Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz - Ralf Fischer - E-Book

Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz E-Book

Ralf Fischer

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Beschreibung

Einsatzkräfte und insbesondere Führungskräfte stehen im Einsatzfall oft unter hohem Zeit- und Erfolgsdruck. Dabei haben sie Entscheidungen zu treffen, die auch späteren gerichtlichen Nachprüfungen standhalten müssen. Deshalb sind im Einsatzgeschehen rechtliche Grundkenntnisse erforderlich, insbesondere dann, wenn in die Rechte unbeteiligter Dritter eingegriffen wird. Der Autor erörtert anhand zahlreicher Beispielfälle systematisch rechtliche Fragen des Feuerwehreinsatzes und berücksichtigt dabei die aktuelle Gesetzgebung.

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[1]Rotes Heft 68

Ralf Fischer

Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz

von

Direktor des Amtsgerichts Schmallenberg (NRW) Stadtbrandinspektor der Freiwilligen Feuerwehr Schmallenberg

4., erweiterte und überarbeitete Auflage 2017

Verlag W. Kohlhammer

[2]Wichtiger Hinweis

Der Verfasser hat größte Mühe darauf verwendet, dass die Angaben und Anweisungen dem jeweiligen Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entsprechen. Weil sich jedoch Gesetze und Vorschriften ständig im Fluss befinden, sind Fehler nicht vollständig auszuschließen. Daher übernehmen der Autor und der Verlag für die im Buch enthaltenen Angaben und Anweisungen keine Gewähr.

4., erweiterte und überarbeitete Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-026263-8

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-032860-0epub: ISBN 978-3-17-032861-7mobi: ISBN 978-3-17-032862-4

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

[3]Vorwort

Einsatzmaßnahmen der Feuerwehr dienen dem Schutz von Leib und Leben, dem Schutz von Sachgütern, dem Schutz der Umwelt oder ganz allgemein der Abwehr von Störungen der öffentlichen Sicherheit durch die Folgen eines Brandes, Unglücks oder öffentlichen Notstandes. Die Einsatzkräfte, insbesondere die Führungskräfte, stehen dabei im Regelfall unter hohem Zeit- und Erfolgsdruck. Zudem werden von ihnen Entscheidungen verlangt, die auch einer späteren gerichtlichen Nachprüfung standhalten müssen. Gerade im Einsatzgeschehen sind deshalb grundlegende Rechtskenntnisse erforderlich, wenn in Rechte, insbesondere unbeteiligter Dritter, eingegriffen wird1. Dies erfordert zunächst einmal Grundkenntnisse des Staatsaufbaus und des Grundrechtsschutzes.

Fragen der Zuständigkeit und der Zulässigkeit von Maßnahmen sind oftmals nicht leicht zu beantworten. Allein die Kenntnis der Brandschutzgesetze ist hier nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr auch die Beschäftigung mit den jeweiligen allgemeinen Polizei- oder Ordnungsbehördengesetzen sowie den Vorschriften über das Verwaltungsverfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz und Zwangsmaßnahmen nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder. Be[4]fugnisse der Feuerwehr können sich darüber hinaus auch aus völlig anderen Rechtsgebieten ergeben.

Von großer Bedeutung für die Einsatzkräfte der Feuerwehr sind auch Fragen nach ihrer strafrechtlichen und zivilrechtlichen Haftung. Ebenso wichtig sind Ansprüche der Feuerwehrangehörigen für Schäden, die ihnen im Einsatz entstehen.

Vorliegend sollen rechtliche Fragen des Feuerwehreinsatzes systematisch und mit Hilfe zahlreicher Beispielfälle erörtert und so den Lesern und Benutzern dieses Roten Heftes näher gebracht werden. Zu erörtern waren dabei gerade die nicht alltäglichen Fälle. Denn rechtliche Schwierigkeiten tauchen insbesondere dann auf, wenn der Fall nicht vom Wortlaut des Gesetzes erfasst wird.

Zum allgemeinen besseren Verständnis und wegen der Prüfungsrelevanz war es notwendig, in kurzer Form auch auf Fragen des allgemeinen Staats- und Verwaltungsrechts einzugehen.

Ein Abdruck sämtlicher relevanter Vorschriften der 16 Bundesländer verbietet sich verständlicherweise schon aus Platzgründen, sodass auf die Vorschriften jeweils nur in Fußnoten verwiesen wird. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kommentare zu den Brandschutzgesetzen der Bundesländer verwiesen. Zum weiteren Studium wird die Sammlung gerichtlicher Entscheidungen des Verbandes der Feuerwehren in NRW (VdF NRW) empfohlen.

1

Hieraus folgt in Verbindung mit Art. 33 Abs. 4 GG, dass hauptberufliche Angehörige der Feuerwehren auch in Zukunft – ebenso wie bei Polizei und Justiz – den Beamtenstatus besitzen müssen.

[5]Vorwort zur 4. Auflage

Die 4., überarbeitete und erweiterte Auflage ist gekennzeichnet von zahlreichen Änderungen auf Grund der Rechtsprechung und der Gesetzgebungstätigkeit im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzrechtes seit der Vorauflage aus dem Jahr 2007.

Aufsätze des Autors, auf die in diesem Roten Heft Bezug genommen wird, finden Sie weitgehend unter der Rubrik »Rechtsfragen« auf der Internetseite www.feuerwehr-schmallenberg.de

Schmallenberg, im Februar 2017

[6]Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vorwort zur 4. Auflage

1 Allgemeines Staats- und Verwaltungsrecht

1.1   Staatsaufbau

1.2   Gesetzgebungskompetenzen im Brand- und Katastrophenschutz und allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht

2 Grundrechte

2.1   Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde)

2.2   Art. 2 GG (Freiheitsrechte)

2.3   Art. 3 GG (Gleichheitsgrundsatz)

2.4   Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung)

2.5   Art. 14 GG (Schutz des Eigentums und des Erbrechts)

2.6   Verfassungsauftrag Umweltschutz/Tierschutz

3 Eingriffe in Rechte

3.1   Art der Eingriffe

3.1.1   Der belastende Verwaltungsakt

3.1.1.1   Anordnungen der Feuerwehr als Verwaltungsakt

3.1.1.2   Vollstreckung durch die Feuerwehr

3.1.1.3   Rechtsschutz gegen Anordnungen der Feuerwehr im Einsatz

3.1.2   Der Realakt

3.2   Voraussetzungen rechtmäßigen Handelns

3.2.1   Zuständigkeit

3.2.1.1   Öffentliche Feuerwehr

3.2.1.1.1   Gefahr für die öffentliche Sicherheit

3.2.1.1.2   Gefahrenabwehr durch die Feuerwehr

3.2.1.2   Katastrophenschutz

3.2.1.2.1   Verteidigungsfall

3.2.1.2.2   Zivile Katastrophen

3.2.1.3   Werkfeuerwehr

3.2.1.4   THW

3.2.1.5   Polizei

3.2.1.6   Allgemeine Ordnungsbehörden

3.2.1.7   Bundespolizei

3.2.1.8   Bundeswehr – zivil-militärische Zusammenarbeit

3.2.1.9   Deutsche Bahn AG

3.2.1.10  Straßenbaulastträger

3.2.1.11  Untere Wasserbehörde

3.2.1.12  Forstbehörde

3.2.1.13  Staatliche Ämter für Arbeitsschutz

3.2.1.14  Bergamt

3.2.1.15  Bezirksschornsteinfegermeister

3.2.1.16  Gesundheitsamt

3.2.1.17  Veterinärbehörden

3.2.2   Bestimmtheit und Form des Verwaltungsakts

3.2.3   Ermächtigungsgrundlage

3.2.3.1   Vorliegen der Voraussetzungen

3.2.4   Befugnisse nach den Brandschutzgesetzen

3.2.4.1   Generalklausel

3.2.4.2   Betreten von Grundstücken, Gebäuden und Schiffen und andere Duldungspflichten

3.2.4.3   Betreten von Wohnungen

3.2.4.4   Sperren von Einsatzstellen

3.2.4.5   Beseitigung von störenden Sachen

3.2.4.6   Maßnahmen gegen Personen

3.2.4.7   Entschädigung

3.2.5   Fehlerfreies Ermessen

3.2.5.1   Richtiger Adressat

3.2.5.2   Störer

3.2.6   Verhältnismäßigkeit

3.2.6.1   Geeignetheit der Maßnahme

3.2.6.2   Erforderlichkeit

3.2.6.3   Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne

3.2.7   Zulässigkeit von Zwangsmitteln

3.2.7.1   Verpflichtung zum Handeln, Unterlassen oder Dulden

3.2.7.2   Anwendung von Zwangsmitteln

3.2.7.2.1   Arten von Zwangsmitteln

3.2.7.2.2   Wahl des richtigen Zwangsmittels

3.2.7.2.3   Androhung des Zwangsmittels

3.2.7.2.4   Durchführung des Zwanges

4 Einsatzleitung

4.1   Einsatzleiter

4.2   Einsatzstab bzw. gemeinsame Einsatzleitung

4.3   Einsatzleitung in Werken mit Werkfeuerwehr

4.4   Einsatzleitung und Medien

5 Amtshilfe

5.1   Begriff und Grundsätze der Amtshilfe

5.2   Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe

5.3   Kosten der Amtshilfe

5.4   Begriff der überörtlichen Hilfe

5.5   Anforderung überörtlicher Hilfe

5.6   Kosten der überörtlichen Hilfe

5.7   Anforderung anderer Einheiten

6 Die Fahrt zur Einsatzstelle

6.1   Qualifikation des Fahrers

6.2   Sonderrechte

6.3   Unfall während der Einsatzfahrt

6.4   Fahrt mit Privatfahrzeugen

6.5   Haftungsfragen bei Nutzung privater Fahrzeuge

7 Das Verlassen der Einsatzstelle

8 Straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Einsatzkräften

8.1   Strafrechtliche Verantwortlichkeit

8.1.1   Strafbarkeit und Strafen

8.1.1.1   Voraussetzungen der Strafbarkeit

8.1.1.2   Organisationsverschulden

8.1.1.3   Strafen

8.1.2   Strafverfahrensrecht

8.1.2.1   Ermittlungsverfahren

8.1.2.2   Zwischenverfahren

8.1.2.3   Hauptverfahren

8.1.2.4   Strafbefehlsverfahren; Einstellung des Verfahrens

8.1.3   Rechtfertigungsgründe: rechtfertigender Notstand, Notwehr, Festnahmerecht

8.1.3.1   Rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB

8.1.3.2   Notwehr und Nothilfe

8.1.3.3   Festnahmerecht

8.1.3.4   Irrtümliche Annahme eines Rechtfertigungsgrundes

8.1.4   Ordnungswidrigkeitenrecht

8.2   Zivilrechtliche Verantwortlichkeit

8.2.1   Amtshaftung

8.2.1.1   Grundsätze

8.2.1.2   Amtshaftung für herangezogene Dritte

8.2.1.3   Beschränkung der Amtshaftung

8.2.1.4   Regress

8.2.2   Gefährdungshaftung beim Betrieb von Kraftfahrzeugen

9 Haftung für Schäden von Einsatzkräften

9.1   Gesundheitliche Schäden und Folgeschäden

9.1.1   Feuerwehrtechnische Beamte

9.1.2   Ehrenamtliche Feuerwehrangehörige

9.2   Verdienstausfall

9.3   Sachschäden

9.4   Sonstige Schäden

9.5   Ansprüche gegen Dritte

10 Kosten des Feuerwehreinsatzes

10.1  Grundsatz der Kostenfreiheit

10.1.1  Kostenpflichtige Feuerwehreinsätze nach den Brandschutzgesetzen

10.1.1.1  Einzelfälle

10.1.1.1.1  Kostenpflicht bei böswilliger Alarmierung

10.1.1.1.2  Kostenpflicht des Verursachers

10.1.1.1.3  Kostenpflicht bei durch Verkehrsmittel verursachten Einsätzen

10.1.1.1.4  Kostenpflicht in sonstigen Fällen der Gefährdungshaftung

10.1.1.2  Kostenpflicht bei Fehlalarmierung durch automatische Brandmeldeanlagen

10.1.1.3  Ersatzpflicht bei Tätigwerden für andere Behörden

10.1.1.4  Kostenbescheid

10.1.1.5  Sonstige Anspruchsgrundlagen für Kostenersatz

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

[13]1    Allgemeines Staats- und Verwaltungsrecht

1.1   Staatsaufbau

Der Staatsaufbau ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geregelt. Dieses wurde am 23. Mai 1949 durch den Parlamentarischen Rat1 unter Beteiligung von Vertretern Berlins ausgefertigt und durch den Präsidenten des Parlamentarischen Rates verkündet. Die Bundesrepublik Deutschland besteht seit dem 3. Oktober 1990 auf Grund des Einigungsvertrages aus den 16 Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Art. 20 GG legt unabänderlich fest, dass es sich hierbei um einen demokratischen und sozialen Bundes- und Rechtsstaat handelt. Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. Ein weiteres wesentliches Merkmal des demokra[14]tischen Staats ist die Gewaltenteilung in Bund und Ländern. Gesetzgebende Gewalt (Bundestag/Bundesrat und Länderparlamente), ausführende Gewalt (Regierung und Verwaltung) und rechtsprechende Gewalt (Gerichte) sind eigenständig. Die Gemeinden sind als Selbstverwaltungskörperschaften dem Bereich der Verwaltung zuzurechnen. Ihnen wird durch Art. 28 Abs. 2 GG das Recht garantiert, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Zu diesem Selbstverwaltungsrecht zählt seit jeher der Brandschutz.

1.2   Gesetzgebungskompetenzen im Brand- und Katastrophenschutz und allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht

Gesetze werden durch Gesetzesbeschlüsse von Bundestag oder Landtag2 erlassen. Zu ihrer Gültigkeit müssen die Gesetze im Bundesgesetzblatt bzw. den Gesetzblättern der Bundesländer verkündet werden. Sie müssen zuvor vom Bundespräsidenten bzw. Ministerpräsidenten unterzeichnet werden. Die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern sind durch die Art. 70 bis 75 GG klar abgegrenzt. Im Bereich des Feuer- und Katastrophenschutzrechts und des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts besitzt der Bund keine ihm aus[15]drücklich zugebilligte Gesetzgebungszuständigkeit, sodass dies in die allgemeine Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fällt. Das hat zur Folge, dass in den 16 Bundesländern zum Teil sehr unterschiedliche Rechtsgrundlagen bestehen. Der Bund ist jedoch gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG allein zuständig für den Schutz der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall3. Durch die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit4 des Bundes im Bereich der Wirtschaft, des Gesundheitsschutzes, des Umweltschutzes, des Straßenverkehrs sowie seine ausschließliche Zuständigkeit im Bereich des Strahlenschutzes gibt es jedoch auch zahlreiche Bundesgesetze und Rechtsverordnungen5, die im Bereich der Feuerwehr von erheblicher Bedeutung sind. Nur beispielhaft seien hier genannt: Atomgesetz, Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), Gewerbeordnung (GewO), Wasserhaushaltsgesetz (WHG), Straßenverkehrsgesetz (StVG), Straßenverkehrs-Ord[16]nung (StVO), Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB).

Von immer größer werdender Bedeutung sind im Übrigen Rechtsnormen der Europäischen Gemeinschaft6, an die der Bund gemäß Art. 23 GG Hoheitsrechte und damit auch Rechtssetzungsbefugnis abgeben kann7.

Die Länder haben die Möglichkeit, über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mitzuwirken. Bestehen in einem Bereich zugleich Bundes- und Landesgesetze, so gilt im Kollisionsfall nach Art. 31 GG der Vorrang des Bundesrechts (Bundesrecht bricht Landesrecht).

1

Der Parlamentarische Rat tagte vom 1. September 1948 bis zum 8. Mai 1949 und erarbeitete den Text des GG auf Grund der Vorarbeiten eines von den Bundesländern eingesetzten Sachverständigenausschusses (Verfassungskonvent vom Herrenchiemsee). Der Parlamentarische Rat bestand aus 65 Mitgliedern der ursprünglichen Bundesländer und fünf Vertretern Berlins.

2

In den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin vom Senat

3

Maßgebend ist das Zivilschutzgesetz (ZSG)

4

Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht Gebrauch macht. Der Bund hat die Gesetzgebungszuständigkeit, wenn eine bundesrechtliche Regelung zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse oder zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist (also sehr häufig).

5

Rechtsverordnungen sind wie Gesetze zu beachten. Sie können erlassen werden, wenn der Verordnungsgeber hierzu zuvor durch ein Gesetz ermächtigt worden ist (Art. 80 GG). Rechtsverordnungen dienen der Entlastung der Parlamente. In ihnen werden häufig technische Details geregelt. Wesentliche Regelungen sind jedoch dem Gesetz vorbehalten.

6

Vgl. Fischer, Feuerwehr und europäisches Recht, Der Feuerwehrmann, 2012, 331; Das Feuerwehr-Lehrbuch, 4. Auflage, W. Kohlhammer Verlag, Kapitel 2.1 »Rechtsquellen«

7

Nach Art. 249 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union gilt Folgendes: Zur Erfüllung ihrer Aufgaben und nach Maßgabe des Vertrags erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam, der Rat und die Kommission Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen, sprechen Empfehlungen aus oder geben Stellungnahmen ab. Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Die Entscheidung ist in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet. Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich.

[17]2    Grundrechte

Der 1. Abschnitt des Grundgesetzes beginnt mit den Grundrechten. Dies zeigt den überragenden Stellenwert, den sie innerhalb der verfassungsrechtlichen Ordnung besitzen. Die Grundrechte binden nach Art. 1 Abs. 3 GG Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Der Staat darf grundsätzlich nur auf Grund einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage in Grundrechte eingreifen. Der Eingriff bedarf also eines Gesetzes, einer Rechtsverordnung oder Satzung als Ermächtigungs- oder Eingriffsgrundlage. Wesentliche Eingriffe bleiben dabei den Gesetzen vorbehalten. Die Eingriffsbefugnisse müssen gesetzlich nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein, sodass Beschränkungen der Grundrechte voraussehbar und berechenbar sind. Der Wesensgehalt eines Grundrechts darf jedoch in keinem Fall angetastet werden (Art. 19 Abs. 2 GG).

Das Gesetz, mit dem ein Grundrecht eingeschränkt wird, muss nach Art. 19 Abs. 1 GG das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen1. Die Brandschutzgesetze der Länder ermächtigen die öffentlichen Feuerwehren zu Eingriffen in [18]die Freiheit der Person (Art. 2 GG), in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und das Eigentum (Art. 14 GG)2.

Das Grundgesetz verlangt jedoch vom Staat nicht nur die Unterlassung von Grundrechtsverletzungen, sondern auch deren aktive Verhinderung. So hat der Staat die Schutzpflicht, sich schützend und fördernd vor das Leben zu stellen. Die Schutzpflicht besteht nach der Rechtsprechung des BVerfG auch für die körperliche Unversehrtheit. Bei der Erfüllung dieser Schutzpflichten hat der Staat jedoch einen weiten Spielraum.

Rechtswidrige staatliche Eingriffe in Grundrechte oder pflichtwidriges Unterlassen brauchen nicht geduldet zu werden und verpflichten grundsätzlich zum Schadensersatz. Dem Verletzten steht nach Art. 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg offen. Das ist im Regelfall der Verwaltungsrechtsweg (vgl. § 40 VwGO). Wird wegen einer Rechtsverletzung Schadensersatz verlangt, sind grundsätzlich die ordentlichen Gerichte zuständig. Dies sind bei Ansprüchen aus Amtshaftung3 die Landgerichte (§ 72 Abs. 2 Ziff. 2 GVG).

Die folgenden Grundrechte sind im Feuerwehreinsatz von besonderer Bedeutung.

[19]2.1   Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde)

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Der Verfassungsgeber hat den Schutz der Menschenwürde in Besinnung auf die Verbrechen des nationalsozialistischen Staates an den Anfang des GG gestellt. Die Würde des Menschen ist der oberste Wert des GG4 und ein unabänderliches Prinzip5. Eine Verletzung der Menschenwürde liegt vor, wenn der Mensch zum reinen Objekt staatlichen Handelns und in nicht mehr vertretbarer Weise unter Missachtung seines Menschseins behandelt wird. Damit schützt Art. 1 Abs. 1 GG vor schweren willkürlichen Maßnahmen, die unter Missachtung der menschlichen Identität vorgenommen werden. In Anbetracht des Auftrages und des Selbstverständnisses der Feuerwehren ist die Verletzung der Menschenwürde durch eine Einsatzmaßnahme der Feuerwehr kaum denkbar. Der Schutz der Menschenwürde kann die Feuerwehr jedoch zum Handeln zwingen.

Beispiel:

Bei einem Unglücksfall sind eingeklemmte Personen schwer verletzt und teilweise nicht mehr bekleidet. Ein Kamerateam versucht dies möglichst detailliert zu fil[20]men6. Soweit möglich, sind die verletzten Personen abzuschirmen7. Damit wird zwar in die durch Art. 5 GG geschützte Pressefreiheit eingegriffen, dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, da die Pressefreiheit ihre Schranken bei Verletzung der Menschenwürde in Art. 1 GG findet8.

2.2   Art. 2 GG (Freiheitsrechte)

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Bei Art. 2 Abs. 1 GG handelt es sich um eine Generalklausel, die die allgemeine Handlungsfreiheit garantiert und jegliches [21]menschliches Verhalten umfasst. Auf Grund seiner Weite handelt es sich um ein »Auffanggrundrecht«. Bestehen speziellere Grundrechte, ist der Eingriff nur an ihnen zu messen (z. B. Recht der freien Meinungsäußerung Art. 5 GG oder Versammlungsfreiheit Art. 8 GG). Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit findet seine Grenze, soweit es Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt. Unter der verfassungsmäßigen Ordnung sind alle gültigen Rechtsnormen zu verstehen. Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (allgemeine Handlungsfreiheit) kann also durch Gesetze oder andere Normen (Rechtsverordnungen, Satzungen) eingeschränkt werden, soweit diese einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten9.

Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und die Freiheit der Person darf vom Gesetzgeber nur unter sorgfältiger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch Gesetz eingeschränkt werden. Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG eine umfassende Schutzpflicht des Staates, die es gebietet, dass sich der Staat schützend und fördernd vor das Leben stellt.

[22]Auch die Feuerwehr kann in die durch Art. 2 GG geschützten Grundrechte eingreifen.

Beispiel:

Die Feuerwehr zieht bei einem größeren Einsatz Personen zur Hilfeleistung heran. Zu diesem Eingriff ist die Feuerwehr durch die entsprechenden Vorschriften in den Brandschutzgesetzen ermächtigt10.

2.3   Art. 3 GG (Gleichheitsgrundsatz)

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

[23]Der Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln. Zunächst ist daher zu prüfen, ob die betroffenen Personen oder Situationen vergleichbar sind, sich also unter einen gemeinsamen Oberbegriff einordnen lassen und ob diese unterschiedlich behandelt werden.

Art. 3 GG verbietet nach der Rechtsprechung des BVerfG darüber hinaus auch, wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Die Prüfung, ob der Gleichheitsgrundsatz berührt ist, ist dann in umgekehrter Weise vorzunehmen. Ergibt die Prüfung eine Ungleichbehandlung von Gleichen oder eine Gleichbehandlung von Ungleichen, stellt sich die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

Wie bei Eingriffen in die Freiheit muss die Ungleichbehandlung oder die Gleichbehandlung von Ungleichen

einen legitimen Zweck verfolgen,

zur Erreichung des Zweckes geeignet und notwendig sein und

auch sonst in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen.

Nach den Unterschieden von Mann und Frau oder den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG zu differenzieren, ist für sich allein kein legitimer Zweck.

Beispiel:

Eine Beschränkung der Feuerwehrdienstpflicht nur auf Männer ist wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unzulässig. Denn es sind keine Gründe feststellbar, die eine Beschränkung der Feuerwehrdienstpflicht auf Männer zwingend erforderlich [24]macht, um Probleme zu lösen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder Frauen auftreten11.

Beispiel:

Bei einem Hochwassereinsatz pumpt die Feuerwehr zahlreiche Keller leer. Nur beim Haus von Herrn Nörgler weigert sich der Einsatzleiter, da dieser sich in einem Leserbrief schon kritisch über die Feuerwehr geäußert hat. Die Ungleichbehandlung ist rechtswidrig, da sie keinen legitimen Zweck verfolgt, sondern der Disziplinierung dienen soll.

Von erheblicher Bedeutung ist die Feststellung, dass es jedoch keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, also auf Fehlerwiederholung gibt. Waren bisherige Verwaltungsvorschriften oder die Verwaltungspraxis rechtswidrig und geht die Verwaltung nunmehr zu rechtmäßigem Handeln über, kann man sich dagegen nicht unter Berufung auf das Gleichheitsgebot wehren.

Beispiel:

Die Feuerwehr hat dem Unternehmen »Schneller Löscher« bislang kostenlos Räumlichkeiten für gewerbliche Verkaufsveranstaltungen überlassen. Das Unternehmen »Brand-Aus« kann gegen diese Praxis zwar vorgehen, es kann aber nicht unter Berufung auf Art. 3 GG selbst eine solche rechtswidrige Vergünstigung verlangen.

[25]2.4   Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung)

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3–6) (vom Abdruck der Absätze 3-6 wurde abgesehen)

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im Übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

Das Grundrecht schützt nicht nur die Wohnung im wörtlichen Sinne. Zum Schutzbereich gehört vielmehr die gesamte räumlich durch Bauteile abgeschirmte Privatsphäre. Entscheidend sind der nach außen erkennbare Wille des Einzelnen zur ausschließlich privaten Zugänglichkeit von Räumen und Örtlichkeiten sowie die rechtliche Anerkennung dieser individuellen Bestimmung der räumlichen Privatsphäre. Damit gehören zum durch Art. 13 GG geschützten Wohnungsbereich auch Keller und sonstige Nebenräume, Garagen, Zelte, Wohnmobile, Schiffe, Hütten usw. Selbst nicht umbaute Flächen können [26]unter den Schutz fallen, soweit sie von der Öffentlichkeit abgeschirmt sind oder sich in unmittelbarer Nähe eines Gebäudes befinden12. Auch Betriebs- und Geschäftsräume sind in den Schutz des Art. 13 GG einbezogen, soweit und solange sie nicht für jedermann offen zugänglich sind (z. B. Laden- oder Verkaufsräume während der üblichen Öffnungszeiten).

Das Grundrecht verbietet das Eindringen in die geschützten Räumlichkeiten durch die staatliche Gewalt. Von einem Eindringen kann man jedoch nur sprechen, wenn die geschützte Örtlichkeit gegen den Willen des Betroffenen betreten wird. Insofern werden Eingriffe in Art. 13 GG sehr selten sein, da im Schadensfall zumeist nur die hiervon auch betroffenen Räumlichkeiten betreten werden müssen und die Betroffenen damit regelmäßig einverstanden sein werden.

Die Feuerwehr ist aber berechtigt, in die Wohnungen auch gegen den Willen der Betroffenen einzudringen, wenn dies zur Erreichung des Einsatzzieles erforderlich ist und eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Eine gemeine Gefahr oder Lebensgefahr ist nicht erforderlich, da die Feuerwehr auf Grund von Gesetzen zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Ordnung handelt13 (Art. 13 Abs. 7 GG).

[27]Beispiel:

Bei einem Zimmerbrand in einem Altbau will der Einsatzleiter sich in der Nachbarwohnung vergewissern, ob sich der Brand nicht auf diese Wohnung ausgebreitet hat. Der Wohnungsinhaber verweigert dies mit dem Bemerken, dies habe er schon kontrolliert und er wolle jetzt nicht weiter gestört werden. Hier können auch gegen den Willen des Betroffenen die durch Brandausweitung gefährdeten Bereiche der Wohnung betreten werden.

2.5   Art. 14 GG (Schutz des Eigentums und des Erbrechts)

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

[28]Unter Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG sind grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte zu verstehen. Damit fallen unter den Begriff nicht nur das Eigentum im engeren Sinn, sondern auch der Besitz (z. B. des Mieters), Forderungen und sonstige vermögenswerte Rechte (z. B. private Fischereirechte) und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Grundsätzlich ist der Bürger befugt, mit seinem Eigentum nach seinem Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903 BGB). In das Eigentum darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Im Feuerwehreinsatz kann es aus vielfältigen Gründen erforderlich sein, in fremdes Eigentum einzugreifen. Die Brandschutzgesetze der Länder ermächtigen die Feuerwehr dazu14. Für Schäden, die durch Einsatzmaßnahmen am nicht vom Schadensereignis betroffenen Eigentum entstehen, ist grundsätzlich Schadensersatz zu leisten.

Beispiel:

Der Einsatzleiter ordnet bei einem Bauernhofbrand auf Grund mangelhafter Löschwasserversorgung an, dass Löschwasser aus einem Fischteich entnommen wird. Dieser Maßnahme kann weder der Eigentümer noch der Nutzungsberechtigte widersprechen. Schäden, die am [29]Teich oder dem Fischbesatz entstehen, muss die Gemeinde ersetzen.

Beispiel:

Der Einsatzleiter zieht bei einer Technischen Hilfeleistung einen Lkw heran, den sich der zufällig vorbeikommende Unternehmer selbst nur gemietet hat. Schäden an dem Fahrzeug sind dem Eigentümer zu ersetzen. Dem Mieter ist auf Verlangen der Nutzungsausfall zu ersetzen, da in sein durch die Eigentumsgarantie geschütztes Besitzrecht eingegriffen wurde.

2.6   Verfassungsauftrag Umweltschutz/Tierschutz

Der Umweltschutz und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen genießen immer größere Bedeutung. Durch verfassungsänderndes Gesetz vom 27. Oktober 1994 wurde in das GG folgender Artikel eingefügt.

Art. 20 a GG (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere)

Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

[30]Bei dieser Vorschrift handelt es sich nicht um ein Grundrecht, sondern um einen Handlungsauftrag an den Staat, also auch an die Verwaltung und die Feuerwehren. Insbesondere bei der Auslegung von Gesetzen und bei Ermessenstatbeständen und damit auch bei der Frage nach der Verhältnismäßigkeit kommt diesem Auftrag Bedeutung zu. Bei der gebotenen Abwägung ist dann zu berücksichtigen, dass der Umweltschutz und der Tierschutz von der Verfassung her einen erheblichen Stellenwert besitzen. Im Hinblick auf die Grundrechte (z. B. der allgemeinen Handlungsfreiheit oder des Eigentums) kann Art. 20 a GG somit Beschränkungen auch in größerem Umfang rechtfertigen.

1

Vgl. § 36 bwFwG, Art. 30 bayFwG, § 18 berlFwG, § 16 BbgBKG, § 66 BremHilfeG, § 29 hmbFwG, § 64 HBKG, § 29 MV BSchG, § 39 NBrandSchG, § 48 nrwBHKG, § 40 rhpfLBKG, § 55 SBKG, § 74 SächsBRKG, § 31 sa-anh.BrSchG, § 38 schlhBrSchG, § 41 ThürBKG

2

Art. 19 Abs. 1 verlangt nach neuerer Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG 83,130,154) allerdings nicht die Nennung des Art. 14 GG, da das Zitiergebot nur gilt, wenn das Grundrecht eine ausdrückliche Ermächtigung des Gesetzgebers zur Einschränkung enthält (etwa Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG). Das Grundrecht auf Eigentum nach Art. 14 GG ist hingegen schon nach dem Wortlaut in Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt. So findet sich Art. 14 nicht mehr in § 48 nrwBHKG.

3

Siehe Kapitel 8.2.1

4

BVerfG E 5, 85/204

5

Art. 79 Abs. 3 GG verbietet ausdrücklich eine Änderung der in Art. 1 GG festgelegten Grundsätze.

6

Zu den Problemen beim »Reality-TV« siehe Der Feuerwehrmann 1993, 124 ff. und BRANDSchutz/Deutsche Feuerwehr-Zeitung 1993, 316 f.

7

Siehe auch Sperren von Einsatzstellen, Platzverweis

8

Vgl. den Fall der BF Hamburg in BRANDSchutz/Deutsche Feuerwehr-Zeitung 1997, 938 und 1998, 72 f. sowie allgemein zum Opferschutz, Fischer, Der Feuerwehrmann 2006, 162, Das Spannungsfeld zwischen Opferschutz und Informations- und Pressefreiheit

9

Das Gesetz muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, also einen zulässigen Zweck (z. B. Brandschutz) mit zulässigen und geeigneten Mitteln verfolgen. Diese Mittel müssen zur Erreichung des Zwecks notwendig sein und auch im Übrigen in einem angemessenen Verhältnis (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) zum verfolgten Zweck stehen. Zudem müssen Zuständigkeit und Gesetzgebungsverfahren und Art. 19 Abs. 1, Abs. 2 GG (Wesensgehaltsgarantie, Zitiergebot) beachtet sein.

10

§ 30 Abs. 2 bwFwG, Art. 24 Abs. 1 bayFwG, § 13 BbgBKG, § 5 Abs. 1 BremHilfeG, § 49 Abs. 1 HBKG, § 23 MV BSchG, § 24 Abs. 1 NBrandSchG, § 43 Abs. 1 nrwBHKG, § 27 Abs. 1 rhpfLBKG, § 39 SBKG, § 54 SächsBRKG, § 26 Abs. 1 sa-anh.BrSchG, § 25 schlhBrSchG, § 40 ThürBKG

11

BVerfG Beschluss vom 24.01.1995, NJW 1995, 1733, zur Unzulässigkeit der Feuerwehrabgabe bzw. Feuerschutzabgabe

12

Maunz/Dürig, Art. 13 Rdnr. 3c

13

§ 31 bwFwG, Art. 24 Abs. 2 bayFwG, § 14 Abs. 1 berlFwG, § 15 Abs. 1 S. 1 BbgBKG, § 5 Abs. 3 BremHilfeG, § 46 Abs. 1 HBKG, § 24 MV BSchG, § 24 Abs. 1 Nr. 3 NBrandSchG, § 42 Abs. 2 nrwBHKG, § 28 Abs. 1 rhpfLBKG, § 40 Abs. 1 SBKG, § 55 Abs. 1 SächsBRKG, § 26 Abs. 3 sa-anh.BrSchG, § 28 schlhBrSchG, § 42 Abs. 1 ThürBKG

14

Z. B. § 30 Abs. 3, 31 Abs. 2 bwFwG, Art. 24 Abs. 3 bayFwG, § 14 Abs. 2 berlFwG, § 13 Abs. 3, 15 Abs. 2BbgBKG, § 5 BremHilfeG, §§ 46, 49 Abs. 2 HBKG, § 23 Abs. 3, 24 MV BSchG, § 24 Abs. 1 Nr. 4 ndsBSchG, § 27 Abs. 1, 43 Abs. 2, 44 nrwBHKG, §§ 27, 28 rhpfLBKG, § 39 Abs. 3, 40 SBKG, §§ 54, 55 SächsBRKG, § 26 Abs. 3, 4 sa-anh.BSchG, §§ 25, 28 schlhBrSchG, §§ 40 Abs. 3, 42 ThürBKG

[31]3    Eingriffe in Rechte

3.1   Art der Eingriffe

3.1.1   Der belastende Verwaltungsakt

3.1.1.1   Anordnungen der Feuerwehr als Verwaltungsakt

Die Feuerwehr greift im Einsatz durch Anordnungen oder durch tatsächliches Handeln in die Rechte anderer ein. In Betracht kommen Verbote, Gebote und Duldungsgebote. Solche Anordnungen sind grundsätzlich als belastende Verwaltungsakte (VA) zur Gefahrenabwehr anzusehen. Der VA ist in § 35 VwVfG1 definiert. Ein VA liegt, verkürzt ausgedrückt, immer dann vor, wenn gleichzeitig

die Feuerwehr etwas hoheitlich regelt und ein Einzelfall geregelt werden soll und

die Regelung unmittelbare Außenwirkung hat.

[32]Grundsätzlich handelt die Feuerwehr im Einsatz hoheitlich, wenn sie auf Grund der BSchG der Länder tätig wird, es also um den Vollzug von öffentlich-rechtlichen Vorschriften geht. Keine VAe sind hingegen mangels hoheitlicher Regelung alle privatrechtlichen Rechtsakte, bei denen kein Über-/Unterordnungsverhältnis besteht.

Beispiel:

Erwirbt die Feuerwehr an einer Tankstelle Treibstoff, handelt sie wie jeder Bürger privatrechtlich und schließt einen Kaufvertrag nach den §§ 433 ff BGB ab. Es handelt sich nicht um einen VA.

Beispiel:

Die Feuerwehr zieht bei einem Einsatz zur Unterstützung einen Landwirt mit seinem Traktor mit Seilwinde heran. Der Landwirt wird hier nicht im Rahmen eines Werkvertrages für die Feuerwehr tätig. Denn er darf sich der hoheitlichen Anordnung (VA) des Einsatzleiters, tätig zu werden auf Grund der Vorschriften der BSchG nicht entziehen. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Herangezogenen und der Feuerwehr bestimmt sich in einem solchen Fall also ausschließlich nach öffentlichem Recht, also den BSchG.

Im Einzelfall kommt es auf den Willen des Einsatzleiters an, der unabhängig von seinen Rechten nach den BSchG auch die Möglichkeit hat, zur Sicherung des Einsatzerfolges privatrechtliche Verträge zu schließen. Ist Eile geboten und stehen keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung, wird er im Zweifel jedoch immer hoheitlich handeln.

Die Einordnung einer Anordnung als VA ist von erheblicher rechtlicher Bedeutung. Dadurch ist das Verwaltungsverfah[33]rens-, das Verwaltungsvollstreckungs- und das Verwaltungsprozessrecht anzuwenden.

Das Verwaltungsverfahren richtet sich nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und im Bereich der Feuerwehr nach denen der Länder2. Für Anordnungen der Feuerwehr im Einsatz sind nur wenige Vorschriften des VwVfG von Bedeutung, da naturgemäß ein »förmliches Verwaltungsverfahren« nicht durchgeführt werden kann.