulschliessungen, Versammlungsverbote usw. gegenüber der Bevölkerung, Organisationen und Institutionen sowie den Kantonen ergriffen. Dieser Beitrag befasst sich anhand des Beispiels der «Covid-19-Verordnung 2» mit der Massgeblichkeit wissenschaftlicher Evidenz[4] beim Erlass bundesrätlicher Verordnungen in der «ausserordentlichen Lage» gemäss Art. 7 EpG. Berücksichtigt sind die Entwicklungen bis und mit 4. April 2020.

Bisherige Relevanz der wissenschaftlichen Evidenz im EpG

Wissenschaftliche Evidenz im Allgemeinen

Der wissenschaftliche Fortschritt, insbesondere in der Mikrobiologie mit dem Erkennen des Zusammenhangs zwischen Keim und Krankheit, war eine Triebfeder für das erste Epidemiengesetz des Bundes von 1886.[5] Eine schwere Typhusepidemie in Zermatt 1963 führte 1970 zur ersten Totalrevision des Gesetzes. Vor allem wegen der zunehmenden Mobilität, der zunehmenden Verstädterung, der Migrationsbewegungen und des Klimawandels musste das Epidemiengesetz sowohl technisch als auch rechtlich angepasst werden.[6] Das neue und heute geltende EpG trat nach Art. 88 Abs. 2 EpG am 1. Januar 2016 in Kraft. Bei dieser letzten Revision wurde im Zusammenhang mit der Massgeblichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse vor allem auf «Kontroversen aus wissenschaftlicher Sicht» zu «Impfprogrammen und einem Impfzwang» hingewiesen.[7]

Nach Art. 4 Abs. 1 EpG legt der Bundesrat unter Einbezug der Kantone die Ziele und Strategien der Erkennung, Überwachung, Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten fest. Bei der Festlegung der Ziele und Strategien sind nach Abs. 2 insbesondere zu berücksichtigen: a. die Erkenntnisse der Berichterstattung nach Artikel 76; b. internationale Empfehlungen und Richtlinien; c. der aktuelle Stand der Wissenschaft. Lit. b meint auch, dass die Ziele und Strategien mit anderen Staaten sowie supranationalen und internationalen Organisationen (EU, WHO) zu koordinieren sind.[8] Art. 4 EpG bezweckt, die Führungsrolle des Bundes zu stärken.[9] Dem bundesrätlichen Vorschlag von Art. 4 EpG stimmten beide Räte diskussionslos zu.[10] Auch die je gestützt auf das EpG erlassene EpV[11] und die Verordnung über mikrobiologische Laboratorien[12] sehen an vielen Stellen die Massgeblichkeit wissenschaftlicher Grundlagen oder Erhebungen zu wissenschaftlichen Zwecken vor.[13]

Das EpG und die zugehörigen Verordnungen stehen somit im Sinn und Geist der Massgeblichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse. Doch gilt dies auch im Falle der «ausserordentlichen Lage» nach Art. 7 EpG?

Wissenschaftliche Evidenz bei Art. 7 EpG im Speziellen

Laut der bundesrätlichen Botschaft ist Art. 7 EpG deklaratorischer Natur. Er wiederholt auf Gesetzesstufe die verfassungsmässige Kompetenz des Bundesrates gemäss Art. 185 Abs. 3 BV[14], in ausserordentlichen Situationen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz Polizeinotverordnungsrecht zu erlassen.[15] Das konstitutionelle Notstandsrecht erlaubt es dem Bundesrat, bei unvorhersehbaren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit, die eingetreten sind oder unmittelbar drohen, die adäquaten Massnahmen rasch und fallspezifisch anzuordnen. Im Gegensatz zur «besonderen Lage» (Art. 6 EpG) ist deshalb auf Gesetzesstufe eine ausführliche Definition der «ausserordentlichen Lage» nicht möglich.[16] Der bundesrätliche Entwurf von Art. 7 EpG fand in beiden Räten diskussionslose Zustimmung.[17]

Eine unmittelbare Gefahr liegt vor, wenn eine Beeinträchtigung des Schutzgutes «nach den Umständen mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit» eintritt.[18] Abzustellen ist stets auf die Ex-ante-Sicht, wobei die Fehleinschätzung bzw. Überschätzung gewisser Gefahren in Kauf zu nehmen ist.[19]

In jedem Fall müssen die nach Art. 185 Abs. 3 BV ergriffenen Massnahmen die Grundsätze des rechtsstaatlichen Handelns nach Art. 5 BV einhalten. Das Legalitätsprinzip wird insofern relativiert, als die Massnahmen anstatt auf einer besonderen gesetzlichen Grundlage direkt auf der Verfassung beruhen.[20] Die Massnahmen müssen ferner ein öffentliches Interesse verfolgen, d.h. der Gefahrenabwehr dienen. Weiter muss in jedem Fall der Grundsatz der Verhältnismässigkeit in zeitlicher, örtlicher, sachlicher und mit gewissen Einschränkungen persönlicher Hinsicht respektiert werden.[21] Schliesslich sind die Grundsätze der Rechtsgleichheit und von Treu und Glauben zu beachten.[22] Staatliche Handlungen müssen schliesslich generell auch zumutbar sein.[23] Ebenso sind die Grundrechte bei notrechtlichem Handeln des Bundesrates zu respektieren.[24]

Art. 185 Abs. 3 BV gibt dem Bundesrat die Befugnis, anstelle des Gesetzgebers zu handeln, nicht aber gegen ihn.[25] Der Bundesrat anerkennt denn auch im Zusammenhang mit der Covid-19-Verordnung 2 die Relevanz wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie sie auch für die Anwendung des EpG bedeutend sind: sei es, dass deren Art. 7e Abs. 1 direkt auf die epidemiologische Situation (eines Kantons) verweist, sei es, dass die Erläuterungen an mehreren Stellen epidemiologische Erkenntnisse für massgebend erklären, etwa schon beim Zweck der Verordnung bzw. der Massnahmen und bei einzelnen Artikeln.[26] Damit stellt der Bund die Epidemiologie[27] als relevante Wissenschaft ins Zentrum. Es fällt jedoch auf, dass Art. 7e Abs. 2 lit. b («Die betroffenen Branchen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage, die Präventionsmassnahmen nach Artikel 7d Absatz 1 umzusetzen») den Beweisgrad «hohe Wahrscheinlichkeit» definiert. Wie hoch dieser Beweisgrad ist, warum er im (bisher einzigen) Zielkanton von Art. 7e, dem Tessin, gegeben sein soll,[28] und wie hoch der Beweisgrad für die übrigen Tatbestände nach Abs. 2 ist, müsste bei anderer Gelegenheit vertieft geprüft werden.

Wissenschaftliche Evidenz am Beispiel der Schulschliessungen

Nach Art. 5 Abs. 1 der Covid-19-Verordnung 2 sind Präsenzveranstaltungen in Schulen, Hochschulen und übrigen Ausbildungsstätten verboten. Der Bundesrat hat allerdings bei den Schulschliessungen die von ihm selbst als massgebend erachteten epidemiologischen Erkenntnisse nicht hinreichend beachtet. Denn es ist zumindest fraglich, ob für die Wirksamkeit von Schulschliessungen eine wissenschaftliche Grundlage besteht.

Der Bundesrat hielt fest, dass Kinder «sehr wenig betroffen sind durch dieses Virus»,[29] Kinder «nicht die Haupttreiber dieser Epidemie» sind, diese Epidemie «durch die Erwachsenen angetrieben wird»,[30] Kinder «nach wie vor» «praktisch nicht betroffen sind von der Krankheit»[31] und «Kinder sehr wenig betroffen sind von dieser Krankheit».[32] Und schliesslich sagt der Bund: «Kinder haben sehr selten Probleme mit dem Covid-Virus».[33]

Aus der vom Bundesrat zur Untermauerung des Entscheids der Schulschliessungen ins Feld geführten zitierten Studie des «European Centre for Disease Prevention and Control» (ECDC)[34] lässt sich keine hinreichende Evidenz für die Notwendigkeit von Schulschliessungen ableiten.[35] So steht nach Einschätzung des BAG unter Berufung auf eben diese ECDC immer noch offen, ob die Kinder Coronaviren «übertragen oder wenig übertragen», das «weiss man nicht genau.»[36] Immerhin hielt der Bund fest, dass Kinder das Virus – wenn auch selten – übertragen können, weshalb sie den Kontakt z.B. zu den Grosseltern vermeiden sollten.[37]

Die Schulschliessung erfolgte aus heutiger Sicht wohl eher deswegen, «weil die anderen Länder diese auch durchgeführt haben»[38] und «weil Eltern, die befürchten, dass ihr Kind jetzt irgendwie etwas ausgesetzt ist in den obligatorischen Schulen, das Kind nicht zu Hause behalten dürfen», dies im Gegensatz zur freiwilligen KITA.[39]

Zudem differenziert Art. 5 Abs. 1 der Covid-19-Verordnung 2 – was epidemiologisch von Bedeutung sein kann – nicht nach dem jeweils unterschiedlichen Publikum in einzelnen Bildungsstätten (z.B. Kinder in den Primarschulen oder junge Erwachsene an den Hochschulen).

Die rund um den 16. März 2020 bisher verfügbaren Informationen führen zur vorläufigen Erkenntnis, dass die Entscheidung der Schulschliessungen «nicht auf wissenschaftlicher Basis erfolgt ist»[40] bzw. zumindest «eher» nicht aus Gründen der «epidemiologischen Übertragung».[41] Der Effekt von Schulschliessungen wird derzeit auch nicht wissenschaftlich begleitet, weil es dazu «zu früh» ist.[42]

Was lässt sich dagegen unternehmen? Das Bundesverwaltungsgericht hielt im Zusammenhang mit einer Beschwerde gegen die Covid-19-Verordnung 2 mit dem Antrag auf abstrakte Normenkontrolle fest, dass es nicht befugt sei, eine bundesrätliche Verordnung auf deren Verfassungsmässigkeit hin zu überprüfen. Nur konkrete Anwendungsfälle könnten vom Bundesverwaltungsgericht bzw. vom Bundesgericht überprüft werden.[43] Eine gerichtliche Überprüfung dieser Schulschliessungen müsste daher an eine einzelne geschlossene Schule anknüpfen. Dabei wäre der Versuch, eine gerichtliche Überprüfung der Schulschliessungen zu erreichen, aus diversen, hier nicht zu vertiefenden Gründen vermutlich nicht von praktischem, sondern bloss von akademischem Interesse.

Künftige sinnvolle Einbindung der Wissenschaft in der «ausserordentlichen Lage» nach Art. 7 EpG

Probleme und Herausforderungen

Überhaupt leidet gegenwärtig die wissenschaftliche Untermauerung zumindest gewisser Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19). In der aktuellen Situation wird gelegentlich in den Medien ein bisweilen unheimlich anmutender Wettstreit um immer schärfere freiheitseinschränkende Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) ausgetragen. Es ist nicht auszuschliessen, dass Behörden aus Opportunitätsgründen in ihrem Zuständigkeitsbereich auf diesen Zug aufspringen, um Stärke und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Denn auch Politiker (inkl. Bundesräte) und Richter lesen Zeitungen. Auch in anderen Ländern wie Deutschland ist zu beobachten, dass aufgrund des durch die mediale Berichterstattung erzeugten Handlungsdrucks die Politik «weniger wissenschaftsbasierte als vor allem politisch getriebene Entscheidungen» trifft, deren Richtigkeit erst später beurteilbar ist.[44]

Die Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) ist ein hochkomplexes Sachgeschäft. Fachpersonen haben daher ohne Zweifel faktisch einen grossen Einfluss auf politische Entscheidungen. Damit soll keineswegs einer Technokratie das Wort geredet werden. Eine Technokratie vermag keine «funktionierende demokratische Öffentlichkeit zu garantieren und die dafür notwendige soziale Kompetenz der Bürger zu substituieren.»[45] Politiker dürfen sich auch nicht zu «Erfüllungsgehilfen» z.B. von Virologen degradieren lassen.[46] Zentral ist daher die Frage, wie notwendiges Expertenwissen bei der Erarbeitung von Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) sinnvoll eingebunden wird.

Insbesondere in der ersten Zeit nach Erklärung der «ausserordentlichen Lage» nach Art. 7 EpG äusser(te)n sich fast täglich in den Medien Fachpersonen pointiert und teils emotionalisierend zum Coronavirus (Covid-19). Für die breite Öffentlichkeit wie auch für Medienschaffende ist es schwierig, die tatsächliche Qualifikation der sich zu einer bestimmten Corona-Frage äussernden (telegenen) Personen zu beurteilen, zumal die Bezeichnungen «Experte» oder «Fachperson» freilich keine geschützten Begriffe sind. Deswegen dürfen auch selbsternannte «Faktenchecker» nicht überbewertet werden. Ebenso undurchsichtig erscheint es für die Bürgerinnen und Bürger gelegentlich, ob ein Medienauftritt einer «Fachperson» wirklich den Zweck eines ernsthaften sachlichen Beitrags verfolgt oder doch eher ihre Selbstdarstellung im Vordergrund steht. Letztlich droht unter Umständen ein Reputationsschaden derjenigen Wissenschaft, in deren Namen die Fachperson spricht. Das gilt umso mehr, wenn sich Fachpersonen in einem bestimmten Fachbereich öffentlich widersprechen.

Was ist also die genaue Rolle der Wissenschaftler? Klar ist, dass «nicht Wissenschaftler, sondern die Politik die Entscheidungen in der Krise» trifft.[47] Die Aufgabe der Wissenschaftler ist es, «Daten zur Verfügung zu stellen und diese zu erklären.» Dabei stehen auch die Medien in der Verantwortung, fachliche Aussagen nicht unnötig zu überzeichnen. Ganz wichtig ist schliesslich: «Seriöse Wissenschaftler würden weder bereits getroffene Entscheidungen bewerten noch konkrete Entscheidungen von der Politik einfordern.»[48] Das ist ihnen selbstverständlich als Staatsbürger unbenommen.

Welches Expertenwissen ist nun also in welcher Form gefragt? Auch Expertenwissen «bewegt sich in Grenzen».[49] Damit ist im hier interessierenden Zusammenhang mit der Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) nicht nur der aktuelle Wissensstand in einer Fachdisziplin gemeint, sondern auch die Beurteilung, welche Fachdisziplinen überhaupt zu berücksichtigen sind.

Dass für die Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) die Epidemiologie eminent wichtig ist, scheint unbestritten. Zusammen mit der Epidemiologie werden weitere naturwissenschaftliche Disziplinen wie etwa die Immunologie[50] oder die Virologie[51] für den hoffentlich baldigen Durchbruch bei der Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) mittels Medikamenten und/oder Impfstoffen ausschlaggebend sein.

Es braucht allerdings zusätzlich Know-how aus weiteren Fachbereichen. Denn die Corona-Pandemie ist nicht «nur» ein rein medizinisches Problem. Die Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) hat erhebliche Auswirkungen auf praktisch alle gesellschaftlichen Bereiche. Diese umfassenden, weil gesamtgesellschaftlich bedeutenden sozialen Faktoren sind im Rahmen des heute vorherrschenden bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells[52] nach der hier vertretenen Auffassung ebenfalls in die Gesamtwürdigung der bisherigen Massnahmen für die Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) einzubeziehen. Zu diesen naheliegenden sozialen Faktoren gehören im engeren Sinn infolge erheblicher Ausgangsbeschränkungen die soziale Isolation, familiäre Probleme, Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Bewegungsmangel usw. Im weiteren Sinn gehören zu den sozialen Faktoren u.a. auch Überlegungen zum Umfang und zur Generierung von (finanziellen) Ressourcen, welche eine Gesellschaft für die Gesundheit einer spezifischen Gruppe heute und auch mittel- und langfristig in der Zukunft bereitstellen kann und will. Es ist somit ganz falsch, «die Wirtschaft» und «die Gesundheit» als sich gegenseitig ausschliessende Faktoren zu betrachten. Im Gegenteil besteht eine enge Wechselwirkung. Ohne Wirtschaft kein(e) Gesundheit(ssystem), ohne Gesundheit(ssystem) keine Wirtschaftsleistung.

Auch für die Sozialversicherungen stehen nicht unbegrenzte staatliche Mittel zur Verfügung. Daher «stellt sich auch für die Erbringung staatlicher Leistungen die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit».[53] Das entspricht auch der Sichtweise des Bundesrates, da er in Art. 1 Abs. 2 lit. d Covid-Verordnung 2 festhält, dass die Massnahmen gemäss Covid-Verordnung 2 u.a. dazu dienen, «die Kapazitäten der Schweiz zur Bewältigung der Epidemie sicherzustellen, insbesondere zur Aufrechterhaltung der Bedingungen für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Pflege und Heilmitteln». Schliesslich sind belastbare internationale Daten zu den Infektionsverläufen als Grundlage für irgendwelche Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) ohnehin unabdingbar.[54] Basis der Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) ist somit breiter und interdisziplinärer Sachverstand.

Erfreulicher Ausblick: «Swiss National Covid-19 Science Task Force»

Einen wichtigen Schritt in diese Richtung hat der Bund nun unternommen: Erst über zwei Wochen nach der Erklärung der «ausserordentlichen Lage» nach Art. 7 EpG am 16. März 2020 hat er  am 31. März 2020 eine Taskforce eingesetzt, «in der die ganze Hochschullandschaft mit Forscherinnen und Forschern vertreten ist.» Die Hauptaufgabe dieser «Swiss National Covid-19 Science Task Force» ist die Beratung von Politik und Behörden, um die politischen Behörden und Entscheidungsträger bei der Entscheidungsfindung im Kontext von Covid-19 wissenschaftlich zu unterstützen und zu beraten.[55]

Die Taskforce besteht aus neun Expertengruppen und einem «hochrangigen Beratungsgremium». Die Expertengruppen beschäftigen sich zum Beispiel mit der Datenanalyse oder mit dem Testing. Weitere Gruppen beschäftigen sich mit den wirtschaftlichen oder sozialen Auswirkungen. Ein anderes Team beschäftigt sich mit dem Thema öffentliche Gesundheit.[56] Dadurch ist auch die notwendige fachliche Interdisziplinarität sichergestellt. Denn die Strategie für die «Zeit nach dem Peak» ist nicht eine «rein epidemiologische Frage», sondern eine «Frage der öffentlichen Gesundheit».[57]

Es ist sehr zu begrüssen, dass der fachliche Beistand des Bundesrates nun in öffentlich sichtbarer institutionalisierter Weise vorhanden ist und auch die Entstehungsgeschichte dieser Taskforce nachvollziehbar ist: Denn das BAG arbeitet «seit Jahren mit externen Experten zusammen». Neu ist, dass «für die Grösse der Bewältigung der Krise eine gemeinsame koordinierte Organisation geschaffen wurde, um die Forschung und das Wissensfeld der Experten zu bündeln.» Weiterhin genützt wird «die eigene verwaltungsinterne Expertise».[58]

Es hätte allerdings der Nachvollziehbarkeit der mit der Covid-19-Verordnung 2 erlassenen Massnahmen sehr gedient, wenn der Bundesrat gleichzeitig mit der Erklärung der «ausserordentlichen Lage» nach Art. 7 EpG aktiv kommuniziert hätte, auf welche verwaltungsinterne und/oder -externe Expertise er sich in dieser «ausserordentliche Lage» stützt und dass allenfalls eine spezialisierte Taskforce eingesetzt wird.

Was darf und muss von der «Swiss National Covid-19 Science Task Force» erwartet werden? Bei einer Pandemie, die per definitionem verschiedene Länder und gar Kontinente tangiert,[59] sind weltweit Forschungen im Gange. Der Bundesrat muss weitreichende Entscheidungen zur Abwehr der Gefahrenlage aufgrund des Coronavirus (Covid-19) unter Zeitdruck fällen. Es darf und muss also erwartet werden, dass die «Swiss National Covid-19 Science Task Force» die neueste international verfügbare beste Evidenz für die jeweiligen relevanten wissenschaftlichen Sachverhalte erkennt und für politische Entscheidungsträger – hier für den Bundesrat – adressatengerecht aufbereitet. Der Bundesrat befindet anschliessend über die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) mit allen zulässigen politischen Wertungselementen, allerdings im Wissen um seine gesamtgesellschaftliche Integrationsfunktion unter verstärkter Berücksichtigung der Zumutbarkeit der Massnahmen.

In dieser Hinsicht waren die ersten Medienauftritte der Taskforce durchaus vielversprechend und vertrauensbildend: Die Taskforce hat u.a. den Auftrag, den Bund bei der Ausstiegsstrategie zu beraten und mögliche Szenarien aufzustellen, damit die Massnahmen «Schritt für Schritt» reduziert werden können (z.B. Ausbau der Testkapazitäten oder Maskenobligatorium für bestimmte Gruppen), wobei der Entscheid über Massnahmen «ganz klar beim BAG» liegt.[60] Sie arbeitet bereits an konkreten wissenschaftlichen Fragen (etwa Schutzwirkung von Masken in der Gesamtbevölkerung, optimale Verteilung von benötigtem Material unter den Spitälern).[61] Ebenso befasst sie sich mit dem «pan-europäischen Projekt» (PEPP-PT), einer für alle Beteiligten freiwilligen, über Bluetooth laufenden Überwachungs-App, die nach Klärung datenschutzrechtlicher Fragen in der Schweiz möglicherweise technisch implementiert werden soll.[62] Erfreulich ist auch die vorgesehene transparente Informationspolitik der Taskforce. Sie wird die Ergebnisse, die direkt an den Krisenstab gehen, auch an den Pressekonferenzen kommunizieren oder bei «wissenschaftlicher Bedeutung» auch wissenschaftlich publizieren. Die Mitglieder der Taskforce können auch «jederzeit als Experten Auskunft geben».[63]

Zwingende nächste Schritte des Bundesrats: «Exit-Strategie»

Die gegenwärtigen massiven Grundrechtseinschränkungen, welche die Massnahmen des Bundesrats für die Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) mit sich bringen, dauern an. Trotz aller Unwägbarkeiten rund um das Coronavirus (Covid-19) muss der Bundesrat jedoch immer wieder prüfen, ob weniger einschneidende Massnahmen möglich sind. Denn wenn sich die Corona-Restriktionen über längere Zeit erstrecken, «dann hat der liberale Rechtsstaat abgedankt».[64]

Die «Eintrittsmarker» für die «ausserordentliche Lage» nach Art. 7 EpG waren nach Ansicht des Bundesrats gegeben. Ob die Erklärung der «ausserordentlichen Lage», die nach Ansicht des BAG beispielsweise eine – nach gegenwärtigem Wissenstand nicht mit der Corona-Pandemie zu vergleichende – «Worst-Case-Pandemie (Spanische Grippe 1918)»[65] voraussetzt, in der am 16. März 2020 gegebenen Situation überhaupt gerechtfertigt war, müsste bei anderer Gelegenheit kritisch untersucht werden.[66]

Der Bundesrat muss auf alle Fälle auch die «Austrittsmarker» («Exit-Strategie») aus der «ausserordentlichen Lage» nach Art. 7 EpG definieren. Die (hypothetische) Haltung «Wir wissen nicht, was wir wissen müssen, um eine ‹Exit-Strategie› zu entwerfen» kann keine zulässige Option sein. Damit ist keineswegs gesagt, dass sich der Bundesrat bisher so verhält. Wichtig sind nun einfach die nächsten Schritte des Bundesrates.

Das BAG befindet sich im Austausch mit allen relevanten Akteuren, um zuhanden des Bundesrats, der entscheiden wird, eine Exit-Strategie vorzubereiten, wobei noch keine Vorschläge der «Swiss National Covid-19 Science Task Force» diskutiert wurden.[67]

Bei der «Exit-Strategie» geht es nicht um eine «Alles-oder-nichts-Exit-Strategie». Zu Recht weist der Bundesrat darauf hin, dass die Corona-Pandemie keine mit der «Gipfelbesteigung» erledigte Angelegenheit sei, sondern auch danach «auf längere Zeit» gemeistert werden müsse.[68] Die Zahlen würden noch immer steigen, auch wenn «nicht so stark wie befürchtet», weshalb es zurzeit noch «keine Entwarnung» gebe. Man müsse zunächst, wie man auch in anderen Ländern sehe, warten, bis die «Fälle sinken».[69]

Allein die Tatsache, dass die Fallzahlen gegenwärtig noch steigen und der «Peak» noch nicht erreicht ist, dispensiert den Bundesrat nicht davon, laufend die Notwendigkeit des «Lockdowns» zu prüfen und andere, mildere Massnahmen als Ausgangsbeschränkungen usw. ins Auge zu fassen. Dabei kann es sich auch um technische Lösungen handeln, wie vielleicht künftig die Überwachungs-App im Rahmen des unter Ziffer 3.2 skizzierten Projekts PEPP-PT. Zu prüfen wäre im Rahmen einer schrittweisen Lockerung der Massnahmen des Bundesrats für die Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) auch eine «Rückstufung» der bisherigen «ausserordentlichen Lage» nach Art. 7 EpG auf die «besondere Lage» nach Art. 6 EpG.

Die «öffentliche Gesundheit» ist das oberste Ziel des bundesrätlichen Handelns in der «ausserordentlichen Lage» nach Art. 7 EpG.[70] Das ist zweifellos richtig. Allerdings sind auch die enormen, durch die bundesrätlichen Corona-Massnahmen bewirkten Belastungen einzelner Sozialwerke wie etwa der ALV (Kurzarbeit) und der EO («Corona-EO»)[71] zu gewichten. Denn «wirtschaftliche und gesundheitspolitische Entscheide hängen zusammen».[72] Zugunsten der «Volksgesundheit», welche die Gesundheit der gesamten Bevölkerung umfasst und auch von wirtschaftlichen Faktoren bestimmt wird, darf der Kampf gegen die Corona-Pandemie insgesamt nicht «mehr Schaden anrichten» als Nutzen bringen.[73]

Aufgrund der Langfristigkeit der Corona-Epidemie bittet der Bundesrat auch um Geduld, bis «fundierte Zahlen und Erkenntnisse» vorliegen, damit der Bundesrat die Situation neu beurteilen kann.[74] Laut Bundesrat basieren denn auch die politischen Entscheide zu den Massnahmen für die Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) immer auch auf «wissenschaftlichen Erkenntnissen», weshalb der «Dialog zwischen Wissenschaft und Politik» sehr wichtig ist und vertieft weitergehen wird.[75]

Betreffend die Schulschliessungen ist hier indessen eine gewisse Widersprüchlichkeit feststellbar: Der Bundesrat hat, wie unter Ziffer 2.3 dargelegt, Schulen vermutlich ohne hinreichende wissenschaftliche Evidenz geschlossen. Derselbe Bundesrat will die Schulen wieder öffnen, wenn hierfür wissenschaftliche Evidenz besteht, wobei es gemäss Bundesrat aufgrund der aktuellen Studienlage «noch zu früh ist, um sagen zu können, wie es am 20. April weitergeht.»[76]

Zum Tragen von Masken hat sich der Bundesrat hingegen bereits klar positioniert: Demnach ist auch nach wie vor international nicht erwiesen, dass das «allgemeine Tragen» von Masken einen zusätzlichen Schutz gibt für die Bevölkerung (Stand: 4. April 2020).[77]

Es ist also zu hoffen, dass der Bundesrat gestützt auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeitnah die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) wenn immer möglich laufend lockert bzw. keine schärferen Massnahmen verfügt. Daran ist der Bundesrat zu messen, zumal er sich explizit zur Verhältnismässigkeit als eine der Hauptmaximen des Staatshandelns auch in der «ausserordentlichen Lage» nach Art. 7 EpG bekannt hat.[78]

Gesamtwürdigung

Nach dem Gesagten lassen sich zur aktuellen Situation (Stand 4. April 2020) die folgenden Schlussfolgerungen ziehen:

Mit der – etwas spät eingesetzten – «Swiss National Covid-19 Science Task Force» können weitere Entscheidungen des Bundesrats für die Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) an Glaubwürdigkeit und Akzeptanz gewinnen.

Ob für die zeitlich zwar befristete, jedoch betreffend das jeweilige Hauptpublikum (Kinder; junge Erwachsene) undifferenzierte Schliessung von Bildungsstätten eine hinreichende sachliche evidenzbasierte Grundlage bestand bzw. besteht, ist zumindest fraglich.

Soweit in der gegenwärtigen Coronasituation auch drastische, grundrechtseinschränkende Massnahmen für die Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) unerlässlich sind, muss gelten: «So wenig wie möglich, so viel wie nötig». Denn in einer liberalen Demokratie kann es für den Bundesrat nur einen Massstab geben: «In dubio pro libertate».

Bundesgesetz über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG) vom 28. September 2012 (Stand am 1. Januar 2017), SR 818.101. ↵Bundesrat, Coronavirus: Bundesrat erklärt die «ausserordentliche Lage» und verschärft die Massnahmen <https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen​.msg-id-78454.html>. Alle in diesem Beitrag angegebenen Websites wurden zuletzt besucht am 5. April 2020. ↵Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) vom 13. März 2020 (Stand am 4. April 2020), SR 818.101.24. ↵«Im Kontext der evidenzbasierten Medizin abgeleitet von englisch ‹evidence› für Nachweis oder Beweis mit der Bedeutung, dass Informationen, die zur ärztlichen Entscheidungsfindung eingesetzt werden, in Form wissenschaftlicher Fragestellungen in (klinischen) Studien untersucht werden, bis sich Thesen erwiesen haben oder verworfen werden.» (Pschyrembel Online, Evidenz [Qualitätsmanagement] <https://www.pschyrembel.de/Evidenz%20​%5BQualit%C3%A4tsmanagement%5D/S00T7>). ↵AB 2012 N 311, Votum Ignazio Cassis für die Kommission. ↵AB 2012 N 311, Votum Ignazio Cassis für die Kommission. ↵AB 2012 N 318, Votum Yvonne Gilli für die Kommission. ↵BBl 2011 359–360, ohne Erläuterungen, was mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft nach lit. c genau gemeint ist. ↵BBl 2011 359. ↵AB 2012 N 314; AB 2012 S 389. ↵Verordnung über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemienverordnung, EpV) vom 29. April 2015 (Stand am 1. März 2019), SR 818.101.1. ↵Verordnung über mikrobiologische Laboratorien vom 29. April 2015 (Stand am 1. Januar 2016), SR 818.101.32. ↵Siehe dazu BAG, Erläuterungen zur Verordnung vom 29. April 2015 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemienverordnung, EpV) − zur Verordnung vom 29. April 2015 über mikrobiologische Laboratorien, 1. Mai 2016. Die folgenden Normen verweisen direkt auf wissenschaftliche Erkenntnisse und/oder indirekt nach Massgabe der Erläuterungen: EpV: Art. 4–5 «Meldepflicht» (S. 18); Art. 18 «Bearbeitung der Meldedaten» (S. 27); Art. 25 «Verhütung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bei chirurgischen und medizinischen Eingriffen» (S. 32); Art. 32 «Nationaler Impfplan» (S. 40); Art. 61 «Zuteilung der Heilmittel» (S. 53); Art. 77 «Voraussetzungen für das Amt» (S. 58); Art. 86 «Kriterien zur Feststellung eines Zusammenhangs zwischen einer Impfung und einem Impfschaden» (S. 62); Art. 99 «Bearbeitung zu statistischen Zwecken» (S. 68); Verordnung über mikrobiologische Laboratorien: «Erläuterungen zur Verordnung über mikrobiologische Laboratorien», «Ausgangslage» (S. 75); Art. 9 «Räumlichkeiten und Einrichtung» (S. 79); Art. 14 «Akkreditierte Laboratorien» (S. 80); Art. 21 «Durchführung von Untersuchungen im Ausland» (S. 82); Anhang 1: «Gute Praxis in mikrobiologischen Laboratorien» (S. 83–84) <https://www.bag​.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/mt/epidemiengesetz/erl-bericht-epg.pdf.​download.pdf/erlaeuternder-bericht-vo-recht-epg.pdf>. ↵Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (Stand am 1. Januar 2020), SR 101. ↵BBl 2011 365; kritisch zum Begriff «Notrecht» im Zusammenhang mit Massnahmen nach Art. 185 Abs. 3 BV Urs Saxer, in: Bernhard Ehrenzeller/Benjamin Schindler/Rainer J. Schweizer/Klaus A. Vallender (Hrsg.), Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2014, Art. 185 N 10. ↵BBl 2011 366. ↵AB 2012 N 318; AB 2012 S 391. ↵Saxer (Fn. 15), Art. 185 N 84 m.w.H. ↵Saxer (Fn. 15), Art. 185 N 84 m.H.a. BGE 137 II 431 E. 4.3.2. ↵Saxer (Fn. 15), Art. 185 N 99 m.H.a. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-1092/2009 vom 5. Januar 2010 E. 8.1.1. ↵Saxer (Fn. 15), Art. 185 N 99 m.w.H. Vom Störerprinzip, welches die Verhältnismässigkeit in persönlicher Hinsicht konkretisiert, kann im Falle des Polizeinotstandes abgewichen werden (a.a.O., m.w.H.). ↵Saxer (Fn. 15), Art. 185 N 99. ↵Andreas Schilter, Der Umgang mit gebietsfremden Organismen aus rechtlicher Perspektive, SzU – Schriftenreihe zum Umweltrecht Band/Nr. 29, Jahr 2017, N 222. ↵Saxer (Fn. 15), Art. 185 N 100 m.H.a. BGE 137 II 431. ↵So Giovanni Biaggini in: BV Kommentar, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Aufl., Zürich 2017, Art. 185 BV N 10c. Die Ansicht der umfassenden Gesetzesbindung ablehnend Saxer (Fn. 15), Art. 185 N 103. ↵BAG, Erläuterungen zur Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19-Verordnung 2), Fassung vom 25. März 2020, Stand 4. April 2020, mit den folgenden Textpassagen: «Aufgrund der aktuell eingetretenen epidemiologischen Entwicklung haben rigide Massnahmen in der ersten Phase der Epidemie grössere Erfolgschancen, den epidemiologischen Verlauf nachhaltig zu beeinflussen, als Verschärfungen zu einem späteren Zeitpunkt.» («1. Ausgangslage und Zweck der Verordnung/der Massnahmen», S. 1, und « Wirkung der Massnahmen nach Artikel 5–7 und 7c», S. 24); «Wenn aufgrund der epidemiologischen Situation eine besondere Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung besteht… » («Inhalt von Artikel 7e», S. 26) <https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/mt/k-und-i/aktuelle-ausbrueche-pandemien/2019-nCoV/covid-​19-erlaeuterungen-zur-verordnung-2.pdf.download.pdf/Erlaeuterungen_zur_​Verordnung_2_ueber_die_Bekaempfung_des_Coronavirus.pdf>. ↵«Wissenschaftszweig, der sich mit der Verteilung von Krankheiten und deren physikalischen, chemischen, psychischen und sozialen Determinanten und Folgen in der Bevölkerung befasst» (Pschyrembel Online, Epidemiologie <https://www.pschyrembel.de​/Epidemiologie/K071L>). ↵Die sehr hohe Fallzahl im Tessin an sich vermag nicht zu erklären, dass z.B. nur Baubetriebe bzw. Baustellen und die Industrie im Kanton Tessin mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein sollen, die (hier pflichtweise einzuhaltenden) Empfehlungen des BAG betreffend Hygiene und soziale Distanz zu erfüllen. ↵Bundesrat, zu Coronavirus (Covid-19): Aktueller Stand und Entscheide, Medienkonferenz vom 16. März 2020, Votum Daniel Koch, Leiter Abteilung Übertragbare Krankheiten BAG, 1h16m35s–40s <https://www.youtube.com/watch?v=fnuTzODXLvw&list=PLEnHzNShzOw​bxmvpk7ajVhE3m1mO6h6p9&index=6&t=0s>. ↵Bundesrat (Fn. 29), Votum Koch (Fn. 29), 1h21m30s–43s. ↵Bundesrat, zu Coronavirus (Covid-19), Medienkonferenz vom 25. März 2020, Votum Koch (Fn. 29), 53m37s–47s <https://www.youtube.com/watch?v=yPghbq5ccfE&list=​PLEnHzNShzOwbxmvpk7ajVhE3m1mO6h6p9&index=3&t=0s>. ↵BAG, Medienkonferenz vom 30. März 2020, Votum Koch (Fn. 29), 31m57s–32m05s <https://youtu.be/TFQSabbUSms>. ↵BAG, Coronavirus: Stand der Dinge mit Fachleuten, Medienkonferenz vom 4. April 2020, Votum Daniel Koch, Delegierter des BAG für Covid-19, 35m52s–59s <https://www.youtube.com/watch?v=oL-_1V1so3M&feature=emb_logo>.↵Bundesrat, zu Coronavirus (Covid-19), Medienkonferenz vom 13. März 2020, Votum Bundesrat Berset, 27m40s–28m12s <https://www.youtube.com/watch?v=LFI7vQU-YnY&list=​PLEnHzNShzOwbxmvpk7ajVhE3m1mO6h6p9&index=6>. ↵Andreas Maurer, Wie ansteckend sind Kinder wirklich? Was die Wissenschaft bis jetzt dazu weiss, Solothurnerzeitung vom 19. März 2020. «Die Entscheidungsgrundlage, die keine Grundlage für den Entscheid des Bundesrates liefert» und «Die Studien, die Berset zitierte, gibt es nämlich nicht. Auf Nachfrage hatte er auf den neusten Report des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten ECDC verwiesen. Das ist eine Agentur der EU, die wissenschaftliche Erkenntnissee aufbereitet. Im von Berset zitierten Bericht heisst es, man wisse nicht, ob Kinder eine wichtige Rolle bei der Übertragung der Lungenkrankheit spielen würden. Die Landesregierungen sollten deshalb vorsichtig abwägen, ob sie Schulen tatsächlich schliessen wollten.» <https://www.solothurnerzeitung.ch/schweiz/wie-ansteckend-sind-kinder-wirklich-​was-die-wissenschaft-bis-jetzt-dazu-weiss-137175532>.↵Bundesrat (Fn. 29), Votum Koch (Fn. 29), 1h16m40s–48s <https://www.youtube.com/watch?v=fnuTzODXLvw&list=PLEnHzNShzOwbxmvpk7ajVhE3m1mO6h6p9&index=​6&t=0s>. ↵BAG (Fn. 32), Votum Koch (Fn. 29), 32m06s–32m52s. ↵So gestützt auf seine Nachfrage beim BAG Pietro Vernazza, Chefarzt Klinik für Infektiologie St. Gallen, in der Solothurnerzeitung vom 21. März 2020. «Aufgrund der neuen Erkenntnisse zeige sich, dass viele der Massnahmen vielleicht sogar kontraproduktiv seien. Vor allem die Schulen zu schliessen, hält er für falsch wie auch eine Ausgangssperre im epidemiologischen Sinn nicht das Richtige wäre.» <https://www.solothurnerzeitung.ch/leben/die-​zahlen-zu-den-jungen-corona-virus-erkrankten-sind-irrefuehrend-137232970>. ↵Bundesrat (Fn. 29), Votum Koch (Fn. 29), 1h21m07s–30s. ↵Vernazza (Fn. 38). ↵Bundesrat (Fn. 29), Votum Koch (Fn. 29), 1h21m07s–30s. ↵