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Anya Omah

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Beschreibung

Verletzlich, aber stark Kunststudentin Alissa arbeitet neben der Uni als Tätowiererin. Sie ist gut in ihrem Job, ausgesprochen gut. Nur scheint das ihren neuesten Kunden nicht zu interessieren, der sich offenbar kein Tattoo von einer Frau stechen lassen will. Sexistischer Mistkerl.   Entschlossen, aber sanft Als Sportstudent Simon Alissa das erste Mal sieht, rauben ihm ihre tiefblauen Augen fast den Atem. Er fühlt sich sofort von ihr angezogen – und will ihr auf keinen Fall das extrem peinliche Tattoo zeigen, das eigentlich überstochen werden soll. Aber nun hält sie ihn für ein Arschloch. Und das ist noch schlimmer.   Zusammen, aber verloren Alissa und Simon. Während der Sitzungen lernen sich die beiden kennen – und mit jedem Treffen knistert es mehr. Doch keiner von ihnen ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass sie mit ihrer beginnenden Beziehung gerade ein Tabu brechen … Band 1 der Sturm-Trilogie mit Setting Hamburg. Modern, authentisch, nahbar: Eine deutsche Autorin schreibt über deutsche Settings.

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Seitenzahl: 534

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Anya Omah

Regenglanz

Roman

 

 

 

Über dieses Buch

Verletzlich, aber stark

 

Kunststudentin Alissa arbeitet neben der Uni als Tätowiererin. Sie ist gut in ihrem Job, ausgesprochen gut. Nur scheint das ihren neuesten Kunden nicht zu interessieren, der sich offenbar kein Tattoo von einer Frau stechen lassen will. Sexistischer Mistkerl.  

 

Entschlossen, aber sanft

 

Als Sportstudent Simon Alissa das erste Mal sieht, rauben ihm ihre tiefblauen Augen fast den Atem. Er fühlt sich sofort von ihr angezogen – und will ihr auf keinen Fall das extrem peinliche Tattoo zeigen, das eigentlich überstochen werden soll. Aber nun hält sie ihn für ein Arschloch. Und das ist noch schlimmer.  

 

Zusammen, aber verloren

 

Alissa und Simon. Während der Sitzungen lernen sich die beiden kennen – und mit jedem Treffen knistert es mehr. Doch keiner von ihnen ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass sie mit ihrer beginnenden Beziehung gerade ein Tabu brechen …

 

 

 

Ein Liebesroman mit Hamburg-Setting

 

Band 1 der Sturm-Trilogie

Vita

Anya Omah, geboren 1984 in Dortmund, hat als Laborassistentin und Wirtschaftspsychologin gearbeitet, bevor sie sich als Autorin selbständig machte. Über diese Entscheidung sagt sie: «Ich war verrückt genug, dem sicheren Bürojob den Rücken zu kehren und meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Aber mal ehrlich: Wie verrückt kann es sein, seinen Traum zu leben?» Im März 2014 veröffentlichte sie ihr Debüt, es folgten zahlreiche weitere New-Adult-Romane. Mit der Sturm-Trilogie erscheint sie nun erstmals bei KYSS.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, September 2022

Copyright © 2021 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung Patrycja Krol; Shutterstock

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01012-3

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Für Caro. Ohne dich würde es dieses Buch nicht geben.

Playlist

Adore You – Harry Styles

Monster – Shawn Mendes

Fix You – Coldplay

Sweet Disposition – The Temper Trap

Crazy in Love – Beyoncé feat. Jay-Z

Wonderwall – Oasis

Like Glue – Sean Paul

Kiss Me – Ed Sheeran

Never – All The Luck In The World

Al I Want – Dawn Golden

Smells Like Teen Spirit – Nirvana

BOUND – RY X

Pillowtalk – Zayn

Bloodstream – Stateless

Hide and Seek – Imogen Heap

Untold – RY X

Lights On – H.E.R.

Talk – Khalid

Chasing Cars – Snow Patrol

Berlin – RY X

Only – RY X

This – Ed Sheeran

1Simon

Können wir bitte noch mal über alles reden?

 

Ich vermisse dich, und es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe.

 

Bitte, Simon. Geh ans Telefon.

 

Wieso lässt du mich so auflaufen? Bin ich dir wirklich egal?

Mein Freitagmorgen beginnt mit fünf Nachrichten, drei verpassten Anrufen und einer dreiminütigen Heul-Voicemail meiner Ex, von der ich nur die ersten zwanzig Sekunden abhöre. Kiki hatte offenbar nichts Besseres zu tun, als mir mitten in der Nacht auf den Sack zu gehen. Mal wieder. So läuft das schon seit einem Monat. Wir sind schon länger getrennt, aber vor vier Wochen sind wir uns durch Zufall in der Innenstadt über den Weg gelaufen. Statt sie zu ignorieren, habe ich mich auf ein kurzes Gespräch mit ihr eingelassen, obwohl ich mir geschworen hatte, nie wieder ein Wort mit ihr zu reden. Aber ich wollte kein Arschloch sein. Ich wollte nicht so tun, als wären wir nie ein Paar gewesen – auch wenn ich mir nichts mehr wünsche als das. Und …

Das Auffliegen meiner Zimmertür stoppt meine Gedanken. Alex hat soeben swatmäßig den Raum gestürmt und marschiert wütend auf mich zu.

Ich liege noch im Bett und richte mich nun abrupt auf. «Alter! Was soll das?»

«Wo zur Hölle hat deine durchgeknallte Ex meine Nummer her?» Für diese Bezeichnung hätte ich Alex bei jeder anderen meiner bisherigen Freundinnen die Hölle heiß gemacht. Leider ist Kiki genau das. Durchgeknallt. Ich meine, wie durch muss man sein, um eine Schwangerschaft inklusive Fehlgeburt zu faken?

Alex bleibt zwei Meter vor meinem Bett stehen und hält sein Handy in die Höhe.

Blinzelnd versuche ich zu erkennen, was auf seinem Display steht. «Von mir jedenfalls nicht. Was ist denn los?», frage ich.

«Zwei verpasste Anrufe und eine Nachricht, in der sie mich darum bittet, dir auszurichten, dass du dich bei ihr melden sollst. Das ist los!»

Ich erstarre. Das hat sie jetzt nicht wirklich getan, oder?

«Sorgst du dafür, dass sich das nicht wiederholt, oder muss ich es selbst in die Hand nehmen?» Alex hebt herausfordernd eine dunkle Augenbraue.

«Ich regele das», presse ich aus zusammengebissenen Zähnen hervor.

«Gut! Nach der Scheiße, die sie mit dir abgezogen hat, hätte ich sie längst überall blockiert.» Das gibt er bereits mit dem Rücken zu mir von sich und schüttelt beim Verlassen meines Zimmers den Kopf.

Keine Sekunde nachdem Alex aus der Tür getreten ist, öffne ich angepisst hoch zehn WhatsApp, um meiner Ex eine unmissverständliche Ansage zu machen. Sie muss verdammt noch mal endlich damit aufhören. Denn ihre Nachrichten und Voicemails katapultieren mich jedes verfickte Mal wieder zurück in die Vergangenheit. Zurück in eine Zeit, in der ich total fertig war. Die Schwangerschaft war ein Schock, aber ich habe mich auf das Baby gefreut. Ich wollte mein Studium aufgeben und mir eine Arbeit suchen. Um sie und das Baby besser unterstützen zu können, verdammt. Und dann die Fehlgeburt …

Das Baby hat es zwar nie gegeben, doch der Schmerz, den ich gefühlt habe, als wir es angeblich verloren, war real. Er hat sich wie ein Siegel in mein Gedächtnis gebrannt. Auch jetzt, sechs Monate später, dreht sich mir der Magen um, wenn ich nur daran denke. Ich kann das nicht mehr. Ich will das nicht mehr. Das habe ich ihr oft genug gesagt. Gefühlt hundert Mal habe ich sie darum gebeten, mich in Ruhe zu lassen, mir nie wieder zu schreiben. Aber ich war offenbar nicht deutlich genug. Oder zu nett. Doch damit ist jetzt Schluss!

Ich sag dir jetzt zum letzten Mal, dass ich keinen Kontakt will. Das heißt: Ich will nichts von dir hören. Ich will nichts von dir lesen. Ich will nichts von dir sehen. Und ich will vor allem nicht, dass du meine Freunde belästigst. Halt dich verdammt noch mal endlich aus meinem Leben raus, oder ich schalte einen Anwalt ein. Stell mich besser nicht auf die Probe, Kiki! Und such dir Hilfe, du bist krank!

Um sicherzugehen, dass mich Kiki ein für alle Mal in Ruhe lässt, folge ich Alex’ Vorschlag und blockiere sie nicht nur auf WhatsApp und für Anrufe, sondern auch bei Facebook und Instagram. Auf anderen Social-Media-Kanälen bin ich nicht zu finden.

Diesen Cut zu machen, fühlt sich gut an. Ich atme aus, als wäre ich die Last einer Hundertkilo-Langhantel auf meinen Schultern losgeworden. Doch als ich an mir hinunterblicke und das Tattoo sehe, ist das Gewicht sofort wieder da. Ich lege mein Handy neben mich auf die Matratze und betrachte zähneknirschend dieses faustgroße Desaster von einem Tattoo mit dem Namen meiner Ex, das auf meiner linken Brust prangt. Ja, korrekt. Auf. Meiner. Linken. Brust. Und ich Idiot kann mich nicht mal mehr daran erinnern, wie es überhaupt dahin gekommen ist.

Ich frage mich immer noch, wie ich so betrunken sein konnte, dass ich mich von meinen sogenannten Freunden zu so einem Schwachsinn überreden lassen konnte. Eines weiß ich aber definitiv: Das Tattoo muss weg. Ich will nichts mehr um mich und schon gar nicht an mir haben, das mich an Kiki erinnert. Entschlossen steige ich aus dem Bett, gehe in den Flur und bleibe vor Alex’ verschwitztem Körper stehen. Der Streber hat bereits mit dem Training begonnen. Er hängt an der Stange, die wir in der Tür zum Wohnzimmer angebracht haben, und macht Klimmzüge. Alex hat sich in den Kopf gesetzt, nächstes Jahr beim Ninja Warrior mitzumachen, und mich mit dieser Idee angesteckt. Seit über sechs Monaten trainieren wir fast jeden Tag nach der Uni. Was auch der Grund dafür ist, warum ich mich nach der Trennung von Kiki nicht auch sofort von dem Tattoo verabschiedet habe. Sport wäre dann erst mal für ein paar Wochen tabu. Allerdings halte ich es keinen Tag länger mit diesem Teil auf meiner Brust aus.

«Wo hast du noch mal dein Tattoo machen lassen?», frage ich Alex, während er sich nun einarmig an der Stange hochzieht. Auf die Sache mit Kiki werde ich nicht mehr zu sprechen kommen. Die ist geregelt.

«In Eimsbüttel. Bei … Sebastian Klein … im … INKnovation. Warum?», stöhnt er mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht.

«Was glaubst du wohl? Ich will mir endlich ein Coverup stechen lassen.»

«Ausgerechnet jetzt?», fragt er entgeistert. «Was ist … mit … dem Training?»

«Muss ausfallen. Ich laufe keinen Tag länger mit diesem Ding auf meiner Haut rum», antworte ich genervt.

«Das solltest du dir echt noch mal überlegen. Hab gehört, dass Frauen was für liebeskranke Trottel übrighaben», verspottet er mich und zieht sich nun wieder mit beiden Armen an der Stange hoch. «Die finden solche Gesten romantisch.»

Schön wär’s. Die letzte Frau, mit der ich nach Kiki was hatte, hat mich ausgelacht, als sie das Ding auf meiner Brust gesehen hat. «Wenn das so ist, warum lässt du dir dann nicht selbst eine Liebeserklärung stechen?»

«Passt leider nicht zu meinem Bad-Boy-Image.»

«Du meinst wohl eher Arschloch-Image.» Ich gehe eine Tür weiter, betrete das Badezimmer. Mein Handy habe ich mitgenommen und tippe den Namen INKnovation bei Google ein. Auf der ersten Seite werde ich bereits fündig. Zahlreiche Kundenbewertungen mit einem Durchschnitt von 4,75 sprechen wohl für sich. Ich habe noch ein anderes Tattoo, ein Tribal, aber den Laden fand ich damals nicht so toll. Dieser Sebastian Klein scheint so was wie eine internationale Koryphäe zu sein. Neben Bildern, auf denen seine krassen Arbeiten abgebildet sind, finden sich auf der Homepage auch Infos zu nationalen sowie internationalen Auszeichnungen und Preisen. Ich war schon von Alex’ Rücken-Tattoo überzeugt und bin es jetzt noch mehr, als ich mich durch einige Coverups klicke. Perfekt.

Während ich mir auf dem zugeklappten Klodeckel die Zähne putze, suche ich mir die Kontaktdaten und die Adresse heraus. Dann mache ich einen Abstecher auf die Seite, die das Team vorstellt. In dem Laden scheinen nur Typen zu arbeiten, was mir sehr entgegenkommt. Nicht, dass ich einer Frau nicht zutrauen würde, gute Tattoos zu stechen. Aber die Vorstellung, noch einmal wegen eines beschissenen Tattoos von einer Frau ausgelacht zu werden, dreht mir gerade den Magen um.

Nachdem ich den Zahnpasta-Schaum ausgespuckt, mir den Mund ausgespült und geduscht habe, schlüpfe ich in Jeans und T-Shirt und bin abfahrbereit. Ich habe beschlossen, direkt nach dem Frühstück bei INKnovation vorbeizuschauen. Je eher, desto besser. Auch wenn mir klar ist, dass ich vermutlich erst in einigen Wochen einen Termin bekommen werde.

In der Küche treffe ich auf Alex, der sein Training beendet hat. Er sitzt mit einem Handtuch um den Nacken gelegt am Tisch und schaufelt sich gerade einen Löffel voll Rührei in den Mund.

«Hab fir eine Fortion ürfrig felassen.» Kauend deutet er Richtung Herd.

«Danke.» Ich lasse mich mit einem vollen Teller und einer Tasse Kaffee auf dem Klappstuhl ihm gegenüber nieder.

«Und?», fragt Alex.

«Und fas?» Diesmal bin ich es, der mit vollem Mund spricht.

«Wann lässt du es wegmachen?»

Ich spüle das leicht versalzene Rührei mit einem großen Schluck lauwarmem Kaffee hinunter. Jap. Schmeckt genau so, wie es sich anhört. Aber der Hunger und die Tatsache, dass der Kühlschrank mal wieder leer ist, treiben es hinein. «So schnell wie möglich. Ich werd heut noch hinfahren.»

«Aber wenn du jetzt mit dem Training pausierst, war alles umsonst. Auf die paar Monate kommt es doch nicht an.»

«Für mich schon», widerspreche ich und hebe anklagend eine Augenbraue. «Dank dir, Nils und Malte werde ich nämlich jedes Mal, wenn ich oben ohne vor dem Spiegel stehe, an meine Ex erinnert. Weil ihr Arschlöcher das Tattoo natürlich auf meiner linken Brust stechen lassen musstet.»

Alex’ Mundwinkel wölben sich nach oben. «Sei froh, dass es kein Arschgeweih geworden ist.»

«Sei froh, dass ich euch nicht wegen Körperverletzung angezeigt habe», erwidere ich todernst. «Und was das Training betrifft … das hol ich irgendwie schon wieder auf.» Und wenn nicht, auch egal. Ninja Warrior ist sein Traum, nicht meiner. Ich brauche weder Publikum noch Kameras, um mich selbst herauszufordern und an meine Grenzen zu bringen. Für mich bedeutet Sport so viel mehr als das. Dennoch werde ich Alex in seinem Vorhaben, so gut es geht, unterstützen.

«Fon eine Idee, fie fu fas Tattoo verschwinden lassen willst?»

Ich würge einen weiteren Bissen hinunter und schüttle den Kopf. «Nein. Wollte mich beraten lassen, was alles möglich ist und wie viel das überhaupt kostet. Halt also schon mal die Kohle bereit.»

Alex verzieht kauend das Gesicht.

Natürlich habe ich die Jungs nicht einfach so davonkommen lassen und mir von jedem einen Hunderter auf mein Konto überweisen lassen. Alex’ Anteil fehlt noch, weil der Junge chronisch pleite ist.

«Wie wär’s, wenn ich stattdessen zum Händchenhalten mitkomme?», feixt er.

«Wenn du deinen Anteil mit körperlichen Dienstleistungen abstottern willst, musst du mir schon etwas anderes anbieten.» Mein Ton ist staubtrocken.

Alex schnaubt.

«Zahl mir deinen Anteil von mir aus in zwei Raten», gebe ich schulterzuckend nach. Ich weiß, dass er mich mit der Kohle nicht hängenlassen wird. Das hat er schon oft genug bewiesen. Zum Beispiel bei seinem Mietanteil, den ich ihm schon ein paar Mal vorstrecken musste. Es ist nicht so, dass ich in Geld schwimme. Ich hau bloß nicht alles, was ich verdiene, auf den Kopf, damit ich im Notfall gar nicht erst in die Situation komme, meine Eltern anbetteln zu müssen. Nur so kann ich mir die Freiheit herausnehmen, zu tun und zu lassen, was ich will, ohne mich rechtfertigen zu müssen.

«Danke, Simon, hast einen gut bei mir.»

«Werd dich bei Gelegenheit dran erinnern», sage ich und stecke mir eine weitere Gabel Rührei in den Mund.

Es ist kurz nach elf, als ich das INKnovation betrete. Ich steuere sofort den Stahltresen in der Mitte des Raumes an, hinter dem gerade ein Typ mit grünem Pulli und volltätowierter Glatze telefoniert. Den Fotos auf der Website nach zu urteilen, müsste das dieser Sebastian Klein sein. Ich nicke ihm zu, woraufhin er mit erhobenem Zeigefinger andeutet, dass ich kurz warten soll. Zumindest fasse ich seine Geste so auf und sehe mich in der Zwischenzeit ein bisschen um. Der Laden ist ziemlich groß, und es gibt eine zweite Ebene, die hinter mir über eine Metalltreppe mit Gitterstufen erreichbar ist. Nackte Glühbirnen und drei große Metalllampen baumeln von der hohen Decke, offen liegende Rohre und unverputzte Beton- und Ziegelwände vervollständigen das Design. Das nennt man wohl Industrial Chic.

«Was kann ich für dich tun?», höre ich den Typen fragen und drehe mich um.

«Hi. Ich möchte mir ein Coverup stechen lassen. Habt ihr vielleicht in nächster Zeit einen Termin frei?»

«Wir sind bis Ende des Jahres ziemlich ausgebucht.» Sein Blick sucht meinen Körper ab. «Wie groß ist denn das Tattoo, das du covern lassen willst?»

«Circa tennisballgroß, auf meiner Brust.»

«Dann braucht es mindestens zwei, eher drei Termine. Einen zur Beratung und einen bis zwei fürs Tätowieren.» Er tippt auf der Tastatur eines iMacs herum. «Den ersten kann ich dir frühestens im Januar anbieten», meint er schließlich.

Ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme entsetzt in die Höhe geht. «Januar?»

«Hast es wohl eilig, hm?»

«Allerdings.»

Er sieht mich abwartend an.

Verdammt. Was jetzt? Wenn ich ihm die Geschichte dazu erzähle, schiebt er mich vielleicht aus Mitleid dazwischen. Oder aber er erklärt mich zum größten Idioten aller Zeiten. «Es … hat was mit meiner Ex zu tun», erkläre ich zögerlich.

Er grinst wissend. «Willkommen im Club.»

«Es gibt einen Club für Trottel mit hirnverbrannten Tattoos?», scherze ich.

«Jap. Und der ist größer, als du denkst. Glaub mir, Mann.»

Ich hatte eben mit dem Gedanken gespielt, woanders hinzugehen, aber dieser Sebastian ist mir auf Anhieb so sympathisch, dass ich entscheide, die längere Wartezeit in Kauf zu nehmen. Vielleicht kann ich mir das Coverup ja sogar von ihm persönlich stechen lassen. Ich will ihm gerade sagen, dass der Januar-Termin für mich klargeht, als polternde Schritte auf der Metalltreppe meine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Mein Kopf dreht sich automatisch, und ich entdecke eine junge Frau. Sie dürfte ungefähr in meinem Alter sein, und das Erste, was mir auffällt, ist ihr lilafarbenes Haar, das ihr bis zur Taille reicht. Ein schwarzer, weit geschnittener kurzer Hoodie entblößt einen schmalen Streifen blasser Haut mit kunstvollen Tattoos, die über ihren flachen Bauch verlaufen und im Bund einer knallengen verwaschenen Jeanshose mit Löchern verschwinden.

Mädchen mit Tattoos und bunten Haaren sind eigentlich überhaupt nicht mein Ding – dachte ich.

«Eventuell habe ich doch noch einen früheren Termin für dich», höre ich Sebastian sagen, während mein Blick von ihren schlanken Beinen zu ihrem Gesicht wandert. Einem verflucht hübschen Gesicht. Mit großen blauen Augen. Es ist ein helles, klares, fast schon surreal wirkendes Blau. Sie hat hohe Wangenknochen, eine kleine gepiercte Nase und volle Lippen.

«Sag mal, Alissa …» Alissa. Schöner Name. Und irgendwie unerwartet normal. «… kannst du im Oktober und November ein paar Extraschichten schieben?»

Meine Gedanken legen eine Vollbremsung hin. Denn – fuck – mir wird in diesem Moment klar, wie der Typ den Satz gemeint hat und dass im INKnovation wohl doch nicht nur Männer arbeiten.

«Ja, sicher. Warum?», fragt sie, und das Worst-Case-Szenario scheint sich gerade zu bewahrheiten.

«Hier ist ein Kunde, der dringend ein Coverup braucht. Am besten schon gestern.» Der Typ zwinkert mir zu, als hätte er mir gerade die kommenden Lottozahlen verraten, während diese Alissa auf uns zukommt. Vor mir bleibt sie stehen, und, oh Mann, sie ist nicht bloß heiß, sondern echt schön. Die Art von schön, die man stundenlang anstarren könnte, weil man es einfach nicht schafft, die Augen abzuwenden.

«Hi», sagt sie und lächelt mich an. «Würdest du mir ein bisschen was über dein Tattoo erzählen und es mir zeigen? Dann kann ich den zeitlichen Aufwand besser abschätzen.»

Oh, scheiße, nein. Auf gar keinen Fall.

2Alissa

Ich bin überrascht, dass meine Stimme so fest klingt. Ehrlich gesagt, bin ich auf der Treppe grad fast ins Straucheln gekommen. Als sein Blick an mir hinab- und dann wieder hinaufgeglitten ist, dachte ich erst: Och nee, nicht schon wieder. Nicht schon wieder ein Kunde, der glaubt, es wäre okay, mich ungeniert anzustarren. Als wäre das Gaffen im Preis inklusive oder ein bauchfreies Oberteil die Erlaubnis, sich auch den Rest meines Körpers nackt vorzustellen. Doch dann hat er mir in die Augen gesehen, und plötzlich hatte sein Blick rein gar nichts Anzügliches, Herabwürdigendes oder Überhebliches mehr an sich. Er war eher … ehrfürchtig. Und das ist ungewohnt. Und seltsam. Und es hat mich beinahe zum Stolpern gebracht. Aber ich glaube, das konnte ich überspielen. Zumindest scheint niemand etwas bemerkt zu haben.

Jetzt nehme ich mir Zeit, diesen Typ etwas genauer zu betrachten. Er sieht wirklich gut aus. Und er ist groß. So groß, dass er mich um fast einen Kopf überragt. Aber okay, ich bin mit meinen 1,65 auch nicht gerade ein Riese. Außerdem treibt er eindeutig Sport. Erkennbar an der Wölbung seiner Bizepse; um den rechten windet sich ein Tribal-Tattoo. Warum ich all das sehen kann? Weil er offenbar verrückt genug ist, im September – und wir reden hier von einem September in Hamburg, sprich 14 Grad und windig – nur ein T-Shirt zu tragen. Braune Locken fallen ihm in die Stirn. Sie ist leicht gerunzelt, als hätte er meine Frage nicht verstanden. Erneut sieht er unter halb gesenkten Wimpern an mir runter und wieder rauf. Als sein Blick diesmal wieder auf meinen trifft, erkenne ich Verunsicherung und Skepsis darin.

«Ähm … Schon gut», antwortet er. «Ich wollte mir gerade einen Termin im Januar geben lassen.»

Verwundert sehe ich zu Basti, doch der hat sich inzwischen abgewendet. Mit dem Telefon am Ohr verschwindet er hinter einer Wand aus Spinden, wo sich unser Backoffice befindet. Wohl in der Annahme, dass hier alles klar wäre. So nervös, wie der Typ Basti hinterherschaut, bin ich mir da nicht sicher.

«Ich hatte meinen Kollegen so verstanden, dass du lieber so früh wie möglich einen Termin hättest. Oder nicht?», frage ich.

Er sieht jetzt beinahe panisch aus, sodass ich selbst unsicher werde.

«Ähm … Nein. Ist nicht so dringend. Ich nehme den Termin im Januar. Bei deinem Kollegen, wenn es geht».

Bei deinem Kollegen. Es liegt also an mir. Ich hätte es wissen müssen. Normalerweise erkenne ich Ablehnung aus hundert Metern Entfernung. Mein halbes Leben besteht aus Ablehnung. Angefangen bei Papa und Becka. Und es ist auch nicht so, als würde ich das erste Mal auf jemanden treffen, der glaubt, dass Tätowieren reine Männersache ist. Mit diesem Scheiß muss ich mich viel zu oft rumschlagen. Aber bei ihm – warum auch immer – trifft es mich unvorbereitet. Obwohl ich diesem Typen heute zum ersten Mal begegne, habe ich von ihm was anderes erwartet.

Die Lippen aufeinandergepresst, gehe ich zum Computer hinter dem Tresen. Das Fenster mit unserem Team-Kalender ist noch geöffnet. Ich hätte große Lust, einfach zu behaupten, dass Basti sich geirrt hat und wir erst im Frühjahr oder Sommer wieder Termine frei haben. Tatsächlich ist Basti auch im Januar ausgebucht.

«Wenn du dir das Coverup von meinem Kollegen stechen lassen willst, wirst du bis Februar warten müssen», sage ich und versuche, möglichst gleichgültig zu klingen.

Er stößt unzufrieden die Luft aus, was mir zumindest ein wenig Genugtuung verschafft. «Und was ist mit dem Termin im Januar, von dem er gesprochen hat?»

«Der wäre bei jemand anderem. Und da du darauf bestehst, das Tattoo von ihm zu bekommen …» Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch, als würde ich nicht gerade innerlich kochen.

«Äh … also … Ich würde mich auch von jemand anderem tätowieren lassen», stottert der Typ.

«Klar, solange es keine Frau ist», entschlüpft es mir grimmig. Okay, eventuell wollte ich diese Worte auch gar nicht zurückhalten. Ich sollte eigentlich keine Kunden vergraulen, egal wie dämlich sie sind, aber ich könnte bei solchen rückständigen Idioten kotzen.

«Was?», fragt er.

«Solange du dich nicht von mir tätowieren lassen musst, ist dir jeder Termin recht», stelle ich geradeheraus fest.

Röte schießt ihm ins Gesicht, und er schüttelt den Kopf. «Ich hab nichts gegen dich. Ich kenn dich ja nicht mal.»

«Eben. Du weißt einen Scheiß über mich. Du hast keine Ahnung, wie gut ich bin. Und nur zur Information: Ich bin so gut, dass sich mein Boss, einer der besten Tätowierer des Landes, zwei seiner Tattoos von mir hat stechen lassen.» Dass wir die erste Sitzung unterbrechen mussten, weil vor lauter Aufregung meine Hand so gezittert hat, behalte ich natürlich für mich. «Ohne jemals auch nur eine meiner Arbeiten gesehen zu haben, gehst du davon aus, dass ich nicht gut bin. Weil ich eine Frau bin.» Ich stütze meine Unterarme auf den Tresen und lehne mich etwas vor. «Tja, ich habe da eine interessante Information für dich: Die Nadel, mit der die Tinte unter die Haut gestochen wird, befindet sich nicht zwischen den Beinen.»

Die Augen des Typen funkeln. Er wirkt jetzt eindeutig amüsiert, was mich nur noch wütender macht. «Danke für das Kopfkino. Dir ist schon klar, dass ich dieses Bild nie wieder aus meinem Schädel bekomme?», sagt er leise lachend und reibt sich die Stirn.

Ich stocke. Mit dieser Reaktion habe ich nicht gerechnet. Ich dachte, er nimmt mich nicht ernst, aber stattdessen … scheint er sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Und zu allem Überfluss sieht das zerknirschte Grinsen, das sich auf seinem Gesicht ausbreitet, auch noch verdammt sexy aus. «Geschieht dir recht.»

Er senkt reumütig den Kopf. Seine Hände verschwinden in den Hosentaschen seiner Jeans, und er tritt von einem Bein aufs andere. Und selbst diese unbeholfene Geste sieht bei ihm irgendwie heiß aus. Als er seinen Blick wieder hebt und meinen einfängt, wird mein Herzschlag prompt schneller. Weil er diesen Ausdruck von vorhin in den Augen hat, als ich die Treppe runtergekommen bin. Ernst und intensiv. «Es tut mir leid. Ich weiß, es wirkt so, aber ich bin echt kein Arschloch.»

«Warum benimmst du dich dann wie eins?» Ich hebe eine Augenbraue.

«Wenn ich dir das verrate, verliere ich Coolnesspunkte.»

Ich verschränke die Arme vor meiner Brust. «Man kann keine Coolnesspunkte verlieren, wenn man nie welche hatte.»

Seine vollen Lippen verziehen sich schon wieder zu einem Grinsen. Das scheint seine Geheimwaffe zu sein. Ein Grinsen, und – zack! – schon ist man von seinem Ärger abgelenkt. Und verdammt, es klappt. Denn ich kämpfe gegen das Zucken meiner Mundwinkel an.

«Da bin ich wieder», dringt Bastis Stimme an meine Ohren. Er kommt aus dem Backoffice zurück und bringt den Duft frisch aufgebrühten Kaffees mit.

«Hier, für dich.» Eine der zwei dampfenden Tassen stellt er neben das Mousepad. «Ich geh schon mal hoch, die nächste Sitzung vorbereiten. Schickst du Kim in Raum drei, sie hat um halb elf einen Termin bei mir.»

«Ja, mach ich. Und danke für den Kaffee.» Lächelnd hebe ich die Tasse an.

«Kein Ding, Lissa. Bis später. Übrigens …» Er richtet seinen Blick auf den Lockenkopf. «… ist dein hirnverbranntes Tattoo bei ihr in den besten Händen. Und wenn du ein Problem mit meinen Leuten hast, dann such dir einen anderen Laden.» Damit dreht er sich zum Gehen.

Ich liebe meinen Chef.

Mit herausfordernd gehobener Augenbraue wende ich mich wieder Mister-ich-lasse-mich-nicht-von-Frauen-tätowieren zu.

Er schließt die Augen und schüttelt den Kopf, dann strafft er sichtlich die Schultern. «Wenn du noch dazu bereit bist, dann würde ich mich sehr gern von dir tätowieren lassen.» Ich stelle die Tasse wieder ab und mustere ihn skeptisch. «Weil du meinem Chef im Gegensatz zu mir glaubst, dass ich gut bin? Oder wieso der plötzliche Sinneswandel?»

«Weil ich dich erstens zu keinem Zeitpunkt für eine schlechte Tätowiererin gehalten habe und ich mich zweitens wahrscheinlich nie wieder von einem Mann tätowieren lassen kann, nachdem du mir dieses verstörende Bild von», er zeichnet Gänsefüße in die Luft, «‹der Nadel im Schritt› in den Kopf gepflanzt hast.»

Diesmal kann ich wirklich nicht anders, als zu lachen. Okay, im Zweifelsfall für den Angeklagten. Wir vereinbaren einen Termin für sein Beratungsgespräch, dann verabschiedet er sich mit einem Winken. Sein anscheinend superpeinliches Tattoo will mir Simon – so lautet sein Name – erst da zeigen.

Hm. Meine Neugierde ist definitiv geweckt.

Fünf Stunden und zwei Kundinnen später mache ich meine erste und vermutlich auch einzige Pause für heute. Bis zum nächsten Termin bleibt mir gerade Mal eine halbe Stunde. Ich weiß nicht, welches Gefühl gerade schlimmer ist. Der Hunger, der mir ein Loch in den Magen zu fressen droht, oder meine Blase, die kurz vor dem Platzen ist? Letzteres, eindeutig. Nachdem ich mich darum gekümmert habe, gehe ich zum Pausenraum, aus dem mir Kwon entgegenkommt. Eine Kollision können wir beide gerade noch abwenden und bleiben voreinander stehen.

«Fliegender Tausch», kommentiert er die Tatsache, dass wir uns quasi die Klinke in die Hand geben. «Sagt man das so?»

«Fast.» Ich erwidere sein unsicheres Lächeln. «Es heißt Wechsel. Fliegender Wechsel.»

«Wechsel … Okay. Verstanden.» Er tippt sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe. Als befände sich darunter ein unsichtbarer Schalter, mit dem er alles auf seiner mentalen Festplatte abspeichern kann. Das würde zumindest erklären, wie Kwon es geschafft hat, in kürzester Zeit so gut Deutsch zu sprechen. Seit zwei Jahren arbeitet er nun schon im INKnovation, nachdem er für seine deutsche Frau nicht nur sein altes Leben in Korea, sondern auch sein eigenes Tattoo-Studio aufgegeben hat. Damals konnte er kaum Deutsch, weigerte sich aber trotzdem, Englisch mit uns zu sprechen, um so schnell wie möglich zu lernen. Also pflasterte ich sämtliche Gegenstände im Laden mit Post-its zu, auf die ich vorher die entsprechenden Vokabeln geschrieben hatte. Selbst Bastis Glatze musste dran glauben.

«Es ist noch was von dem vegetarischen Sushi im Kühlschrank. Nimm, wenn du möchtest», sagt Kwon und entlockt mir damit fast ein entzücktes Quieken. Weil Sushi zu meinen absoluten Leibgerichten zählt. Ohne den Fisch, wohlgemerkt. Den mag ich nämlich nur gekocht oder gebraten, aber auf keinen Fall roh. Kwon weiß das, seitdem er mich als Dankeschön für meine kreative Deutschnachhilfe in den kleinen Sushiladen seiner Frau eingeladen hat.

«Ich liebe dich, Kwon! Muss ich den anderen was übrig lassen?»

Er antwortet mit einem Lächeln, das Fältchen in den Winkeln seiner dunklen Augen entstehen lässt. «Ich schweige», er überlegt kurz, «wie ein Grab, wenn mich jemand fragt, wo das restliche Sushi ist.»

Ich bringe grade noch ein «Danke» und «Bis später» heraus, bevor ich in den Pausenraum sprinte und voller Vorfreude die Pappschachtel mit den Sushirollen aus dem Kühlschrank hole. Bevor ich mich aber zum Essen hinsetze, öffne ich das Fenster zur Straße, weil es angefangen hat zu regnen und ich das Geräusch mag. Genau wie den frischen Geruch, den Regen mit sich bringt. Oder den Glanz, den er auf glatten Oberflächen hinterlässt. Bunte Lichterreflexe und man selbst spiegeln sich dann überall. Formen und Farben. Becka und ich haben früher immer mit unseren Gummistiefeln vor Pfützen gekniet, als wären sie ein Tor in eine andere Welt. Wir haben uns Geschichten erzählt zu den Dingen, die wir in den Spiegelungen zu erkennen glaubten. Vielleicht mag ich den Regen deswegen so gerne. Weil er mich an eine Zeit erinnert, in der meine kleine Schwester mich noch angesehen hat, als würde sie an Wunder glauben.

Ich seufze und konzentriere mich dann wieder auf das Hier und Jetzt und mein köstliches Sushi. Ich lasse mich in einem der vier durchgesessenen Ledersessel nieder und ziehe ihn ein Stück näher an den Tisch, der aus einem Stapel Holzpaletten besteht. Gerade als ich in die erste Rolle beißen will, spüre ich die Vibration meines Handys an meinem Oberschenkel. Ich zerre es aus der Hosentasche meiner Jeans und schaue aufs Display. Nummer unbekannt.

«Hallo?», melde ich mich, bewusst ohne meinen Namen zu nennen.

«Alissa? Bist du das?»

Die Frauenstimme ist mir vertraut, und doch kann ich sie nicht sofort zuordnen. «Ähm … ja. Wer ist denn da?»

«Hier ist Gerda, wie schön, dass ich dich erreiche, Alissa. Ich habe mir deine neue Handynummer von deinem Vater geben lassen. Ich hoffe, das ist in Ordnung. Immerhin ist es eine Weile her, dass wir uns gesprochen haben.»

Gerda. Gerda Ahrends. Wir hatten das letzte Mal vor circa zwei Jahren Kontakt, als sie mir mit meiner Bewerbungsmappe für die Kunsthochschule geholfen hat. Sie ist Malerin, Kunstgaleristin und … eine Freundin von Mama. War eine Freundin, korrigiere ich mich, und mein Herz fühlt sich mit einem Mal bleiern an. Wie ein Fremdkörper, der fest und hart gegen meinen Brustkorb donnert und rauswill. Ich hole Luft, atme tief gegen die dort entstehende Enge an. «Ja … ja, natürlich ist das in Ordnung. Ich freue mich, von dir zu hören.»

«Wie geht es dir, Alissa?»

«Es geht mir gut. Und … wie geht es dir?»

Ich hatte mir nach meinem Auszug von zu Hause so fest vorgenommen, in Kontakt zu bleiben. Ich wollte sie regelmäßig anrufen, bei ihr vorbeischauen. Doch Schuldgefühle und mein schlechtes Gewissen haben mich davon abgehalten. Mama und Gerda haben sich so nahegestanden. Sie haben zusammen gemalt und Kunst erschaffen, die Gerda dann in ihrer Galerie hier in Hamburg verkauft hat. Als Mama plötzlich nicht mehr da war, hat sich auch ihr Leben von jetzt auf gleich verändert. Bilder von Mamas Beerdigung blitzen auf. Ich sehe Gerdas verheultes Gesicht vor mir, höre das Zittern in ihrer Stimme bei der Beileidsbekundung. Trauer schwimmt in ihren rot unterlaufenen Augen. Trauer, für die ich verantwortlich bin, und ich frage mich, was Gerda wohl sagen würde, wenn sie davon wüsste? Wenn sie wüsste, dass Mama vielleicht noch leben könnte. Hätte sie mir trotzdem geholfen, den Studienplatz an der Hochschule für bildende Künste zu bekommen?

«Auch gut, danke, Alissa. Ich habe einen kleinen Überfall auf dich vor. Nichts Schlimmes», gibt sie sofort Entwarnung. «Hast du fünf Minuten? Dann erzähle ich dir, worum es geht.»

Natürlich. Natürlich nehme ich mir Zeit für sie. Das würde ich, selbst wenn es grad nicht passen würde. «Ich bin auf der Arbeit, mache aber gerade Pause.»

«Sehr schön.» Sie räuspert sich. «Wie du weißt, hat es mich sehr gefreut, dass es mit der Kunsthochschule geklappt hat. Wobei ich nicht den geringsten Zweifel daran hatte, dass du angenommen wirst. Du bist eine einzigartige Künstlerin. Das hat man auch mal wieder auf der Jahresausstellung deiner Hochschule gesehen.»

«Du warst da?», frage ich überrascht.

«Ich schaue sie mir jedes Jahr an. Und deine Schwarz-Weiß-Porträts sind mir ganz besonders in Erinnerung geblieben. Die Art, wie du die Dot-Technik anwendest … das ist wirklich etwas Besonderes.»

Meine Augen werden groß. «Oh, danke.» Ich klinge etwas ungläubig. Im Rahmen dieser Ausstellung werden so viele tolle Werke gezeigt. Drei Tage lang präsentieren Studenten aller Fachbereiche ihre Arbeiten: von Film und Fotografie über Performance, Bildhauerei und Malerei bis hin zu Raum- und Soundinstallationen ist fast alles vertreten. Da hervorzustechen, ist fast unmöglich.

«Es ist die Wahrheit, Alissa. Du hast das Talent deiner Mutter geerbt. Sie wäre unglaublich stolz auf dich.»

Ich schlucke.

«Und es wäre mir so eine große Ehre, einige deiner Werke zusammen mit noch unveröffentlichten Arbeiten deiner Mutter in meiner Galerie ausstellen zu dürfen.»

Meine Hand landet auf meiner Brust. Ich presse sie flach dagegen, als ließe sich mein rascher Herzschlag dadurch verlangsamen. «Es … gibt Bilder von Mama, die … ich nicht kenne?»

«Ja. Die, die sie hier im Atelier gemalt hat und … teilweise nicht mehr fertigstellen konnte, weil …» Sie spricht nicht weiter. Meine Hand presst sich noch fester gegen meine Brust.

«Davon hast du mir nie etwas gesagt.» Ein leiser Vorwurf schwingt in meiner Stimme mit, obwohl ich das gar nicht will.

«Ich weiß, Alissa. Und … und es tut mir leid. Damals habe ich einfach alles weggeräumt. Ich … ich konnte es nicht ertragen …», erklärt sie, und ich verstehe. Weil es mir genauso ging. Sechs Jahre hat es gedauert, bis ich mir Fotos von Mama ansehen konnte, ohne in Tränen auszubrechen. «Und dann habe ich einfach nicht mehr dran gedacht. Es tut mir leid», wiederholt sie.

«Ich bin dir nicht böse, Gerda. Ich … war im ersten Moment nur … überrascht.» Überrascht ist definitiv nicht das richtige Wort, um meine Gefühle zu beschreiben, aber mir fällt kein besseres ein.

«Mir ist wichtig, dass du weißt, dass ich nie vorhatte, die Bilder zu behalten. Sie gehören euch. Dir, Becka und eurem Vater. Aber weil Ellen immer Menschen mit ihrer Kunst berühren wollte, würde ich sie vorher gerne ausstellen. Zusammen mit deinen – wenn du einverstanden bist.»

Ich nicke heftig und habe ein Lächeln auf den Lippen, während Tränen meine Sicht trüben. Weil ich mir nichts Schöneres vorstellen kann, als meine Gemälde neben denen von Mama hängen zu sehen.

«Aber wenn du das nicht willst, ist das vollkommen okay», rudert Gerda zurück, die mein Schweigen wohl fehlinterpretiert.

«Doch, ich will», antworte ich etwas heiser. «Es wäre mir eine unglaubliche Ehre.»

«Du ahnst ja nicht, wie sehr mich das erleichtert, Alissa.» Wie zum Beweis atmet sie gedehnt aus. «Ich würde vorschlagen, dass du so bald wie möglich vorbeikommst, damit wir alles besprechen können. Die Ausstellung ist nämlich schon am 21. November. Weil mir ein Künstler kurzfristig abgesprungen ist, habe ich umdisponiert.»

Das ist bereits in acht Wochen und sollte mich vermutlich in Panik versetzen. Zumal ich mich neben dem Job auch noch auf zwei Prüfungen vorbereiten muss. Doch der Grund für das unangenehme Druckgefühl in meinem Bauch ist ein anderer: Papas Reaktion auf die Neuigkeiten. Wird er sich für mich freuen? Zur Ausstellung kommen? Stolz auf mich sein? Oder ist es ihm egal – wie einfach alles, was mich betrifft?

«Hast du meinem Vater schon davon erzählt?», frage ich so beiläufig wie möglich.

«Nein, das überlasse ich gerne dir. Er und deine Schwester werden bestimmt vor Stolz auf dich platzen.»

Da bin ich mir leider nicht sicher. Ich weiß nicht mal, ob ich Becka – so hart das auch klingen mag – überhaupt beim Besuch der Ausstellung dabeihaben möchte. Sie hat die Gabe, mir Dinge, über die ich mich freue, mieszureden. Aber Papa … Papa dabeizuhaben, würde mir die Welt bedeuten.

Entsprechend nervös bin ich, als ich ihm vier Stunden später auf dem Weg zur Bushaltestelle eine Nachricht schreibe, von der es bereits vier Versionen gibt. Ich verwerfe auch die aktuellste und beschließe, ihn nachher anzurufen. Wenn er hört, wie wichtig mir diese Ausstellung ist, wird er sich vielleicht auch freuen. Wie es meine Freundinnen Calla und Leo tun, als ich die Neuigkeit in unserer WhatsApp-Gruppe teile.

Von Calla kommt zuerst eine Antwort:

Ahhh, das hast du so verdient! Gott, wie ich mich für dich freue, Lissa. Jasper sitzt neben mir und war kurz in Panik, weil ich Tränen in den Augen habe. Reservier mir bitte sofort eine Karte. Wenn ich übernächstes Wochenende nach Hamburg komme, müssen wir das unbedingt feiern!

Ich lächele gerührt und lese nun die Nachricht von Leo.

Ich wusste es! Ich wusste, dass du eines Tages groß rauskommst. Diese Ausstellung ist erst der Anfang. Ich bin so verdammt stolz auf dich und brauche selbstverständlich auch eine Karte. Liege zwar schon mit Jogginghose auf unserem Sofa und wollte heute früh schlafen gehen, aber darauf müssen wir gleich anstoßen.

Oh, dann trinkt unbedingt für mich mit, Mädels!, schreibt Calla, die im Gegensatz zu mir und Leo in Lübeck studiert. Deshalb ist aus der geplanten Dreier- nur eine Zweier-WG, bestehend aus Leo und mir, geworden. Zu dritt sehen wir uns leider viel zu selten. Weil mindestens einer von uns entweder total im Prüfungsstress steckt oder – wie in meinem Fall – neben der Uni auch noch arbeiten muss. Dafür sehen wir uns während der Semesterferien umso öfter. Besonders in Lübeck, um gemeinsame Strandtage zu verbringen, sobald die Temperaturen es zulassen.

Am Alsenplatz angekommen, steige ich in die Buslinie 25 und verbringe die knapp zehnminütige Fahrt damit, meinen Freundinnen zu schreiben und mir von ihnen die nun aufkommende Aufregung nehmen zu lassen. Darüber zu reden, macht die Sache plötzlich total real. Und jetzt kommen mir die acht Wochen vor wie vier. Außerdem wird mir gerade klar, dass garantiert auch der eine oder andere Pressevertreter und Kritiker da sein wird. Letzteres macht mir besonders Angst – jedoch nicht so sehr, wie das bevorstehende Gespräch mit Papa.

Vier Haltestellen später steige ich am Bahnhof Altona aus und gehe zu Fuß zur Ottenser Hauptstraße. Hier haben Leo und ich unsere Wohnung. Sechzig Quadratmeter im sogenannten kleinen Paris an der Elbe. Die Wohnung war echt ein Glücksfund und ist wundersamerweise sogar für zwei Studentinnen bezahlbar. Als ich zu Hause die Tür öffne, nimmt mich Leo mit einer fetten Umarmung und einer Flasche Asti in Empfang.

«Wo hast du die denn her?», frage ich grinsend. Soweit ich mich erinnere, haben wir die letzte vor etwa zwei Monaten an Leos zwanzigstem Geburtstag bis auf den letzten Tropfen geleert.

«Ich war schnell im Kiosk.»

Meine Boots habe ich kaum von den Füßen gestreift, da zieht sie mich hinter sich in unsere kleine Küche. Leo hat nicht nur Sektgläser auf unserem Esstisch bereitgestellt, sondern auch – mein Mund verzieht sich zu einem Lächeln – Smarties, die farblich in kleine Glasschälchen vorsortiert sind. Blau für mich. Grün für Leo. Und gelb für Calla. So ist es Tradition, wenn es was zu feiern gibt oder bei einem von uns Liebeskummer bekämpft werden muss oder manchmal auch einfach nur so. Begonnen hat unsere Liebe für Smarties damit, dass Leo damals trotz meines Süßigkeitenverbots eine Handvoll Smarties in mein Zimmer geschmuggelt hat, als wir zu dritt zum Spielen verabredet waren. Beim heimlichen Smarties-Naschen haben wir festgestellt, dass jeder von uns eine andere Farbe bevorzugt. Und bis heute sind wir der felsenfesten Überzeugung, dass sich diese geschmacklich total voneinander unterscheiden. Jeder, der was anders behauptet, hat überhaupt keine Ahnung.

«Calla hat gerade in die Gruppe geschrieben, dass sie virtuell mit uns anstößt. Sie ruft gleich per FaceTime an», verkündet Leo breit lächelnd.

«Oh, wie schön!»

Leo setzt sich an unseren Esstisch. In einer Jogginghose, deren Farbe fast das gleiche Rot wie ihre schulterlangen Haare hat.

Da Calla noch nicht angerufen hat, will ich mir auch eben was Bequemes anziehen. «Gib mir fünf Minuten, um die Klamotten zu wechseln, ja?»

«Du hast drei», scherzt sie, woraufhin ich in mein Zimmer flitze. Ich habe mich gerade aus meiner Jeans geschält, als mein Handy klingelt.

Es ist Papa.

Ein paar Sekunden lang starre ich einfach nur auf mein Display, weil mich die Tatsache, dass er von sich aus anruft, überfordert. Ich gehe zu meinem Bett, setze mich mit wild klopfendem Herzen auf die Matratze und klicke auf den grünen Kreis.

«Hallo, Papa.» Ich hätte mich vorher räuspern sollen. Meine Stimme klingt, als hätte ich eine Erkältung.

«Hallo. Hat Gerda sich bei dir gemeldet?», kommt er sofort auf den Punkt. Wie es mir geht, fragt er mich schon seit meinem Auszug nicht mehr. Als wollte er mich dafür bestrafen oder so, was ich beim besten Willen nicht verstehen kann. Denn ich glaube – nein, ich weiß –, dass er insgeheim froh ist, mich nicht mehr jeden Tag sehen zu müssen. «Sie hat nach deiner Nummer gefragt. Es klang wichtig, aber sie wollte nicht sagen, worum es ging.»

«Ja, wir haben vorhin telefoniert», antworte ich mit wackeliger Stimme.

«Ist alles in Ordnung?» Er klingt besorgt, und – so seltsam das auch sein mag – es tut gut. Weil es mir das Gefühl gibt, ihm nicht vollkommen egal zu sein.

«Ja, Gerda hat angerufen, weil … weil sie eine Ausstellung plant.» Für den nächsten Satz wappne ich mich mit einem tiefen Atemzug. «Eine Ausstellung von Mamas Werken. Arbeiten aus dem Atelier, die sie damals eingelagert hat und die noch niemand kennt, zusammen mit Zeichnungen … von mir.» Das «von mir» habe ich zögerlich und vorsichtig hinterhergeschoben.

Die Leitung bleibt still.

«Bist du noch dran?», frage ich leise.

Er brummt etwas, das wie ein Ja klingt.

«Ich habe zugesagt, die Ausstellung ist schon in acht Wochen, und … und ich würde mich freuen, wenn du kommst.» Ich halte den Atem an, und er antwortet schon wieder nicht. «Papa? Sag doch was.» Sag, dass du kommst. Sag, dass du stolz auf mich bist.

«Das sind … tolle Neuigkeiten, Alissa.» Es ist kaum zu überhören, dass er diese Worte über seine Lippen zwingen muss. Meine eigentliche Frage lässt er unbeantwortet, was einem Nein gleichkommt. Ich hake nicht nach. Mir fehlt einfach die Kraft, mit einer weiteren Ablehnung umzugehen. Außerdem weiß ich, wie sehr es ihn quält, über Mama zu reden oder auch nur an sie zu denken. Das ist der Grund, warum er mich nicht um sich haben kann, warum er mich meidet, wenn ich nach Hause komme. Nur hatte ich gehofft, dass er für die Ausstellung eine Ausnahme machen würde. Will er sich denn nicht wieder annähern? Will er die Kluft, die mit jedem Telefonat, jeder Begegnung größer zu werden scheint, nicht überbrücken?

«Danke, Papa.» Ich würge die Enttäuschung hinunter, aber ich kann mir nicht verkneifen zu sagen: «Die Ausstellung ist übrigens am 21. November.» In der Hoffnung, dass er sich diesen Tag frei hält und vielleicht doch kommt. Aber die Stille, die jetzt schon wieder herrscht, lässt mich erahnen, dass das nicht passieren wird. Ich schließe die Augen. Die Lippen aufeinandergepresst, kämpfe ich dagegen an zu weinen. Stattdessen rede ich mir mit aller Macht ein, dass er stolz auf mich ist und es nur nicht zeigen kann. Vielleicht war das einfach zu plötzlich. Vielleicht muss er sich erst an den Gedanken gewöhnen. Vielleicht …

Ein Räuspern dringt an mein Ohr und stoppt meine Gedanken.

«Ich hab noch zu tun, Alissa», sagt Papa, als würde ich ihn von irgendwas abhalten. Dabei haben wir gerade mal fünf Minuten telefoniert. Drei, wenn man das Schweigen abzieht.

«Okay. Danke für … deinen Anruf.» Ich klinge seltsam förmlich.

«Dann bis zum nächsten Mal.» Die Erleichterung ist Papa anzuhören.

Mir geht es, um ehrlich zu sein, ähnlich. Denn ich weiß wirklich nicht, was schlimmer ist. Dass wir uns so selten sprechen oder dass wir uns dann kaum etwas zu sagen haben?

«Ja, bis zum nächsten Mal, Papa.»

Ich lege auf, behalte aber mein Handy in der Hand und schreibe ihm wie üblich noch eine SMS.

Hab dich lieb.

Wie jedes Mal starre ich anschließend so lange auf mein Display, bis Papa antwortet.

Ich dich auch.

Wir hätten uns das auch sagen können. Aber das letzte Mal, als ich ihm am Telefon Ich hab dich lieb gesagt habe, hat er es nicht unmittelbar erwidert, sondern erst Minuten später per SMS. So hat sich dieses … nennen wir es Ritual … irgendwie eingeschlichen und ist geblieben.

«Lissa, was treibst du denn so lange?!», ruft Leo. «Der Sekt wird noch warm. Calla ist auch schon da und trommelt bereits mit den Fingern!»

Ich rolle mit den Augen. Calla ist der ungeduldigste Mensch auf diesem Planeten. Und das, obwohl sie sich, im Gegensatz zu mir, andauernd verspätet. Zu ihrer Verteidigung muss ich jedoch sagen, dass ich als neurotische Zu-früh-Kommerin kein Maßstab bin. Ich bin grundsätzlich mindestens fünfzehn Minuten eher als verabredet da. Immer. Lieber würde ich fünf Stunden warten, als mich fünf Minuten zu verspäten.

«Komme!», rufe ich zurück.

Ein Abend mit Sekt, Smarties und meinen Freundinnen ist exakt das, was ich nach dem Telefonat mit Papa jetzt brauche.

3Simon

«Wo sind die Drinks für Tisch neun?», brüllt mir Mara mit dem Tresen zwischen uns zu, während sie die nächste Getränke-Bestellung auf ihr Tablett lädt.

«Hab ich ihnen gerade gebracht», schreie ich zurück und kippe Gin in ein Softdrink- anstatt in ein Longdrink-Glas. Die sind nämlich gerade alle in Gebrauch. Mara, Tommy und Julia kommen mit den Bestellungen kaum hinterher. Und Oli ist nonstop damit beschäftigt, Cocktails zu mixen.

«Danke, Simon, du bist mein Held!»

Ich hätte nichts dagegen, einfach nur der Barkeeper zu sein. Aber die Pocket Bar platzt an diesem Samstagabend aus allen Nähten. Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als den Kellnern im Service auszuhelfen, wenn sich die bestellten Getränke auf der Theke stauen.

Sämtliche Sitznischen, Tische und Barhocker sind von Studenten besetzt. Als hätten sich alle zur gleichen Uhrzeit hier verabredet. Stimmenwirrwarr und lautes Gelächter erfüllen die Bar und liegen wie eine viel zu laute Tonspur über den elektronischen Beats, die von Steffi aufgelegt werden. Sie sorgt jeden Samstag ab zehn Uhr für gute Musik, und ohne sie wäre vermutlich nur halb so viel los.

Ich will mich nicht beschweren. Je voller der Laden, desto mehr Trinkgeld. Denn am Ende der Schicht werden die Einnahmen unter uns allen aufgeteilt. Auch unter den Jungs und Mädels in der Küche sowie Daniel, der dafür sorgt, dass die Gäste saubere Toiletten vorfinden. Wir sind ein Team, weshalb ich auch jetzt das Bierzapfen unterbreche, um die beiden Teller auf der Essensausgabe zum richtigen Tisch zu bringen. Obwohl die Wege echt nicht weit sind, brauche ich eine gefühlte Ewigkeit, bis ich mich durch den vollgestopften Raum gezwängt habe.

Tommy kommt mir mit hochrotem Kopf entgegen.

Bevor ich fragen kann, was los ist, hat er sich auch schon an mir vorbeigeschoben. Ich habe umgestürzte Gläser auf seinem Tablett gesehen und ahne, was passiert ist. Schulterzuckend gehe ich weiter. Bevor ich die Teller in meinen Händen losgeworden bin, kann ich eh nichts machen. Vor einem Tisch, an dem vier Typen sitzen, bleibe ich stehen. Einer von denen tupft sich gerade den Schritt seiner Jeanshose mit einem Taschentuch trocken. Und das vermutlich nicht, weil er sich gerade in die Hose gemacht hat. Als ich vor ihm die Pfütze auf dem Tisch entdecke, zähle ich eins und eins zusammen.

«Mein Kollege ist schon unterwegs und kümmert sich um neue Getränke», sage ich beschwichtigend. «In der Zwischenzeit habe ich hier schon mal einen Cheeseburger und Club-Sandwich für euch.»

«Und wer kümmert sich um meine versiffte Jeans?», kommt es von dem Brünetten, der mich mit vorwurfsvoller Miene ansieht.

Ich war gerade dabei die Teller auf die trockene Seite des Tisches zu stellen, halte aber in der Bewegung inne. Schon mal was von einer Waschmaschine gehört?, kommt es mir fast über die Lippen. Stattdessen zwinge ich ein halbes Lächeln auf meine Lippen. Der Kunde ist König und so. «Ich kann dir gerne einen Cocktail aufs Haus bringen.»

Er nickt. «Einverstanden.»

Ich stelle die Teller ab, in der Annahme das Thema sei damit erledigt, doch stattdessen …

«Mach drei draus! Wir wollen auch einen!»

Mein Blick wandert von den Tellern zu dem betrunkenen blonden Typen mit Vollbart. Ich hebe eine Augenbraue. Glaubt er wirklich, dass ich nichts Besseres zu tun habe, als eine komplette Runde aufs Haus zu mixen? Noch dazu, wenn er mir in diesem Befehlston kommt? Vor drei Jahren hätte so eine Situation genügt, um mich auf 180 zu bringen. Womöglich sogar eine Prügelei zu provozieren. Um meiner Wut, den Schuldgefühlen, dem Hass auf mich selbst und meine Eltern ein Ventil zu geben. Aber die Zeiten sind vorbei. Dieser Simon existiert nicht mehr.

«Sorry, Mann. Mehr als einer ist leider nicht drin. Ich kann euch aber gerne vier Strohhalme bringen.» Ich bin mir der Absurdität meines Vorschlags bewusst, bleibe aber ernst und professionell.

«Nee, lass mal», antwortet der Dunkelhaarige und winkt ab. Er scheint seinen Cocktail auf keinen Fall teilen zu wollen.

Seinen blonden Kollegen lasse ich gar nicht erst zu Wort kommen und wende mich zum Gehen. Manche Gäste muss man eben erziehen.

«Scheißladen», höre ich den einen noch sagen.

Such dir gern einen anderen.

Genervt marschiere ich zurück zum Tresen, wo Tommy bereits mit dem inzwischen gesäuberten Tablett darauf wartet, neue Drinks zu bekommen. Er sieht noch immer total verlegen aus.

«Schwamm drüber», sage ich und mache ihm schnell die Ersatzgetränke fertig. «So was kann jedem Mal passieren. Ich hab dem mit der nassen Hose ’nen Cocktail aufs Haus versprochen, als Wiedergutmachung. Also, alles gut.»

«Echt?» Dankbar sieht Tommy mich an. Er ist noch neu, das ist grad erst seine zweite Schicht.

«Klar.» Ich sehe zu Oli herüber. Der reißt mir wahrscheinlich den Kopf ab, wenn ich ihn bitte, den Cocktail für Tommy vorzuziehen. Daher beschließe ich, ihn selbst zu mixen. «Ich kümmere mich sofort darum und bring ihn an den Tisch, okay?»

«Danke, Simon!»

«Schon okay. Wir sind immerhin ein Team, oder?»

Er nickt und kann schon wieder Lächeln.

Als es später etwas ruhiger ist, genehmige ich mir eine Pause. Wie immer spendiert die Küche für jeden von uns etwas zu essen, bevor sie dichtmacht. Ich habe mir Pommes mit Mayo bestellt. Mit knurrendem Magen, dem Teller in der einen Hand und einer Flasche Wasser in der anderen, begebe ich mich hinter die Bar. Hier befindet sich der kleine Pausenraum. Ich stelle den Teller Fritten auf den Hochtisch, auf dem auch unsere Mitarbeitergetränke stehen. Bevor ich esse, will ich mir den Biergestank von den klebrigen Fingern waschen und gehe fünf Schritte weiter zur Toilette. Ich öffne die Tür und – stoße mit etwas Hartem zusammen. Etwas verflucht Hartem. «Fuck!»

Diesen Schrank meinte Tracy also, als sie uns vor Schichtbeginn vor dem neuen Schrank auf der Mitarbeitertoilette gewarnt hat. «Der muss noch an die Wand geschoben und befestigt werden», hatte sie gesagt.

Ich fasse mir an die Wange und spüre ein dumpfes, schmerzhaftes Pochen. Wenn ich Pech habe, gibt das ein Veilchen und damit wieder endlos lange Diskussionen mit meiner Mutter, wenn ich morgen, wie jeden Sonntag, zu meinen Eltern fahre. Ohne ein Beweisvideo werden sie mir niemals glauben, dass ich Idiot gegen einen Schrank gerannt bin. Nicht bei meiner Vergangenheit. Bestehend aus exzessivem Feiern, Drogen, zu viel Alkohol und jener Nacht, die mich fast umgebracht hätte.

Fluchend schiebe ich mich an dem Schrank vorbei, wasche mir die Hände und betrachte mich im kleinen runden Spiegel. Verdammt. Das wird zu hundert Prozent ein Veilchen.

Das kann ja morgen lustig werden.

4Simon

«Was ist mit deinem Gesicht los? Hast du dich geprügelt?», lautet Alex’ Begrüßung am nächsten Morgen – oder besser gesagt Mittag. Er kommt gerade zur Wohnungstür rein, während ich hinauswill.

«Nein», antworte ich leicht gereizt. Ich weiß jetzt schon, dass meine Eltern mir exakt die gleiche Frage stellen werden. Mit dem Unterschied, dass sie meine Antwort im Gegensatz zu Alex anzweifeln werden. «Bin gegen einen Schrank gelaufen.»

«Autsch!»

«Jap!»

Er verschränkt schmunzelnd die Arme, betrachtet dabei meinen Bluterguss. «Dich kann man aber auch echt nicht allein lassen. Für zehn Euro die Stunde komme ich nächstes Mal als Aufpasser mit.»

«Danke, aber ich komme schon klar.»

«Man sieht’s!»

Ich stöhne auf. «Jede Wette, dass meine Eltern durchdrehen, wenn sie mich so sehen.»

«Ach stimmt. Heute ist ja wieder Familienessen angesagt. Oder du machst krank, und wir holen uns was vom Griechen und zocken mal wieder», schlägt Alex vor, was echt verlockend klingt.

«Nee, geht nicht. Sonst … macht sich meine Mutter nur Sorgen.»

Alex zuckt gleichmütig mit den Schultern. Entweder hat er mein kurzes Zögern nicht bemerkt, oder er ignoriert es. «War nur ein Angebot. Hau rein und iss für mich mit.»

Wir verabschieden uns mit Handschlag, und ich bin echt froh, dass Alex kein Typ ist, der alles und jeden hinterfragt oder kommentieren muss. Denn der Grund, warum ich das Essen nicht absagen will, ist in Wahrheit meine Oma Lotte. Seitdem sie vor anderthalb Jahren einen Oberschenkelhalsbruch hatte und bei der Operation fast gestorben wäre, will ich so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen. Dass sie mit fast achtzig überhaupt wieder auf die Beine gekommen ist, gleicht einem Wunder. Das haben zumindest die Ärzte gesagt. Als sie im Koma gelegen hat, habe ich mir heimlich den ranzigen Teddy, den sie mir als Kind geschenkt hat, aus einer alten Kiste im Keller geholt und nachts in sein zerrupftes Fell geheult wie ein Baby. Echt peinlich. Aber notwendig. Damit ich tagsüber – wie Papa – für Mama und meine Schwester die starke Schulter sein konnte.

Apropos Schwester. Mir ist soeben eine Idee gekommen, wie ich unangenehme Fragen meiner Eltern eventuell doch umgehen kann.

Auf dem Weg zur Bahn zücke ich mein Handy und schreibe Nora eine Nachricht.

Kannst du mir einen Gefallen tun? Komm, wenn ich dir Bescheid sage, bitte vor die Tür und bring dein Make-up mit. Frag nicht, ich erklärs dir später.

 

Wozu brauchst du denn mein Make-up?

Stöhnend verdrehe ich die Augen. Ich hätte wissen müssen, dass meine kleine Schwester das exakte Gegenteil von dem tut, worum ich sie gebeten habe, und nach dem Warum fragt.

Machs einfach, okay?

 

Und was brauchst du alles?

Stirnrunzelnd lese ich Noras Frage, während Gänsehaut meine nackten Arme hochkriecht. Draußen ist es kälter als erwartet. Ich hätte vielleicht doch einen Pulli über mein T-Shirt ziehen sollen.

Wie meinst du das?

 

Ich meine Mascara, Lidschatten, Eyeliner … Was davon brauchst du?

Woher soll ich das wissen?

Glaub, mir reicht das Puderzeug, mit dem du deine Pickel abdeckst.

 

Ich hab überhaupt keine Pickel, du Arsch!

Das habe ich definitiv anders in Erinnerung, gebe aber keine Widerworte. Ich brauche ihre Hilfe, und sie sitzt momentan eindeutig am längeren Hebel.

Sorry, war nicht so gemeint. Bring einfach dieses Abdeckzeug mit, ja? Bis gleich. Schreibe dir, wenn ich da bin.

Zwei U-Bahn- und eine S-Bahnfahrt später trennen mich nur noch circa zehn Minuten Fußmarsch vom Haus meiner Eltern, das zu seinen Lebzeiten meinem Opa gehört hat. Wie die meisten Häuser des Treppenviertels in Blankenese ist auch unseres über Stufen erreichbar. Als ich noch zu Hause gewohnt habe, war das mein tägliches Work-out. Nur, dass ich nicht nur die paar Stufen bis zu uns, sondern zweimal die Woche den Süllberg hinauf- und wieder hinuntergejoggt bin. Um meine Ausdauer zu trainieren, aber auch um Frust abzubauen. Vor den letzten fünf Stufen unseres Hauses bleibe ich nun stehen und schreibe meiner Schwester wie vereinbart eine Nachricht. Ich hab sie kaum abgeschickt, da öffnet sich bereits die blau lackierte Haustür und Nora tritt heraus.

In ihren schwarzen Glitzer-UGGs, die sie letzten Monat zum Geburtstag bekommen hat und seitdem scheinbar nicht mehr ausgezogen hat. Ich bin mir fast sicher, dass sie sogar in den Dingern pennt.

Ich winke meine Schwester zu mir, weg vom Küchenfenster, damit unsere Mutter uns nicht sieht. In der Hand einen vollen Müllbeutel, der vermutlich als Alibi dient, kommt Nora auf mich zu.

«Ach so, dafür brauchst du das Make-up.» Meine Schwester klingt fast ein bisschen enttäuscht, als sie vor mir stehen bleibt. Was hat sie denn bitte erwartet?

«Hast du es dabei?»

«Hinten in meiner Hosentasche, damit Mama keine Fragen stellt. Hab ihr gesagt, dass ich Müll rausbringe.» Sie stellt den Müllsack neben sich.

«Und das hat sie dir geglaubt? Das machst du doch sonst auch nicht freiwillig», ziehe ich meine Schwester auf und kassiere dafür prompt einen Boxhieb gegen meinen Oberarm.

«Wenigstens prügele ich mich nicht», kommentiert sie mein Veilchen und holt eine kleine Dose, eine Tube sowie einen Pinsel aus ihrer Jeanshose hervor.

«Ich hab mich nicht geprügelt», stelle ich klar.

«Und woher hast du dann den Bluterguss?»

«Lange Geschichte.» Ich nehme ihr das Schminkzeug ab und habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich damit anfangen soll. «Und jetzt?», frage ich leicht hilflos. Ich hätte mir während der Hinfahrt vielleicht eins dieser YouTube-Tutorials reinziehen sollen.

«Du trägst erst das hier auf.» Sie deutet auf die Tube. «Und danach das Puder mit dem Pinsel.»

«Okay …» Ich schraube die Tube auf, drücke drauf und habe einen beigefarbenen Klecks von der Größe einer Euromünze in der Handfläche.

Nora stößt einen entsetzten Laut aus. «Gott, Simon! Der Concealer ist von MAC. Weißt du eigentlich, wie teuer der ist?»

Ich wusste bis eben nicht mal, was ein Concealer, geschweige denn wer oder was MAC ist. «So viel ist das doch gar nicht.»

«Doch. Man braucht höchstens ein Drittel davon.» Die Tube nimmt sie mir aus der Hand, wie man einem Kleinkind das Feuerzeug wegnehmen würde. «Blödmann. Ich mach das eben.»

Ich seufze erleichtert. «Danke.»

Weil mir Nora gerade mal bis zur Brust reicht, platziere ich mich auf einer niedrigeren Stufe, damit sie mit der Hand an mein Gesicht kommt, ohne sich auf die Zehenspitzen stellen zu müssen. Sie fängt an, mir diese Paste unters Auge zu tupfen.

«Beeil dich, Nora. Mama fragt sich bestimmt schon, wo du bleibst.»

«Halt still. Bin gleich fertig.» Sie klingt konzentriert, als sie jetzt den Pinsel nimmt und mit den Borsten über meine Haut streift. «So ganz deckt sich die Farbe nicht mit deinem Teint, aber so müsste es gehen.»

Ich verziehe beunruhigt das Gesicht, als sie zurücktritt. Vorsichtig hebe ich die Hand zu der Stelle, über der sich jetzt gefühlt eine halbe Tonne Make-up befindet.

Prompt schlägt Nora sie mir weg. «Lass das. Sonst verwischst du aus Versehen noch alles.»

Sofort lasse ich meine Hand wieder sinken. «Dann komm, gehen wir rein.» Ich lege meiner Schwester den Arm um die Schulter, ziehe sie etwas an mich und drücke ihr einen Kuss auf ihre langen braunen Locken. «Danke, Zwerg!»

«Bitte schön, Riese.»

Nach einem Zwischenstopp bei den Mülltonnen gehen wir gemeinsam ins Haus.

Drinnen laufen wir Mama, die gerade mit einer Schüssel Salat aus der Küche kommt, quasi direkt in die Arme. «Oh, Simon. Wie schön, dass du da bist.» Im Vorbeigehen streicht sie mir mit der freien Hand über den Rücken. Mein Veilchen scheint tatsächlich unsichtbar zu sein. Als sie sich von mir und meiner Schwester wegdreht, zwinkere ich Nora zu. Sie grinst triumphierend, dann folgen wir Mama durch den Flur ins Wohnzimmer. Papa und Oma sitzen bereits beide je am Kopf des gedeckten Tischs.

«Na, mein Junge! Wie ist die Lage?», grüßt mich mein Vater und lächelt mich durch seinen Vollbart an.

«Moin, Simon.» Oma winkt mir freudig zu.

«Hallo, Papa. Hallo, Oma.» Nacheinander nehme ich beide in die Arme. Papa ein bisschen fester, Oma dafür länger, und sie bekommt außerdem noch einen fetten Kuss auf ihre Wange.

«Und was ist mit mir?», kommt es von Mama. Die Schüssel hat sie neben die Fischplatte in die Tischmitte gestellt und steht jetzt mit ausgebreiteten Armen vor mir.

«Das Beste kommt zum Schluss», scherze ich und trete in ihre Umarmung. Die Spitzen ihres kinnlangen blonden Haars kitzeln mich am Hals, als sie mich an sich drückt.

«Habt ihr das gehört?», sagt sie strahlend. «Ich bin das Beste.»

«Dann frag dich mal, von wem du all das Beste geerbt hast», kommentiert Oma.

«Und warum ich dich geheiratet habe», wirft Papa ein.

«Und warum du so coole Kinder hast», setze ich noch eins drauf.

Wir müssen alle lachen.

«Muss noch was aus der Küche geholt werden?», frage ich und suche den Esstisch nach fehlendem Besteck oder Gläsern ab.