Regency Love - Nicole Jordan - E-Book
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Regency Love E-Book

Nicole Jordan

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Beschreibung

Drei mutige Frauen, drei stürmische Liebesgeschichten: »Regency Love« von New-York-Times-Bestsellerautorin Nicole Jordan jetzt als eBook bei dotbooks. London, Anfang des 19. Jahrhunderts: Lady Vanessa ahnt, dass sie von Lord Damien Sinclair, dem berüchtigtsten Gentleman der Stadt, nur Übles erwarten kann. Schließlich verbindet ihn eine erbitterte Fehde mit ihrer Familie. Um diese ein für alle Mal zu beenden, unterbreitet er ihr nun ein überaus skandalöses Angebot … Dass Freiheit ihren Preis hat, weiß auch Lady Aurora, die bei der Flucht vor der Verheiratung mit einem scheußlichen Mann geradewegs dem geheimnisvollen Nicholas in die Arme läuft. Aber warum will er ihr wirklich helfen – und warum schlägt ihr Herz in seiner Nähe jedes Mal schneller? Welche Pläne ihr Retter in Wahrheit verfolgt, muss sich auch die schöne Julienne fragen, die nach vielen Jahren dem stürmischen Marquis von Wolverton wiederbegegnet – und von ihm in ein riskantes Spiel am englischen Königshof verwickelt wird … »Nicole Jordan versteht es meisterhaft, ihren Fans ein sinnliches Lesevergnügen zu bieten.« Romantic Times Books Reviews Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Sammelband »Regency Love« von Bestsellerautorin Nicole Jordan mit den Historischen-Liebesroman-Highlights »Die Küsse des Lords«, »Die Sehnsucht der Lady« und »Die Versuchung des Marquis«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 1398

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Über dieses Buch:

London, Anfang des 19. Jahrhunderts: Lady Vanessa ahnt, dass sie von Lord Damien Sinclair, dem berüchtigtsten Gentleman der Stadt, nur Übles erwarten kann. Schließlich verbindet ihn eine erbitterte Fehde mit ihrer Familie. Um diese ein für alle Mal zu beenden, unterbreitet er ihr nun ein überaus skandalöses Angebot … Dass Freiheit ihren Preis hat, weiß auch Lady Aurora, die bei der Flucht vor der Verheiratung mit einem scheußlichen Mann geradewegs dem geheimnisvollen Nicholas in die Arme läuft. Aber warum will er ihr wirklich helfen – und warum schlägt ihr Herz in seiner Nähe jedes Mal schneller? Welche Pläne ihr Retter in Wahrheit verfolgt, muss sich auch die schöne Julienne fragen, die nach vielen Jahren dem stürmischen Marquis von Wolverton wiederbegegnet – und von ihm in ein riskantes Spiel am englischen Königshof verwickelt wird …

»Nicole Jordan versteht es meisterhaft, ihren Fans ein sinnliches Lesevergnügen zu bieten.« Romantic Times Books Reviews

Über die Autorin:

Nicole Jordan wurde 1954 in Oklahoma geboren und verlor ihr Herz restlos an Liebesromane, als ihre Mutter ihr zum ersten Mal aus »Stolz und Vorurteil« vorlas. Nicole Jordan eroberte mit ihren historischen Liebesromanen wiederholt die »New York Times«-Bestsellerliste und wurde mehrmals für den begehrten RITA Award nominiert. Heute lebt Nicole Jordan in Utah.

Die Website der Autorin: nicolejordanauthor.com/

Nicole Jordan veröffentlichte bei dotbooks auch ihre historischen Liebesromane »Die Leidenschaft des Ritters«, »In den Fesseln des Piraten« und »Die Gefangene des Wüstenprinzen«.

Auch bei dotbooks erscheint ihre »Rocky Mountains«-Reihe:»Wild Rebels – Gefangen«»Wild Rebels – Entführt«»Wild Rebels – Ausgeliefert«

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Sammelband-Originalausgabe Juni 2022

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Eine Übersicht über die Copyrights der einzelnen Bände finden Sie am Ende dieses eBooks.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Langenbuch & Weiß Literaturagentur, Hamburg/Berlin.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © Period Images sowie © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-784-9

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Nicole Jordan

Regency Love

Drei Romane in einem eBook

dotbooks.

Die Küsse des Lords

Aus dem Amerikanischen von Traudi Perlinger

Für die besten Freundinnen, die eine Frau

sich nur wünschen kann:

Ann White, Gin Ellis und Sandra Chastain.

Ihr seid mit mir durch dick und

dünn gegangen, und dafür danke ich euch.

Prolog

London, März 1810

Die Fesseln um seine Handgelenke zogen sich schmerzhaft zusammen und erhöhten seine Wollust. Damien Sinclair, ein williger Gefangener, war ihrer Willkür wehrlos ausgeliefert.

Er sah sich im goldgerahmten Spiegel an der Zimmerdecke: sein nackter, muskulöser Körper ausgestreckt auf schneeweißen Laken, die Arme mit roten Seidenbändern an die Bettpfosten gefesselt, seine Erektion prall aus dem krausen Schamhaar gereckt.

Sein Folterknecht, die schöne Elise Swann, stand über ihm, nur mit einem hauchdünnen Seidennegligé bekleidet. Dazu trug sie ein Smaragdarmband, das er ihr als Präsent vor dem lüsternen Spiel der Verführung überreicht hatte. Die grünen Edelsteine an ihrem Handgelenk glitzerten im flackernden Tanz der Kerzenflamme, ihre mit Rouge geschminkten Brustspitzen drängten sich aufreizend gegen den durchsichtigen Stoff.

Londons berühmteste Schauspielerin, wegen ihrer hellblonden Haarpracht Silberschwan genannt, gab eine ihrer besten Vorstellungen, da sie sich um die Position einer Maitresse bewarb. Der bezaubernde Schwan wollte den vornehmen Lord dazu bewegen, ihren aufwändigen Lebensstil zu finanzieren.

»Da ich dir völlig ausgeliefert bin«, raunte Damien scherzhaft, »wirst du mich wohl deine Macht spüren lassen, wie?«

»Wie Recht Sie haben, Mylord. Ich genieße es, Sie meiner Gnade ausgeliefert zu wissen«, antwortete sie in ihrer tiefen, melodischen Stimme, mit der sie ihr Theaterpublikum faszinierte.

»Ich harre der Köstlichkeiten, die du mir bietest.«

Sie nahm eine Reitgerte vom Nachttisch und strich das Ende der geflochtenen Lederschnur liebkosend über sein Brusthaar. Damien zog verwundert die Brauen hoch und fragte sich, ob die Schauspielerin irrigerweise annahm, sie müsse zu abartigen Methoden greifen, um einen Lebemann wie ihn zu erregen.

Er genoss die Freuden des Lebens in vollen Zügen, was ihm einen skandalumwitterten Ruf eingebracht hatte, war auch erotischen Experimenten nicht abgeneigt, hatte aber noch nicht den Punkt erreicht, um sich mit Perversionen Befriedigung zu verschaffen. Im Grunde war sein sexueller Appetit leicht zufrieden zu stellen, zumal von einer schönen Frau.

Und der Silberschwan war eine sehr schöne Frau, offenbar auch scharfsinnig, da sie bei seinem fragenden Blick zögerte.

»Wie ich sehe«, stellte sie staunend fest, »ist eine Spezialbehandlung nicht nötig, um Sie in Stimmung zu bringen. Beachtlich, diese stolze Größe.«

Er schenkte ihr ein entwaffnendes Lächeln. »Macht er dir etwa Angst?«

Ihre grell geschminkten Lippen weiteten sich lasziv. »Ganz im Gegenteil, Mylord.«

Er wies mit einem Kopfnicken auf die Peitsche in ihrer Hand. »Ich halte Schmerz für ein überbewertetes Aphrodisiakum und hoffe, du zeigst mehr Phantasie in deinen Verführungskünsten.«

»Ich bemühe mich.«

Sie ließ die Peitsche auf den Teppich fallen und legte einen Finger an ihre vollen Lippen. »Hmm«, meinte sie sinnend. »Ein Mann, dessen Ruf als Liebhaber legendär ist ... Ein Teufelskerl, dem nachgesagt wird, er bringe Frauen vor Glück zum Weinen ... Was kann ich einem solchen Frauenhelden noch bieten?«

Langsam löste sie den Verschluss ihres Armbands, legte die Glieder des Smaragdschmucks um seine zuckende Erektion und ließ den Verschluss zuschnappen.

Damien spürte die prickelnde Kühle der Edelsteine an seinem erhitzten Fleisch. Ein sinnlicher Schauer durchrieselte ihn.

»Ist Ihnen das einfallsreich genug, mein verruchter Lord der Sünde?«

Er lachte leise, tief und gurrend. »Ich vertraue mich deinem kundigen Spiel an.«

»Schätzen Sie Kühnheit an einer Bettgefährtin?«

»Kühnheit hat gewisse Qualitäten.«

»Dann werde ich Ihnen zeigen, wie kühn ich sein kann.«

Sie strich mit kundigen Fingerspitzen über die glühende Kuppel seines Schaftes, legte die Hand um sein Geschlecht, streichelte langsam die fleischige Hülle, spürte das nochmalige Anschwellen der Nerven. Ihre Finger bewegten sich, als spielten sie auf einem Saiteninstrument.

»Einen so prachtvollen Hengst«, gurrte sie kehlig und beugte sich über ihn, »bekomme ich nicht alle Tage zwischen die Finger.«

Lustvoll stöhnend schloss Damien die Augen und überließ sich dem flinken Liebesspiel des Schwans. Mit Lippen, Zunge und Zähnen verwöhnte sie ihn, neckte und liebkoste ihn mit ihrer Liebesfolter, bis ihm die Sinne zu schwinden drohten und er nahe daran war, sich zu ergießen.

»Du ... stellst meine Ausdauer auf eine harte Probe, Schätzchen«, raunte er.

»Ist das nicht Ihr Wunsch, Mylord?« Sie lächelte wollüstig.

»Ja, aber du sollst mich begleiten. Es wäre unverzeihlich selbstsüchtig, diese Wonnen alleine auszukosten. Setz dich auf mich.«

Sie trat einen Schritt zurück. »Und wenn ich mich weigere, was dann?«, fragte sie keck herausfordernd.

»Dann eben mit Gewalt.« Mit einer geschickten Drehung schlang Damien ein angewinkeltes Bein um ihre prallen Schenkel und zog die überraschte Liebesdienerin zu sich herab.

»Oh ... Nun ja, wenn Sie darauf bestehen.« Mit sichtlichem Vergnügen schmiegte Elise ihre üppigen Formen an seine sehnige Nacktheit, ihre prallen Brüste strichen über sein Gesicht.

Sein Mund schloss sich durch den hauchdünnen Stoff um ihre steife Brustknospe, sie zog den Atem scharf ein. Nun steigerte er ihre Erregung, saugte an ihren Brüsten, benagte sie mit zarten Bissen.

Sie spreizte die Schenkel und rieb ihren Körper in animalischer Sinnlichkeit an ihm. Damien stöhnte leise, als die vergessenen Smaragde ihn pieksten. »Das Armband, mein Schatz. Falls du nicht die Absicht hast, mich zu entmannen, wäre ich dir dankbar, wenn du den Schmuck entfernst«, keuchte er.

Sie richtete sich auf, nestelte an der störenden Lustfessel und warf den Schmuck achtlos zu Boden. Dann blickte sie ihn aus leidenschaftlich funkelnden Augen an. »Mylord ... bitte ...«

»Bitte was?« Er lächelte spöttisch. »Ich bin dein wehrloser Gefangener.«

Sie hob sich wieder über ihn, brachte sich über seiner prallen Erregung in Position. Er spürte die Feuchtigkeit in ihrem rötlichblonden Vlies.

»Ja, mein Schatz, reite mich.«

Sie stülpte sich über seine Erektion und stöhnte vor Wonne. Damien sank in die Kissen zurück und überließ sich der Wollust, die ihm ihr heißer, feuchter Schoß bereitete. Er hob die Hüften und stieß sich tiefer in ihre zuckende Enge.

Ein zweites Mal stieß er seine Hüften kraftvoll nach oben, bis sie begriff und ihn zu reiten begann in einem sich langsam steigernden Rhythmus. Damien passte sich ihren Bewegungen an, widmete sich ihrer Lust, bis die heißblütige Frau in Ekstase geriet. Fiebernd kreiste sie die Hüften und rieb sich entfesselt an ihm. Mit kehligen Lauten fand sie Erlösung in einem zuckenden Orgasmus.

Und als sie schluchzend über ihm zusammenbrach, zögerte Damien den Moment hinaus, wartete, bis ihre pulsierenden Zuckungen verebbten und überließ sich dann erst dem dunklen Sog seiner Ekstase. Er bäumte sich unter ihr auf und ergoss sich lustvoll stöhnend in ihren Tiefen.

Als er wieder zur Besinnung kam, lag Elise erschöpft auf ihm. Er spürte ihren Atem auf seiner schweißnassen Haut, die Seidenfesseln schnitten schmerzhaft in seine Handgelenke.

»Schätzchen, befreist du mich?«

Mit schwachen Fingern löste sie die Knoten und fiel in wohliger Trägheit in die Kissen zurück.

»Man sagt Ihnen nach«, flüsterte sie verwundert, »ein wahrer Meister der Liebeskünste zu sein. Unvergleichlich lüstern und sündig‹, hat eine Dame Sie einmal genannt. Die Gerüchte sind nicht übertrieben. Dennoch habe ich einen so aufmerksamen Liebhaber nicht erwartet.«

Sein Lob ließ nicht auf sich warten und schmeichelte ihrem Ego. »Dein Ruf wird dir auch nicht wirklich gerecht, Elise. Du verkörperst alles, wovon ein Mann im Bett träumt.«

»Meine Liebesdienste haben Sie zufrieden gestellt, Mylord?«

Sexuell befriedigt, ohne wirklich beglückt zu sein – was in letzter Zeit immer häufiger vorkam – wich Damien einer direkten Antwort mit einem satten Brummen aus, was als Zustimmung gelten konnte. An ihrer Vorstellung war im Grunde nichts auszusetzen, es lag wohl an ihm, dass sich keine echte Zufriedenheit einstellen wollte.

Der üppige Silberschwan war eine vorbildliche Bettgefährtin. Für ihre Liebeskünste im Boudoir ebenso berühmt wie für ihre Schauspielkünste auf der Bühne, vermochte sie auch seine Leidenschaft anzustacheln. Ganz London fand sie faszinierend, einige Herren hatten sich sogar wegen ihr duelliert. Wenn sie es nicht schaffte, die Rastlosigkeit, die seit einiger Zeit in ihm brodelte, zu beruhigen, dann erwartete er vermutlich zu viel.

Damien öffnete die Augen. Ihr Blick ruhte abschätzend auf ihm. Vermutlich rechnete sie sich bereits aus, welche Zuwendungen sie sich von ihm erhoffte – Haus, Kutsche, Dienerschaft, Schmuck.

»Ich nehme an«, begann sie zögernd, »Sie haben im Augenblick kein Interesse an einer Mätresse.«

»Es wäre ein Wunder, wenn Sie nicht davon gehört hätten«, entgegnete er trocken und spielte auf den Skandal an, den das Ende seiner letzten Liaison nach sich gezogen hatte.

»Man sprach tagelang von nichts anderem.«

»Vermutlich Übertreibungen, wie üblich.«

»Mag sein. Der berüchtigte Baron Sinclair bietet den Klatschsüchtigen dieser Stadt reichlich Gesprächsstoff. Aber ein Körnchen Wahrheit muss wohl daran sein.«

»Was klatscht man denn?«

»Lady Varley drohte, sich in die Themse zu stürzen, als Sie ihr den Laufpass gaben. Und Sie sollen ihr angeboten haben, sie persönlich zum Hafen zu begleiten.«

Damien zog eine Grimasse. »Ich bot ihr nur an, sie nach Hause zu bringen. Sie war völlig verstört.«

»Ich kann mir denken, dass Sie hysterische Szenen verabscheuen«, stellte der Schwan fest. »Ich weiß, wie lästig es sein kann, sich unwillkommenen Nachstellungen zu erwehren. Es langweilt Sie, wenn vornehme Damen Sie anschmachten und Ihnen ewige Liebe schwören.«

»Die Dame ist ziemlich überspannt. Sie hat sich nur eingebildet, mich zu lieben.«

»Nun, man sagt Ihnen nach, unzählige Frauenherzen gebrochen zu haben, Lord Sinclair.«

Er brummte etwas Unverständliches in sich hinein.

Elise strich ihm zärtlich eine schwarze Locke aus der Stirn. »Auch diese Geschichte hat wohl eine Moral. Verschenke dein Herz nie an einen gewissenlosen Schwerenöter.«

Damien setzte sein charmantes Lächeln auf, das allerdings seine Augen nicht erreichte. »Eine weise Einsicht, Schätzchen. Mein Motto ist noch simpler. Verschenke dein Herz nie.«

»Ich sehe die Dinge ähnlich. Für mich sind erotische Begegnungen ein angenehmer Zeitvertreib, bestenfalls eine geschäftliche Abmachung.«

Sie versuchte ihn listig in Sicherheit zu wiegen und gab ihm zu verstehen, dass sie als seine Mätresse bei einer unweigerlichen Trennung weder hässliche Szenen machen, noch lästige Forderungen stellen würde – und das sprach für sie.

Damien verabscheute dauerhafte Bindungen. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, keine Geliebte länger als eine Saison zu halten. Er wusste, wie schädlich längere Affären sein konnten, und hatte nicht die Absicht, seinem verstorbenen Vater nachzueifern, der einer schönen Verführerin verfallen war, was zur völligen Zerrüttung der Familie geführt hatte. Nein, er würde sich an keine Frau binden, auch nicht an eine so atemberaubende Schönheit wie den Silberschwan.

Bevor er auf ihr subtiles Angebot eingehen konnte, waren eilige Schritte auf dem Korridor zu hören.

Es klopfte zaghafte an der Tür.

»Verzeihung, Ma'am«, rief eine ängstliche Frauenstimme. »Unten wartet ein Herr, der Seine Lordschaft zu sprechen wünscht.«

Elises Miene verfinsterte sich ungehalten. Sie sprang aus dem Bett, eilte zur Tür, öffnete einen Spalt und fauchte erbost: »Ich habe dir ausdrücklich verboten, mich zu stören, wenn ich Gäste habe!«

»Aber der Herr trug mir auf, Seiner Lordschaft auszurichten, Mr. Haskell wünsche ihn dringend zu sprechen.«

Damien hörte den Namen seines Sekretärs und furchte die Stirn. Was in aller Welt mochte so dringend sein, um ihn hier zu stören? Er schwang die Beine aus dem Bett und griff nach den seidenen Hosen seines Abendanzugs. Während der eben noch so liebreizende Schwan wie ein Fischweib auf die schuldlose Magd einschimpfte, fuhr er in seine Kleider und ging zur Tür.

»Mr. Haskell ist hier, sagst du?«, fragte er das Hausmädchen.

»Ja, Mylord.« Die verschreckte Magd machte hastig einen Knicks und warf einen verängstigten Blick auf ihre Herrin. »Er wartet unten im grünen Salon.«

Damien eilte zur Treppe. Die Schauspielerin schlüpfte in einen Morgenmantel und folgte ihm. Im Salon wanderte sein Sekretär bei offener Tür rastlos auf und ab. George Haskell, ein hoch gewachsener Mann mit ebenmäßigen Gesichtszügen und vollem, brünettem Haar, trug eine goldgeränderte Brille. Seine gewöhnlich heitere Miene war grimmig verschlossen.

»Was gibt's denn, George?«

Der Sekretär nickte der Schauspielerin, die an der Schwelle des Salons stehen geblieben war, einen stummen Gruß zu. »Ich komme in einer dringenden Angelegenheit, Mylord. Kann ich Sie unter vier Augen sprechen?«

Elise errötete verlegen. »Selbstverständlich. Ich lasse die Herren alleine.« Diskret zog sie sich zurück und schloss die Tür.

»Was ist denn so dringend?«, forderte Damien nun ungeduldig.

»Ich fürchte, ich bringe schlechte Nachrichten. Ihre Schwester hatte einen Unfall.«

Damiens Herz krampfte sich zusammen. »Olivia?«

Eine unnötige Frage. Er hatte nur eine Schwester, fünfzehn Jahre jünger als er, die still und zurückgezogen auf seinem Landgut Rosewood lebte, dem Familiensitz der Sinclairs. »Ein Unfall?«

»Ich bin nicht über alle Einzelheiten unterrichtet – Ihr Gutsverwalter schrieb – offensichtlich in großer Hast – nur ein paar Zeilen. Miss Sinclair ist anscheinend eine Treppe hinuntergestürzt und hat dabei das Bewusstsein verloren.

Als sie wieder erwachte, hatte sie kein Gefühl in ihren Beinen. Der herbeigerufene Arzt konnte keine Knochenbrüche feststellen, geht aber davon aus, dass ihre Wirbelsäule bei dem Sturz verletzt wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass sie nie wieder gehen kann.«

Damien brachte kein Wort hervor, der Schock hatte ihm die Sprache verschlagen.

»Ich fürchte, das ist noch nicht alles«, fuhr George leise fort.

»Was denn noch?«, fragte Damien mit matter Stimme.

»Der Nachricht ist zu entnehmen, dass der Unfall sich ereignete während eines ...«

»Während was? Reden Sie!«

»Sie werden es nicht gerne hören, Mylord, aber es handelte sich allem Anschein nach um einen Fluchtversuch mit einem Mann.«

»Ein was?« Damien schüttelte verständnislos den Kopf, konnte nicht fassen, dass seine scheue, behütete Schwester versucht hatte, mit einem Mann durchzubrennen. Die strenge Gouvernante, in deren Obhut Olivia sich befand, hätte niemals gestattet, dass Olivia Herrenbesuch empfing. »Das ist unmöglich. Es muss ein Irrtum vorliegen.«

»Ich weiß nicht«, meinte George zweifelnd.

»Wer war der Mann?«

»Der Mann?«

»Ihr Entführer. Mit wem wollte sie durchbrennen?«

»In der Nachricht ist die Rede von Lord Rutherford, aber es geht nicht klar daraus hervor, ob er der Missetäter ist.«

Damien kannte einen Viscount Rutherford, einen ziemlich zügellosen jungen Mann, der erst vor kurzem seinen Titel geerbt hatte.

»Hier«, sagte der Sekretär, »lesen Sie Bellows Brief.«

Damien überflog die Zeilen in der fast unleserlichen Handschrift seines Gutsverwalters. Der tragische Unfall hatte sich in Alcester im Four Lions ereignet, einem Gasthaus in der Nähe des Familiensitzes der Sinclairs.

Es schmerzt mich, Ihnen diese schreckliche Nachricht mitteilen zu müssen, aber ich fürchte, Ihre Schwester plante, mit einem Mann durchzubrennen. Der fragliche Herr machte wohl im letzten Moment einen Rückzieher, worauf Miss Olivia in heller Panik floh und die Treppe hinunterstürzte. Lord Rutherford ließ unverzüglich einen Arzt rufen, doch der Schaden war bereits angerichtet – für Miss Olivia und wie ich fürchte, auch für ihren guten Ruf

Ich bemühe mich nach Kräften, die traurige Begebenheit so lange wie möglich unter Verschluss zu halten, was allerdings nicht auf Dauer möglich sein wird. Ich bitte um Ihre Anweisungen, Mylord, und um Ihren Rat, wie ich mich in dieser fatalen Situation verhalten soll.

Stets zu Ihren Diensten,

Ihr sehr ergebener Sidney Bellows.

Damien fuhr sich mit zittrigen Fingern durchs Haar. Er war ständig in Skandale verwickelt, hatte aber stets dafür gesorgt, dass seine kleine Schwester ein wohl behütetes Leben auf dem Land führte, in der Obhut der besten Gouvernanten und Erzieherinnen. Nun aber war Olivia, wie es schien, selbst übler Nachrede ausgesetzt. Schlimmer noch, sie war dabei schwer verletzt worden ... vielleicht ein Krüppel fürs Leben ...

Maßloser Zorn kochte in Damien hoch, verhärtete sich zu einem Klumpen in seiner Brust. Der Brief nannte zwar den Namen ihres Verführers nicht ausdrücklich, aber wer immer Olivia Leid angetan hatte, sollte seine Rache zu spüren bekommen. Er würde ihm eine Kugel durch den Kopf jagen, oder besser noch, er würde ihn mit bloßen Händen erwürgen.

»Ich habe mir erlaubt«, murmelte der Sekretär, »Ihre Kutsche reisefertig machen zu lassen, in der Annahme, Sie wünschen umgehend nach Rosewood zu fahren.«

»Ja ...«, sagte Damien abwesend, immer noch betäubt vom Schock der tragischen Nachricht.

Er zwang sich, seine wirren Gedanken zu ordnen, fuhr in die Ärmel seines Gehrocks, warf sich den Mantel über die Schultern und verließ den Salon.

Auf dem Korridor kam Elise ihm entgegen und legte ihm ihre schmale Hand auf den Ärmel. »Sie wollen doch nicht schon gehen, Mylord?«

»Verzeihen Sie, ich bin gezwungen.«

»Aber wir sind noch zu keiner Einigung bezüglich unseres ...«

Arrangements gekommen, wollte sie sagen.

Damiens Kiefer mahlten ungeduldig und seine schroffe Antwort ließ jede Liebenswürdigkeit missen. »Ich habe dringende Geschäfte zu erledigen.«

Sie lächelte kleinlaut. »Ich bin sehr enttäuscht. Ihr Besuch war sehr kurz.«

»Ich komme wieder, wenn sich die Gelegenheit bietet.« Er deutete eine knappe Verbeugung an und entzog ihr seinen Arm.

Die schöne Verführerin war bereits vergessen, als er seinem Sekretär in die kühle Nacht folgte. Zorn und Angst um seine Schwester wühlten sein Inneres auf, zusammen mit glühenden Rachegelüsten.

Kapitel 1

London, Mai 1810

Trotz der späten Nachtstunde war der Spielsalon gut besucht. Während des üppigen Mitternachtsdinners flossen Rotwein und Champagner in Strömen, Gelächter und lebhafte Plaudereien erfüllten den Raum. Doch unter den Glücksspielern, Dandys und Aristokraten, die hohe Summen bei Macao, Hazard und Faro setzten, war eine gespannte Atmosphäre zu spüren.

Aus diskreter Distanz beobachtete Vanessa Wyndham einen Herrn am Farotisch und bemühte sich, ihn kühl zu studieren, obwohl das, was sie sah, sie in helle Aufruhr versetzte.

Lord Sin – Lord Sünde. Diese Bezeichnung schien sehr treffend zu sein. Sie entdeckte zwar keinerlei Anzeichen eines ausschweifenden Lebenswandels in seinem Gesicht, doch in seinen grauen Augen lag eine Verruchtheit von befremdlich starker Anziehungskraft.

Vanessa straffte die Schultern und zwang sich, den Blick von Lord Sinclair zu wenden, eine auffallende Erscheinung mit rabenschwarzem Haar und markant geschnittenen, ebenmäßigen Gesichtszügen. Er strahlte eine atemberaubende, dunkle Männlichkeit aus – hoch gewachsen, schlank, muskulös, geschmeidig wie ein Raubtier. Der makellos geschneiderte schwarze Gehrock umspannte seine eleganten Schultern wie angegossen.

Sie war nach London gereist, nur um ihn aufzusuchen. Um ihn daran zu hindern, ihre Familie aus Rachedurst zu vernichten.

Offenbar war sie nicht die Einzige, die sich für Baron Sinclair interessierte. Hinter ihr tuschelten zwei Damen miteinander.

»Wie ich sehe, richtet Damien wieder ein Desaster am Spieltisch an.«

»Ich begreife nicht, wieso er das nötig hat«, jammerte die zweite Frauenstimme mit gedehnt nasaler Stimme. »Er ist doch steinreich. Was hat er davon, sein riesiges Vermögen noch zu vergrößern?«

Die erste Dame lachte spitz. »Ach was, du bist nur gekränkt, weil er dir den ganzen Abend keine Beachtung geschenkt hat. Gestehe, Liebste, wenn der unwiderstehliche Lord Sin mit dem kleinen Finger winkt, sinkst du ihm zu Füßen.«

Vanessas Blick kehrte wie magisch angezogen zu dem skandalumwitterten Aristokraten zurück, wie schon unzählige Male zuvor an diesem Abend. Er übte eine faszinierende Ausstrahlung auf Frauen aus. Diese auffallende Mischung aus vornehmer Eleganz, animalischer Männlichkeit und verwegenem Charme war eine gefährliche Verlockung für die Weiblichkeit.

Vanessa fröstelte, obwohl die Kerzen in den Kristalllüstern eine wohlige Wärme im Raum verbreiteten. Sie trug ein smaragdgrünes Seidenkleid mit hochgezogener Taille, das zwar nicht der neuesten Mode entsprach, dessen gewagtes Dekolletee aber die Blicke eines Frauenhelden von der Sorte des Barons auf sich ziehen würde, wie sie sich erhoffte.

Baron Sinclair war in der vornehmen Welt als Lord Sin bekannt. Schon in ihrer unglücklichen Ehe hatte Vanessa von dem verrufenen Aristokraten gehört. Obgleich sie einander nie offiziell vorgestellt worden waren, hatten sie sich damals in den gleichen Gesellschaftskreisen bewegt. Damien Sinclair war für seine skandalösen Eroberungen in den glitzernden Ballsälen und schummrigen Boudoirs in ganz Europa berüchtigt, womit er die Ausschweifungen der Aristokratie zu neuen Höhen getrieben hatte.

Wie sollte dieser Mann zur Umkehr bewogen werden? Wie sollte sie den Mut aufbringen, ihn anzusprechen?

Sie hatte genug von Lebemännern. Ihr verstorbener Ehemann hatte sie gelehrt, lasterhafte und zügellose Menschen zu verabscheuen. All ihre weiblichen Instinkte warnten sie und rieten ihr, sich von dem berüchtigten Lord Sinclair fern zu halten. Aber ihre verzweifelte Situation zwang sie, sich ihm zu nähern – noch heute Nacht, wenn sie es schaffte.

»Wollen Sie eine Ansage machen, Mylord?«, fragte die hübsche Kartengeberin den Baron.

Gespannte Stille senkte sich über das Spielzimmer.

Vanessa war mit den Regeln so weit vertraut, um zu wissen, dass »Ansage« bedeutete, auf die richtige Reihenfolge der letzten drei Karten eines Blattes zu setzen. Das Haus hielt die Bank, die Chancen für den Spieler standen fünf zu eins.

Lord Sinclair trug eine gleichmütig gelangweilte Miene zur Schau, als er die Reihenfolge vorhersagte – Zwei, Sechs, Königin – als stünde nicht ein Vermögen auf dem Spiel.

Vanessa hielt, wie alle anderen Gäste im Spielsalon, den Atem an, als das Mädchen die Karten aufdeckte, eine nach der anderen ... Pik zwei, Kreuz sechs, Herzkönigin.

Damit hatte Lord Sinclair zwanzigtausend Pfund Sterling gewonnen.

Der hoch gewachsene Herr neben ihm lachte schallend und schlug dem Baron freundschaftlich auf die Schulter. »Mich laust der Affe, Damien, ich wette, du bist mit dem Teufel im Bunde. Verrätst du mir dein Geheimnis?«

Ein Lächeln umspielte die schön geschwungenen Lippen des Barons. »Kein Geheimnis, Clune. Ich wette stets auf eine Dame. In diesem Fall die Königin.«

Lord Sinclair hob den Blick und heftete ihn zu Vanessas Entsetzen quer durch den Salon direkt auf sie. Seine Augen hatten die seltene Farbe von silbrigem Rauch. Sein Blick war vielsagend, unverfroren, traf sie bis ins Innerste.

Vanessa wandte sich hastig ab und nahm einen Schluck Wein, um ihre Nerven zu beruhigen.

»Verdammter Aubrey ...« murmelte sie in sich hinein. Ihr Bruder, dieser Taugenichts, hatte sie in diese unerträgliche Situation gebracht. Der leichtsinnige Junge hatte beim Glücksspiel den Familienbesitz an diesen Mann verloren. Und Vanessa war fest entschlossen, sich alles zurückzuholen.

Die nächste Stunde verbrachte sie damit, ziellos durch den Spielsalon zu schlendern und immer wieder heimliche Blicke in Lord Sinclairs Richtung zu werfen. Sie überlegte fieberhaft, ob sie sich von einem Gast vorstellen lassen, oder ihn einfach ansprechen sollte. Ihr Vorhaben wäre wenig Erfolg versprechend, wenn sie zu schüchtern wirkte. Andererseits wollte sie keinen Klatsch riskieren, wenn sie in der Öffentlichkeit an ihn herantrat. Es war gefährlich genug, ohne Begleitung im Spielsalon zu erscheinen, in den sie sich über die Mitgliedschaft ihres Bruders Eintritt verschafft hatte. Sie trug zwar eine Halbmaske, um nicht erkannt zu werden, aber einige Freunde ihres verstorbenen Mannes, die sie unter den Gästen entdeckt hatte, würden sie gewiss erkennen, falls sie unnötiges Aufsehen erregte.

Nach reiflicher Überlegung hatte sie sich dafür entschieden, dem Treffen den Anschein einer zufälligen Begegnung zu geben, statt den Baron schriftlich um eine Unterredung zu bitten. Die Rolle einer Bittstellerin war ihr äußerst zuwider, doch sie sah keinen anderen Ausweg. Sie musste an seine Gnade appellieren und konnte nur hoffen, dass er sich einen Funken Menschlichkeit und Mitgefühl in seiner schwarzen Seele bewahrt hatte.

Erst gegen drei Uhr morgens bot sich eine günstige Gelegenheit. Lord Sinclair hatte seine Gewinne eingestrichen und war im Begriff, den Spielsalon zu verlassen.

Vanessa bemühte sich, nicht allzu gehetzt zu erscheinen und erreichte vor ihm die Tür, zögerte einen Moment und ließ dann ihr Taschentuch fallen. Eine plumpe List, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, von der sie aber hoffte, sie würde ihm schmeicheln.

Er bückte sich höflich und reichte ihr das Spitzentuch mit einer formvollendeten Verneigung. »Haben Sie das verloren, Madam?«

Als er ihr das Tuch reichte, streiften seine Finger die ihren, ob beabsichtigt oder nicht, hätte sie nicht zu sagen vermocht. Mehr als die Wärme seiner Berührung erschreckte sie sein Blick. Seine Augen durchdrangen ihre Halbmaske, senkten sich in die ihren und hielten sie gefangen.

Einen Moment stand Vanessa wie gelähmt in seinem Bann. Das dünne Lächeln seines sinnlich geschwungenen Mundes war nur ein Abglanz seines berüchtigten Charmes. Seine Miene blieb angespannt, seine grauen Augen prüften sie scharf. Es wäre ein schwerer Fehler, diesen gefährlichen Mann zu unterschätzen, schoss es Vanessa durch den Kopf.

Mit einem erzwungenen Lächeln und einem gemurmelten Dank nahm sie das Tuch an. »Wie achtlos von mir«, sagte sie und zog ihre Hand zurück.

In seinem Blick lag spöttischer Zweifel, aber er verlor keine Bemerkung über die Ausrede. »Bedauerlicherweise hatte ich noch nicht das Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

»Ich bin Vanessa Wyndham.«

Er sah sie erwartungsvoll an, als sei der Name ihm völlig fremd.

»Ich glaube, Sie kannten meinen verstorbenen Ehemann, Sir Roger Wyndham.«

»Ach ja. Wir verkehrten im selben Club.«

Roger war im Duell wegen einer Schauspielerin gefallen, doch sollte Lord Sinclair von dem Skandal gehört haben, so war er zu höflich – oder zu gleichgültig –, um ihn zu erwähnen.

»Womit kann ich Ihnen dienen, Lady Wyndham?« Als sie schwieg, fügte er unbefangen hinzu: »Offensichtlich wünschen Sie etwas von mir.« Sein Blick war forschend, sein Lächeln nachsichtig spöttisch. »Verzeihen Sie, aber es wäre sträflich leichtsinnig, die Blicke einer schönen Frau einen ganzen Abend lang zu ignorieren.«

Vanessa errötete über seine freimütige Rede. Nur ein verwegener Lebemann wagte es, eine Bemerkung über das Interesse einer Dame zu machen. »Um aufrichtig zu sein ...«

»Ja, lassen Sie uns aufrichtig miteinander sein, um jeden Preis.« Sein gedehnter Tonfall ließ es nicht an Ironie fehlen.

»Ich hoffte auf eine Gelegenheit, mit Ihnen in einer dringenden Sache zu sprechen, Mylord.«

»Stets zu Diensten, Madam.« Er wies zur Tür. »Darf ich Sie zu Ihrer Kutsche begleiten?«

»Wenn Sie die Güte haben.«

Er ließ ihr den Vortritt und folgte ihr.

»Ich gestehe, meine Neugier ist geweckt«, sagte er auf dem Weg durch den Korridor zur breiten Treppe. »Ihr Interesse an meiner Person den ganzen Abend ließ auf Neugier schließen, vielleicht auf Abwägung, allerdings nicht auf Koketterie oder heimliche Verliebtheit.«

»Ich fürchte, ich beherrsche die Kunst der Koketterie nicht«, entgegnete Vanessa gepresst, unangenehm berührt, dass er sie so mühelos in die Defensive drängte.

»Würden Sie mir dann freundlicherweise den Grund unserer Begegnung nennen?«

»Aubrey Trent, Lord Rutherford«, sagte sie leise, »ist mein Bruder.«

Sinclair blieb abrupt stehen. Er wandte sich ihr zu, seine grauen Augen verdunkelten sich schlagartig.

Sie zwang sich, seinem zornigen Blick standzuhalten. »Wenn Sie gestatten, möchte ich mit Ihnen über Aubreys Wettschulden sprechen.«

»Kommen Sie, um seine Schulden zu bezahlen?«

»Nicht ... wirklich.«

»Weswegen dann?«

Vanessa holte tief Atem. Vor zwei Nächten hatte Lord Sinclair ihren Bruder zu einer Partie Pikett herausgefordert. Aubrey hatte verwegen mit viel zu hohen Einsätzen gespielt – und hatte schließlich alles verloren: Den gesamten Familienbesitz, das Rutherford Landgut und das Londoner Stadthaus. Es blieb nichts, wovon die Familie leben sollte, die auf Aubreys Zuwendungen angewiesen war.

Sie selbst war nicht sonderlich verzagt bei der Aussicht, den Rest ihres Lebens in bescheidenen Verhältnissen zu leben; sie hatte Schlimmeres durchgemacht. Aber sie musste an ihre Mutter und ihre Schwestern denken. Es war eine Sache, damit leben zu müssen, dass die Geldeintreiber sich die Türklinke in die Hand gaben, aber eine andere, buchstäblich auf die Straße geworfen zu werden.

»Ich spreche für meine Familie. Ich hoffte ... Sie würden in Erwägung ziehen, ... Aubreys Spielschulden ... wenigstens teilweise zu erlassen.«

Sinclair starrte sie fassungslos an. »Sie scherzen, Madam.«

»Nein«, entgegnete sie gefasst. »Es ist mein voller Ernst. Unsere zwei Schwestern sind auf seine Zuwendungen angewiesen. Und unsere leidende Mutter.«

»Wieso sollten Ihre Familienumstände mich etwas angehen, Lady Wyndham?«, schnarrte er ungehalten.

»Wenn Sie Anspruch auf das Vermögen der Rutherfords erheben, entziehen Sie meiner Familie jegliche Existenzgrundlage«, fuhr Vanessa fort, ihr Anliegen vorzubringen.

»Ein bedauerlicher Umstand.« Sein Tonfall ließ nicht das geringste Mitgefühl erkennen.

Vanessa machte einen neuerlichen Versuch, an seine Gnade zu appellieren. »Mylord, mein Bruder ist kein Glücksspieler. Und er hatte kein Recht, unser Familienvermögen am Spieltisch zu vergeuden.«

»Dann hätte er es nicht tun sollen.«

»Wie ich hörte, haben Sie ihm keine große Wahl gelassen. Oder wollen Sie leugnen, ihn absichtlich herausgefordert zu haben?«

»Das leugne ich keineswegs. Er kann von Glück sagen, dass ich nicht meinem ersten Impuls folgte und ihm eine Kugel durch den Kopf gejagt habe.«

Vanessa spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Sinclair galt als ausgezeichneter Schütze. Auch im Umgang mit dem Degen tat es ihm keiner gleich. Sie wusste, dass er aus zwei Duellen als Sieger hervorgegangen war, und es gab vermutlich noch weitere, von denen sie nichts wusste.

»Ich frage mich, was Sie davon abgehalten haben mag«, murmelte sie mutlos.

Seine Kiefermuskulatur spannte sich an. »Ein Duell hätte den Skandal um meine Schwester nur verschlimmert.«

»Ich bin zwar nicht im Einzelnen davon unterrichtet«, sagte Vanessa mit leiser Stimme, »aber ich weiß von dem Unfall Ihrer Schwester.«

»Dann wissen Sie auch, dass sie durch den Unfall zum Krüppel wurde und vielleicht nie wieder gehen kann.«

»Ja. Und es tut mir unendlich Leid.«

»Tatsächlich?«, fragte er in triefendem Hohn.

»Ja, auch meinem Bruder tut es furchtbar Leid. Aubrey bedauert sein Verhalten Ihrer Schwester gegenüber zutiefst. Sein Benehmen war grausam und unverzeihlich, das Verhalten eines verwöhnten, gedankenlosen jungen Mannes.« Als Lord Sinclair schwieg, warf Vanessa ihm einen flehenden Blick zu. »Ich weiß wohl, wie selbstsüchtig mein Bruder sein kann. Er ist jung und ziemlich unbedacht. Ein Mann Ihrer Reputation dürfte das gewiss verstehen. Wenn man den Gerüchten glauben darf, die über Sie im Umlauf sind, haben Sie alle Freiheiten der Jugend ausgekostet.«

»Meine Person steht hier nicht zur Debatte.«

»Nein, aber ... ich bitte Sie inständig um Nachsicht. Mein Bruder ist ein unreifer Junge.«

»Offensichtlich. Ein erwachsener Mann hätte seine Schwester nicht vorgeschickt, um als Bittstellerin für ihn aufzutreten.«

Sie war im Begriff zu widersprechen, dass Aubrey sie nicht geschickt hatte, doch das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Er hatte keinen Einwand erhoben, als sie ihm ihre Absicht eröffnete, Lord Sin aufzusuchen.

Vanessa legte ihre Hand beschwörend auf den Ärmel des Aristokraten. »Mylord, haben Sie kein Erbarmen? Nicht das geringste Mitgefühl?«

Wieder vibrierte ein Muskelstrang in seiner Wange. »Ihr Bruder verdient kein Mitgefühl. Er hat etwas zerstört, was mir sehr kostbar ist. Und ich habe mir vorgenommen, ihn zu zerstören.«

Er sprach diese Worte kalt, mitleidlos, völlig ungerührt.

Sein abweisender Blick fiel auf die schlanke Hand an seinem Ärmel. »Meine Kutsche wartet, Lady Wyndham. Ich pflege meine Pferde nicht lange stehen zu lassen.«

Er trat einen Schritt zurück und entfernte sich. Vanessa starrte ihm verzweifelt und erzürnt nach.

Beim Betreten des Londoner Stadthauses, seit vier Generationen im Familienbesitz, hatte Vanessa Mühe, die Tränen zu unterdrücken. Während der unglücklichen Jahre ihrer Ehe mit einem unverbesserlichen Lebemann hatte sie nur selten geweint, auch in den zwei schwierigen Jahren nach Sir Roger Wyndhams Tod hatte sie keine Träne vergossen – und sie würde auch jetzt nicht weinen.

Schweren Herzens stieg sie die Treppe zum Salon hinauf. Ihr Bruder hatte das Londoner Haus zur Sommersaison geöffnet, obgleich er sich die zusätzlich anfallenden Kosten kaum leisten konnte.

Aubrey erwartete sie im Salon, unruhig hin und her wandernd. Vanessa sah ihm einen Moment lang zu und fragte sich wehmütig, warum der liebenswerte Junge seiner Kindertage sich zu einem liederlichen Taugenichts entwickelt hatte. Aber sie kannte die Antwort. Als einziger Sohn war er von den Eltern verwöhnt worden, keinen Wunsch hatten sie ihm abgeschlagen, nie Grenzen gesetzt. Sein Mangel an Disziplin und Verantwortung hatte seinen Ruin herbeigeführt, davon war sie überzeugt.

»Nun?«, fragte Aubrey, als er sich zu ihr umwandte. »Hast du mit ihm gesprochen?«

Aubrey war einen Kopf größer als seine ältere Schwester. Sein hellbraunes Haar spielte ins Rötliche. Seine dunkelbraunen Augen blitzten, wenn er lachte. Doch nun las sie Befangenheit und Angst in seinem Blick.

»Es ist mir gelungen, eine Begegnung mit Lord Sinclair herbeizuführen«, antwortete Vanessa. »Aber er weigerte sich, mich anzuhören, sobald ich ihm sagte, wer ich bin.«

»Dann bin ich verloren«, sagte Aubrey mit kaum hörbarer Stimme.

Sie wollte ihm widersprechen, wollte ihn tröstend in die Arme schließen und seinen Kummer verscheuchen. Aber er hatte Recht. Sie alle waren verloren. Sie sank erschöpft auf das blaue Brokatsofa.

Aubrey warf sich in einen Lehnstuhl und barg das Gesicht in den Händen. Dann fragte er leise: »Er weigerte sich, mit dir zu verhandeln?«

»Soweit kam es gar nicht. Er wollte nichts mit mir zu tun haben.«

»Der verdammte Mistkerl ...«

Nicht zum ersten Mal empörte Vanessa sich über die kindischen Versuche ihres Bruders, anderen die Schuld an seinen Verfehlungen zu geben. »Du kannst kaum erwarten, dass Lord Sinclair den Besitz so ohne weiteres zurückgibt, den du so leichtfertig und rücksichtslos verspielt hast.«

»Er will mich ruinieren.«

»Kannst du ihm das verdenken? Seine Schwester erlitt einen tragischen Unfall mit bleibenden Folgen ... durch deine Schuld. Sie wird vielleicht nie wieder gehen können. Oder hast du das bereits vergessen?«

»Ich habe es nicht vergessen!« Aubrey wühlte die Hände in sein Haar. »Denkst du etwa, ich bereue mein idiotisches Verhalten nicht?«

»Wie konntest du nur so grausam mit dem jungen Mädchen umspringen?«

»Ich weiß nicht.« Er hob den Kopf, und in seinen dunklen Augen lag Trauer und Reue. »Es begann als harmloser Jux. Ich habe mit meinen Freunden um eine beträchtliche Summe gewettet. Meine Taschen waren leer, ich brauchte Geld. Und außerdem haben wir uns ein wenig ...«

»Was?«

»Gelangweilt.«

»Haben euch die Jagdausflüge keinen Spaß mehr gemacht? Die Hahnenkämpfe und die Boxkämpfe reichten euch nicht mehr als Nervenkitzel aus?« Vanessas Stimme war bitter und höhnisch. »Wolltest du deshalb das Leben eines jungen Mädchens zerstören? Ihren Ruf zu ruinieren und sie zum Krüppel zu machen war wohl aufregender, wie?«

Aubrey verzog schmerzlich das Gesicht. »Ich hatte nicht die Absicht, es so weit kommen zu lassen, das musst du mir glauben.«

»Und was war deine Absicht?«

Er holte tief Atem. »Wie gesagt, ich wollte eine Wette gewinnen, weiter nichts. Wir lernten Miss Sinclair bei einer Gesellschaft kennen ... Ich fürchte, wir hatten vorher schon reichlich Rotwein getrunken. Zunächst war nur die Rede davon, ob es uns gelingen würde, sie von ihrer Gouvernante, einem wahren Drachen, loszueisen, doch irgendwie wurde mehr aus der Sache. Schließlich wettete ich und behauptete, ich schaffe es, dass die Kleine sich in mich verliebt. Ich machte ihr den Hof, was sich als wesentlich leichter herausstellte, als ich erwartet hatte.« Er ließ den Kopf hängen. »Olivia führt ein behütetes Leben unter strenger Aufsicht, sie hungerte geradezu nach ... Zuneigung.«

»Du hast dich also heimlich mit Miss Sinclair getroffen und sie überredet, mit dir durchzubrennen. Aber du hattest nie ernsthaft die Absicht, sie zu heiraten.«

»Ich hätte es mir nie leisten können, sie zu heiraten, selbst wenn ich den Wunsch gehabt hätte. Sie ist eine reiche Erbin, kann aber erst in drei Jahren über ihr Vermögen verfügen. Sinclair hätte sie ohne einen Penny aus dem Haus gejagt, wenn sie ohne seine Zustimmung geheiratet hätte.«

Vanessa hielt es ihrem Bruder zugute, dass er sich beschämt zeigte. Sie wusste sehr wohl, wie sehr er unter seinen begrenzten finanziellen Mitteln litt. Doch das entschuldigte sein verantwortungsloses Vorgehen in keiner Weise.

Ihr Vater war ein miserabler Vermögensverwalter gewesen, der keinerlei Geschäftssinn besaß. In der Hoffnung, seine älteste Tochter könne das Familienvermögen durch eine reiche Heirat vergrößern, hatte er Vanessa zur Heirat mit einem jungen Baron gedrängt, der freilich sein stattliches Erbe in kurzer Zeit verschleudert hatte und schließlich, nach einem Jahr Ehe, im Duell getötet worden war. Nachdem ihr Vater kurze Zeit später einen tödlichen Reitunfall erlitten hatte, war Vanessa aus London geflohen, um zurückgezogen auf dem Lande bei ihrer Familie zu wohnen.

Seither lebte sie mit ihrer kränkelnden Mutter und zwei jüngeren Schwestern in bescheidenen Verhältnissen. Aubrey aber war ein echtes Sorgenkind, der immer wieder Geldforderungen stellte, um seinen Vergnügungen nachzugehen und das restliche Einkommen mit liederlichen Frauen und beim Glücksspiel durchbrachte.

Wurde die Familie bislang von Schulden gedrückt, so hatte sich die Situation nun drastisch verschlechtert.

»Vielleicht könnte Charlotte eine gute Partie machen«, schlug Aubrey mit leiser Stimme vor.

»Nein! Das kommt nicht in Frage«, widersprach Vanessa heftig. Charlotte war erst fünfzehn und Fanny dreizehn. So lange sie lebte, würde sie verhindern, dass ihre Schwestern zu einer Geldheirat gezwungen wurden wie sie damals.

»Was schlägst du vor?«

Sie rieb sich müde die Schläfen. »Vielleicht sollten wir uns einfach weigern, auszuziehen. Lord Sinclair scheut möglicherweise davor zurück, uns durch einen Gerichtsbeschluss hinauswerfen zu lassen.«

Aubrey schüttelte den Kopf. »Ich habe eine Ehrenschuld an Lord Sin zu bezahlen. Sie muss beglichen werden, selbst wenn wir als Folge davon verhungern müssen.«

Vanessas Zorn kochte wieder hoch. »Du hast unser Landgut verspielt, unsere letzte und einzige Einkommensquelle, und alles woran du denken kannst, ist deine Ehre?«

»Wenn ich nicht bezahle, kann ich mir genauso gut eine Kugel durch den Kopf jagen.«

»Aubrey hör auf, so zu reden!«, rief sie entrüstet.

Er schien ihr nicht zuzuhören. »Vielleicht verdiene ich die Kugel. Als sie stürzte«, – er kniff die Augen zusammen – »glaubte ich, ich hätte sie getötet.«

Sein gequälter Gesichtsausdruck machte Vanessa Angst. »Aubrey, ich bitte dich ...«

In einer plötzlichen Gefühlsaufwallung sprang sie auf, kniete vor ihm nieder und nahm seine kalten, klammen Hände in die ihren. »Die Vergangenheit können wir nicht ändern, wir können uns nur bemühen, etwas für die Zukunft zu tun.« Nach langem Schweigen nickte er. »Hab keine Angst, liebste Schwester. Ich bringe den Mut nicht auf, meinem Leben ein Ende zu setzen. Dazu fehlt mir die Kraft.«

Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, sie versuchte ihn von seinen düsteren Gedanken abzulenken. »Was sagen die Ärzte über Miss Sinclairs Zustand?«

Er seufzte. »Ich weiß es nicht. Man lässt mich nicht zu ihr. Ich wünschte ... ich könnte alles wieder gutmachen. In dieser Absicht bat ich Lord Sinclair letzte Woche um eine Unterredung. Er lud mich ein, ihn in seinem Club aufzusuchen und ich dachte, er würde mir vergeben ... wie töricht von mir.«

Aubrey zwang sich zu einem schiefen Lächeln. »Wahrscheinlich müsste ich dankbar sein, dass er diese Form der Rache wählte, statt mich zum Duell zu fordern. Ich verdiene seinen Hass, das ist mir klar. Hätte ein Mann meine Schwestern derart schändlich behandelt, hätte ich nur einen Wunsch gehabt, den Kerl zu töten.«

Vanessa wurde warm ums Herz. Ihr Bruder war kein schlechter Mensch, er war nur schwach, und sie liebte ihn. Zugegeben, er war leichtfertig, aber er hatte ihr während ihrer unglücklichen Ehe oft beigestanden und sie in einer Zeit aufgeheitert, als sie wenig Grund zur Freude hatte. Und er schien sein unverzeihliches Verhalten gegen Lord Sinclairs Schwester aufrichtig zu bereuen.

»Wir finden einen Ausweg, Aubrey, das verspreche ich dir. Ich lasse einfach nicht zu, dass unsere Mutter und Schwestern auf die Straße geworfen werden.«

Das Flehen in seinen Augen machte ihr das Herz schwer. »Was können wir tun?«

»Ich weiß es nicht, aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, Lord Sinclair zur Einsicht zu bewegen.«

»Er will nur seine Rache.«

»Ich weiß.« Ein Frösteln durchrieselte sie, als sie an seinen hasserfüllten Blick dachte, der ihr bis in die Seele gedrungen war. Sie sah sein Bild vor sich: elegant, männlich, verwegen. Der verruchte Lord Sin war ein gefährlicher Mann.

»Er ist ein herzloser Teufel«, murmelte sie, »aber ich gebe mich noch nicht geschlagen.«

Kapitel 2

Bangen Herzens entstieg Vanessa der Mietdroschke vor der prachtvollen Residenz im eleganten Londoner Stadtviertel Mayfair. Fröstelnd zog sie die Kapuze ihres Umhangs tief in die Stirn, um sich vor dem Nieselregen des grauen Morgens zu schützen, aber vor allem, um nicht erkannt zu werden. Es schickte sich nicht für eine Dame, einen unverheirateten Herrn ohne Begleitung aufzusuchen, noch dazu einen von zwielichtigem Ruf wie Lord Sin.

Aber die Verzweiflung trieb sie zu diesem Schritt. Vanessa fasste all ihren Mut zusammen und stieg die Marmorstufen zum imposanten Portal hinauf. Auf ihr Klopfen öffnete ein würdevoller Butler, dem sie ihre Karte reichte. Der vornehme Diener ließ sich mit keinem Wimpernzucken sein Erstaunen über den Besuch der fremden Dame anmerken.

»Ich frage nach, ob Seine Lordschaft empfängt«, sagte er höflich. »Wenn Sie die Güte haben, im Salon zu warten.«

Sie nickte und folgte ihm. Im Empfangszimmer schob sie die Kapuze in den Nacken, ohne sich zu setzen. Beklommen ließ sie den Blick über die Einrichtung schweifen. Die Tore des Höllenschlundes wären ihr willkommener gewesen als dieser elegante Salon.

Sie verabscheute dekadente Aristokraten. Und Damien Sinclair, Lord Sin, war einer der schlimmsten Sorte. Er war der Vorsitzende des berüchtigten ›Hellfire Clubs‹, einer Bruderschaft verdorbener, wohlhabender Lords, benannt nach einer Vereinigung, die schon vor einem halben Jahrhundert für Skandale gesorgt hatte.

Aber sie durfte sich ihren Abscheu nicht anmerken lassen, wenn sie darauf hoffen wollte, den Rutherford-Besitz zu retten.

Nach wenigen Minuten betrat ein junger Mann den Salon, der sich höflich verneigte und sie neugierig durch seine Brille musterte.

»Lady Wyndham? Mein Name ist George Haskell, ich bin der Sekretär Seiner Lordschaft. Er bittet mich nach Ihrem Begehr zu fragen.«

»Ist Lord Sinclair nicht zu sprechen?«, fragte sie, keineswegs erstaunt, von einem Angestellten abgewimmelt zu werden.

»Er ist im Begriff auszugehen. Ich würde Ihnen gerne helfen, wenn Sie gestatten.«

»Ich fürchte, das ist unmöglich. Ich komme in einer dringenden persönlichen Angelegenheit.« Sie lächelte tapfer, fest entschlossen, sich nicht abweisen zu lassen. »Sagen Sie ihm bitte, dass ich hier auf ihn warte.«

Mr. Haskell entfernte sich mit einer höflichen Verneigung, kam aber nach kurzer Zeit wieder zurück.

»Seine Lordschaft bittet mich, Ihnen auszurichten, Mylady«, sagte er mit bekümmerter Miene, »dass er Sie zu einem kurzen Gespräch empfängt ... in seinen Privaträumen. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«

Sie erwartete, in ein Arbeitszimmer geführt zu werden, doch nachdem sie die Treppe hinaufgestiegen war, führte der Sekretär sie einen breiten Korridor entlang in ein Privatgemach und zog sich mit dem Ausdruck der Missbilligung zurück.

Vanessa betrat einen geschmackvoll eingerichteten Raum mit schweren roten Samtdraperien. In der Mitte stand ein riesiges Bett, dessen Seidendecken zerknüllt waren.

Vanessas Herzschlag beschleunigte sich. Sie befand sich im Schlafzimmer von Lord Sin.

»Treten Sie näher«, ließ eine gedehnte Stimme sich vernehmen.

Vanessa machte einen Schritt und blieb erschrocken stehen. Seine Lordschaft stand mit nacktem Oberkörper, nur mit Kniehosen und Stiefeln bekleidet, vor ihr. Seine breiten Schultern und der mächtige Brustkorb waren sehnig und muskulös, sein Bauch flach und straff, seine Hüften schmal. Er war gebaut wie ein griechischer Gott, seine muskelgestählte Gestalt ließ darauf schließen, dass er viel Sport trieb.

Vanessa war bestürzt über die magische Wirkung, die dieser Mann auf sie ausübte.

Mit einem unbefangenen Lächeln schlüpfte er in die Ärmel eines Batisthemdes. »Verzeihen Sie, wenn ich Sie halb angezogen empfange, aber Sie bestanden ja darauf.«

Selbst wenn er damit Recht hatte, beabsichtigte er mit dieser Dreistigkeit lediglich, sie einzuschüchtern. Sollte je ein Mensch davon erfahren, dass sie ihn in seinem Schlafzimmer besucht hatte – zweifellos ein Ort der Sünde – wäre sie bis ans Ende ihrer Tage kompromittiert. Aber ihre Situation erlaubte ihr keine Zurechtweisung. Wenn sie nicht alle Hoffnung fahren lassen wollte, ihn umzustimmen, musste sie ihre Entrüstung hinunterschlucken.

»Ich komme alleine zurecht«, sagte er an seinen Kammerdiener gewandt, der ihm das seidene Halstuch reichte und sich mit einer tiefen Verbeugung entfernte. Allein mit dem verrufensten Lüstling von ganz London, bemühte Vanessa sich, die Fassung zu bewahren.

»Es stört Sie doch nicht, wenn ich mich weiter anziehe?« Sinclair trat an den hohen Kristallspiegel und begann, das Seidentuch mit geschickten Fingern zu binden. »Ich stehe unter Zeitdruck und möchte mich nicht zur Anprobe bei meinem Schneider verspäten. Mein Sitz im Haus of Lords macht die Anschaffung einer neuen Garderobe erforderlich.« Er sprach im leichten Plauderton. Vanessa glaubte nicht, dass er übersteigerten Wert auf seine modische Erscheinung legte. Er war ein Lebemann mit der angeborenen Arroganz des Aristokraten, aber kein Modegeck. Und gewiss brauchte seine prachtvolle Figur keine große Schneiderkunst. In der Männerwelt gefürchtet und geachtet, hatte er mit seinem blendenden Aussehen und seinem unwiderstehlichen Charme unzählige Frauen verführt. Vanessa konnte nicht leugnen, dass Lord Sin auch ihre weiblichen Instinkte ansprach. Diese verblüffend grauen Augen, umrahmt von dichten, dunklen Wimpern konnten nicht anders als schön bezeichnet werden.

Sie schluckte gegen den Knoten in ihrer Kehle an und fand endlich ihre Stimme. »Danke, dass Sie sich bereit erklären, mit mir zu sprechen«, begann sie sachlich und höflich.

Sie begegnete seinem Lächeln im Spiegel. »Mir blieb keine andere Wahl, als mich Ihrem Wunsch zu beugen, Mylady. Sie sind ziemlich hartnäckig.«

»Ich sehe mich zu dieser Hartnäckigkeit gezwungen. Aber ich benötige nur zehn Minuten Ihrer kostbaren Zeit.«

»Bitte sehr. Aber ich warne Sie, auch zehn Stunden würden nicht ausreichen, um meine Meinung über Ihren Bruder zu ändern. Wollen Sie sich nicht setzen?«

Vanessas Blick streifte zwei Lehnsessel vor dem Kamin und eine Chaiselongue vor dem Fenster. »Danke, aber ich stehe lieber.«

Er neigte den Kopf und zupfte den kunstvollen Halsknoten zurecht. »Weiß Ihr Bruder von Ihrem Besuch?«

»Nein, und ich habe nicht die Absicht, ihn davon zu unterrichten. Er wäre empört, wenn er es erfahren würde, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Sie mich in Ihrem Schlafzimmer empfangen.«

»Weil ich ein berüchtigter Herzensbrecher bin?«, fragte er spöttisch. »Ich enttäusche Sie ungern, aber ich liege nicht auf der Lauer, um unbescholtene Damen zu schänden.« Seine Augen begegneten den ihren im Spiegel. »Obwohl ich in Ihrem Fall der Verlockung nur schwer widerstehen kann.«

Vanessa straffte die Schultern. »Mylord, ich komme, um mit Ihnen über die Spielschulden meines Bruders zu sprechen.«

»Das hätte ich mir beinahe denken können.«

»Vermutlich ahnen Sie nicht«, fuhr Vanessa fort, behielt nur mühsam ihren sachlichen Ton bei, »in welche Notlage meine Familie gerät, wenn Sie diese Schuld tatsächlich einfordern.«

Sinclair seufzte gelangweilt. »Ich nehme an, Sie werden mich aufklären.«

»Meine Mutter und meine beiden Schwestern wären völlig mittellos und hätten kein Dach über dem Kopf.«

»In diesem Fall muss Ihr Bruder sich an Geldverleiher wenden.«

»Niemand würde ihm eine so hohe Summe vorstrecken, da er keinerlei Sicherheit bieten kann. Selbst wenn er seine Spielschulden auf diese Weise begleichen könnte, wäre er in den Klauen seiner Kreditgeber und das Ergebnis wäre das gleiche. Aubrey würde seinen ganzen Besitz verlieren und im Schuldturm enden und unsere Familie wäre völlig mittellos.«

»Ich begreife nicht, was mich das angeht.«

Vanessa hatte Mühe, ihm keine wütende Entgegnung an den Kopf zu schleudern. Aber es wäre ein tödlicher Fehler, Lord Sinclair gegen sich aufzubringen. »Es ist Ihr gutes Recht, sich an meinem Bruder zu rächen. Aber liegt Ihnen auch daran, seine Familie ins Unglück zu stürzen?«

»Bedauerlicherweise eine verhängnisvolle Folge seiner Leichtfertigkeit.«

»Er ist nicht allein für sein Handeln verantwortlich. Sie sind ein erfahrener Glücksspieler, Mylord. Sie haben ihn dazu verleitet, mit hohen Einsätzen zu spielen, das haben Sie gestern Nacht unumwunden zugegeben.«

»Ganz recht, es lag in meiner Absicht, ihn zu ruinieren.«

»Dummen unreifen Jungs das Fell über die Ohren zu ziehen, sollte gesetzlich verboten sein«, murmelte Vanessa bitter.

»Das Leben junger, unschuldiger Mädchen zu zerstören, sollte ebenfalls verboten sein«, entgegnete er kalt. Als sie ihn wortlos anstarrte, fügte er gereizt hinzu: »Sind Sie gekommen, um sich als Moralapostel aufzuspielen, Lady Wyndham?«

»Nein, ich komme, um Sie zur Einsicht zu bewegen.«

Er ignorierte Ihren Einwurf.

»Aubrey droht, sich zu erschießen, wenn er keinen Ausweg aus dieser Notlage findet«, fuhr sie fort.

»Offen gestanden würde ich ihm keine Träne nachweinen.«

»Aber mir würde es das Herz brechen.«

Sein Blick suchte forschend ihre Augen, als wolle er ihre Aufrichtigkeit prüfen. Dann schüttelte er den Kopf. »Ihr Bruder muss die Rechnung für seine rücksichtslose Grausamkeit bezahlen. Aber ich bin zu einer Konzession bereit. Wenn er Manns genug ist und persönlich zu mir kommt, werde ich über die Zahlungsbedingungen mit mir reden lassen.«

Ein Hoffnungsschimmer keimte in ihr auf, allerdings reichte sein Entgegenkommen bei weitem nicht aus. »Wozu sollten Verhandlungen gut sein, wenn er nicht einmal seine Schneiderrechnungen bezahlen kann, geschweige denn diese horrende Summe, die er Ihnen schuldet?«

»Sie scheinen ja großes Interesse an seinen Finanzen zu haben.«

»Aus gutem Grund. Ich verwalte den Rutherford Besitz für Aubrey, da ihm jeglicher Geschäftssinn fehlt.«

Sinclair zog eine Braue hoch. »Den Sie besitzen?«

»Jedenfalls ausreichend, um zu wissen, dass er vor dem Ruin steht. Allerdings trägt er nicht die Alleinschuld an den schwindenden Rücklagen. Es war immer sehr schwierig, unsere Familie zu Sparsamkeit anzuhalten. Ich fürchte, wir neigen zur Verschwendungssucht.« Als Sinclair schwieg, fuhr sie fort: »Sehen Sie keine Möglichkeit, die Schulden zu verringern?«

»Was haben Sie als Gegenleistung zu bieten, Mylady?

Sie benagte ihre Unterlippe und Damiens Blick heftete sich auf ihren sinnlichen Mund. Es fiel ihm schwer, sich ihrer Bitte zu verschließen. Lady Wyndham war eine gefeierte Schönheit, und er hatte nun mal eine Schwäche für schöne Frauen. Ihre dunklen Augen glichen glitzernden Seen, in deren Tiefen er sich verlieren könnte. Ihr goldblondes Haar schimmerte in rötlichen Glanzlichtern des Herbstes.

Allerdings war sie berechnend genug gewesen, eine Geldheirat einzugehen. Vermutlich war sie aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ihr nichtsnutziger Bruder und ihr verstorbener Ehemann Sir Roger, der sein Erbe verschleudert hatte, in zahllose Skandale und Affären verwickelt gewesen war, bis er ein unrühmliches und vorzeitiges Ende gefunden hatte. Wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, so waren seine Freunde eifrig darum bemüht, die trauernde Witwe zu trösten. Vanessa Wyndham schien zwar weniger oberflächlich und töricht zu sein als andere Damen der vornehmen Gesellschaft, möglicherweise spielte sie aber auch nur eine Rolle, um ihn zu erweichen.

Damien las Argwohn in ihren schönen Augen, aber auch eine verborgene Sinnlichkeit, die ihm deutlich zu verstehen gab, dass ihr die Anziehung zwischen ihnen sehr wohl bewusst war.

»Ich fürchte, ich habe wenig zu bieten. Der frühe Tod meines Ehemanns hat auch mich in finanzielle Schwierigkeiten gebracht«, erklärte sie leise. »Ich war gezwungen, unser Haus, das mit hohen Hypotheken belastet war, zu verkaufen, um die Schulden meines Mannes zu begleichen.«

»Dann sollten Sie sich wieder einen reichen Ehemann suchen.«

»Selbst wenn ich die Absicht hätte, mich wieder zu verheiraten – was nicht der Fall ist – fehlt mir die Zeit, einen Ehemann zu suchen«, entgegnete sie kühl.

»Dann haben Sie offenbar ein Problem. Aber eine schöne Frau wie Sie kann sich einen Liebhaber nehmen. Oder sind Sie bereits versorgt?« Sein spöttischer Ton ärgerte sie.

Vanessa presste die Lippen aufeinander. »Ich habe keinen Liebhaber, Lord Sinclair.«

»Aber Sie scheuen sich nicht, Ihre weiblichen Reize einzusetzen, um Ihr Ziel zu erreichen. Oder sollte das gewagte Kleid von gestern Nacht nicht meine Aufmerksamkeit erregen?«

Vanessa errötete, bezähmte aber ihren Unmut.

Seine grauen Augen musterten sie von Kopf bis Fuß. »Es dürfte Sie keine Mühe kosten, einen Beschützer zu finden. Sie besitzen große Reize. Mit Ihrer Schönheit können Sie viel erreichen.«

»Ich bin nicht käuflich, Mylord«, fauchte sie entrüstet.

Ihre indignierte Reaktion traf Damien unerwartet. Er war daran gewöhnt, dass Frauen sich ihm in die Arme warfen. Die schöne Vanessa aber versuchte nicht, sein Herz mit Tränen und rührseligen Geschichten zu erweichen. Sie versuchte auch nicht, ihn zu umschmeicheln und zu becircen. Sie bat ehrlich und aufrichtig, ihrer Familie den Besitz nicht wegzunehmen.

Zugegeben, er bewunderte ihre Offenheit und ihren Mut. Er bewunderte sogar ihre Bemühungen, ihren Bruder zu verteidigen, so fehlgeleitet sie auch sein mochten.

Aber es wäre unklug, ihr nachzugeben. Vanessa Wyndham war eine kluge Frau, geistreich und schön, die selbst einen Mann seiner Erfahrung und seines anspruchsvollen Geschmacks beeindruckte. Unter normalen Umständen hätte er sich gerne mit ihr unterhalten oder mit ihr geflirtet. Doch dies war eine außergewöhnliche Situation. Ihr Bruder hatte das Leben seiner kleinen, unschuldigen Schwester zerstört, und dafür sollte er bezahlen.

»Haben Sie noch nie etwas getan, was Sie hinterher bereut haben?«, fragte sie. »Aubrey wuchs auf, ohne je zu Verantwortung angeleitet zu werden. Unser Vater war ihm ein schlechtes Vorbild.«

»Was für eine traurige Geschichte.«

»Mylord, mein Bruder ist ein unreifer Junge.«

Sinclairs graue Augen funkelten kalt. »Und meine Schwester ist naiv und leichtgläubig, Rutherford hat ihr Leben eiskalt ruiniert.«

»Ich nehme ihn nicht in Schutz und entschuldige sein Verhalten in keiner Weise«, entgegnete Vanessa versöhnlicher. »Aber ich würde es für vernünftiger halten, wenn Sie Ihre Energie darauf verwenden, Ihrer Schwester Schutz und Rückhalt zu geben, statt nur auf Rache zu sinnen.«

»Ich habe für sie getan, was in meiner Macht stand.«

»Tatsächlich? Haben Sie Ihre Schwester nicht allein auf dem Land zurückgelassen, um in London Ihren Vergnügungen nachzugehen?«

Nun reagierte Damien verärgert, seine Lippen wurden schmal. »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, Lady Wyndham. Nur zu Ihrer Information: Ich bin in der Stadt, um eine Gesellschafterin für sie zu finden.«

Und um Ihren Schneider aufzusuchen. Vanessa bemühte sich, ihre Verachtung zu verbergen. Der wohlhabende Baron hatte offensichtlich nicht den Wunsch, sich persönlich um seine kranke Schwester zu kümmern, da er plante, das Mädchen in die Obhut einer Gouvernante zu geben. »Finden Sie es nicht herzlos, sie einer Fremden zu überlassen?«

»Finden Sie es nicht unklug, sich mit mir anzulegen?«, konterte er seidenweich mit einem Anflug von Sarkasmus.

Wie dumm von ihr, ihn zu erzürnen. Lord Sinclair war ein gefährlicher, unbeugsamer Mann. Als er sich ihr nun langsam näherte, kostete es sie große Willenskraft, nicht zurückzuweichen. Sie war sich seiner kraftvollen, hohen Gestalt, seiner männlichen Ausstrahlung unbehaglich bewusst.

Den durchdringenden Blick unverwandt auf sie geheftet, blieb er vor ihr stehen. Als er wieder sprach, war seine Stimme ein dunkles Raunen. »Sie haben sich allein ins Schlafzimmer eines berüchtigten Frauenhelden gewagt. Ich könnte mich an Ihnen vergehen, und niemand würde mich zur Rechenschaft ziehen.«

Er sprach diese empörende Drohung wie eine sinnliche Verheißung aus. Noch dreister aber war die Art, wie seine Augen über ihren Busen wanderten. Sie spürte seinen Blick wie eine körperliche Berührung, unter der ihre Brustspitzen sich versteiften.

Sie stand starr, als er ihr die Hand an den Hals legte, wagte kaum zu atmen, als er mit einem Finger eine federleichte Spur über ihre Kehle zog. »Bringe ich Sie in Verwirrung, Lady Wyndham?«, spottete er.

»Nein ... keineswegs.«

»Und warum geht Ihr Atem so flach, warum erröten Sie so reizvoll?«

Sie hatte plötzlich Mühe, frei zu atmen und fühlte sich erhitzt. Falls er die Absicht hatte, sie einzuschüchtern, so täuschte er sich gewaltig.

Vanessa hob trotzig das Kinn und begegnete tapfer seinem Blick. »Ich hatte gehofft, an Ihre Menschlichkeit zu appellieren, Mylord. Doch wie ich sehe, ist Ihnen so etwas fremd.«

Lord Sin lächelte kühl. »Im Grunde bin ich ein liebenswürdiger Mensch.«

»Davon habe ich nichts bemerkt.«

»Aber Sie kennen mich kaum.«

Er blickte sie lange an, dann schüttelte er unwillig den Kopf. »So amüsant es ist, mit Ihnen zu plaudern, ich habe eine Verabredung.«

Vanessa seufzte enttäuscht. Er wollte nicht auf sie hören. Schweren Herzens machte sie einen letzten Versuch, ihn zum Einlenken zu bewegen.

»Sie fragten, was ich Ihnen als Gegenleistung bieten kann, wenn Sie meinem Bruder die Schulden erlassen. Ich bin bereit, Ihnen meine Dienste anzubieten ...«

Sieh mal an, dachte er. Nun kommen wir also zur Sache. »Sie beginnen, mein Interesse zu wecken.«

»... Als Gesellschafterin Ihrer Schwester«, fuhr Vanessa fort.

Er blickte sie skeptisch an. »Als Gesellschafterin?«

»Sie suchen doch eine Gesellschafterin für Miss Sinclair.«

»Nennen Sie mir einen einzigen Grund, warum ich meine Schwester in Ihre Obhut geben sollte.«

»Weil ich ihr helfen könnte. Nach allem, was ich hörte, geht es ihr nicht gut. Sie ist ans Bett gefesselt und fühlt sich sehr einsam.«

»Kommen Sie zur Sache.«

»Krankenpflege ist mir nicht fremd. Meine Mutter ist leidend und häufig ans Bett gefesselt. Ich habe sie oft gepflegt. Im Übrigen bin ich vom Rang her ihrer Schwester ebenbürtig. Ich führe den Titel meines verstorbenen Mannes und bin die Tochter eines Viscounts. Keine andere Erzieherin wird eine solche gesellschaftliche Position vorweisen.«

Damien blickte sie eindringlich an, um zu ergründen, ob sie ihr Angebot ernst meinte und fragte sich, wie weit ihre Opferbereitschaft für ihre Familie reichte. Er nickte bedächtig und beschloss, sie auf die Probe zu stellen.

»Meine Hochachtung, Sie haben Mut. Aber ich frage mich, wie weit Sie gehen würden.«

»Ich tue alles, was ich tun muss, um meine Familie vor dem Ruin zu retten.«

»Tatsächlich?« Er lächelte dünn. »Nun, Sie haben Glück. Ich bin nachsichtig gestimmt. Allerdings schwebt mir ein anderes Arrangement vor. Ich biete Ihnen die Position einer Gesellschafterin – allerdings nicht für meine Schwester. Für mich.«

»Ich ... verstehe nicht.«

»Dann will ich mich deutlicher ausdrücken. Ich erlasse Ihrem Bruder die gesamten Schulden, wenn Sie meine Mätresse werden.«

In ihrem Blick las er helles Entsetzen. »Es wäre nicht auf Dauer. Nur so lange, bis wir einander überdrüssig sind. Sagen wir ... für die Dauer dieses Sommers?«

Sie starrte ihn immer noch fassungslos an. »Ich ... kann nicht glauben, dass ein Mann Ihres Rufes keine Geliebte hat«, stammelte sie schließlich.

»Im Augenblick habe ich keine feste Liaison«, meinte er achselzuckend. »Die Stelle ist frei für Sie, wenn Sie einschlagen.«

Sie wollte ihm für dieses anstößige Angebot ins Gesicht schlagen. Er konnte es nicht ernst meinen ... oder doch? »Ihr Angebot ist empörend, Sir.«

Er schien völlig ungerührt, dann lächelte er sarkastisch. »Nun spielen Sie nicht die Gekränkte, meine Liebe. Ihre Entrüstung scheint mir reichlich übertrieben. Immerhin sind Sie eine erfahrene Frau.«

Er trat einen Schritt näher, hob die Hand und strich mit den Knöcheln seiner Finger zart über ihre Brustspitze. Sie spürte die sinnliche Berührung durch den Umhang hindurch. Die Unverfrorenheit seiner Geste erschreckte sie ebenso wie das glühende Prickeln, das sie durchrieselte.

Vanessa wich hastig einen Schritt zurück.

Lord Sin lächelte triumphierend. Mit diesem Lächeln hatte er unzählige Frauenherzen gebrochen.

»Lehnen Sie mein Angebot ab?«

»Das habe ich nicht gesagt!«, entgegnete sie um Fassung ringend.

»Und was sagen Sie?«

»Ich ... denke darüber nach.«

»Beeilen Sie sich damit, meine Liebe. Aber ich warne Sie. Wenn Sie sich mit mir einlassen, gehen Sie einen Pakt mit dem Teufel ein.«

Kapitel 3

Ihre Blicke hefteten sich kämpferisch ineinander.

»Ist Ihnen der Preis zu hoch, meine Schöne?«, fragte Damien Sinclair gedehnt.