Rechtsfragen beim Führen von Feuerwehrfahrzeugen - Ralf Fischer - E-Book

Rechtsfragen beim Führen von Feuerwehrfahrzeugen E-Book

Ralf Fischer

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Beschreibung

Das Sonderfahrrecht von Einsatzfahrzeugen, das die Einsatzkräfte unter bestimmten Bedingungen von der Straßenverkehrsordnung befreit, ist nur ein Beispiel dafür, dass sich die Feuerwehr bei Einsatzfahrten häufig innerhalb von umfangreichen und komplexen Gesetzesgrundlagen bewegt. Damit das Ziel sicher und ohne gegen Gesetze zu verstoßen erreicht wird, müssen insgesamt viele Aspekte bekannt sein und umgesetzt werden. Der Autor bietet eine umfangreiche Übersicht zum Fahren von Feuerwehrfahrzeugen unter Berücksichtigung der länderspezifischen Regelungen. Ergänzungen zu den Bereichen Fahrpsychologie und Fahrphysik runden den Titel ab.

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Rotes Heft 106

Rechtsfragen beim Führen von Feuerwehrfahrzeugen

von

Ralf Fischer

Direktor des Amtsgerichts Schmallenberg (NRW) Stadtbrandinspektor der Freiwilligen Feuerwehr Schmallenberg

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Die Abbildungen stammen – sofern nicht anders angegeben – vom Autor.

1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print: ISBN 978-3-17-036490-5

E-Book-Formate:

pdf:    ISBN 978-3-17-036492-9

epub: ISBN 978-3-17-036493-6

mobi: ISBN 978-3-17-036494-3

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1  Rechtsgrundlagen im Straßenverkehrsrecht

2  Deutsche Gesetze und Verordnungen im Straßenverkehrsrecht

2.1 Das Straßenverkehrsgesetz – StVG –

2.2 Die Straßenverkehrsordnung – StVO –

2.2.1 Die allgemeinen Grundregeln für den Straßenverkehr in § 1 StVO

2.2.2 Die speziellen Grundregeln für den Straßenverkehr

2.2.2.1   Geschwindigkeit

2.2.2.2   Abstand

2.2.2.3   Überholen

2.2.2.4   Vorbeifahren

2.2.2.5   Vorfahrt

2.2.2.6   Besondere Verkehrslagen

2.2.2.7   Halten und Parken

2.2.2.8   Besatzung und Sicherheitsgurte

2.2.2.9   Sonstige Pflichten von Fahrzeugführenden

2.2.2.10 Fußgängerüberwege

2.2.2.11 Fahren im Verband

2.2.2.12 Umweltschutz, Sonn- und Feiertagsfahrverbot

2.2.2.13 Verkehrshindernisse

2.2.2.14 Unfall

2.2.2.15 Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten

3  Die Fahrt zur Einsatzstelle mit Sonder- und Vorrangrechten

3.1 § 35 StVO Befreiung von den Vorschriften der StVO

3.2 Befreite Organisationen und Fahrzeuge

3.2.1 Feuerwehren

3.2.2 Katastrophenschutz

3.2.3 Polizei

3.2.4 Fahrzeuge des Rettungsdienstes

3.2.4.1   Zugehörigkeit zum Rettungsdienst

3.2.4.2   Höchste Eile zur Rettung von Menschenleben oder zur Abwehr von schweren Gesundheitsschäden

3.2.4.3   RTW und NEF als Einheit

3.3 Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 Abs. 1 StVO

3.3.1 Erfüllung hoheitlicher Aufgaben

3.3.2 Dringlichkeit

3.4 Befreiung von bestimmten Vorschriften

3.4.1 § 1 Allgemeine Grundregel

3.4.2 § 3 Geschwindigkeit

3.4.3 § 4 Abstand

3.4.4 § 5 Überholen

3.4.5 § 6 Vorbeifahren

3.4.6 Vorfahrt / Lichtzeichenanlagen

3.4.6.1   Allgemeine Vorfahrtsregel und Vorfahrtsregelung durch Schilder

3.4.6.2   Kreisverkehr

3.4.6.3   Zeichen von Polizeibeamten

3.4.6.4   Vorfahrtsregelung durch Lichtzeichenanlagen

3.4.7 Straßennutzung

3.4.7.1   Nutzung verschiedener Fahrstreifen

3.4.8 Verkehrszeichen

3.5 Fahrten mit blauem Blinklicht und Einsatzhorn

3.5.1 Fahrten mit blauem Blinklicht allein

3.5.2 Fahrten mit blauem Blinklicht und Einsatzhorn zusammen

3.5.2.1   Voraussetzungen

3.5.2.2   Rechtsfolgen

3.6 Sonderfälle

3.6.1 Fahrten mit sonstigen mit Sondersignalanlage ausgerüsteten Fahrzeugen

3.6.2 Fahrten zu Übungs- und Schulungszwecken

3.6.2.1   Fahrten ohne Sonderrechte

3.6.2.2   Fahrten mit Sonderrechten

3.6.2.3   Fahrten mit blauem Blinklicht und Einsatzhorn

3.6.3 Fahrten mit Privatfahrzeugen

3.7 Die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO

3.7.1 Verantwortung für den Betrieb der Fahrzeuge

3.7.1.1   Der Fahrzeugführer

3.7.1.2   Der Halter

3.7.2 Sondersignalanlagen

3.7.2.1   Blaues Blinklicht und Heckwarnsysteme

3.7.2.2   Akustische Signaleinrichtungen

3.7.2.3   Sonderrechte nach StVZO

3.8 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV)

3.8.1 Einteilung der für Einsatzfahrzeuge relevanten Fahrerlaubnisklassen

3.8.2 Geltungsdauer der Fahrerlaubnis

3.8.3 Der „Feuerwehrführerschein“ nach § 2 Abs. 10 a StVG

3.8.4 Ausnahmen von der Fahrerlaubnisverordnung

3.9 Die Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV

3.9.1 Ausnahmen für Anhänger

3.9.2 Halterverantwortlichkeit

3.9.3 Sonderrechte

3.10 Spezielle landesrechtliche Vorschriften und Vorgaben

3.11 Sonderfragen

3.11.1 Blockierte Einsatzwege

3.11.2 Nutzung von Telefon sowie Funk-, Navigations- und sonstigen elektronischen Geräten

3.11.2.1   BOS-Funk

3.11.2.2   Nutzung von Mobiltelefonen

3.11.2.3   Nutzung von Navigationsgeräten und Tablets

3.11.2.4   Nutzung von Dash-Cams

3.12 Ausbildung

4  Zivilrechtliche Haftung

4.1 Die Gefährdungshaftung nach § 7 StVG

4.2 Die Haftung des Fahrers nach § 18 StVG

4.3 Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG

4.3.1 Haftung neben der Haftung aus dem StVG

4.3.2 Beamte und »haftungsrechtliche Beamte«

4.3.3 Die Fahrt mit dem Einsatzfahrzeug als hoheitliche Tätigkeit

4.3.4 Amtspflichtverletzung

4.3.5 Alleinhaftung des Staates bzw. der öffentlichen Körperschaft

4.4 Berücksichtigung von Mitverursachung und Mitverschulden

5  Ordnungswidrigkeiten und Straftaten beim Führen von Einsatzfahrzeugen

5.1 Unterscheidung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten

5.2 Straftaten

5.2.1 Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit

5.2.2 Vorsatz und Fahrlässigkeit

5.2.3 Rechtswidrigkeit und Rechtfertigungsgründe

5.2.4 Schuld und Schuldunfähigkeit

5.2.5 StGB

5.2.5.1   § 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

5.2.5.2   Beleidigung § 185 StGB

5.2.5.3   Fahrlässige Tötung § 222 StGB

5.2.5.4   Fahrlässige Körperverletzung § 229 StGB

5.2.5.5   Nötigung § 240 StGB

5.2.5.6   Gefährdung des Straßenverkehrs § 315 c StGB

5.2.5.7   Trunkenheit im Verkehr § 316 StGB

5.2.6 StVG Fahren ohne Fahrerlaubnis § 21

5.2.7 PflichtVG Fahren ohne Haftpflichtversicherungsschutz § 6

5.2.8 Verfahren

5.2.8.1   Ermittlungsverfahren

5.2.8.2   Zwischenverfahren

5.2.8.3   Hauptverfahren

5.2.8.4   Strafbefehlsverfahren; Einstellung des Verfahrens

5.3 Ordnungswidrigkeiten

5.3.1 StVG

5.3.2 Ordnungswidrigkeiten nach StVO, StVZO und FeV

5.3.3 Rechtfertigender Notstand

5.3.4 Verfahren (OWiG)

6  Fahrphysik

6.1 Geschwindigkeit und gefahrene Strecke

6.2 Brems- und Anhalteweg

6.3 Kurvengrenzgeschwindigkeit

6.3 Der Kraftschluss Reifen/Fahrbahn

6.4 Folgen des Blockierens der Räder

6.5 Kippgefahren

6.6 Energie beim Unfall

7  Fahrpsychologie

7.1 Stress

7.2 Aggression

7.3 Fehleinschätzungen

7.3.1 Fahrkönnen

7.3.2 Geschwindigkeit

7.3.3 Abstand, Entfernungen

7.4 Alter und Erfahrung

7.5 Müdigkeit

7.6 Medikamente, Berauschende Mittel

7.7 Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer

7.8 Kommunikation, Verständigung

Abkürzungsverzeichnis:

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr und insbesondere das Führen von Kraftfahrzeugen ist mit einer Vielzahl teils schwieriger Rechtsfragen verbunden. Dabei werden verschiedene Rechtsgebiete, nämlich Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht, berührt. Besondere Fragen und rechtliche Probleme ergeben sich beim Führen von Einsatzfahrzeugen. Häufig werden diese allerdings auf das Sonderrecht nach § 35 StVO und auf die Rechtsfolgen des Einschaltens der Sondersignalanlage nach § 38 StVO in der Ausbildung und dienstlichen Diskussion beschränkt. Allerdings bestehen auch bei diesen Fragen im Detail häufig rechtliche Unsicherheiten oder weitergegebenes »Halbwissen«. Bei weitergehenden Problemen des Fahrerlaubnisrechts, der Haftung, der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und der erforderlichen Ausbildung beim Führen von Einsatzfahrzeugen gibt es kaum einheitliche Darstellungen. In Anlehnung an das Rote Heft »Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz« soll mit dem Roten Heft »Rechtsfragen beim Führen von Einsatzfahrzeugen« allen Interessierten eine systematische und mit Rechtsprechung belegte Übersicht gegeben und diese durch Beispielfälle verdeutlicht werden. Wesentlich sind dabei die Erörterung der Rechtsgrundlagen des Straßenverkehrsrechts, des Fahrerlaubnisrechts, der Sonderrechte – insbesondere der Fahrt zur Einsatzstelle – und des Haftungsrechts. Diese rechtlichen Fragen sind eng verknüpft mit Problemen der Fahrphysik und Fragen der Verkehrspsychologie, auf die daher gleichfalls eingegangen wird.

Aufsätze des Autors, auf die Bezug genommen wird, finden sich weitgehend unter der Rubrik Rechtsfragen auf der Homepage der Feuerwehr Schmallenberg (www.feuerwehr-schmallenberg.de).

1       Rechtsgrundlagen im Straßenverkehrsrecht

Rechtsgrundlagen sind die verkehrsrechtlichen Gesetze und Verordnungen. Zunächst ist die Gesetzgebungszuständigkeit im Straßenverkehrsrecht zu erörtern1. Gesetze werden durch Gesetzesbeschlüsse von Bundestag oder Landtag2 erlassen. Die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern sind durch die Art. 70 - 74 GG klar abgegrenzt. Im Bereich des Straßenverkehrs, des Kraftfahrwesens, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen besteht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG eine sogenannte konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Dies bedeutet nach Art. 72 Abs. 1 GG, dass die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung haben, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Durch Art. 72 Abs. 2 GG wird das Gesetzgebungsrecht weiter dahin beschränkt, dass es nur besteht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

    Literaturtipp:

Ralf Fischer: Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz, Die Roten Hefte 68, W. Kohlhammer, 4., erweiterte und überarbeitete Auflage, 2017.

Das Straßenverkehrsrecht dient dazu, Gefahren von anderen Verkehrsteilnehmern oder Dritten abzuwehren und die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zu gewährleisten. Es handelt sich insoweit um sachlich begrenztes Ordnungsrecht3. Da hier ein gesamtstaatliches Interesse an einheitlichen Verkehrsregeln in ganz Deutschland besteht4, hat der Bund zu Recht, insbesondere mit Erlass des Straßenverkehrsgesetzes, von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht. Der Landesgesetzgeber hat insoweit keine (auch keine ergänzende) Regelungskompetenz. Straßenverkehrsrechtliche Vorschriften der Bundesländer wären daher verfassungswidrig und nichtig5.

Von immer größer werdender Bedeutung sind im Übrigen Rechtsnormen der Europäischen Gemeinschaft, an die der Bund gemäß Art. 23 GG Hoheitsrechte und damit auch Rechtsetzungsbefugnis abgeben kann6. Europäisches Recht ist in einer Vielzahl deutscher Gesetze und Vorschriften im Bereich des Verkehrsrechts durch nationales Recht umgesetzt worden7.

1    Vgl. zur Gesetzgebungszuständigkeit im Bereich Feuerwehr allgemein, Fischer, Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz, 1.2.

2    In den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin vom Senat

3    BVerfGE 40, 371/380; 67, 299/314

4    Ansonsten bestünde die Gefahr, dass in den Bundesländern unterschiedliche Verkehrsregeln gültig wären.

5    Vgl. Stollwerk, SVR 2017, 170

6    Vgl. Fischer, Feuerwehr und europäisches Recht, DER FEUERWEHRMANN 2012, 331; Das Feuerwehr-Lehrbuch, 5. Auflage, Kap. 2.1 Rechtsquellen.

7    Zur Geltung Europäischen Rechts siehe, Das FEUERWEHR LEHRBUCH 6. Auflage, A 2.1; Fischer, Feuerwehr und Europäisches Recht, DER FEUERWEHRMANN, 2012, 331

2       Deutsche Gesetze und Verordnungen im Straßenverkehrsrecht

2.1     Das Straßenverkehrsgesetz – StVG –

Mit dem aufkommenden Kraftverkehr in Deutschland war es bereits Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts notwendig geworden, für ganz Deutschland ein einheitliches Verkehrsrecht zu schaffen. Am 03. Mai 1909 erließ daher der Reichsgesetzgeber das »Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen«, den Vorläufer des Straßenverkehrsgesetzes. Das Straßenverkehrsgesetz vom 19.12.19528 regelt unter anderem die Zulassung von Personen und Kraftfahrzeugen zum öffentlichen Straßenverkehr, die Verwendung fälschungssicherer Kennzeichen, Fragen des Fahrerlaubnisrechts, einschließlich der Strafbarkeit beim Fahren ohne Fahrerlaubnis, die Grundlagen des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts und insbesondere die Haftung bei Schäden, die beim Betrieb von Kraftfahrzeugen verursacht werden. Das Gesetz ist im Laufe der Jahre immer wieder – insbesondere an die technischen Entwicklungen des Kraftfahrzeugbereichs – angepasst worden. Es ermächtigt den Bundesminister für Verkehr in § 6 Abs. 1, mit Zustimmung des Bundesrates (also der Bundesländer) Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zu erlassen.

2.2     Die Straßenverkehrsordnung – StVO –

Die Straßenverkehrsordnung (StVO)9 stellt die Regeln für den öffentlichen Verkehr auf. Sie wurde als Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung aufgrund der §§ 6 und 27 des damaligen Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom Reichsverkehrsminister am 28. Mai 1934 erlassen und enthielt für heutige Verhältnisse nur sehr wenige Verkehrsregeln. Die heutige Straßenverkehrsordnung ist vom Bundesverkehrsminister aufgrund der Ermächtigung in § 6 Abs. 1 StVG erlassen worden. Sie ist in den vergangenen Jahren immer wieder im Hinblick auf die modernen Anforderungen von Verkehrssicherheit, technischer Entwicklung und Umweltschutz angepasst worden. Zu beachten ist der sachliche Geltungsbereich der StVO für den öffentlichen Verkehr. Der öffentliche Straßenverkehr findet auf allen Flächen statt, die der Allgemeinheit zu Verkehrszwecken offenstehen. Er findet auch auf nicht gewidmeten Straßen statt, wenn diese mit Zustimmung oder unter Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich allgemein benutzt werden. Dagegen ist der Verkehr auch auf öffentlichen Straßen nichtöffentlich, solange diese zum Beispiel wegen Bauarbeiten, durch Absperrschranken oder ähnlich wirksame Mittel für alle Verkehrsarten gesperrt sind10. Ist also ein Einsatzbereich der Feuerwehr für den gesamten übrigen Verkehr durch Absperrmittel gesperrt, findet auch hier kein öffentlicher Verkehr mehr statt. Aber auch in den Fällen des nichtöffentlichen Verkehrs gilt die allgemeine Pflicht zu verkehrsüblicher Sorgfalt zur Vermeidung von Unfällen und daher auch die Pflicht, entsprechend den StVO-Regeln zu fahren. Es können hier nicht alle Verkehrsregeln der StVO besprochen werden. Allerdings erscheint es erforderlich, wesentliche Grundregeln zu erörtern. Immer wieder fällt auf, dass insbesondere »erfahrene, langjährige« Verkehrsteilnehmer große Wissenslücken hinsichtlich der Regelungen der StVO aufweisen. Mit großem Erstaunen wird immer wieder in Gerichtsverfahren Verwunderung geäußert, was alles in der StVO steht.

Ergänzt wird die StVO durch eine Verwaltungsverordnung (VwV-StVO)11, die als Auslegungshilfe dient. Die Verwaltungsverordnung ist den meisten Verkehrsteilnehmern völlig unbekannt.

2.2.1     Die allgemeinen Grundregeln für den Straßenverkehr in § 1 StVO

Die wichtigsten und stets zu beachtenden Verkehrsregeln stellt § 1 StVO als allgemeine Grundregeln auf.

§ 1 StVO Grundregeln

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Ständige Vorsicht bedeutet, dass der Verkehrsteilnehmer

  den Verkehr und die Verkehrssituation sowie den Straßenzustand ununterbrochen beobachten muss,

  vor Fahrtantritt und während der Fahrt darauf achten muss, dass das Fahrzeug verkehrssicher ist,

  sich stets vor und während der Fahrt selbst prüfen muss, ob er in der Lage ist, dass Fahrzeug sicher zu fahren,

  alle Verkehrsvorschriften beachten muss,

  stets besonnen und geistesgegenwärtig fahren muss.

Gegenseitige Rücksichtnahme bedeutet in erster Linie defensives Verhalten. Defensives Verhalten bedeutet, weitestgehend auf das Vertrauen in richtiges Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer zu verzichten, auch wenn man grundsätzlich auf das verkehrsrichtige Verhalten aller vertrauen darf. Dieser Vertrauensgrundsatz ist aber so eingeschränkt, dass man die Rechtsposition nicht voll ausnutzen darf, sondern aus Sicherheitsgründen eine über die normal gebotene hinausgehende Sorgfalt, ein »Übersoll« an Vorsicht, walten lassen muss12. Besondere Rücksichtnahme ist immer gegenüber »schwächeren« Verkehrsteilnehmern erforderlich, insbesondere bei Radfahrern, Fußgängern und Kindern, aber auch bei älteren oder mit der Verkehrssituation offensichtlich überforderten Personen. Dies wird auch durch § 3 Abs. 2 a StVO konkretisiert: »Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.«

Das Verbot, einen anderen Verkehrsteilnehmer zu schädigen, gilt absolut. Allerdings versteht man unter Schädigung neben Körper- und Gesundheitsschäden nur vermögensrechtlich bezifferbare Nachteile. Dies ist z. B. bei der Verursachung eines Unfalls mit Sachschaden der Fall. Mit dem Verbot der Gefährdung ist die Verursachung jeder konkreten Gefahr der Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer untersagt. Eine solche konkrete Gefahr ist bei der Verursachung eine »Beinahe-Unfalls« gegeben. Das Verbot des Behinderns anderer Verkehrsteilnehmer bedeutet, dass man diese nicht nachhaltig in ihrem eigenen beabsichtigten Verkehrsverhalten beeinträchtigen darf, soweit dieses rechtmäßig ist. Als Beispiel kann verkehrsbehinderndes Parken genannt werden.

Gegen das Verbot, andere zu belästigen, verstößt, wer mehr als durch den normalen Verkehrsvorgang unvermeidbares körperliches oder seelisches Unbehagen schafft, zum Beispiel durch Bedrängen anderer Verkehrsteilnehmer durch dichtes Auffahren und/oder Licht- und Schallsignale13.

2.2.2     Die speziellen Grundregeln für den Straßenverkehr

Neben der allgemeinen Grundregel des § 1 StVO stellt die Verordnung jedoch in vielen weiteren Fällen allgemeine Grund- und Verhaltensregeln auf, die sich jeweils zu Beginn der einzelnen Vorschriften befinden:

2.2.2.1    Geschwindigkeit

§ 3 StVO

(1) Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.

Der Verkehrslage nicht angepasste Geschwindigkeit ist eine der Hauptursachen insbesondere für schwere Unfälle mit hohem Personen- und Sachschaden. In Satz 2 werden objektive Kriterien für die Wahl einer angepassten Geschwindigkeit genannt. Die Geschwindigkeit ist den objektiven Verkehrsverhältnissen so anzupassen, dass sie als mögliche Unfallursache ausscheiden muss. Kommt es zu einem Unfall und liegt dessen Ursache nicht in einem unvorhersehbaren Ereignis, sondern allein daran, dass bei niedrigerer Geschwindigkeit der Unfall hätte vermieden werden können, ist von einem Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO und damit von schuldhaftem Verhalten auszugehen.

Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO aufgestellte Grundregel wird in Satz 4 dahingehend konkretisiert, dass der Fahrer innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten können muss, also nur auf Sicht fahren darf. Mit anderen Worten darf der Anhalteweg des Fahrzeugs auch bei ungünstigen Straßenverhältnissen nicht größer als die Sichtweite sein. Dies wird auf schmalen Straßen, auf denen entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, nochmal dahin gehend verschärft, dass hier ein Anhalten innerhalb der halben übersehbaren Strecke gewährleistet sein muss. Diese Regeln sind auch bei Fahrten mit Sonderrechten zu berücksichtigen14, da bei einem Verstoß auch eine Straftat gem. § 315 c StGB vorliegen kann15.

2.2.2.2    Abstand

§ 4 StVO

(1) Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird.

Es ist immer ein ausreichender Sicherheitsabstand einzuhalten. Einen bestimmten festen Abstand schreibt die Grundregel jedoch nicht vor. Der erforderliche Mindestabstand hängt von der gesamten Verkehrssituation ab. Bei normalen Verhältnissen ist ein ausreichender Abstand die in 1,5 sec. durchfahrene Strecke16,17.

2.2.2.3    Überholen

§ 5 StVO

(1) Es ist links zu überholen.

(2) Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist.

(3) Das Überholen ist unzulässig:

1. bei unklarer Verkehrslage oder

2. wenn es durch ein angeordnetes Verkehrszeichen (Zeichen 276, 277) untersagt ist.

(3a) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t führt, darf unbeschadet sonstiger Überholverbote nicht überholen, wenn die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m beträgt.

(4) Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu den zu Fuß Gehenden und zu den Rad Fahrenden, eingehalten werden. Wer überholt, muss sich sobald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.

Überholvorgänge gehören mit zu den gefährlichsten Verkehrsmanövern. Das Überholen beginnt spätestens mit dem Ausscheren nach links bzw. wenn bereits links gefahren wird, mit der deutlichen Verkürzung des Sicherheitsabstandes. Das Überholen ist beendet, wenn mit ausreichendem Abstand wieder rechts eingeschert wird oder, wenn weiter links gefahren wird, wenn ohne weiteres nach rechts eingeschert werden könnte. Beim Überholen muss jede Gefährdung oder Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen sein. Andernfalls ist das Überholen verboten. Der Überholende muss also sicher sein können, dass der gesamte Vorgang, vom Ausscheren bis zum Wiedereingliedern, mit ausreichendem Abstand innerhalb der sichtbaren Strecke ungefährlich möglich ist, da immer mit plötzlich auftauchendem Gegenverkehr zu rechnen ist19.

Sorgfaltswidrig handelt dann auch derjenige, der den Überholvorgang nicht abbricht, wenn er bemerkt, dass der Gegenverkehr gefährdet oder behindert wird. Eine unklare Verkehrslage, gleich aus welchem Grund, verbietet immer das Überholen.

Beim Überholen ist nicht nur eine Gefährdung des Überholenden und des Gegenverkehrs auszuschließen, sondern auch die des nachfolgenden Verkehrs. Daher darf nur überholen, wer rechtszeitig und eindeutig den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und seiner Rückschaupflicht äußerst sorgfältig nachkommt.

2.2.2.4    Vorbeifahren

§ 6 StVO

Wer an einer Fahrbahnverengung, einem Hindernis auf der Fahrbahn oder einem haltenden Fahrzeug links vorbeifahren will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Vorrang durch Verkehrszeichen (Zeichen 208, 308) anders geregelt ist. Muss ausgeschert werden, ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten und das Ausscheren sowie das Wiedereinordnen – wie beim Überholen – anzukündigen.

Die Vorschrift enthält zunächst eine Vorfahrtsregel und bei einer einseitigen Verengung eines begrenzten Stücks der rechten Fahrbahn einer sonst ausreichend breiten Fahrbahn. Bei einer beiderseitigen Einengung oder einer insgesamt nicht ausreichend breiten Straße gilt § 1 StVO20. Eine solche Fahrbahnverengung besteht nur, wenn am Hindernis nur links vorbeigefahren werden kann und dabei für unbehinderten Gegenverkehr kein Raum bleibt21. Bei der Fahrbahnverengung kann es sich um eine vorübergehende, aber auch um eine dauernde bauliche Verengung handeln. Es besteht dann Vorrang des Gegenverkehrs. Bei einem Hindernis auf beiden Seiten der Straße gelten die Regeln des allgemeinen Begegnungsverkehrs. Vorrang hat dann das Fahrzeug, welches die Engstelle als erstes erreicht.

2.2.2.5    Vorfahrt

§ 8 StVO

(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht,

1. wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder

2. für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen.

(1a) Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. Bei der Einfahrt in einen solchen Kreisverkehr ist die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers unzulässig.

(2) Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass gewartet wird. Es darf nur weitergefahren werden, wenn übersehen werden kann, dass wer die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Kann das nicht übersehen werden, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineingetastet werden, bis die Übersicht gegeben ist. Wer die Vorfahrt hat, darf auch beim Abbiegen in die andere Straße nicht wesentlich durch den Wartepflichtigen behindert werden.

Vorfahrt ist der Vorrang beim Zusammentreffen mehrerer Fahrzeuge, die aus verschiedenen öffentlichen Straßen, die dem fließenden Verkehr dienen, in einer Kreuzung oder Einmündung aufeinander zukommen. Als Grundregel gilt rechts vor links, wenn die Vorfahrt nicht abweichend durch Verkehrszeichen oder Lichtzeichenanlagen geregelt ist oder es sich lediglich um Feld- und Waldwege bzw. Grundstücksausfahrten22handelt. Der Vorfahrt steht die Wartepflicht des von links Kommenden entgegen.

Nur wenn der Vorfahrtsberechtigte unmissverständlich anzeigt, dass er auf sein Vorfahrtrecht verzichten will, kann der Wartepflichtige hiervon ausgehen23. Im Zweifel muss der Wartepflichtige dies beweisen. Beteiligte müssen sich nachweisbar verständigt haben, wozu missbräuchliches Blinken mit Scheinwerfern nicht ausreicht, weil dies zu diesem Zweck unzulässig ist24. Dies gilt auch dann, wenn zusätzlich die Geschwindigkeit verringert wird.

Nachdem in der frühen Nachkriegszeit Kreisverkehre in ganz Deutschland noch üblich waren, wurden diese hier -anders als in vielen anderen europäischen Staaten- zunächst weitgehend durch Kreuzungen, insbesondere Kreuzungen mit Lichtzeichenanlagen, ersetzt. Seit Mitte der 90er Jahre erlebt der Kreisverkehr in Deutschland eine große Renaissance. Die Vorfahrt für den Kreisverkehr ist gesondert in § 8 Abs. 1a StVO geregelt. Danach gilt, dass, wenn an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet ist, der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt hat. Fehlen diese Verkehrszeichen, gilt auch im Kreisverkehr rechts vor links. Bei der Einfahrt in einen solchen Kreisverkehr ist die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers unzulässig.

Die Vorfahrtsregelung des § 8 StVO steht im Zusammenhang mit § 6 StVO an Engstellen (s. o.), der Vorfahrtsregel auf Autobahnen nach § 18 Abs. 3 StVO, und mit den Zeichen von Polizeibeamten nach § 36 StVO, der Regelung durch Lichtzeichenanlagen nach § 37 StVO den Zeichen 205, 206 und bei Gegenverkehr an Engstellen den Zeichen 208 und 308 (§ 41 StVO).

2.2.2.6    Besondere Verkehrslagen

§ 11 StVO

(1) Stockt der Verkehr, darf trotz Vorfahrt oder grünem Lichtzeichen nicht in die Kreuzung oder Einmündung eingefahren werden, wenn auf ihr gewartet werden müsste.