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Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit. Später übernimmt Commander Rena Sunfrost die STERNENKRIEGER und bricht mit ihr zu einer kosmischen Odyssee auf, die das Geheimnis einer ehedem übermächtigen Zivilisation entschlüsseln soll, die einst die Galaxis beherrschte. Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Zuletzt erschien DER BEFREIER DER HALBLINGE bei Blanvalet. Dieses Ebook beinhaltet folgende Romane: Commander im Niemandsland Im Niemandsland der Galaxis Terrifors Geschichte Erstes Kommando Captain auf der Brücke Sieben Monde Prototyp Heiliges Imperium
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Seitenzahl: 1010
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Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane
Copyright
Commander Reilly: Commander im Niemandsland
Commander Reilly: Das Niemandsland der Galaxis
Terrifors Geschichte
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Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”
Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des
aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit. Später übernimmt Commander Rena Sunfrost die STERNENKRIEGER und bricht mit ihr zu einer kosmischen Odyssee auf, die das Geheimnis einer ehedem übermächtigen Zivilisation entschlüsseln soll, die einst die Galaxis beherrschte.
Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Zuletzt erschien DER BEFREIER DER HALBLINGE bei Blanvalet.
Dieses Ebook beinhaltet folgende Romane:
Commander im Niemandsland
Im Niemandsland der Galaxis
Terrifors Geschichte
Erstes Kommando
Captain auf der Brücke
Sieben Monde
Prototyp
Heiliges Imperium
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER STEVE MAYER
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Chronik der Sternenkrieger
Science Fiction Roman
Der Umfang dieses Buchs entspricht 131 Taschenbuchseiten.
Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
in chronologischer Reihenfolge
Einzelfolgen:
Commander Reilly 1: Ferne Mission (Handlungszeit 2234)
Commander Reilly 2: Raumschiff STERNENKRIEGER im Einsatz
Commander Reilly 3: Commander im Niemandsland
Commander Reilly 4: Das Niemandsland der Galaxis
Commander Reilly 5: Commander der drei Sonnen
Commander Reilly 6: Kampf um drei Sonnen
Commander Reilly 7: Commander im Sternenkrieg
Commander Reilly 8: Kosmischer Krisenherd
Commander Reilly 9: IN VORBEREITUNG
Terrifors Geschichte: Ein Space Army Corps Roman (Handlungszeit 2238)
Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)
Erster Offizier: Extra-Roman (Handlungszeit 2246)
Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke (Handlungszeit 2250)
Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde
Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp
Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium
Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg
Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten
Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet
Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer
Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash
Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast
Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha
Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch
Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance
Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten
Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen
Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt
Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion
Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf
Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung
Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung
Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes
Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff
Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter
Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne
Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos
Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer
Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich
Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe
Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter
Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen
Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy
Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix
Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt
Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne
Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle
Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)
Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer
Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)
Sammelbände:
Sammelband 1: Captain und Commander
Sammelband 2: Raumgefechte
Sammelband 3: Ferne Galaxis
Sammelband 4: Kosmischer Feind
Sammelband 5: Der Etnord-Krieg
Sammelband 6: Götter und Gegner
Sammelband 7: Schlächter des Alls
Sammelband 8: Verlorene Götter
Sammelband 9: Galaktischer Ruf
Sonderausgaben:
Der Anfang der Saga (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und
Chronik der Sternenkrieger #1-4)
Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)
Druckausgabe (auch als E-Book):
Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)
Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Das Jahr 2236 war für die Menschheit im Allgemeinen und die Humanen Welten im Besonderen von schicksalhafter Bedeutung. Heute macht sich niemand mehr wirklich klar, in was für einer bedrohten Lage sich die Menschheitswelten damals befanden.
Aber das soll nicht bedeuten, dass wir uns heute auf einem sanfteren Ruhekissen betten könnten! Beileibe nicht!
In der Zone jenseits des Niemandslandes wuchs ein Feind heran, der daran dachte, all das zu zerstören, was die Menschheit in den drei Jahrhunderten zuvor erreicht hatte. Ich sah es als meine Mission an, so etwas nicht zuzulassen. Damals wie heute. Zumindest in dieser Hinsicht hat sich seit damals nicht viel verändert
Aus den Erinnerungen von Admiral Gregor Raimondo, seit Februar 2252 im Datennetz abrufbar unter dem Titel „Wir beschützten die Sterne – Über die Geschichte des Space Army Corps“
Mein Eindruck, dass diese schnabellosen Säugetierabkömmlinge, die sich Menschen nennen, von erschreckender Schwäche sind, hat sich im Laufe der Zeit, die ich nun schon unter ihnen lebe, verfestigt. Und damit meine ich nicht eine Schwäche des Körpers, sondern des Geistes. Die meisten von ihnen sind bar jeder Überzeugung und jeden festen Glaubens. Ihr politisches System lässt verschiedene Ansichten gleichzeitig und gleichrangig gelten. Angesichts dieser Umstände erstaunt es mich, wie wenige unter ihnen letztlich Symptome von Geisteskrankheiten entwickeln, wie der gefürchteten Schizophrenie, von der ich in einem ihrer Datennetz-Bibliotheken jüngst las… Bedauernswerte Heiden sind sie! Je länger ich unter ihnen weile, desto größer ist die Dankbarkeit, die ich dafür empfinde, dem auserwählten Volk Gottes anzugehören.
Aus den persönlichen Aufzeichnungen von Nirat-Son, einem qriidischen Austauschoffizier an Bord des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER II unter Captain Rena Sunfrost im Dienst des Space Army Corps of Space Defence der Humanen Welten – verfasst 2251.
Jahr 2236…
Irgendwo im Niemandsland zwischen den Humanen Welten der Menschheit und dem Heiligen Imperium der Qriid…
Die falkenhaften Augen der Schnabel bewehrten, vogelartigen Gesichter wirkten aufmerksam. Grau wie das Gefieder unserer geflügelten Vorfahren, so hieß es in einem uralten Lied der Qriid, das noch aus der Zeit stammen musste, da dieses von einem tiefen Glauben an seine göttliche Mission erfüllte Volk seine Heimatwelt Qriidia noch nicht verlassen hatte. Eine Zeit, in der Gott das von ihm erwählte Volk noch prüfte, ob es auch wert sei, dass man es in den Kosmos hinausziehen und dort die Göttliche Ordnung errichten ließ.
Mythen und Legenden berichteten von dieser Zeit von der niemand genau sagen konnte, wie lange sie eigentlich her war.
Der Tanjaj-Rekrut Nirat-Son wusste nicht, weshalb ihm die Melodie dieses Liedes ausgerechnet jetzt einfiel, in einem Moment, in dem er eigentlich an nichts anderes hätte denken sollen, als an die Mission, die vor ihm lag. Die erste Außenmission, an der er teilnahm, seit er an Bord der KRALLE DER GLÄUBIGEN diente, einem Kriegsschiff im Dienst des Heiligen Imperiums der Qriid.
Die Melodie bildete eine Kette sehr schnell aneinander gereihter Halb- und Dreivierteltonschritte im Hochfrequenzbereich.
Angehörige vieler anderer Rassen hätten dies als unspezifisches Gezwitscher angesehen, aber für Nirat-Son stellte es eine unverwechselbare Melodie dar.
Eine Melodie, die ihm aus irgendeinem Grund einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte. Stattdessen wurde sie dort immer wieder aufs Neue abgespielt, wie ein Tonträger, der mit einer Fehlfunktion behaftet war.
Der Tanjaj-Rekrut überlegte, dass es vielleicht mit der attraktiven Eierlegerin zu tun hatte, die er in den Straßen von Qatlanor getroffen hatte, der auf Qriidia gelegenen unvergleichlich schönen Hauptstadt des Heiligen Imperiums. Qatlanor, die Göttliche, so nannte man diese Stadt auch, weil der Aarriid dort residierte.
Im Hintergrund hatte jemand dieses uralte Lied gespielt, als er der schönen Eierlegerin zum letzten Mal begegnet war.
Nur ein paar Mal hatten sie sich treffen können.
Nein, dachte Nirat-Son. Treffen ist nicht der richtige Ausdruck. Es waren Begegnungen. Begegnungen, die wie zufällig aussehen mussten.
Sie hatten ihre Namen ausgetauscht, was unter einander nicht versprochenen Qriid verschiedenen Geschlechts schon sehr viel mehr war, als den Tugendwächtern, die über die öffentliche Moral zu wachen hatten, recht war.
Anré-Sé
Ein Name, der in Nirat-Sons Bewusstsein wie eine Verheißung widerhallte. Eine Verheißung, die mit einem Schmerz verbunden war, denn sein Verstand sagte ihm, dass er Anré-Sé niemals wieder sehen würde. Zumindest standen die Chancen dafür denkbar schlecht. Sie war geringer als die Möglichkeit bei einer der gottgefälligen Lotterien, deren überschüssige Einnahmen an Bedürftige verteilt wurden, den Hauptgewinn zu erzielen.
Anré-Sé
Der Stachel der kalten Erkenntnis saß tief in seiner Seele. Eine Erkenntnis, die schlicht und ergreifend darin bestand, dass diese anmutige Eierlegerin von ihrer Familie und den Priestern für einen anderen Tanjaj vorgesehen war. Es gab nichts, was das noch ändern konnte. Bei den Qriid sollte jeder den Partner bekommen, den Gott für ihn bestimmt hatte. Und nach Ansicht des Priesters war es nun mal Gottes Wille, dass Anré-Sé die zweite Eierlegerin des hohen Tanjaj-Offiziers Rer-Gar wurde.
Du musst gegen diese Gefühlsregungen ankämpfen. Schließlich sind wir das zivilisierte, auserwählte Volk Gottes. Kein Qriid lässt sich von Emotionen wie der Zuneigung zu einer Eierlegerin davon abhalten, seine Pflicht gegenüber seinem Imperium und seinem Glauben zu erfüllen! So hatte man es Nirat-Son eingeimpft. Sowohl in der Schule, als auch während der Ausbildung zum Tanjaj, die er mit Bestnoten beendet hatte. Der Weg in höhere Offiziersränge stand jemandem wie ihm offen, wenn er sich bewährte. Und das war unvermeidlich, denn das Imperium befand sich fast unablässig im Krieg. Nur beim Tod eines Aarriid, wie das religiöse Oberhaupt der Qriid genannt wurde, kam es bis zur Bestimmung eines Nachfolgers durch die Priester zu einer Unterbrechung. Schließlich wurde der Heilige Krieg, mit dem das Reich der Qriid seine Expansion vorantrieb, im Namen des Aarriid geführt und so war es undenkbar, dass der Krieg fortgesetzt wurde, ohne dass der Stellvertreter Gottes auf seinem rechtmäßigen Thron saß, um die Gläubigen zu führen.
„Träumst du, Nirat-Son?“, fragte eine Stimme, die schneidend klang und deren Worte von einem schabenden Geräusch unterstrichen wurden, wie er bei der Reibung von zwei Schnabelhälften entstand. Kalte, graue Augen blickten Nirat-Son an. Sie wirkten prüfend, geradezu durchdringend.
Dieses scheinbar bis auf den Grund seiner Seele blickende Augenpaar gehörte Tan-Balo, dem Kommandanten des Kriegsschiffes KRALLE DER GLÄUBIGEN. Der Kommandant trat auf den Tanjaj-Rekruten zu und öffnete leicht den nach unten gebogenen Schnabel, an dessen Unterhälfte er mit einer seiner Klauen entlang rieb. Die kräftigen, nach hinten geknickten Beine machten einen letzten Schritt. Die Krallen bewehrten Pranken, die bei den Vorfahren aus uralter Zeit angeblich einmal Flügel gewesen waren, wurden verschränkt. „Wir befinden uns in einer unbekannten Region des Alls“, sagte der Kommandant. „Unsere Aufgabe ist es, zusammen mit dem Flottenverband, dem wir angehören, diesen Sektor zu kartographieren, Daten technisch und astronomisch zu erfassen und die informationellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass unsere Expansion auch hier erfolgreich sein wird.“ Tan-Balo sog die sehr sauerstoffhaltige Luft in sich hinein. Eine leichte Anhebung des Sauerstoffwertes über den Normwert hinaus, konnte die Leistungsfähigkeit einer Schiffsbesatzung erheblich verbessern, so lauteten jüngste Forschungsergebnisse, die an der Universität von Qatlanor anhand umfangreicher Untersuchungen gewonnen worden waren. Seitdem war man dazu übergegangen den Sauerstoffgehalt in der Atemluft von Einheiten, die sich in einem heiklen Einsatz befanden, um drei Prozent zu erhöhen.
Dadurch ließen sich auch die für jeden Qriid unerlässlichen Schlafintervalle verkürzen, was vor allem auch innerhalb der imperialen Industrie große Aufmerksamkeit erzeugt hatte. Schließlich wurde hier jede Möglichkeit einer Effektivierung der kriegswichtigen Produktion gerne aufgegriffen.
Die Qriid kämpften an einer sich ständig vorwärts schiebenden Front, die stets irgendwo durch das All verlief und im Grunde unsichtbar blieb.
Die zweite Front, mit der das Imperium zu tun hatte, befand sich im Bereich von Industrie und Wirtschaft. Das Imperium lief ständig Gefahr, die eigenen Möglichkeiten zu überdehnen.
Und dieser Gefahr musste mit aller Kraft entgegen gehalten werden.
Kommandant Tan-Balo steuerte über eine Fernbedienung die Funktionen eines Bildschirms in bestechender Qualität, der die gesamte Wand des ansonsten sehr karg eingerichteten Konferenzraums an Bord der KRALLE DER GLÄUBIGEN.
Die qriidische Videotechnologie wäre durchaus fortgeschritten genug gewesen, um dreidimensionale Darstellungen zu erzeugen. Aber da die Qriid auf Grund ihrer weit auseinander stehenden Augen ohnehin ein schlechtes räumliches Sehvermögen besaßen, hätte das wenig Sinn gemacht.
Tan-Balo aktivierte die Weltraumansicht eines Planeten, dessen gelbe Sonne im Hintergrund leuchtete. Der Planet war vollkommen weiß. Ein schneebedeckter Eisklumpen, so schien es. Ein paar schmutzig-braune Flecken waren zu erkennen, bei denen sich wahrscheinlich um Ablagerungen handelte. Material, das der Planet im Laufe der Jahrmillionen aus dem Weltraum eingefangen hatte und das sich schließlich auf der Oberfläche ablagerte.
„Das ist Korashan-5, eine Welt, die einem Eisklumpen gleicht. Die anderen Planeten des Korashan-System weisen zwar allesamt sehr ungemütliche Lebensbedingungen auf, besitzen aber bedeutende Vorkommen an Rohstoffen, die für unsere Industrie notwendig sind“, erläuterte Tan-Balo. „Eine planetare Angleichung an die Qriidia-Norm könnte sich in dem einen oder anderen Fall durchaus lohnen.“
„Dann plant das Oberkommando des Tanjaj-Mar einen Ausbau des Korashan-System als industrielle Basis?“, erkundigte sich der Erste Offizier. Sein Name war Dom-Tabun. Seine Uniform war voll von Orden- und Ehrenzeichen, die ihn als einen Tanjaj – Glaubenskrieger - auswiesen, der sich mit ganze Kraft dem Kampf gegen die Ungläubigen gewidmet hatte. Der Umstand, dass ein Auge und ein Bein durch Prothesen ersetzt worden waren, sprach in diesem Zusammenhang für sich. Dabei waren sowohl die Augen- als auch die Beinprothese so beschaffen, dass man ihren künstlichen Ursprung sofort erkennen konnte. Man hatte sich in keiner Weise bemüht, den natürlichen Zustand nachzubilden, sondern es war volle Absicht, für jeden Betrachter gleich erkennbar werden zu lassen, welch großes Opfer dieser Glaubenskrieger für den permanenten Krieg des Heiligen Imperiums und die Errichtung der Göttlichen Ordnung gebracht hatte. Zusammen mit den Orden an seiner Brust ergab dies für junge Tanjaj-Rekruten wie Nirat-Son ein fast schon einschüchterndes Bild.
Nirat-Son hatte immer ein leichtes Schaudern bei diesem Anblick erfasst und er hatte sich gefragt, ob er zu denselben Heldentaten und dem hohen Grad an Selbstaufopferung fähig wäre wie Tan-Balo. Der Schmerz öffnet den Weg zum Glauben - dieses Axiom aus der qriidischen Weisheit des beinahe schon mythischen Ersten Aarriid, der vor vielen Zeitaltern auf dem Thron in Qatlanor als Stellvertreter Gottes residiert hatte, fiel Nirat-Son jetzt ein. Als Tanjaj war er nicht nur intensiv in Kampftechniken und Raumtechnik unterwiesen worden, sondern auch in der Glaubenslehre der qriidischen Religion.
„Deine Vermutung ist vollkommen richtig“, bestätigte Tan-Balo. „Und darum spielt auch Korashan V eine so wichtige Rolle. Alle anderen Korashan-Welten sind extrem wasserarm. Aber Sie wissen selbst, dass die Anlage von Industriekomplexen ohne das Vorhandensein von ausreichend Wasser so gut wie unmöglich ist. Darum möchte ich, dass Tanjaj-Nom Bras-Kon sich mit einem Beiboot auf die Oberfläche begibt, zum dort die Lage zu erkunden.“
Ein Tanjaj-Nom war ein niederer Offiziersrang innerhalb der sich selbst als gleichermaßen elitäre wie verschworene Gemeinschaft betrachtende Kaste der Gotteskrieger.
„Es wird mir eine Ehre sein!“, meldete Bras-Kon und seine Haltung straffte sich dabei.
„Du weißt, dass eure Expedition nicht die erste ist, die Korashan V anfliegt, und dass das letzte dort abgesetzte Außenteam unter mysteriösen Umständen verschwand. Zumindest brach der Kontakt ab und es wird unter anderem eure Aufgabe sein, nach dem Verbleib dieses Teams zu suchen. Letzte Meldungen besagten, dass unsere Glaubensbrüder auf Vertreter jener heidnischen und schnabellosen Spezies von Säugetierabkömmlingen trafen, von denen unsere Kundschafter vermuten, dass sie jenseits der unbekannten Zone ein großes Sternenreich besitzen.“
Tan-Balo ballte seine beiden Krallen bewehrten Klauen zu den Qriid-Äquivalenten von Fäusten. „Irgendwann werden wir diesen schnabellosen Heiden begegnen und gezwungen sein, sie im Kampf niederzuringen, damit sie sich der Göttlichen Ordnung unterwerfen können. Und dazu brauchen wir hier im Korashan-System eine starke Basis…“ Tan-Balo ließ den Blick schweifen, was für einen Qriid nur eine minimale Kopfdrehung bedeutete. Schließlich besaßen die Vogelartigen Glaubenskrieger eine Rundumsicht von fast 270 Grad. Kommandant Tan-Balo fixierte schließlich Rekrut Nirat-Son auf eine Weise, die dieser als äußerst unangenehm empfand. „Zeige mehr Eifer, Nirat-Son! Ich habe in letzter Zeit den Eindruck, dass es Dinge in deinen Gedanken gibt, die dich von deiner wahren Bestimmung ablenken. Was auch immer das sein mag, verbanne es aus deinem Bewusstsein.“
„Ja, Kommandant!“, gab Nirat-Son zurück, der sehr wohl wusste, dass es keinen Sinn hatte, irgendeinen Widerspruch zu äußern. Das hatte er während seiner Ausbildung zum Tanjaj vollkommen verinnerlicht. Der Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten bildete die Grundlage der Kampfkraft, so hatte man es ihnen beigebracht. Kein Sieg für den Glauben ohne Disziplin. Mochte Nirat-Son als Tanjaj auch einem einfachen Industriearbeiter an gesellschaftlichem Ansehen haushoch überlegen sein, so hatte er sich und sein Leben doch vollkommen unterzuordnen. Aber Nirat-Son sah das als Selbstverständlichkeit an. Wie sonst hätte das Heilige Imperium seine permanente Expansion nun schon so lange fortsetzen können?
Die Gedanken, die dich von deiner Aufgabe ablenken – du kennst sie genau, dachte Nirat-Son. Und du weißt auch, dass sie sich nicht so einfach verbannen lassen. Weder durch Meditationstechniken, noch durch eine rituelle Reinigung, wie sie dir dein Vorgesetzter mit Sicherheit gleich vorschlagen wird!
„Du solltest unsere Bordpriester aufsuchen“, sagte Tan-Balo nun tatsächlich und in einem sehr viel versöhnlicheren Tonfall.
Er galt als ein Kommandant, der sehr um das spirituelle Wohl seiner Tanjaj besorgt war.
„Jawohl“, sagte Nirat-Son und senkte den Kopf nun so tief, dass der nach unten gebogene Schnabel beinahe die Uniformbrust berührte.
„Manchmal kann es in deinem Alter vorkommen, dass man glaubt, die Reinigungsrituale ungestraft gering schätzen zu können. Mir ist es nicht anders gegangen.“
„Ich danke dir für dein Verständnis, Kommandant. Aber ich habe mir in dieser Hinsicht nichts vorzuwerfen.“
Jeder Tanjaj hatte in einem Tempel Reinigungs- und Läuterungsrituale zu vollführen, bevor es ihm gestattet war, an Bord seines Schiffs zu kommen. Das war fester Bestandteil des Tanjaj-Lebens. Den Glaubenskriegern wurde von Anfang an eingeimpft, wie wichtig nicht nur die Pflege der Waffen, sondern auch wie unerlässlich die Pflege des Glaubens und die Reinheit der eigenen Seele waren.
Beides stand nach den Lehren der qriidischen Überlieferung, auf die sich die Tanjaj beriefen, gleichrangig nebeneinander. Das eine war ohne das andere nicht denkbar. Was nützte ein gut bewaffneter Glaubenskrieger, der seine Feinde mit Leichtigkeit besiegen könnte, wenn sein Geist und sein Glaube schwach waren und dafür sorgten, dass er den Mut verlor, den der Kampf für die Sache der göttlichen Ordnung nun einmal verlangte?
„Geh zum Bordpriester, bevor du das Beiboot betrittst, das dich nach Korashan V bringen wird!“, verlangte Tan-Balo noch einmal. „Sonst wirst du Unglück über die Mission bringen.“
„Ich werde tun, was du verlangst, mein Kommandant“, versprach Nirat-Son.
Fünf Qriidia-Stunden später hatte die KRALLE DER GLÄUBIGEN soweit abgebremst, dass sie ihr Beiboot ausschleusen konnte. Dabei war es nicht Tan-Balos Absicht, in ein Orbit einzuschwenken. Stattdessen ließ er die KRALLE DER GLÄUBIGEN auf einem Tangential-Kurs an Korashan V vorbei schnellen. Das Qriid-Schiff hatte zwar seit seinem Austritt aus dem Zwischenraum mit vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit bereits auf die Hälfte dieses Wertes abgebremst, wäre aber noch immer viel zu schnell gewesen, um in eine stabile Umlaufbahn einschwenken zu können. Stattdessen sollte das Mutterschiff möglichst viele Daten über die anderen Planeten des Systems zusammentragen und auf zwei von ihnen weitere Beiboote absetzen.
Die KLEINE KRALLE, wie das Beiboot unter dem Kommando von Tanjaj-Nom Bras-Kon hieß, wurde bei 0,2 LG ausgesetzt und anschließend von der Gravitation des Eisplaneten eingefangen.
Nirat-Son hatte einen der letzten von einem Dutzend Plätzen innerhalb der Passagierkabine eingenommen. Er blickte durch das Sichtfenster an seiner rechten Seite. Das Licht der Sonne Korashan wurde durch die weiße, schneebedeckte Oberfläche des Planeten stark reflektiert, sodass man ständig das Gefühl hatte, dass von dieser Welt ein eigentümliches Leuchten ausging.
Denk nicht mehr an Anré-Sé!, ging es dem Tanjaj-Rekruten durch den Kopf. Das ist die einzige Möglichkeit, um den Weg des Schmerzes zu verlassen und den Zustand innerer Läuterung zurückzuerlangen, der für jeden Tanjaj die Voraussetzung ist, um seinen Dienst für den Aarriid zu tun…
Die Reinigungsrituale beim Bordpriester hatte Nirat-Son hinter sich gebracht. Allerdings hielt sich die spirituelle Wirkung auf die innere seelische Stabilität des Tanjaj-Rekruten diesmal in ziemlich eng umrissenen Grenzen.
Vielleicht um sich ablenken zu können, hatte Nirat-Son sich umso intensiver in die Vorbereitung zu dieser Mission gestürzt. Er hatte buchstäblich jedes Datenfile geöffnet, das es über diese Raumregion in den Speichern des Bordrechners der KRALLE DER GLÄUBIGEN gab.
Besonders interessierten ihn die barbarischen Säugetierabkömmlinge, die auf Korashan V hausten. In gewissen Grenzen hatte er sogar Respekt für die Tapferkeit dieser Heiden, nach allem, was man über den Verbleib der ersten Expedition auf den Schneeplaneten wusste.
Es fiel Nirat-Son schwer anzunehmen, dass die primitiven Säugetierabkömmlinge tatsächlich etwas damit zu tun hatten. Mit ihren schnabellosen „Verwandten“, die in die Kämpfe gegen die spinnenartigen Wsssarrr verwickelt gewesen waren, konnten die Barbaren dieser Eiswelt nicht viel zu tun haben. Natürlich hatte sich auch Nirat-Son das aufgezeichnete Bildmaterial angesehen und ihm war die Ähnlichkeit zwischen den Eiswelt-Bewohnern mit jenen Fremden, die in einer Distanz von schätzungsweise ein paar Dutzend Lichtjahren über ein gewaltiges Sternenreich geboten, genauso aufgefallen wie jedem anderen Betrachter.
Wenn beide Spezies etwas miteinander zu tun hatten, dann handelte es sich bei den Eisweltlern vielleicht um degenerierte Nachfahren derselben Spezies, die wahrscheinlich vor sehr langer Zeit hier gelandet waren.
Nach und nach waren sie dann auf eine Stufe zurückgefallen, die der Barbarei sehr nahe kam.
Auf jeden Fall besaßen sie nicht den rechten Glauben und dementsprechend waren sie auch kaum gewillt, sich aus freien Stücken der Göttlichen Ordnung des Aarriid zu unterwerfen.
Also muss man da etwas nachhelfen!, dachte Nirat-Son.
Ohne, dass er es hätte verhindern können, waren seine Gedanken trotz der priesterlichen Läuterung, die er hinter sich hatte, immer wieder einmal zu der schönen Eierlegerin zurückgekehrt, von der er träumte, dass sie ihm durch ein höchstpriesterliches Urteil als die für ihn bestimmte Gefährtin zugesprochen worden wäre. Aber das war reines Wunschdenken und in dieser Form für sich genommen schon eine Sünde. Schließlich war Gott die lenkende Macht des Universums und keine primitive Wunscherfüllungsmaschine, die sich durch Gebete oder – noch schlimmer! – durch magische Praktiken beeinflussen ließ.
„Was ist los mit dir?“, fragte ihn jetzt sein Sitznachbar Re-Lim. Er war ein Tanjaj-Rekrut im selben Ausbildungsjahr. Sie kannten sich seit der Zeit auf der Tanjaj-Akademie. Auch davor waren sie sich bereits im Rahmen verschiedener Förderprogramme zur Erkennung von Tanjaj-Talenten im Schlüpflingsalter immer wieder einmal begegnet.
„Teile deine Gedanken mit mir“, forderte Re-Lim seinen Nachbarn auf. „Du weißt doch, was die Schriften sagen…“
„Tut mir leid, im Moment habe ich keine Ahnung, worauf du anspielst!“, behauptete Nirat-Son, der gehofft hatte, dadurch die Unterhaltung möglichst schnell beenden zu können.
Aber das Gegenteil war der Fall.
„ Wer sich verschließt wird ein Ärgernis für die Sache der Gläubigen“, zitierte Re-Lim die Überlieferung.
Gerade dieser Satz hallte in Nirat-Sons Hinterkopf dutzendfach wieder. Nirat-Son hatte an sich selbst immer wieder die Tendenz festgestellt, sich von anderen abzugrenzen und über sein Inneres zu schweigen. Genau das aber war von Übel, wie die höchsten Repräsentanten des Glaubens von der Priesterschaft bis hinauf zum Aarriid immer wieder betonten.
Ein Außenstehender hätte darin vielleicht eine Kontrollabsicht der geistlichen Instanzen vermutet, die offenbar nicht nur das Territorium, sondern auch die Seelen aller Bewohner des Heiligen Imperiums genauestens kontrollieren wollte.
Nirat-Son hingegen empfand dies vielmehr als eine Aktion allumfassender Fürsorge der Gemeinschaft.
Aber nicht irgendeiner Gemeinschaft, sondern der Gemeinschaft jener, die dem Glauben an Gott folgten und ebenfalls von der göttlichen Mission des Qriid-Volkes überzeugt waren.
Das Beiboot hieß KLEINE KRALLE, was sich natürlich auf den Namen des Mutterschiffs bezog. Der Pilot ließ es in die Atmosphäre des Eisplaneten eintauchen, der im Übrigen von drei rötlich schimmernden Monden umkreist wurde. Mond Nummer zwei hatte dabei eine sehr eigenartige, irreguläre Form. Sie glich einem Ellipsoid, der in seiner Vergangenheit durch schnelle Rotation beinahe zylinderförmig geworden war. Die Distanz der Pole zueinander betrug fast 5000 Kilometer, während der Durchmesser am Äquator kaum 600 Kilometer betrug.
Irgendwann im Laufe seiner Geschichte musste Korashan V diesen Sonderling eingefangen haben.
Seine Eigenrotation war immer noch beachtlich, wie Nirat-Son sich auf dem Display anzeigen ließ, das zu seiner Konsole gehörte.
Immer tiefer sank die KLEINE KRALLE, überwand dabei die Stratosphäre und tauchte schließlich in die Troposphäre ein, die einen Sauerstoffgehalt von 20 Prozent aufwies. Dieser recht hohe Sauerstoffgehalt wies darauf hin, dass die Vereisung des Planeten noch nicht allzu lang zurückliegen konnte. Maximal ein paar Millionen Qriidia-Jahre. Jedenfalls gab es zurzeit an der Oberfläche so gut wie keine Vegetation auf dem Planeten. Aber das war gewiss in früheren, klimatisch günstigeren Epochen seiner Entwicklung anders gewesen.
„Ich frage mich wie diese schnabellosen Barbaren auf Korashan V überleben konnten – wenn ich mir die planetaren Daten so ansehe!“, äußerte sich der Tanjaj Ni-Vad, der vor Nirat-Son Platz genommen hatte. „Ich meine, die haben weder pflanzliche noch tierische Nahrung auf diesem Planeten.“
„Sie scheinen wahre Künstler darin zu sein“, war der Kommandant überzeugt. „Was auch immer ihre verborgenen Nahrungsquellen sein mögen – auf die Dauer werden sie sich mit ihren primitiven Waffen nicht gegen unsere Traser durchsetzen können. Und darauf kommt es einzig und allein an.“
„Besteht der Plan, die säugetierartigen Urbewohner zu vernichten?“, fragte Nirat-Son.
„Unsere Mission besteht glücklicherweise nur in der Erkundung“, erwiderte Ni-Vad. „Falls man diese Ureinwohner umsiedeln oder vernichten sollte, wird uns das Oberkommando schon Bescheid geben.“
Begeistert klingt das nicht!, überlegte Nirat-Son. Fehlte es dem Tanjaj Ni-Vad etwa an der richtigen Einstellung oder gar dem nötigen Glaubensfeuer? Oder waren auch seine Gedanken bei irgendeiner Eierlegerin?
Obwohl Ni-Vad und Nirat-Son sich auf der KRALLE DER GLÄUBIGEN sogar eine Kabine teilten, hatten sie sich nie über diesen Punkt ausgetauscht. Nirat-Son hätte schon gerne mit jemandem über die Dinge gesprochen, die ihn bewegten. Aber er wusste auch, dass die Gefahr groß war, an die Spitzel der Priesterschaft verraten zu werden. In gewissen Intervallen trieb die Angst der Priesterschaft und des Tanjaj-Mar, wie der Oberkommandierende der Gotteskrieger und höchste Militärrang des Heiligen Imperiums genannt wurde, vor dem Aufkommen einer Ketzerbewegung skurrile Blüten. Nichts fürchteten die im Namen des Aarriid regierenden Würdenträger so sehr wie eine abweichende Meinung in Glaubensfragen. Insbesondere dann, wenn die Notwendigkeit des Heiligen Krieges und der permanenten Expansion der göttlichen Ordnung in Frage gestellt wurde, wie es in der Vergangenheit immer wieder geschehen war.
Gerade die Zeiten eines Interregnums nach dem Tod eines Aarriid und vor der Bestimmung seines Nachfolgers schienen in dieser Hinsicht gefährlich zu sein. Umso hysterischer wurde die Verfolgungswut der Geheimpolizei und der allgegenwärtigen Tugendwächter, die inzwischen sogar an Bord von Kriegsschiffen zu finden waren.
Niemand konnte sicher sein, von ihnen nicht wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Glaubensabweichung angeklagt zu werden.
Ein Klima der Angst hatte sich in den letzten Qriidia-Jahren innerhalb der Tanjaj-Flotte ausgebreitet. Niemand konnte sich vor einer Denunziation sicher sein.
Es war besser, seine Gedanken für sich zu behalten. Das hatte Nirat-Son schon früh verinnerlicht.
Vielleicht hing die gegenwärtige Ketzer-Hysterie auch damit zusammen, dass der amtierende Aarriid schon sehr alt war und man die Zeit absehen konnte, dass ein weiteres Mal die Geschichte des Heiligen Imperiums von einem Interregnum gezeichnet sein würde.
Einer Zeit des Innehaltens und Atemholens.
Die Priester ließen manchmal Jahrzehnte vergehen, ehe sie unter Millionen von Schlüpflingen denjenigen bestimmt hatten, der die Merkmale des göttlichen Stellvertreters in sich trug.
Immer dann, wenn der Heilige Krieg eine Unterbrechung erfuhr, wurde er von ein paar Weichlingen in Frage gestellt. Aber Nirat-Son gehörte nicht zu diesen Sympathisanten. Im Gegenteil. Er verachtete sie und ordnete sie den Reihen des Feindes des Imperiums zu. Sie waren fast so verabscheuungswürdig wie die geheimnisvolle Rasse von Säugetierabkömmlingen, auf die man vor etwa zwei Qriidia-Jahren gestoßen war, als man die ebenso abscheulichen achtbeinigen Wsssarrr vernichtete.
Die KLEINE KRALLE landete in der Nähe jener Positionsdaten, die man zuletzt von den Mitgliedern des ersten, verschwundenen Bodenteams auf Korashan V erhalten hatte.
Nirat-Son ließ sich die Umweltdaten auf seiner Konsole anzeigen. Es herrschte eine Temperatur von Minus dreißig Grad – und das wohlgemerkt am Äquator. In der Nacht würde das Thermometer auf Minus sechzig Grad und tiefer sinken. Je nachdem, wie die Wetterverhältnisse waren.
Heftige Winde peitschten über die endlosen Ebenen.
Es wurden derzeit Windgeschwindigkeiten von hundert Stundenkilometern angezeigt, was in diesen Breiten nichts Ungewöhnliches war.
Das Wettersystem von Korashan V zeichnete sich durch sehr stabile Verhältnisse aus. Alternierende Tief- und Hochdruckgebiete sorgten für einen Druckausgleich in der Atmosphäre und schaufelten gigantische Luftmassen von Norden nach Süden oder umgekehrt vom Äquator zu den Polen.
„Ortung?“, fragte Bras-Kon, der Tanjaj-Nom und damit Kommandant der KLEINEN KRALLE.
An Bord von Beibooten dieser Größenordnung hatte der Pilot die Ortung mit zu bedienen und daher meldete sich Steuermann Ruu-Di zu Wort.
„Die Position entspricht ziemlich der den letzten gemeldeten Koordinaten unserer Vorgängermission. Im Augenblick habe ich hier sogar ein Signal auf dem Schirm, das starke Ähnlichkeiten zu den Signaturen eines Raumbootes vom Typ ANSTRENGUNG DES GLAUBENS der Tanjaj-Flotte besitzt.“
„Genau lokalisieren!“, befahl Bras-Kon.
Pilot Ruu-Di nahm einige Schaltungen vor und führte eine Feinkalibrierung der Systeme durch. Die Ungeduld seines Vorgesetzten war ihm sehr wohl bewusst. Seine Nervosität wurde schon dadurch deutlich, dass er immer wieder seine Schnabelhälften gegeneinander verschob, sodass ein schabender Laut entstand.
Ruu-Di aktivierte ein Display, auf dem eine Positionsübersicht des Landeplatzes der KLEINEN KRALLE und ihrer Umgebung angezeigt wurde.
„Die Signatur wurde etwa 200 Ptlaxan von hier entfernt gemessen.“
Ein Ptlaxan entsprach der durchschnittlichen Körperlänge eines männlichen Qriid – also etwa 1,80 m. Das Ptlaxan bezeichnete man auch als das Maß Gottes, denn schließlich hatte Gott die Qriid nach seinem Ebenbild erschaffen und daher hatten auch die dabei verwendeten Maße eine besondere Bedeutung. Zumindest war es nach dem Verständnis der qriidischen Religion nicht denkbar, dass diese Maße nur Produkte evolutionären Zufalls waren. Hinter allem was geschah, stand ein übergeordneter Plan Gottes. Und für den Gläubigen ging es darum, diesen Plan zu erkennen und zur Etablierung der Göttlichen Ordnung im Universum beizutragen.
Einer Ordnung unter Führung des auserwählten Volkes, der Qriid.
„Hinweise auf Lebenszeichen?“, fragte Bras-Kon.
Ruu-Di wog den Kopf zur Seite. „Negativ, Kommandant. Zumindest gibt es keinerlei Lebenszeichen qriidischer Herkunft.“
„Was soll das heißen?“, hakte Bras–Kon nach.
„Das bedeutet konkret, ich kann hier zwar mehrere Temperaturfelder orten, die sich bewegen und deren Niveau erheblich über dem der Umgebung liegt. Eigentlich ein deutlicher Hinweis auf Leben – aber es kann sich auf keinen Fall um Qriid handeln.“
„Sind es vielleicht diese primitiven Säugetierabkömmlinge?“
„Ebenfalls negativ. Es handelt sich um Organismen, deren Größe nur etwa ein Achtel Ptlaxan entspricht.“
„Wir werden uns den Ursprung dieser Signatur genauer ansehen“, erklärte Bras–Kon entschlossen. „Thermoanzüge, Antigrav-Pak und Hand-Traser anlegen! Pilot Ruu-Di, du bleibst an Bord. Eine Vierergruppe untersteht dem Tanjaj Re-Lim und sieht sich in der Umgebung um. Die anderen folgen mir zum Ursprung der Signatur. Ich hoffe, dass wir aufklären können, was mit unseren Tanjaj-Brüdern geschehen ist.“
Ein krächzender Bestätigungslaut ertönte unisono aus fast zwei Dutzend Schnäbeln.
„Außerdem geht der Befehl, das Proben aus dem Eis genommen werden. Beachtet dabei, dass diese Proben aus unterschiedlichen Höhen stammen müssen, um ein aussagekräftiges Bild zu geben.“
„Welche Befehle gelten für den Fall, dass wir auf die Säugetierabkömmlinge stoßen?“, fragte Nirat-Son.
„Wir werden prüfen müssen, ob sie sich möglicherweise als Arbeiter in Industriekomplexen für einfache Tätigkeiten anlernen lassen. Kontaktaufnahme – ja! Aber immer unter der Prämisse, dass die Heiden anerkennen müssen, wer die neuen Herren dieses Planeten sind. Andernfalls muss vom Traser Gebrauch gemacht und dem Wort Gottes der nötige Respekt verschafft werden.“
Nirat-Son wurde der Hauptgruppe um Bras-Kon zugeteilt, die das havarierte Raumboot untersuchen sollte.
Die Qriid trugen Thermoanzüge, die lediglich den kälteunempfindlichen Schnabel und die Augen freiließen. Mit Hilfe von Antigravpaks, die auf den Rücke geschnallt wurden, konnten sie sich schwebend bewegen.
Und mit den Hand-Trasern würden sie sich gegen eventuelle Überfälle der säugetierähnlichen Heiden zur Wehr zu setzen wissen.
Die zweite Gruppe unter dem Befehl von Re-Lim entfernte sich in nordwestliche Richtung. Bald war sie nur auf den Anzeigen der Ortungssysteme erkennbar und verlor sich in der grell weißen Ebene.
Die Qriid trugen Schutzbrillen, um sich vor Schneeblindheit zu schützen. Die helle Oberfläche von Korashan V sorgte für intensive Reflexion des Sonnenlichts, worauf die Augen der Qriid besonders empfindlich reagierten.
Die Schutzbrillen der Vogelartigen waren drahtlos mit ihren Ortungsgeräten verbunden. Die Tanjaj konnten entfernte Punkte anpeilen, bekamen Entfernungsangaben eingeblendet oder auf Wunsch auch eine Positionsanzeige im größeren Maßstab, die ihnen verdeutlichen konnte, wo sie sich befanden.
Vor dem eisigen Wind dieser endlosen arktischen Ebene, die nur durch vereinzelte Anhöhen unterbrochen wurden, merkte Nirat-Son nichts. Die Ausrüstung verhinderte dies.
Schwer vorstellbar, dass hier Leben existieren kann!, überlegte er. Aber es widersprach jeder Erfahrung, daran zu zweifeln. Das Leben war äußerst hartnäckig und konnte sich auch unter ungünstigsten Bedingungen festsetzen. Dies hatten die Tanjaj im Lauf ihres Heiligen Krieges, der sie immer in die Weiten des Kosmos hineingeführt hatte, erkennen müssen. Das Universum war ein Ort des Chaos – das Heilige Imperium bildete darin eine winzige, sich ausdehnende Blase. Und nur innerhalb dieser Blase konnte die Göttliche Ordnung etabliert werden. Eines Tages, so formulierte es die Überlieferung der Qriid, würde die Blase mit dem Kosmos identisch sein. Der Augenblick der absoluten Gottesherrschaft war dann gekommen und die Zeit der Prüfungen zu Ende.
Doch bis dahin würden noch Tausende von Generationen Schlüpflinge zu mutigen Tanjaj heranwachsen müssen.
Bras-Kons Gruppe hatte den Ursprungsort der Signaturen rasch erreicht.
Die schwebenden Qriid setzten auf dem Boden auf.
Eigenartig – unsere Vorfahren sollen einst Flügel besessen haben, um sich in der Luft zu halten – wir hingegen brauchen diese Maschinen auf unserem Rücken…
Die Oberflächenstruktur wies eine leichte Wölbung auf.
Einer der Tanjaj hatte einen Hitzestrahler dabei, der auf ähnlichen physikalischen Prinzipien wie die Traser basierte, allerdings nicht als Waffe konzipiert war, sondern als eine Art Schneidbrenner oder auch als Wärmeaggregat in besonders kalter Umgebung.
Der Qriid, dessen Aufgabe es war, dieses Gerät mitzuführen und zu bedienen, hieß Gran-Teron. Nirat-Son mochte ihn nicht. Gran-Teron war ein Karrierist, der stets vor den Vorgesetzten buckelte wie eine Sharrak-Katze auf Qriidia. Wenn es jemanden gab, dem Nirat-Son eine Denunziation zutraute, dann ihm. Gran-Terons Weg hatte ihn nicht auf gerader Strecke an die Tanjaj-Akademie geführt. Er war zunächst einer von Millionen Tugendwächtern gewesen, die überall im Heiligen Imperium die Glaubens- und Sittentreue der einfachen Qriid überwachten. Offenbar hatte er diese Haltung verinnerlicht und fühlte sich auch an Bord seines Kriegsschiffs als eine Art heimlicher Tugendwächter, obwohl er in dieser Hinsicht nicht die geringsten Kompetenzen besaß.
Die Tatsache, dass man aber bereits Tugendwächter zu Tanjaj-Kämpfern umschulte, sprach nach Nirat-Sons Meinung Bände über die gegenwärtige Verfassung der Flotte. Die Gefahr der Überdehnung der militärischen Möglichkeiten bestand. Die Verluste konnten zwar ersetzt werden und es hatte während der langen Regentschaft des gegenwärtigen Aarriid auch keine größeren Niederlagen gegeben. Aber dennoch forderte schon die einfache Expansion ihren Tribut. Immer größere Flottenverbände mussten das sich erweiternde Territorium sichern. Das Transportwesen lag inzwischen schon fast vollständig in den Händen der Methan atmenden Naarash, deren Kult um den so genannten Verborgenen Gott dem Glauben der Qriid immerhin so ähnlich war, dass sie nicht als Heiden im eigentlichen Sinn bezeichnet und daher toleriert wurden.
So konnte sich die Flotte der Qriid auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren, nämlich neue Territorien zu unterwerfen und ihre industriellen Kapazitäten in den Dienst des Glaubenskrieges zu stellen.
Aber die Kapazitäten ließen sich nicht im gleichen Maß erhöhen, wie es erforderlich gewesen wäre. Allen Verantwortlichen war das im Grunde bewusst. Aber eine Unterbrechung des Krieges ohne den vorherigen Tod des in Qatlanor residierenden Stellvertreter Gottes, wäre einem Frevel gleichgekommen.
Schließlich war die permanente Expansion keine Frage der augenblicklichen Opportunität. Sie erwuchs vielmehr aus dem einzigartigen Auftrag, den das Volk der Qriid vom Schöpfer des Universums erhalten hatte. Ein Auftrag, der für die Qriid einer Prüfung gleichkam. Was geschehen mochte, wenn die Qriid den hohen Maßstäben, die dabei zu Grunde gelegt wurden, nicht gerecht wurden, das mochten sich selbst die Theologen der Priesterkaste nicht wirklich auszumalen.
Gran-Teron schaltete den Hitzestrahler auf eine breit gefächerte Wirkung. Das Eis und der verfestigte Schnee tauten recht schnell weg. Darunter kam das massive Metall zum Vorschein, das so typisch für die Außenhaut eines Qriid-Schiffes gleich welcher Größe war.
Die wenigen Qriidia-Wochen, in denen die Verbindung zur Besatzung des Raumbootes abgebrochen war, hatten vollkommen ausgereicht um es vollständig zu begraben. Irgendwann wäre das Raumboot dann Meter für Meter hinab gesunken und vielleicht gar nicht mehr zu orten gewesen.
Nirat-Son bemerkte einige kanalartige Löcher im Eis, die kaum größer als die Innenfläche einer Qriid-Kralle waren.
Er richtete sein Ortungsgerät auf eines dieser Löcher und ließ sich die Daten auf dem Brillendisplay anzeigen.
„Da ist irgend etwas!“, stellte er fest. „Das müssen diese sich bewegenden Objekte sein, von denen der Pilot sprach!“
Bras–Kon wandte sich herum. „Spezifizieren!“
Nirat-Son konnte lediglich verfolgen, wie sich ein bewegendes, quasi lebendiges Objekt etwa zwei Meter unter der Oberfläche seine Bahn durch das Eis bohrte – und das mit einer Geschwindigkeit, die frappierend war.
„Ich messe starke elektrische Entladungen“, stellte Nirat-Son fest. „Sie erzeugen mit Hilfe von Elektrizität Hitze und schmelzen das Eis in ihrer unmittelbaren Umgebung!“
„Objekt nähert sich der Oberfläche!“, stellte einer der anderen Tanjaj fest.
Das fiel auch Nirat-Son auf.
Das Ding hatte plötzlich die Bewegungsrichtung radikal geändert und strebte nun an die Oberfläche.
Bras–Kon zog seinen Handlaser.
„Achtung! Bereit machen zur Verteidigung!“
Mit einem knarzenden Geräusch entstand plötzlich ein Loch im Eis. Etwas zischte. Funken sprühten. Ein augenloses, aber dafür mit zahllosen Extremitäten ausgestattetes Wesen von der Größe einer Qriid-Kralle sprang empor. Der eigentliche Körper war wie ein Ellipsoid geformt. Es gab mehrere Öffnungen mit Beißwerkzeugen. Ein optisches Orientierungsorgan war nicht zu erkennen, für eine Spezies, deren Angehörige sich die meiste Zeit über jedoch unter der Eisoberfläche in lichtlosen Räumen aufhielten, war das sicher kein Mangel.
Das Wesen landete auf einem Teil seiner sowohl zum Laufen als auch zum Greifen geeigneten Extremitäten.
An der größeren der zwei Mundöffnungen waren Beißwerkzeuge zu finden. Außerdem Antennen artige Fortsätze, zwischen denen immer wieder Funken sprühten.
Das Wesen sprang auf Bras–Kon zu.
Dieser reagierte sofort und feuerte seinen Hand-Traser ab.
Der blassgrüne Strahl erfasste das Wesen sofort.
Es taumelte zu Boden. Seine Oberfläche wirkte verkohlt, noch regte sich leicht. Sein Überlebenswille schien noch nicht gebrochen zu sein, aber es konnte sich jetzt nur noch kriechend und außerdem sehr langsam fortschleppen.
Bras–Kon machte dem ein Ende.
Er schaltete seinen Traser auf eine höhere Intensitätsstufe und im nächsten Augenblick war das Wesen nur noch ein Haufen verkohlter Asche, die der stete Wind mit sich nahm.
Anschließend deutete Bras–Kon auf das inzwischen ja frei gelegte Außenschott des Beiboots.
„Nirat-Son?“
„Ja, Kommandant?“
„Du kennst dich doch mit Schlössern aus!“
„Ich bin mit der Programmierung der internen Rechner einigermaßen vertraut“, sagte er.
„Dann versuch das hier bitte zu öffnen. Ich will wissen, was aus unseren Tanjaj-Brüdern geworden ist.“
Nirat-Son ließ sich das nicht zweimal sagen.
Er setzte ein Modul, das zu seiner Ausrüstung gehörte, an das Außenschott des Raumboots an und versuchte anschließend einen Zugang zum internen Rechnersystem zu bekommen, das der Steuerung des Schotts diente. Dann nahm er ein paar Schaltungen vor. „Vollkommene Fehlfunktion des internen Rechners“, kommentierte Nirat-Son das, was ihm über das Brillendisplay angezeigt wurde.
„Sind elektrische Entladungen eine mögliche Ursache?“, fragte Bras–Kon.
„Durchaus.“
„Aber das würde bedeuten, dass diese Wesen auf irgendeine Weise nach innen gelangt sind, denn von außen ist das Schott gegen elektrische Impulse abgeschirmt“, gab Nirat-Son zu bedenken.
Wenig später gelang es ihm, das Schott zu öffnen.
Knarrend schob es sich zu zwei Dritteln zur Seite, ehe es sich aus irgendeinem Grund verkantete. Aber die Öffnung reichte, um die Schleuse zu betreten.
Nirat-Son ging voran.
Dann folgte Bras-Kon, der Tanjaj-Nom dieser Mission.
Das innere Schleusenschott wies ein Loch auf, das von der Form her auf frappierende Weise den Schächten im Eis glich, die von den ellipsoiden Vielbeinern gezogen worden waren.
„Offenbar besitzen sie auch die Fähigkeit, Metall zu durchdringen“, stellte Nirat-Son fest.
Gran-Teron ging mit seinem Ortungsgerät näher an die Stelle heran. „Eine Kombination aus Säure und Elektrizität, würde ich sagen.“
„Die Temperatur liegt hier drinnen nur unwesentlich über dem Niveau der Oberfläche“, stelle Nirat-Son fest. „Auf jeden Fall wäre es unmöglich für einen Angehörigen des Gottesvolkes, hier zu überleben.“
„Öffne das Schott der Innenschleuse!“, befahl Bras–Kon an den Tanjaj-Rekruten gerichtet.
„Jawohl, ehrenwerter Tanjaj-Nom“, erwiderte dieser.
Wenig später hatte es Nirat-Son geschafft, auch das Innenschott zu öffnen.
Sie betraten die Passagierkabine. Es war ziemlich dunkel hier. Abgesehen von dem Licht, was durch die geöffnete Schleuse fiel, gab es hier ansonsten keinerlei Lichtquellen. Die Innenbeleuchtung war deaktiviert. Sämtliche Systeme schienen tot zu sein.
Nirat-Son verschlug es die Sprache. Der grauenvolle Anblick, der sich ihm und den anderen Qriid bot, ließ ihn unwillkürlich die Schnabelhälften gegeneinander reiben.
Auf den der Qriid-Anatomie perfekt angepassten Schalensitzen saßen fünf Qriid-Skelette. Die leeren Augenhöhlen schienen die Ankömmlinge vorwurfsvoll anzublicken.
„Mein Gott, in welche Heidenhölle sind wir hier geraten?“, wisperte Nirat-Son leise vor sich.
In diesem Augenblick krabbelte einer der ellipsoiden Vielbeiner aus einem Loch in der Wand, nur eine Kralle breit neben der Steuerkonsole. Das Wesen huschte mit einer beängstigenden Geschwindigkeit über den Boden.
Ehe einer der Qriid seinen Strahler benutzen konnte, hatte der Vielbeiner Gran-Teron erreicht. Mit einem Teil seiner offenbar auch zum greifen fähigen Extremitäten klammerte sich das ellipsoide Wesen an Gran-Terons rechtes Bein. Der Qriid schrie auf, als elektrische Funken sprühten und sich der Stoff des Thermoanzugs, der das nach hinten geknickte Qriid-Bein bedeckte, unter Einwirkung einer stark ätzenden Substanz aufzulösen begann.
Bras-Kon feuerte mit seinem Hand-Traser auf das Bein des Tanjaj. Er hatte die Waffe auf die höchste Intensitätsstufe gestellt. Der Strahl verschmorte sowohl das Bein Gran-Terons als auch den ellipsoiden Vielbeiner vollkommen. Schwer fiel Gran-Teron zu Boden.
Nirat-Son beugte sich über ihn und aktivierte die medizinische Diagnosefunktion seines Ortungsgerätes.
„Gran-Teron ist tot“, stellte er krächzend fest.
„Der Traser-Schuss kann dafür nicht verantwortlich sein“, erwiderte Bras-Kon.
„Es spricht alles dafür, dass es ein elektrischer Schlag war, der den ehrenwerten Tanjaj-Bruder außer Gefecht setzte“, erklärte Nirat-Son.
Bras–Kon trat etwas näher. „Dann wissen wir jetzt immerhin, was unseren Tanjaj Brüdern zugestoßen ist“, erklärte er. Er aktivierte seinen Kommunikator. „Hier spricht Tanjaj-Nom Bras–Kon! Alle Abteilungen bitte umgehend melden! Höchste Alarmstufe! Ich wiederhole: Höchste Alarmstufe!“
„Hier Pilot Ruu-Di!“, kam es aus dem Kommunikator, auf dessen Minibildschirm das Gesicht des Piloten erschien, der die KLEINE KRALLE hier her gesteuert hatte. „Aktueller Statusbericht: Alles ruhig und keine besonderen Vorkommnisse.“
„Gruppe Re-Lim, bitte melden!“, forderte Bras-Kon. Er hatte seinen Kommunikator auf Konferenzmodus geschaltet, sodass Ruu-Di alles mithören konnte.
Bras-Kon wiederholte seinen Aufruf an die Vierergruppe um Re-Lim, die den Auftrag bekommen hatte, die Umgebung zu erkunden.
Aber es erfolgte keine Antwort. Die übliche Frequenz blieb tot.
„Pilot Ruu-Di, wann hattest du zuletzt Kontakt mit Re-Lim?“, fragte Bras–Kon anschließend mit wachsender Sorge.
„Die nächste Statusmeldung wäre in Kürze fällig. Abgesehen davon habe ich ein automatisches Peilsignal, das mir die gegenwärtige Position anzeigt.“
„Übersenden Sie die Daten!“
„Jawohl.“
Da stimmt irgend etwas nicht!, dachte Bras-Kon. Anschließend gab er dem Piloten gegenüber eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse an Bord des aufgefundenen Raumschiffwracks.
„Wir kehren umgehend zur KLEINEN KRALLE zurück. Mach alles bereit für den Start und versuche weiterhin Kontakt mit Re-Lim und seiner Gruppe aufzunehmen!“, wies der Tanjaj-Nom den Piloten noch an.
„Jawohl, ehrenwerter Tanjaj-Nom!“
Notfalls werden wir Re-Lims Gruppe zurücklassen müssen!, überlegte Bras-Kon.
Vier Qriid schwebten in gemäßigtem Tempo durch die kalte Atmosphäre von Korashan V.
In Re-Lims Brillendisplay blinkte eine farbige Markierung auf, die ihn auf eine Anzeige des Ortungsgeräts hinweisen sollte.
Frii-Drig, einer der anderen Tanjaj aus Re-Lims Gruppe, hatte sein Ortungsgerät bereits entsprechend ausgerichtet. „Mehrere nicht identifizierbare Objekte nähern sich aus Nordwesten!“, stellte er fest. „Wir werden in Kürze mit ihnen zusammentreffen…“
„Gibt die optische Ortung etwas her?“, fragte Re-Lim.
„Negativ. Lediglich im Infrarot-Bereich können wir eine Ortung vornehmen.“
Das war eines der Probleme auf diesen schmutzig weißen, endlosen Flächen aus Eis und verhärtetem Schnee: Man hatte auf Grund der ebenen Topographie des Geländes und des klaren Wetters zwar eine überragende Fernsicht, aber von der gleichförmigen Oberfläche hob sich kaum etwas wirklich ab. Ein Qriid-Fußgänger hätte schon beim Blick aus einem Gleiter, der in wenigen hundert Metern über ihn hinweg schwebte nur wie ein winziger Punkt gewirkt und wäre selbst von den optischen Sensoren kaum erfasst worden. Die Thermokleidung hätte darüber hinaus auch die Infrarot-Ortung erschwert.
Frii-Drig schwebte einige Meter empor, um einen besseren Ausgangspunkt zur ortungstechnischen Erfassung der Umgebung zu haben.
Als er wieder auf das Niveau der anderen hinunter sank, erklärte er: „Es muss sich um Eissegler der säugetierähnlichen Eingeborenen handeln! Sie kommen direkt auf uns zu!“
„Auf den Boden aufsetzen!“, befahl Re-Lim.
Die vier mit Antigravpaks ausgerüsteten Qriid schwebten zu Boden, setzten sanft auf der eisigen Oberfläche auf.
In der Ferne begannen sich jetzt winzige Konturen zu bilden.
Mit Hilfe der optischen Erfassung seines Ortungsgerätes zoomte Re-Lim eine dieser Strukturen heran und sah ein helles und vor dem Hintergrund der weißen Flächen von oben sicher so gut wie unsichtbares Dreieckssegel.
Es gab nur wenige Daten, die über die humanoiden Eingeborenen von Korashan V vorlagen. Sie stammten von den Datentransmissionen, die die erste Korashan-Expedition zu ihrem Mutterschiff gesandt hatte. Dass diese Angaben lückenhaft, unvollständig und möglicherweise sogar falsch waren, lag auf der Hand. Aber sie bildeten zumindest einen Grundstock, auf dem man aufbauen konnte.
Die Eissegler näherten sich und wurden schließlich sogar mit bloßem Auge deutlich sichtbar. Die gleichmäßigen starken Winde auf Korashan V machten sie zu einem zwar einfachen, aber sehr effektiven Verkehrsmittel für die eingeborenen Heiden. Es gab gewaltige, mit mehreren Großsegeln ausgestattete Segler, die auf gewaltigen Kufen dahin glitten.
„Gottlose Heiden sind sie!“, meinte Frii-Drig.
Immer näher kamen die gewaltigen Eissegler. Ein schabendes, knarrendes Geräusch entstand, wenn die Kufen über die Eisberge glitten. Re-Lim fragte sich, aus welchem Material diese Kufen wohl bestehen mochten. Es musste sehr hart sein und schon fast metallische Eigenschaften zu besitzen, während die Aufbauten der Eissegler aus einem holzähnlichen Stoff bestanden. Auch hier stellte er sich die Frage, woher die Materialien stammten. Schließlich war die Oberfläche von Korashan V absolut frei von jedweder Vegetation, die über ins Eis eingeschlossenen Algen hinausging.
Schon die erste Expedition hatte diesbezüglich vor einem Rätsel gestanden. In den ersten Datenfiles, die zum Mutterschiff gesandt worden waren, hatten Expeditionsteilnehmer die Vermutung geäußert, dass die Säugetierabkömmlinge in der Lage waren, den Eispanzer, der den Planeten umgab, zu durchbrechen und ihr Baumaterial vielleicht aus der Tiefe zu holen.
Dagegen sprach, dass der Eispanzer von Korashan V sehr dick war und es bei den Qriid eigentlich niemand den barbarischen Säugetierabkömmlingen zutraute, eine Technologie zu entwickeln, die es ihnen erlaubte, bis zu dem unter dem Eis gelegenen Planeten umspannenden Ozean vorzudringen.
Dieser Ozean war im Übrigen noch so gut wie überhaupt nicht erforscht. Auf Grund der Wärme, die vom Planetenkern ausging, war es durchaus denkbar, dass es auch unter dem Eispanzer Formen von wahrscheinlich primitivem Leben gab. Aber wie man selbst in den seichten Meeresregionen Materialien vom Grund empor bringen konnte, wenn einem nicht eine hoch entwickelte Technologie zur Verfügung stand, das hatten auch die Verfechter dieser Theorie nicht zu erklären vermocht.
„Hand-Traser schussbereit machen!", wies Re-Lim die anderen Tanjaj seiner Gruppe an.
Schließlich war es immer das Beste, auf Nummer sicher zu gehen. Heiden waren unberechenbar, wusste Re-Lim.
Fünf große Eissegler näherten sich jetzt den Qriid. Sie wurden von mindestens einem Dutzend kleinerer Gefährte begleitet.
Die Steuermänner rissen die Ruder herum. Der hintere Teil der Kufen ließ sich durch einen Mechanismus bewegen, wodurch der Eissegler sehr effektiv gesteuert werden konnte.
Die gewaltigen Vehikel wurden nun konsequent einer nach dem anderen in den Wind hineingelenkt. Die Segel erschlafften und wurden von einer emsigen Crew sehr schnell eingeholt. Die Takelage wirkte auf Re-Lim wie ein verworrenes Geflecht aus Seilen, deren Herkunft ihm ebenso schleierhaft war, wie das gesamte Material, aus dem die Eissegler gefertigt worden waren. Gefertigt auf einem Planeten, auf dem es eigentlich buchstäblich nichts gab und der darüber hinaus denkbar schlechte Überlebenschancen für das rätselhafte Volk der schnabellosen Säugetier-Heiden bot. Sie tragen keinen Schnabel und entsprechen damit in keiner Weise dem Ebenbild Gottes!, dachte Re-Lim mit wachsender Verwunderung. Sie leben ohne den Beistand des Allmächtigen auf einer Welt, auf der das eigentlich nicht möglich ist - und doch existieren sie!
Es kam Blasphemie gleich, in diesem Zusammenhang von einem Wunder zu sprechen, denn Wunder waren Gott und seinem auserwählten Volk vorbehalten. Aber eine gedankliche Assoziation in diese Richtung kam dem natürlich auch theologisch hoch gebildeten Tanjaj Re-Lim natürlich so fort.
Mochte das nächste Reinigungsritual dafür sorgen, dass seine Seele wieder makellos wurde und er bereit war, jederzeit vor seinen Schöpfer zu treten, um sich dessen Gericht zu überantworten. Ein Tanjaj hatte stets auf diesen Aspekt zu achten und Re-Lim war darin sehr gewissenhaft. Die Verheißung einer glückseligen Weiterexistenz im Jenseits gehörte schließlich zu den wichtigsten Versprechungen, die der Glaube der Qriid den Gläubigen machte. Im Fall der Tanjaj sollte sie dieses Versprechen natürlich zu noch größerem Mut und Risikobereitschaft anspornen und sie die Gefahr bei ihren Einsätzen vergessen lassen.
Re-Lim hätte es zwar nur ungern zugegeben, aber die Wirkung dieser Jenseitsverheißungen hielt sich in engen Grenzen. Die meisten Tanjaj hingen letztlich doch sehr viel mehr an ihrer materiellen Existenz, als es den Lehrsätzen der Priesterschaft oder der verherrlichenden Überlieferung der qriidischen Geschichte entsprach. Nach und nach kamen sämtliche Eissegler zum stehen.
Einige Crew-Mitglieder stiegen an Strickleitern von den Seglern hinunter. Sie trugen Kleidung, die Re-Lim an Tierhäute von Meeresbewohnern erinnert. Die chemische Zusammensetzung, die sich mit Hilfe des Ortungsgerätes zumindest im Hinblick auf die Hauptbestandteile ermitteln ließ, schien dies zu bestätigen.
Einige der Heiden kamen näher und blieben in einem Abstand von wenigen Qriid-Körperlängen stehen. Manche von ihnen trugen Gegenstände bei sich, die an Harpunen oder Speere erinnerten.
Einer von ihnen trat vor. Die Kapuze seines Anoraks war tief ins Gesicht gezogen, sodass man von seinem Gesicht nur wenig sehen konnte. Ihm wuchsen Haare im Gesicht, was Re-Lim bei diesen Säugetierabkömmlingen als besonders abstoßend empfand. Ein äußeres Zeichen der Barbarei und Gottlosigkeit, so sah es der Tanjaj. Ein optischer Beweis für die spirituelle Minderwertigkeit dieser Barbaren.
Re-Lim schaltete den Translator ein.
Der Humanoide begann zu reden.
Seine Worte klangen für das Gehör eines Qriid erschreckend tief. Einer der anderen Tanjaj glaubte sogar, mit einer Drohung konfrontiert zu sein und wollte schon den Hand-Traser einsetzen.
Re-Lim konnte ihn jedoch im letzten Moment davon abbringen.
„Wir sollten erst herauszufinden versuchen, was diese Gottlosen eigentlich von uns wollen", bestimmte er.
„Dann kann es bereits zu spät sein", lautete die Erwiderung. „Kein Heide ist es wert, dass man das Leben eines ehrenhaften Tanjaj für ihn riskiere!"
Mit diesem Satz zitierte er einen Satz aus der Weisheit des Ersten Aarriid, der auch Re-Lim nicht zu widersprechen wagte.
Die Augen und Ohren der Tugendwächter waren schließlich überall.
Der Säugetierabkömmling wiederholte indessen seine Worte, da er wohl merkte, dass ihn die Qriid nicht verstanden. Die Erfassung des Eingeborenenwortschatzes war sehr unvollständig. Lediglich einige wenige Begriffe waren dem Übersetzungssystem bekannt. Die erst Expedition hatte kaum Sprachdaten übermitteln können.
Der Schnabellose wiederholte seine Worte. Er sprach diesmal mit einem Tonfall, den selbst die anwesenden Qriid als ausgesprochen dringlich begriffen. Zwei weitere Männer traten neben ihn. Sie unterhielten sich kurz.
Die Tanjaj, die gegenwärtig unter Re-Lims Kommando standen, hatten eigentlich eingreifen wollen. Re-Lim hielt sie jedoch davon ab. Das Risiko erschien noch vertretbar.
Schließlich hatten die Qriid jederzeit die Möglichkeit, ihre überlegene Waffentechnik einzusetzen und damit die vermeintlichen Gegner sofort auszuschalten.
Inzwischen begann der Translator mit ersten Übersetzungsversuchen. Offenbar ist die Sprache der Heiden nicht allzu schwer zu erfassen!, dachte Re-Lim. Aber wen kann das wirklich wundern? Eine wirklich differenzierte und anspruchsvolle Lautsprache ist ohne das anatomische Merkmal eines gut ausgeprägten Schnabels wohl kaum möglich…
Noch wirkten die Worte – oder sollte man sagen das Gestammel? – des Heiden unbeholfen und wirr. Einige Begriffe wurden klar übersetzt. Manchmal auch kleine Bedeutungseinheiten, die einen Sinn ergaben. Das Ganze wirkte wie ein sprachliches Puzzle, bei dem einfach viele Teile noch nicht erkannt waren.
Aber für Re-Lim und die anderen drei Tanjaj wurde sehr schnell klar, dass der Schnabellose ihnen eine Warnung überbringen wollte.
Immer klarer wurde die Übersetzung.
Der Säugetierabkömmling deutete auf seine Brust. „Ich bin Magoon“, sagte er. „Magoon.“
Re-Lim deutete auf sich selbst und nannte ebenfalls seinen Namen, was Magoon durchaus zu verstehen schien.
„Gott, die Macht, die das Universum schuf, hat uns zur Herrschaft auserwählt!“, sagte Re-Lim an Magoon gerichtet. „Ihr habt euch zu unterwerfen. Andernfalls werdet ihr alle getötet. Wir wollen euch nichts tun, aber wir werden auch nicht mit uns handeln lassen. Unterwerft euch der Göttlichen Ordnung, und werdet ein glückliches Leben behalten. Widersetzt ihr euch unseren Plänen, wird euer Blut das Eis von Korashan V grün färben.“
Wieso gehst du davon aus, dass das Blut aller Schnabellosen grün sein muss?, meldete sich ein leicht spöttischer Kommentator in Re-Lims Hinterkopf. Nur deshalb, weil grün die Farbe der Gottlosigkeit und Sünde ist? Das ist doch wirklich zu simpel. Ein erfahrener Tanjaj sollte das besser wissen!
Magoon schien nicht im Mindesten irritiert zu sein.
„Ich bin der Überbringer der Gedanken“, sagte er rätselhaft.
Re-Lim spürte auf einem Mal einen stechenden Schmerz in seinem Kopf. Es fiel ihm schwer, sich noch auf irgendetwas anderes zu konzentrieren.
Magoon trat noch einen Schritt näher.
Er musterte die vogelartigen Bewohner seiner Welt.
„Es waren schon andere von eurer Art hier!“, stellte er fest.
Der Schmerz in Re-Lims Kopf ließ abrupt nach. Von einem Augenblick zum nächsten konnte er sich wieder einwandfrei konzentrieren und er fragte sich, was da geschehen war.
Er wollte den Kommunikator aktivieren. In Re-Lims Bewusstsein herrschte Chaos. Eine Stimme begann sich ganz leise aus diesem verwirrenden Durcheinander herauszuheben. Sie sagte Re-Lim, dass er jetzt umgehend den Kommunikator zu aktivieren und den Tanjaj-Nom zu verständigen hatte.
Aber Re-Lim war zu seiner eigenen Überraschung unfähig, das auch in die Tat umzusetzen. Wie beiläufig registrierte er, die Anzeige in seinem Brillendisplay, die ihm eigentlich hätte deutlich machen müssen, dass sein derzeitiger Vorgesetzter verzweifelt versuchte ihn zu erreichen.
Aber weder Re-Lim noch seine Begleiter achteten darauf.
Erneut erfüllte ein Schmerz Re-Lims Kopf.
Dieser Schmerz war ähnlich wie bei seinem ersten Auftauchen, vollkommen abrupt aufgetreten.
Nur war er diesmal noch wesentlich heftiger.
Re-Lim schrie auf. Seine Beine knickten nach hinten weg. Alles schien sich vor seinen weit auseinander stehenden Vogelaugen zu drehen. Ganz am Rande nahm er noch wahr, dass es seinen Begleitern offenbar ähnlich erging. Frii-Drig lag ebenfalls am Boden. Er hatte seinen Hand-Traser mit der linken Klaue gepackt und den Lauf auf Magoon gerichtet.
Warum schießt er nicht?, fragte sich Re-Lim in jenem Bruchteil eines Moments, in den er trotz der mörderischen Schmerzen zu einem klaren Gedanken fähig war.
Magoon sprach einige Worte, die an seine Artgenossen gerichtet waren, von denen Re-Lim nicht das Geringste verstand. Der Translator schien aus dem benutzten Sprachbereich noch keines der zum Verständnis nötigen Schlüsselwörter zu kennen, was Re-Lim sehr verwunderte.
Regungslos lagen Re-Lim und die drei anderen Mitglieder seiner Gruppe auf dem eisigen Untergrund.
Re-Lim versuchte, sich zu bewegen, etwas zu sagen, wenn nötig zu schreien oder auf irgendeine andere Art und Weise Kontakt mit den anderen Crew-Mitgliedern aufzunehmen.
Es war einfach nicht möglich.
Ein knarrendes, beinahe stöhnendes Geräusch erfüllte plötzlich die Luft. Es war an mehreren Stellen gleichzeitig zu hören.
Plötzlich entstanden Löcher im eigentlich doch für die Ewigkeit festgefrorenen Boden.
Aus jedem von ihnen kamen wenige Augenblicke später ein ellipsoides Wesen mit vielen Beinen.
Manche von ihnen sprangen regelrecht empor, ehe sie mit traumwandlerischer Geschicklichkeit genau wieder auf ihren Füßen landeten.
Re-Lims Augen entgingen auch die Mäuler mit den Beißwerkzeugen nicht.
Innerhalb weniger Augenblicke bildeten sich weitere Löcher im Eis, aus denen ebenfalls ellipsoide Kopffüßer an die Oberfläche drangen, die ihre Beißwerkzeuge gierig fletschten und dabei ein schmatzendes Geräusch erzeugten. Eine ätzende Flüssigkeit troff ihnen dabei aus den Mäulern heraus. Wo immer sie auf das Eis traf, verflüssigte sich das Eis sofort – nur um Augenblicke später wieder zu erstarren.
Das ist das Ende!, dachte Re-Lim.
Du bist lange nicht hier gewesen, dachte Commander Willard J. Reilly, als er den großen, Licht durchfluteten Raum betrat. Von der Fensterfront aus hatte man einen beeindruckenden Panoramablick auf das Meer und die Bucht von Tanger, Erde. Die Sonne ließ die gekräuselte Wasseroberfläche wie Myriaden von Perlen glitzern. Eine sanfte Brandung erzeugte ein allgegenwärtiges und sehr charakteristisches Rauschen. Spezielle akustische Rezeptoren übertrugen dieses Rauschen eins zu eins ins Innere des Hauses, das den arabischen Namen Dar-el-Reilly trug.
„Es ist schön, dass du auch da bist!“, sagte eine wohl vertraute Stimme in Willard Reillys Rücken.
Er drehte sich herum.
„Dan!“, stieß er hervor. Willard grinste. „Oder muss ich dich neuerdings Bruder Daniel nennen?“
„Angemessen wäre es“, erwiderte der junge Mann mit den leicht gelockten, dunklen Haaren. Der Blick seiner meergrünen Augen wirkte ungewöhnlich intensiv und schien alles zu durchdringen.
Dan Reilly hatte sich vor kurzem dem Wissenschaftlerorden der Olvanorer angeschlossen, nachdem er bereits einige Jahre an der Brüderschule des Ordens auf Sirius III studiert hatte. Diese Brüderschule war die Universität im Bereich der Humanen Welten, die in Bezug auf die Erforschung extraterrestrischer Kulturen das mit Abstand größte Ansehen besaß. In erster Linie war sie für Mitglieder des Ordens bestimmt, die danach zu Expeditionen in die Weiten des Alls aufbrachen – getrieben von einem friedlichen Forscherdrang, der fremde Kulturen in erster Linie zu verstehen und nicht zu verändern versuchte. Oft harrten Gruppen von Olvanorern jahrelang in Forschungscamps auf abgelegenen Welten aus, um die Sitten und Gebräuche von Spezies zu studieren, die sowohl der kommerziellen als auch der militärischen Weltraumforschung als schlicht und ergreifend zu unbedeutend erschienen, um sich näher mit ihnen zu beschäftigen.
Aber inzwischen kam es immer häufiger dazu, dass das sowohl das Space Army Corps of Space Defence als auch die Raumhandelsabteilungen großer Konzerne auf das Wissen des Ordens zurückgriffen und sich von Olvanorer-Brüdern beraten ließen.
„Für mich wirst du immer Dan bleiben!“, meinte Willard. Die graubraune Kutte, die sein Bruder jetzt trug, war für ihn gewöhnungsbedürftig.
Zwar gab es auch an Bord der STERNENKRIEGER, dem Leichten Kreuzer, den Willard Reilly kommandierte, mit Bruder Padraig einen Olvanorer-Berater, mit dem Willard stets gut zusammengearbeitet hatte, aber seinen Bruder in dieser Kleidung zu sehen, war doch etwas anderes. Er folgt einer bestimmten Idee, einem Plan, den er sich für sein Leben gemacht hat. Genau wie ich, auch wenn sich unsere Pläne gewiss etwas unterscheiden, dachte Willard. Es ist nichts dagegen einzuwenden. Das Problem ist nur, dass unsere Eltern wohl ganz andere Pläne für uns hatten und es spätestens jetzt wohl klar sein dürfte, dass keiner von uns diese Pläne je erfüllen wird…
Vielleicht war dies der tiefere Grund dafür, dass Commander Willard J. Reilly stets ein gewisses Unbehagen empfand, wenn er die lichten Hallen des Dar-el-Reilly in Tanger, Erde, betrat – einem Ort, den er früher einmal als eine Heimat bezeichnet hätte.
Eric Reilly war als junger Mann nach Tanger gezogen, weil er dort günstig Grund und Boden für die Hangarhallen seiner Raumboote bekommen konnte, mit denen er eine Frachtlinie aufbauen wollte. Das Geschäft war gut angelaufen. Zunächst hatte Reilly Ltd. lediglich innerhalb des Sonnensystems operiert. Die Versorgung der Prospektorensiedlungen auf den planetengroßen Objekten des Kuiper-Gürtels wie Sedna oder Quor war ein einträgliches Geschäft gewesen und hatte Eric Reilly schließlich ermöglicht, eine Sirius-Linie einzurichten, die auch heute noch das wichtigste Standbein der Firma darstellte.
Zwischenzeitlich hatte Eric Reilly eine junge Frau kennen- und lieben gelernt: Jarmila Delarondou. Sie gehörte der traditionsbewussten arabischen Minderheit an, die hier lebte. Als Jarmila Reilly wurde sie die Mutter dreier Söhne: Willard, Dan und Eric Junior, der von allen in der Familie oft auch einfach nur „Nummer Zwei“ genannt wurde, da er offiziell als Eric Reilly II eingetragen worden war.
Altersmäßig lag Eric II genau zwischen dem zweiunddreißigjährigen Willard und dem fünfundzwanzigjährigen Dan.
Der Kontakt zu Eric II war allerdings seit Jahren abgebrochen. Er hatte Biochemie und Genetik auf Genet studiert und war anschließend in die Dienste des TR-Tec-Konzerns getreten, von dem seit langem bekannt war, dass er die strengen Gentechnik-Gesetze, die innerhalb des Machtbereichs der Humanen Welten galten, zu unterlaufen versuchte. TR-Tec unterhielt auf eigenen, auf Firmenkosten erschlossenen Welten, geheime Labors. Ganze Forscher-Städte waren dort errichtet worden. Und nur ein Bruchteil dessen, was dort geschah oder sich zumindest vorbereitete, drang nach außen.
Der Konzern wollte offensichtlich seine Ruhe haben und sein politischer Arm in Gestalt seiner unermüdlichen Lobbyisten schien stark genug zu sein, das Gesetz an entscheidenden Stellen zu schwächen, da es die Ausübung der freien Forschung behindere.
„Hast du etwas von Nummer Zwei gehört?“, fragte Willard an Dan gerichtet.
„Du solltest ihn nicht so nennen, Willard.“
„Tut mir leid.“
„Vielleicht ist das der Grund, weshalb er es bislang noch nicht geschafft hat, selber irgendetwas Vernünftiges aufzubauen!“, glaubte Dan Reilly.
„Ich bin überzeugt davon, dass es unserem Bruder durch seine Festanstellung bei TR-Tec möglich ist, sich sein Leben so einzurichten, wie er das für richtig hält, Willard.“
„Ja, vielleicht hast du Recht. Auch wenn ich die Dinge, die er tut, nicht wirklich billigen kann.“
„Hast du dich je genauer damit beschäftigt, was das Leben im Innersten wirklich zusammenhält und bestimmt? Unser Bruder, den wir oft so despektierlich Nummer Zwei genannt haben, ist zumindest auf seinem Gebiet inzwischen eine Nummer Eins geworden, wenn du verstehst, was ich meine!“
„Vollkommen“, erklärte Willard. „Es wundert mich nur, dass ausgerechnet du ihn verteidigst.“
„Tue ich das?“ Dan hob die Augenbrauen.
„Jedenfalls kann ich mich erinnern, dass du sehr vehement gegen die Positionen der Genetics gewettert, wie sie auf den Welten der Drei Systeme propagiert werden, die vom TR-Tec-Konzern besiedelt worden sind!“
Genetics – dieser Begriff bezog sich einerseits auf die Bewohner des Planeten Genet, dem wirtschaftlichen Zentrum der Drei Systeme, in denen die Bundesgesetze der Humanen Welten zur Gentechnik mehr oder minder offen boykottiert oder unterlaufen wurden. Er bezeichnete allerdings zunehmend auch jene Menschen, bei denen gentechnische Modifikationen vorgenommen worden waren. Irgendwann, so sagten Beobachter, würde die politische und wirtschaftliche Kluft zwischen den Drei Systemen und den Humanen Welten so groß werden, dass der Bruch unvermeidlich war.