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Eine Flotte der Schwarzen Macht hält direkt auf das terranische Sol-System zu. Sie will etwas, das sich in Ren Dharks Besitz befindet, und setzt den Menschen ein Ultimatum. In Orn hingegen sind der Forschungsraumer CHARR sowie Gisols zehn Ringraumer den »Zerstörern der Schöpfung« knapp entkommen. Der Worgun eröffnet Frederic Huxley und dessen Gefährten einen Weg zurück nach Nal... Gary G. Aldrin, Alfred Bekker und Hendrik M. Bekker schrieben diesen actionreichen SF-Roman nach dem Exposé von Anton Wollnik.
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Seitenzahl: 366
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 111
Zurück nach Nal
von
Gary G. Aldrin
(Kapitel 1 bis 6)
Hendrik M. Bekker
(Kapitel 7 bis 10, 15 und 16 sowie 19 und 20)
Alfred Bekker
(Kapitel 11 bis 14 sowie 17 und 18)
und
Anton Wollnik
(Exposé)
Inhalt
Titelseite
Vorwort
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
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Impressum
Vorwort
Liebe Leser,
der deutsche Buchmarkt verliert seit 13 Jahren jeden Monat 100.000 (einhunderttausend) Leser, von ehedem 33 Millionen sind es jetzt noch weniger als 20 Millionen.
Von einem der marktrelevantesten Buchgroßhändler (sog. Barsortimente) mussten wir uns bereits wegen ausgebliebenen Zahlungen trennen; ein weiterer ist aktuell bei uns aus gleichem Grund – so wie ein paar Monate zuvor – mit einer Liefersperre belegt. Ein großer und wichtiger Distributionskanal für EBooks wäre dieser Tage von mir wegen einem Zahlungsrückstand von sechs Monaten fast mit einer Vertragskündigung (und somit einem Wegfall des Vertriebs unserer Titel) konfrontiert worden; glücklicherweise war dies nicht nötig.
Warum ich Sie, liebe Leser, damit belaste?
Falls Sie in Zukunft Ihren neuen REN DHARK nicht mehr über Ihre übliche Vertriebsquelle beziehen können sollten, bitte glauben Sie mir, es liegt dann nicht daran, dass er nicht erschienen wäre. Bitte schauen Sie in einem solchen Fall auf der HJB-Homepage nach, wie der aktuelle Stand der Neuheiten ist:
www.hjb-shop.de
Genug der trübselig machenden Worte, schließlich erschaffen meine tollen Autoren spannende Abenteuer, um für eine kurze, aber wichtige Zeit einfach mal all die üblichen Alltagsprobleme hinter sich zu lassen.
Liebe Leser, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Verständnis.
Ihr
Hansjoachim Bernt
Bonn & Salenstein, 30. September 2022
Prolog
Am 21. Mai 2051 startet die GALAXIS von Terra aus zu einer schicksalhaften Reise in den Weltraum. Durch eine Fehlfunktion des »Time«-Effekts, eines noch weitgehend unerforschten Überlichtantriebs der Terraner, springt das Raumschiff über beispiellose 4.300 Lichtjahre. Genau einen Monat später erreicht es das Col-System, wo es auf dem Planeten Hope landet. Weil ein Weg nach Hause unmöglich erscheint, beschließen die Raumfahrer, auf dem Planeten zu siedeln, und gründen die Stadt Cattan.
Rico Rocco schwingt sich zum Diktator auf und lässt sämtliche Kritiker verfolgen und auf den Inselkontinent Deluge verbannen. Dieses Schicksal trifft auch den zweiundzwanzigjährigen Ren Dhark, seinen besten Freund Dan Riker sowie eine Reihe weiterer Terraner. Doch damit endet die Geschichte nicht. In einer Höhle entdecken die Verbannten nicht nur Artefakte einer mysteriösen fremden Hochkultur, sondern auch ein unvollendetes Raumschiff, das eine prägnante Ringform aufweist.
Nachdem Rico Rocco bei einem Angriff der Amphi umgekommen ist, wird Ren Dhark zum neuen Stadtpräsidenten Cattans gewählt. Er lässt den Ringraumer reparieren, welcher später von Pjetr Wonzeff auf den Namen POINT OF INTERROGATION, kurz POINT OF, getauft wird. Im April 2052 bricht der Ringraumer unter Dharks Kommando zu seinem Jungfernflug zur Erde auf. Damit beginnt ein neues Kapitel in der terranischen Raumfahrt. Nicht zuletzt dank Dharks Forscherdrang entdecken die Menschen weitere Hinterlassenschaften der Mysterious, die es ihnen ermöglichen, neue Ringraumer zu bauen und immer weiter in die Tiefen des Weltraums vorzudringen. Die POINT OF jedoch bleibt trotz allem einzigartig, was nicht zuletzt am Checkmaster liegt, dem eigenwilligen Bordgehirn dieses Raumschiffes.
Ren Dhark bleibt der Kommandant der POINT OF und erforscht mit seiner Mannschaft in den folgenden Jahren nicht nur das Weltall, sondern rettet auch immer wieder die Menschheit und sogar ganze Galaxien. Im Mai 2074 lässt sich der unvermutet aktivierte Schutzschirm um Terra nicht mehr abschalten. Die Erde ist damit vom Rest des Universums isoliert. Niemand ahnt, dass es sich in Wahrheit um einen von den Thanagog installierten Zweitschirm handelt, um Ren Dhark zu einer Reise nach ERRON-3 zu bewegen. Dort wollen sie in den Besitz des Schebekaisen gelangen, eines Artefakts, das mutmaßlich von den Balduren stammt. Ihr Plan geht auf. Doch auch andere Expeditionsteilnehmer bedienen sich zu Dharks Leidwesen fleißig im zentralen Wissensarchiv der Worgun, allen voran Terence Wallis’ Sicherheitsberater Arjun Chatterjee.
Zurück in der Milchstraße zeigen die Thanagog ihr wahres Gesicht: Dabei kommt nicht nur die Wahrheit über den angeblich entarteten Schutzschirm um Terra heraus, sondern auch, dass die transitierende Sonne eigentlich das Mutterschiff der Schemenhaften ist. Bei dem Versuch, das Artefakt der Balduren von den Thanagog zurückzuholen, wird Ren Dhark Zeuge davon, wie die Wächter den Kern des Sonnenschiffes und damit die Lebensgrundlage eines ganzen Sternenvolkes zerstören. Shamol, der Herrscher der Thanagog, vernichtet das Schebekaisen und wendet sich in seiner Verzweiflung an Dhark. Er habe das alles nur getan, um sein Volk vor der buchstäblichen Auflösung zu bewahren. Weil die Erde nicht mehr in Gefahr schwebt, willigen der Commander und seine Experten ein zu helfen. Die Thanagog können gerettet werden, indem sie zu einem Megawesen verschmelzen, und fliegen in die Weiten des Weltraums hinaus.
Wenige Tage später finden Ren Dhark und seine Gefährten auf einem entlegenen Planeten ein weiteres Schebekaisen. Dieses öffnet dem Commander und Iondru auf Terra ein Portal in eine andere Welt, wo sie einen mutmaßlichen Balduren-Tempel entdecken. Dort stürzt Iondru plötzlich in eine Galaxis. Dhark versucht, ihn zu retten. Noch ahnt er nicht, dass eine große Katastrophe auf Terra zurast: Eine Flotte der Schwarzen Macht wurde in der Nähe des Sol-Systems geortet …
1.
Nameless in der Galaxis Orn, Oktober 2074
Natürlich hat jeder schon einmal aus den verschiedensten Gründen gelogen. Der eine mehr, der andere weniger. Der eine aus voller Absicht und Berechnung, der andere, um eine peinliche Situation zu vermeiden oder Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Davon war auch der weit über 1,80 Meter große, hagere Mann mit dem kantigen Schädel, den kurzen grauen Haaren und den gleichfarbigen scharfen Augen mit der vom langen Weltraumaufenthalt rötlich ledern gewordenen Haut nicht ausgenommen. Ganz sicher nicht.
Allerdings hatte sich Frederic Huxley noch nie etwas vorgemacht oder sich selbst angelogen. So auch jetzt nicht.
Gerade jetzt nicht!
Es fiel ihm verdammt schwer, mitansehen zu müssen, wie seine Mannschaft die CHARR und die FO I verließ, weil er nicht wusste, ob dieser Vorgang vielleicht sogar endgültig war. Die über zweihundert Besatzungsmitglieder und einige Gäste verschiedener Sternenvölker, wie etwa die Kraval, hatten an Bord des Forschungsschiffes nicht nur einen Rückzugsort, sondern auch Schutz und Sicherheit gefunden. Das war zwar nicht gleichbedeutend mit der Abstraktion von Heimat, aber dennoch viel mehr, als manch andere Raumfahrer über die Jahre hinweg fanden, in denen sie sich im All aufhielten. Und dafür konnte und musste man geradezu dankbar sein!
Nun also hatten neben der Führungsmannschaft auch die Astronomen, Astrophysiker, die Nuklearspezialisten und Anthropologen, die Chemiker und Physiker, die Chefingenieure, Ortungs- und Funktechniker, die Elektroniker, Wartungs- und Bergungsspezialisten, die Archäologen und Sprachwissenschaftler, die Galaktohistoriker und Fremdvölkerexperten, die Ärzte und Sanitäter, die Schützen und Flotteninfanteristen mehrheitlich entschieden, die Sicherheit der CHARR und der FO I gegen ein Wagnis einzutauschen, von dem niemand wusste, wie es endete.
Dabei gab es nur zwei Optionen: Entweder das bevorstehende Unterfangen verlief erfolgreich oder es würde zu einem Desaster werden. So ehrlich musste man sein. Insbesondere Huxley und seine Führungsmannschaft, die bis zum Schluss und als Letztes in der Zentrale der CHARR blieben.
Sollte dieses Hasardspiel jedoch gelingen, dann führte es am Ende zu nichts anderem als zur gemeinsamen Rückkehr in die Milchstraße. In die Heimatgalaxie, nach der sich alle schon so lange sehnten. Und nur deshalb gingen sie ein solch immenses Risiko überhaupt ein. Dass es ein solches war, stand ganz sicher außer Frage.
Bei der zurückliegenden Mission auf Terra Nostra war es Huxley und seinem Außenteam nur aufgrund eines waghalsigen Einsatzes der Kraval gelungen, den Kampfrobotern der Schwarzen Macht zu entkommen. Unterdessen hatte im dortigen Sol-System eine Raumschlacht getobt. Die CHARR war unmittelbar von römischen Ovoid-Ringraumern angegriffen worden, die jedoch nicht auf deren Vernichtung bedacht gewesen zu sein schienen, sondern vielmehr die Terraner den »Zerstörern der Schöpfung« ausliefern wollten, wie die Römer die Schwarze Macht nannten.
Schließlich bekam die CHARR überraschenderweise von der von Juanita Gonzales befehligten EPOY V Unterstützung. Außerdem von neun weiteren Ringraumern, die Gisol von Terra Nostra gestohlen hatte.
In die Schlacht mischten sich letztlich auch noch die schwarzen Keilschiffe der Gesichtslosen ein. Diese wiederum konnten nur besiegt werden, weil Juanita in Kamikazemanier mit der EPOY V in das Keilschiff-Geschwader hineingeflogen war. Wie sich kurz darauf herausstellte, hatte sie sich jedoch zuvor mit dem Rest der Mannschaft in Flash retten können. Die EPOY V hingegen wurde bei der selbstmörderischen Aktion vollständig vernichtet.
Kurzerhand machte Gisol die GLACIES, eines der Schiffe, das er vom Raumhafen von Nova Roma gestohlen hatte, zu seinem neuen Flaggschiff: die EPOY VI.
Weitere Ringraumer starteten von dort und reihten sich in den Verband um den Worgun ein. Schließlich flog der Pulk samt der CHARR aus dem Sol-System hinaus zu einem weit entfernten namenlosen Planeten. Dieser war eigentlich nichts anderes als ein mittelgroßer Gesteinsbrocken, auf dem nicht einmal Leben existierte und der deshalb kurzerhand Nameless getauft wurde. Dessen Koordinaten befanden sich in relativer Nähe der ersten Weltraumtransmitterstation der Cromga Richtung Milchstraße. Jedoch weit genug entfernt, um von deren Raumschiffen nicht geortet zu werden.
Erst vor wenigen Tagen hatte Gisol Huxley versprochen, wenn dieser ihm helfen würde, sich dafür zu revanchieren und die Terraner in ihre angestammte Heimatgalaxis, nach Nal, zu bringen. Schließlich war die gewaltige Distanz von zehn Millionen Lichtjahren auf herkömmlichem Wege nicht zu schaffen. Deshalb blieben für eine Rückkehr in die Milchstraße nur zwei Optionen: Die eine war, das Transmitternetzwerk der Cromga zu nutzen. Das wiederum war jedoch mit großen Schwierigkeiten verbunden. Denn als Gegenleistung hatten die Cromga von Huxley gefordert, Handelskontakte mit den Römern herzustellen, an denen sie würden verdienen können. Doch aufgrund der zurückliegenden Ereignisse im römischen Sol-System war genau diese Forderung nun hinfällig. Außerdem mussten die gigantischen Weltraumtransmitter erst repariert und deren Energiespeicher für die ressourcenintensiven Transitionen geladen werden. Hinzu kam, dass die Terraner die horrenden Gebühren für deren Benutzung nicht aufbringen konnten.
Darum blieb nur die zweite Option, die Gisol angeboten hatte: die Milchstraße im Koppelflugverband mit der EPOY VI und den neun anderen gestohlenen Ringraumern zu erreichen. Doch dafür waren sowohl die CHARR als auch die FO I inkompatibel und mussten deshalb auf Nameless zurückbleiben. Der Worgun überließ es Huxley und seiner Mannschaft, ob sie auf seinen Vorschlag eingingen oder nicht.
Nach intensiven Beratungen und einer Befragung wurde schließlich entschieden, das Angebot anzunehmen. Das lag unter anderem daran, dass in der Milchstraße nach wie vor die transitierende Sonne wütete und somit die Existenz ganzer Sonnensysteme bedrohte. Die Terraner sahen es geradezu als ihre Pflicht an, den dortigen Sternenvölkern beizustehen und dieses Problem zu lösen. Das war weitaus wichtiger, als zwei Raumschiffe zu retten. Und wer wusste schon? Vielleicht würde sich später von der Heimat aus eine Möglichkeit ergeben, nach Orn zu kommen, um die CHARR und die FO I zurückzuholen. Notfalls erneut mit einem Koppelflug. Eventuell kannten die Nogk eine Lösung, um die beiden Raumschiffe in ihre Bestandteile zu zerlegen. Dann könnten die Module und Segmente in zehn oder mehr Ringraumer verfrachtet und zurückgebracht werden, um sie dort wieder zusammenzubauen.
Nun also hieß es Abschied nehmen von dem goldenen Ellipsoidraumer und seinem Beiboot, dem kleineren Spindelraumer. Zuvor jedoch hatte Huxley die wichtigsten Daten des Hyperkalkulators auf Speicherkristalle überspielen lassen, die sich nun in seinem Besitz befanden. Ein ausgesuchter Teil dieses Datenmaterials war an die EPOY VI übertragen worden. Danach waren der Bordrechner der CHARR sowie der FO I in den gesicherten Ruhemodus heruntergefahren worden.
Es wurde Zeit. Langsam leerte sich die Zentrale des Ellipsoidraumers. Zuerst gingen die beiden Funker Iggy Lory und der Flughund Rorr. Ihnen folgten der Zweite und der Dritte Offizier, der Navigator Sergeant Paul Maxwell und der Ortungsoffizier Jeff Perry. Man konnte es ihnen ansehen, dass es ihnen schwerfiel.
Zurück blieben noch der Erste Offizier, Oberstleutnant Lee Prewitt, sowie der Kommandant, Frederic Huxley.
»Na, dann.« Prewitt nahm an, dass sein Vorgesetzter ihm folgen würde, aber der Generaloberst winkte ab.
»Ich bleibe noch einen Moment.«
»Natürlich, Skipper.« Sein Stellvertreter klopfte auf eine der Konsolen, was sich wie ein nonverbaler Abschiedsgruß anhörte. Dann verschwand er nach draußen.
Nicht nur früher auf den terranischen Meeren verließ der Kapitän sein Schiff als Letzter, sondern auch in den Tiefen des Alls. Doch nicht nur diese für zivile und militärische Kommandanten als Dienstpflicht angesehene Tugend war es, die Huxley in diesen tragischen Minuten mutterseelenallein in der Zentrale zurückhielt. Es war weitaus mehr.
Fast wehmütig drehte sich der Generaloberst langsam im Kreis, als würde er die technische Ausstattung, den Bordrechner, die Module, die Zentraleinheiten, die Ortungs- und Funkkonsolen und weitere Apparaturen und Monitore, die Bordsprechanlage und die Allsichtsphäre sowie den Waffenleitstand zum letzten Mal sehen. Fast wehmütig setzte er sich noch einmal in den schalenförmigen Kommandantensessel rechts von der Pilotenkonsole im bogenförmigen Hauptleitstand. Von hier aus hatte er wichtige, zumeist richtige, wenn auch ab und an einige falsche Entscheidungen getroffen.
Für einen Moment schloss er die Augen, als die Erinnerung sekundenschnell und in einzelnen Puzzlestücken durch sein Gehirn jagte.
Er, der die Sprache der Nogk beherrschte, knüpfte bereits als Kommandant der FO I im Jahr 2052 freundschaftliche Verbindungen zu Charaua, dem späteren neuen Herrscher des Nogk-Imperiums, nachdem dessen Vorgänger bei einem Angriff der Grako getötet worden war. Huxley wurde sogar zum Mitglied des Rats des Imperiums ernannt. Fünf Jahre darauf erhielt er als Anerkennung für seine Verdienste um die Nogk ein persönliches Geschenk von Charaua: die CHARR, ein einstiges Schlachtschiff. Seit nun mehr siebzehn Jahren befehligte er das fünfhundert Meter lange goldfarbene Ellipsoidschiff, das ihn und seine Mannschaft von einem Abenteuer ins andere getragen hatte und mit dem sie unzählige Schlachten ausgefochten hatten.
Doch nun wartete eine neue Herausforderung auf sie alle: Die Zeit für den Abschied war gekommen.
Mit einem tiefen Seufzer und einem Kloß im Hals erhob sich Frederic Huxley vom Kommandantensessel und ging schweren Schrittes durch die verwaiste Zentrale.
Auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen, CHARR!
2.
Als die EPOY VI von Nameless abhob und den Orbit des Planeten erreichte, in dem die übrigen neun Ringraumer warteten, übernahmen mit Gisols Erlaubnis einige Besatzungsmitglieder der CHARR verschiedene Aufgaben an Bord seines neuen Flaggschiffs. Seine eigene Mannschaft bestand seiner Aussage nach lediglich aus Juanita Gonzales, Segal, Balkoroy und ansonsten nur aus Robotern.
Bei Segal handelte es sich um einen Worgunmutanten, der bereits an Bord der EPOY II ein festes Raumfahrerteam mit Gisol und Juanita gebildet hatte. Die Gestalt eines giraffenähnlichen Flinkrenners, die er seinerzeit angenommen hatte, konnte er zu seinem eigenen Leidwesen nicht mehr verändern. Da er als Tier nicht sprechen konnte, hatte sich der geniale Bastler mithilfe der Technik in der EPOY II operativ Sprechorgane einsetzen lassen. Zudem verpflanzte er sich selbst vier lebensechte, bewegliche und aus einem speziellen schwarzen Kunststoff bestehende Greifarme an seinen Körper. Diese waren mit seinem Skelett fest verankert, gleichmäßig um den Halsansatz angeordnet und ragten aus dem Schulterbereich heraus. Kurzum: Segal hatte vorn und hinten je zwei Arme mit sechsfingrigen Händen und Doppeldaumen.
Balkoroy hingegen gehörte dem Volk der Halwiraner an. Der Name bedeutete so viel wie »jene, die zubeißen können.« Er besaß eine ähnliche Größe und Körperform eines Menschen, allerdings mit kleinen Auswüchsen, die wie unfertige Reste von Flügeln fast einen halben Meter aus seinem Rücken herausragten. Zudem verfügte er über arm- und handähnliche Greifwerkzeuge, die er verändern konnte, um beispielsweise eine Beute zu zerlegen. In seinem runden Kopf saßen zwei insektoide Facettenaugen. Das spitze Maul wies drei Reihen leicht gebogener Zähne auf, die man beim Sprechen sehen konnte.
Normalerweise lebten die Halwiraner nomadisch in Raumschiffhabitaten, die allerdings nicht als Verband, sondern unabhängig voneinander flogen. Oftmals ließen sich Mitglieder dieses seltsamen Sternenvolkes für eine Generation auf einem unbewohnten Planeten nieder, um dort die benötigten Ressourcen zu sammeln.
Balkoroys Raumschiff hatte mit Newing Handel getrieben, wurde aber von Piraten überfallen. Dafür gab die Kaufmannsgilde der Mannschaft die Schuld und verschleppte sie nach Dafzone. In der sogenannten »stählernen Hölle« mussten die entführten Halwiraner sprichwörtlich Tag und Nacht schuften. Nach Balkoroys eigener Aussage war er der Einzige, der von der Gruppe den Aufenthalt überlebte. Später begegneten ihm Frederic Huxley und die anderen »Freiwilligen« der CHARR. Zunächst hatte Balkoroy versucht, die Terraner in eine Falle zu locken, um sie zu verspeisen. Doch bald erkannte er seinen Fehler und besann sich, weil er vielmehr zusammen mit ihnen die Chance zur Flucht von jenem Höllenplaneten ergreifen wollte. Genau so kam es letztlich auch. Danach hatte er sich Gisol angeschlossen und flog nun in dessen Ringraumer mit.
Als neues Mannschaftsmitglied der EPOY VI besaß Balkoroy natürlich noch keine besonders hohe Sicherheitsstufe, wenn auch eine höhere als die Gäste von der CHARR. Deshalb verrichtete er momentan nur untergeordnete Aufgaben, weil er sich beim Worgun-Kommandanten erst bewähren musste. Dieser Umstand machte ihm allerdings nicht das Geringste aus. Hauptsache, er war endlich weg aus der »stählernen Hölle«, was er im Laufe der Jahre für nicht mehr möglich gehalten hatte.
Derweil kümmerte sich das medizinische Personal der CHARR unter der Leitung von Schiffsarzt Dr. Arminius Berger samt seinen Kollegen Dr. Merrick und Dr. Liebl um die Versorgung von Blessuren verschiedener Besatzungsmitglieder, die sie sich aufgrund der zurückliegenden Raumschlacht im Orbit von Terra Nostra zugezogen hatten. Darunter waren zum Glück jedoch keine ernsthaften Verletzungen.
Auch Mike »JCB« Brown, der sich zuvor noch in der Medostation des Forschungsraumers befunden hatte, wurde hier von Dr. Berger weiterbehandelt. Diesbezüglich war die EPOY VI bestens ausgestattet. Dennoch reichte die medizinische Einrichtung nicht aus, um den Oberstabsgefreiten, den die Chexalk mit einem bisher unbekannten, mutationsauslösenden Virus infiziert hatten, zu heilen. JCB lag immer noch im künstlichen Koma.
Zum Glück war sein Zustand stabil. Die fortschreitenden Veränderungen konnten mit stoffwechselreduzierenden Medikamenten vorerst gestoppt werden. Um das Mutationsrätsel letztlich zu lösen, bedurfte es jedoch einer spezialisierten Forschungseinrichtung, die es natürlich in der Milchstraße gab.
Dann wären da noch die vier Kraval, die zuvor wegen ihrer Größe in einem behelfsmäßigen Quartier im Hangar der CHARR untergebracht worden waren. In Gisols Ringraumer hingegen konnten sie sogar reguläre Kabinen beziehen, die dafür allerdings mit provisorischen Betten ausgestattet werden mussten.
Frederic Huxley, Lee Prewitt, Paul Maxwell, Jeff Perry, Iggy Lory und Rorr hielten sich in der Zentrale der EPOY VI auf, weil Gisol ihnen das gestattet hatte. Damit machte er klar, dass er der Kommandant des Schiffes war, was auch von niemandem in Abrede gestellt wurde. Der Generaloberst hätte es nicht anders gehandhabt, schließlich musste die Kompetenz- und Befehlskette eingehalten werden.
Nun endlich fand Huxley die Gelegenheit, Gisol den Speicherkristall zu übergeben, der diesem so wichtig zu sein schien. Die Beschaffung dieses Datenträgers hatte der Worgun von den Terranern verlangt, um ihnen im Gegenzug bei der Rückkehr nach Nal zu helfen. Mit einem kleinen Außenteam war es dem Kommandanten der CHARR vor Kurzem gelungen, den Speicherkristall aus der Wissenschaftsakademie von Nova Roma, der Hauptstadt von Terra Nostra, zu besorgen. Der Datenträger beinhaltete eine Datensicherung von Gisols Forschungsarbeiten. Danach hätten Huxley und seine Leute eigentlich die Labore in der Akademie sprengen sollen, um sicherstellen, dass jedwede Unterlagen nicht in die Hände der Schwarzen Macht fielen. Das war jedoch nicht geschehen.
Gisol zeigte sich positiv überrascht, als er den für ihn so wichtigen Datenträger in Besitz nahm. »Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass Sie die Mission auf Terra Nostra in den Sand gesetzt haben, weil Sie und Ihr Team von den Römern verhaftet wurden.«
»Zuvor ist es uns allerdings gelungen, die Daten dennoch zu kopieren, Mister Smith.« Huxley benutzte, genau wie die restliche Führungsmannschaft, nicht den Worgunnamen des »Schlächters«, sondern den seiner menschlichen Tarnung. Auch in der Zentrale der EPOY VI zeigte sich Gisol als ein großer, blonder, muskulöser und hellhäutiger Terraner. »Allerdings haben wir darauf verzichtet, die Akademielabore, wie von Ihnen gefordert, in die Luft zu sprengen«, fuhr der Kommandant der CHARR fort. »Stattdessen aktivierten wir am dortigen Hyperkalkulator eine komplette Selbstformatierung des internen Akademiesystems, sodass danach nicht mehr viel von den Daten übrigblieb.«
Der Worgun winkte ab, denn eine diesbezügliche Erklärung schien ihn nicht mehr zu interessieren. Stattdessen packte er den Speicherkristall sorgfältig weg.
Huxley wunderte sich, dass Gisol nicht fragte, ob er nicht selbst eine Kopie davon angefertigt hätte, gleichwohl die Daten ihm so wichtig erschienen.
Wie dem auch war: Wer wusste schon, was in dem Schädel des Worgun wirklich vor sich ging? Nicht umsonst hatte ihn Lee Prewitt einmal scherzhaft »Fantômas« genannt, in Anspielung auf eine literarische Figur Anfang des 20. Jahrhunderts. Diese wurde als geheimnisvoller, skrupelloser, aber genialer Schurke dargestellt, dessen Taten sich durch Brutalität und Einfallsreichtum auszeichneten. Und genau diese Charaktereigenschaften besaß auch Gisol alias Jim Smith.
*
Endlich war es so weit! Nach so langer Zeit, nach so vielen Entbehrungen, so vielem Hoffen und Bangen und so vielen Situationen, in denen sie dem Tod sprichwörtlich ins Auge geblickt hatten, konnte es schließlich losgehen. Der Koppelflug mit potenzierter Schiffsleistung zur Überwindung intergalaktischer Entfernungen, die in ihrem Fall zehn Millionen Lichtjahre betrug, stand unmittelbar bevor.
Die EPOY VI sowie die anderen neun Ovoid-Ringraumer, die Gisol von Terra Nostra gestohlen hatte, koppelten sich aneinander. Dazu wurden die Ringe praktisch übereinandergestapelt, sodass eine Art Rohr entstand. Dabei sorgten die Intervallfelder für einen Düseneffekt, wenn alle zehn Schiffe auf Sternensog schalteten und Überlichtgeschwindigkeit erreichten, ohne das Normalkontinuum zu verlassen.
Vor allem waren dafür die Flächenprojektoren wichtig, die ringförmig an der inneren Außenseite der Ringraumer mit einem gemeinsamen Brennpunkt angebracht und verantwortlich für den Antrieb waren. Bei einer Beschleunigung verdichtete sich der Brennkreis beim Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit zu einem Brennpunkt von unveränderlicher Größe, unabhängig von der tatsächlich erreichten Überlichtgeschwindigkeit.
Dennoch gab er die gleiche Energiemenge ab und damit ebenso einen entsprechend höheren energetischen Druck. Dieser wiederum sorgte dafür, dass die Raumschiffe im Verbund nicht nur wesentlich schneller fliegen konnten als normal, sondern dank des Verstärkereffekts der Intervallfelder auch mit weniger Energieaufwand.
Zum Vergleich zu einer Transition war der Sternensogflug also bedeutend energieeffizienter und zudem der Sprungtechnik mit wachsender Entfernung zunehmend überlegen. Das lag daran, dass je länger der Flug dauerte, umso stärker beschleunigt wurde. In ihrem Fall lag die Höchstgeschwindigkeit bei 11,2 Milliarden Licht.
Gisol wollte jedoch nicht auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigen, sondern maximal auf 900 Millionen Licht, um die Energiereserven zu schonen, wie er den Anwesenden in der Zentrale erklärte. »Sofern alles nach Plan läuft, werden wir Nal in etwas mehr als einer Woche erreichen.«
Gisol, der am Instrumentenpult saß und eine Reihe von Eingaben vornahm, steuerte die zu einer Röhre miteinander verbundenen Ringraumer mit dem stoischen Gleichmut einer Maschine, die nichts aus der Ruhe bringen konnte. Von der Beschleunigung selbst merkte man an Bord nichts.
Huxleys Gedankenkette kehrte zu der gigantischen Entfernung von zehn Millionen Lichtjahren zurück, die für den menschlichen Verstand nur schwer zu begreifen war. Sie lässt sich zwar beziffern und berechnen, aber richtig erschließen konnte sie sich einem nicht.
Während der Beschleunigungsphase wechselten sich Gisol und Juanita Gonzales bei der Schiffsführung ab. Der Bordrechner überwachte sämtliche Daten und Werte, um bei einem Zwischenfall sofort aktiv zu werden. Schließlich wurden die Antriebe der gekoppelten Ringraumer auf eine hohe Belastungsprobe gestellt.
Sollte es tatsächlich zu einer technischen Panne oder einer anders gearteten Störung kommen, würde der Verband irgendwo im Nichts zwischen den Galaxien festsitzen. Huxley wusste von einem derartigen Unfall bei einem zum Glück unbemannten Testflug mit herkömmlichem Sternensog. Dabei hatte die Brennkugel innerhalb weniger Mikrosekunden und aus unerklärlichen Gründen große Mengen an Energie aus dem Hyperraum absorbiert und letztlich das Schiff zerstört.
Gott behüte!, dachte der Kommandant der CHARR, behielt diese Gedanken jedoch für sich, um die anderen nicht zu beunruhigen. Zur Wahrheit gehörte aber auch, dass keiner von ihnen Erfahrung mit einem intergalaktischen Koppelflug hatte.
*
Während in der Zentrale der EPOY VI alles für den intergalaktischen Koppelflug vorbereitet wurde, gingen die Besatzungsmitglieder der CHARR verschiedenen Freizeitaktivitäten nach, zu denen sie sonst an Bord nicht gekommen waren, oder sie erholten sich ganz einfach. Ausnahmen bildeten Huxley, Prewitt, Maxwell, Perry und die beiden Funker, die sich, bis auf den kurzen Schlaf, den sie sich gönnten, in der Zentrale der EPOY VI aufhielten. Natürlich ließ Gisol sie gewähren.
Längst schon war der ungewohnte Anblick der lichtlosen, samtenen Schwärze in der Bildkugel verblasst und hatte einer Simulation Platz gemacht, die das Panorama offenbarte, das sie im Normalflug sehen würden.
So tauchte vor dem Koppelverband nun ein Giga-Transmitter der Cromga auf, der eigentlich eine transmitterähnliche Raumstation war und einen Durchmesser von zwei Millionen Kilometern aufwies. Beim Durchfliegen konnten Raumschiffe in Nullzeit gewaltige Strecken zurücklegen. Und das ohne irgendwelche Nebeneffekte, wie sie sich bei den klassischen Transitionstriebwerken üblicherweise einstellten.
Mit dem Bau dieser wahrhaft gigantischen Transmitter war das Volk der Cromga in die Fußstapfen der Worgun getreten, obwohl die Gestaltwandler aufgrund ihres schleichenden psychischen und physischen Verfalls dazu wohl nicht mehr in der Lage waren. In einem gemeinsamen Projekt namens Bal-u-halla war es den Xlanditen sogar gelungen, die transitierende Sonne, von der eine Gefahr für die ganze Galaxis ausging, mit gezielten Energieimpulsen in einen derartigen Transmittertunnel zu locken. Dort wurde das Gestirn dann zu den hintereinander gestaffelten Stationen abgestrahlt. Seitdem war die mysteriöse Sonne in Orn nicht mehr aufgetaucht.
Frederic Huxley bewunderte noch heute die technischen Fähigkeiten beider Völker, mit denen diese die Bedrohung gebannt hatten.
Dermaßen in Gedanken versunken betrachtete er den Giga-Transmitter in der Bildkugel. Dieser bestand aus verschiedenen Modulen, die mit Verbindungselementen gekoppelt waren. Im Kontrollsegment gab es Landebuchten für Reparatur- oder Transportschiffe der Cromga sowie Träger- und Stauplattformen. In der Mitte befand sich die Zentraleinheit mit der Steuerzentrale samt den Meilern mit den Reaktorblöcken zur Energieversorgung. Darüber spannte sich ein riesiger leuchtender Bogen, in dem die eigentliche Abstrahlung in den Hyperraum vollzogen wurde.
Huxley wollte schon den Blick abwenden, um etwas zu Lee Prewitt zu sagen, der neben ihm saß, als er jäh erstarrte. Denn bei den Koordinaten des Transmitters ereigneten sich plötzlich gewaltige Energieemissionen!
Aber nicht nur das war es, was Huxley, seine Führungsoffiziere und natürlich auch Gisol und dessen Mannschaft geradezu elektrisierte. Vielmehr waren es die zwei Dutzend tiefschwarzen Keilschiffe, die urplötzlich vor ihnen auftauchten.
Raumer der Schwarzen Macht, die sofort auf Abfangkurs gingen!
3.
Gisol verfiel regelrecht in Panik. Er wie auch die Führungsmannschaft der CHARR befürchteten zu Recht einen Angriff der Keilschiffe wie vor Kurzem im römischen Sol-System. Plötzlich sahen sie in der Bildkugel irgendetwas auf den Giga-Transmitter der Cromga zurasen. Gleich darauf ereignete sich eine gewaltige Explosion!
Die Module und Segmente der Station zerbarsten in Feuerbällen, die in der Weite und Schwärze des Weltraums wie blendend helle Glühwürmchen anmuteten. Zigtausende Trümmerteile schwirrten umher, weil der Transmitter geradezu in sämtliche Einzelteile zerlegt worden war. Zum Glück flog der Koppelverband in ausreichendem Abstand daran vorbei, sonst wären seine Intervallfelder von den reflektierenden Energiewellen getroffen und stark belastet worden.
»Verflucht, was war das?«, entfuhr es Prewitt unwillkürlich. Er war genauso über diese unsinnige Zerstörung bestürzt wie Huxley, Maxwell und Perry.
Gisol ignorierte die Frage, um keine unnütze Diskussion aufkommen zu lassen. Segal und Balkoroy enthielten sich ohnehin einer Stimme. Die ganze Zeit über verrichteten sie mehr oder weniger stumm ihre Aushilfstätigkeiten.
Die Keilschiffe verfolgten den Koppelverband und waren ihm inzwischen »dicht auf den Fersen«.
Natürlich wollte Gisol sie abhängen, deshalb beschleunigte er stärker. Die Instrumente zeigten an, dass die Geschwindigkeitswerte exponentiell anstiegen.
Mit dem Handrücken wischte sich der Generaloberst den Schweiß von der Stirn. Obwohl er den Verband nicht selbst steuerte, kam er ins Schwitzen, schließlich besaß niemand von ihnen irgendwelche Erfahrungen mit einem Koppelflug und seinen Auswirkungen. Irgendwie war es beängstigend und faszinierend zugleich.
Huxley und seine Führungsmannschaft, die sich wie in der CHARR ebenfalls in der Zentrale aufhielt, starrten fast ehrfurchtsvoll in die Bildkugel. Darin sahen sie, wie sich die Sterne aufgrund der steigenden Geschwindigkeit zunächst in einer optischen Täuschung in die Länge zogen. Gleich danach jedoch wurden die Raumfahrer mit einem ungewöhnlichen, für den einen oder anderen vielleicht sogar verstörenden Anblick konfrontiert. Denn das gewohnte Panorama des Weltraums mit seinem Lichtermeer aus Myriaden funkelnder Sterne war verschwunden. Stattdessen offenbarte sich ihnen eine beinahe schon unheimlich wirkende, absolut tiefe Schwärze, die nur von konturlosen fahlen Wolken von bekannten oder unbekannten Galaxienhaufen unterbrochen wurde, die zig Millionen Lichtjahre durchmaßen und wiederum kleinere um sich ballten. Das Wunder der Schöpfung war fast greifbar.
»Diese Gesichtslosen sind wie eine biblische Plage, die man kaum mehr loswird«, stellte der Oberstleutnant trocken fest und fing dafür verständliche Blicke ein.
Die EPOY VI samt den restlichen neun Ringraumern beschleunigte weiter. Und das mit Erfolg! Schon nach kurzer Zeit wurden die Keilschiffe vollends abgehängt und verschwanden aus der Ortung. Die Raumfahrer waren in vorläufiger Sicherheit.
Die Anwesenden in der Zentrale entspannten sich.
»Haben Sie eine Ahnung, wer oder was den Cromga-Transmitter zerstört hat, Mister Smith?«, fragte Huxley schließlich.
Der Angesprochene antwortete nicht gleich, machte es wie immer spannend und damit dem Spitznamen »Fantômas« erneut alle Ehre. »Ich habe den Transmitter vernichtet«, gab der Worgun dann offen zu. Sein menschliches Gesicht zeigte nicht die geringste Regung.
»Sie waren das?« Huxley war entrüstet, hielt den Ärger jedoch zurück. »Warum haben Sie das getan? Und vor allem: Weshalb haben Sie mich nicht vorher in Ihr Vorhaben eingeweiht? Bestimmt haben Sie die Zerstörung schon seit Langem geplant!« Das klang nicht nur wie eine Feststellung, sondern wie ein Vorwurf, der angesichts der Lage, in der sie sich befanden, mehr als gerechtfertigt war.
Der »Schlächter« ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. »Ich habe meine Gründe für ein solches Handeln.« Sogleich verstummte er wieder.
»Himmelherrgott, wollen Sie uns diese Gründe denn nicht einfach nennen, Mister Smith?«, platzte Prewitt der Kragen. Normalerweise beherrschte auch er sich äußerlich, selbst wenn er innerlich kochte. Aber der Worgun raubte ihm schon seit Langem den letzten Nerv. Vor allem nachdem dieser im Doppelsonnensystem von Zyllissks sechs Flash in Kamikaze-Art durch die Außenwände der CHARR gesteuert hatte.
Diese Schandtat blieb unvergessen und nagte stets wie eine hungrige Ratte in den letzten Winkeln von Prewitts Gehirn. Schließlich hatte der Gestaltwandler mit dieser Aktion das Leben der kompletten Besatzung leichtfertig riskiert.
Mit demselben nichtssagenden Gesichtsausdruck wie zuvor wandte sich der »Schlächter« dem Ersten Offizier der CHARR zu. »Mein Motiv ist kein Geheimnis, Mister Prewitt. Mit der Zerstörung des Giga-Transmitters wollte ich verhindern, dass die Keilschiffe uns nach Nal folgen können. Das liegt doch eigentlich auf der Hand, nicht wahr?«
»Dieses Argument ist einsichtig«, antwortete Huxley, bevor sein Stellvertreter das Wort ergreifen konnte. »Allerdings haben wir Ihre ewige Geheimniskrämerei satt, wie Sie vielleicht verstehen können. In der ›stählernen Hölle‹ musste ich mit meinen Leuten lange genug in Ungewissheit sowie mit Lügen und Manipulationen leben. Es wäre also höchst erfreulich, wenn wir wenigstens hier an Bord jene Tage bis zur Ankunft in der Milchstraße ehrlich zueinander sein können, um uns zumindest in dieser Hinsicht ein wenig zu entspannen. Zukünftig sollten Sie mich in Ihre Pläne einweihen!« Den letzten Satz sprach der Generaloberst mit gewisser Schärfe.
Überraschenderweise gab sich Gisol recht versöhnlich. »Abgemacht, Mister Huxley. Dann fange ich gleich mal damit an.« Erneut hielt der Worgun inne, allerdings nur kurz. »Ich plane, noch während des Koppelflugs sämtliche Transmitterstationen zu vernichten, um zu verhindern, dass die Cromga sie sofort wiedererrichten können. Schließlich wissen wir um deren besondere technische Fähigkeiten. Die Zugänge über die Stationen nach Nal müssen nicht nur alle, sondern auch so lange wie möglich eliminiert werden. Alles andere wäre kontraproduktiv und würde die Risiken, dass die ›Zerstörer der Schöpfung‹ uns doch noch folgen, erhöhen.«
»Und wie wollen Sie das anstellen?«, meldete sich Sergeant Paul Maxwell zum ersten Mal zu Wort.
»Beziehungsweise wie haben Sie das bereits vorhin getan?«, erkundigte sich Jeff Perry an seiner Seite.
Gisol alias Jim Smith fuhr sich mit einer typisch menschlichen Geste durch sein blondes Haar. »Ich benutze dafür modifizierte Abwurfkapseln. Bevor ich die Raumer auf Terra Nostra entwenden konnte, gelang es mir zudem, einige Sprengsätze bei römischen Händlern aufzutreiben. Den Selbstzerstörungsmechanismus haben die römischen Händler, die mit ausgewiesenen Experten für Waffensysteme zusammenarbeiten, zuvor natürlich entschärft. Ansonsten wären die Abwurfkapseln freilich nicht zu erwerben gewesen. Aber dafür wurden die Kaufleute von mir auch fürstlich entlohnt, wie ihr Terraner zu pflegen sagt.« Zum ersten Mal huschte ein schnelles Lächeln über Mister Smiths menschliches Gesicht.
»Scheint zumindest bei dem Transmitter, der zerstört wurde, funktioniert zu haben«, stellte Jeff Perry lakonisch fest.
»In der Tat!«, bestätigte Gisol. »Dazu habe ich die Abwurfzeit und die Beschleunigungsvektoren mithilfe des Hyperkalkulators der EPOY VI berechnet. Bis eben haben wir noch keine nennenswerte Geschwindigkeit erreicht, daher ist mein Vorhaben geglückt. Die Transmitterstation wurde erfolgreich zerstört. Ob das allerdings zukünftig genauso gelingt, steht buchstäblich in den Sternen.«
Damit schien dieses heikle Thema beendet zu sein. Und auch Huxley ließ es ruhen. An dem Entschluss des Worgun konnte er ohnehin nichts ändern, zumal er und seine Mannschaft lediglich Gast an Bord und zudem froh waren, mit Gisols Hilfe endlich wieder nach Hause fliegen zu können. Und dort, in der Milchstraße, wollte keiner von ihnen überhaupt nur die geringste Spur von der Schwarzen Macht sehen.
Dementsprechend würden die Terraner in den kommenden Tagen die Simulationen in der Bildkugel von weiteren Abwürfen auf die auf dem Weg liegenden Cromga-Transmitter mit gemischten Gefühlen beobachten. Ob die Stationen dabei tatsächlich getroffen werden würden, blieb weitgehend Spekulation, selbst wenn die Daten optisch visualisiert wurden.
*
Im Laufe der Tage, in der sich die Besatzung und die Gäste der CHARR an Bord der EPOY VI befanden, bekam Frederic Huxley einen ziemlich guten Eindruck von Gisol alias Mister Smith. So konnte er nicht nur dessen Schiffsführung verfolgen, sondern auch, welche Schlüsse dieser aus welchen Datenlagen zog. Ebenso, wie intuitiv und situativ der Worgun entscheiden konnte, wie professionell dieser mit der Mannschaft umging und letztlich, ob seine Befehle Sinn ergaben oder nicht. Dabei hätte der Generaloberst selbst nicht viel anders gemacht.
Eigentlich war der Worgun ein fähiger Kommandant, das musste man ihm zugestehen. Auch seine hervorragenden Flugkünste hatte er in der Vergangenheit bereits unter Beweis gestellt. Im Prinzip war er ein Vorbild für seine Leute, und das konnte man wahrlich nicht von jedem sagen. Jedenfalls verstand Huxley nun, wie Ren Dhark es mit ihm aushalten konnte. Wenn man den Worgun näher kannte, war er gar nicht mal so »schlimm«.
Nur eine Sache gab es, die manchmal zu Unmut, mitunter aber auch zu Heiterkeit führte. Es war Gisols provokative Art Lee Prewitt gegenüber. Wobei schlecht festzustellen war, ob er den Ersten Offizier der CHARR einfach nicht leiden konnte oder sich nur einen Spaß daraus machte, ihn zu necken.
Eine Kostprobe dieser »Interaktion« gab es täglich. So wie jetzt.
»Passen Sie auf, dass Sie vor lauter Herumsitzen nicht noch einen Bauch ansetzen, Mister Prewitt«, scherzte der Worgun in Anbetracht dessen, dass die Führungsmannschaft der CHARR sich die meiste Zeit in der Zentrale aufhielt. Wobei sie dort nicht etwa herumlungerte, sondern Juanita Gonzales und Segal unterstützte, während Balkoroy sich nach wie vor so gut wie unsichtbar machte.
Der Oberstleutnant warf Gisol einen giftigen Blick zu. »Wenn Sie die Gestalt eines griechischen Gottes ablegen und sich in Ihrer eigentlichen Pracht als Amöbe zeigen würden, dann könnten Sie schnell sehen, wer von uns den größeren Fettanteil besitzt, Mister Smith.«
Die Terraner schmunzelten. Nur Gisol schien das nicht lustig zu finden, obwohl er mit der Hänselei angefangen hatte. So aber ging es weiter. Einmal teilte der eine, dann der andere aus. Doch nie machte es den Anschein, als ob es ein toxisches Gegeneinander wäre, sondern eher neckisch und witzig. Ein neutraler Beobachter musste zu dem Schluss kommen, dass der »Schlächter« manchmal zwar ziemlich schräg drauf, im Prinzip jedoch ein netter Kerl war.
Ernster wurde es dann schon bei einem anderen Thema, das der Worgun zu einem späteren Zeitpunkt anriss: »Wohin wollen Sie eigentlich ganz konkret, sobald wir die Milchstraße erreicht haben?«
Gisol blickte von Huxley zu Prewitt und wieder zurück. Maxwell und Perry und auch die beiden Funker hatten sich bereits in die Mannschaftsquartiere zurückgezogen, um ein wenig Schlaf zu finden. Genauso wie Juanita. Segal und Balkoroy waren ebenfalls nicht anwesend, sodass sich die drei zu dieser Stunde alleine in der Zentrale aufhielten.
Der Generaloberst konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Worgun die CHARR-Mannschaft so schnell wie möglich loswerden wollte, um ohne großen Aufschub seine eigene Reise fortzusetzen. Mit welchem Ziel auch immer.
»Wie wäre es denn damit, dass Sie uns einen Ihrer Ringraumer überlassen?«, fragte Prewitt. »Dann können wir uns unabhängig von Ihnen und ohne Zeitdruck entscheiden, was wir tun werden, bevor wir hier bei Ihnen allesamt noch einen Lagerkoller bekommen.«
»Wenn es Ihnen in der Zentrale zu vollist, lasse ich Ihnen gerne in einem der Hangar ein stilles Plätzchen einrichten, Mister Prewitt.«
»Ach, was Sie nicht sagen …«
»Bitte, meine Herren!«, grätschte Huxley dazwischen. Frotzelei hin oder her – aber dieses Thema war zu ernst, um es auf diesem Niveau zu diskutieren. »Wenn Sie uns keines Ihrer Schiffe überlassen wollen oder können, Mister Smith, bleibt nur die Möglichkeit, dass Sie uns irgendwo absetzen.«
»Ich dachte eventuell im Corr-System, das wir als Erstes erreichen werden. Was meinen Sie?« Gisol sah die beiden Männer fest an.
Während Prewitt wegen des Vorschlags die Stirn in Falten legte, erwiderte Huxley: »Soll uns recht sein. Das sich am Rand der Milchstraße befindliche Corr-System liegt quasi auf dem Weg.« Was er dem Worgun nicht verriet, war, dass das ohnehin ihr Ziel gewesen wäre. Dort lebten nämlich die verbündeten Nogk.
»Na, also. Dann haben wir ja schon eine Lösung gefunden.« Gisol grinste. »Nehmen Sie sich an der raschen Entschlussfähigkeit Ihres Kommandanten ein Beispiel, Mister Prewitt. Das könnte Ihnen beileibe nicht schaden!«
*
Noch immer war die Beschleunigungsphase nicht abgeschlossen, sprich die von Gisol angestrebte Geschwindigkeit von 900 Millionen Licht nicht erreicht. Das würde sich noch den einen oder anderen Tag hinziehen.
Frederic Huxley suchte nach dem letzten Gespräch in der Zentrale seine separate Kabine auf, die ihm zur Verfügung gestellt worden war. Die übrigen Besatzungsmitglieder und Gäste der CHARR waren in den Mannschaftsquartieren untergebracht. In seiner Kabine angekommen, zog er die Uniform aus und ging in die Sanitärzelle, um sich »bettfertig« zu machen. Minuten später lag er in der Koje, konnte zunächst jedoch keinen Schlaf finden und wälzte sich stattdessen von einer Seite auf die andere. Zu viele Gedanken blitzten durch sein Gehirn. Zu viel Verantwortung lastete auf seinen Schultern. Und zu viel Vertrauen schenkte ihm seine Mannschaft, als dass er sie mit der versprochenen Rückkehr in die Heimat hätte enttäuschen können. Irgendwann allerdings übermannte ihn dann doch die Müdigkeit, sodass er in einen tiefen Schlummer fiel …
Etwas später riss er wieder die Augen auf und war auf einmal hellwach.
Zum Teufel mit dem Schlaf!
Huxley stand auf, streifte sich die kurz zuvor abgelegte Uniform über, verließ seine Kabine und suchte erneut die Zentrale auf. Seltsamerweise hielt sich dort niemand auf. Nicht einmal Gisol oder Juanita, die sich eigentlich hätten abwechseln sollen. Das war merkwürdig.
In die Peripherie seines Gesichtsfeldes drängte sich jäh eine ungewohnte Ansicht, die normalerweise in der Bildkugel erscheinen müsste. So aber projizierten sich die Eindrücke auf die Bordwand.
Mit weit aufgerissenen Augen drehte er den Kopf, um diese Projektion optisch vollständig erfassen zu können. Und plötzlich befand er sich inmittendes Weltalls! Er flog oder schwebte nicht etwa im Raum, sondern stand wie eine Gallionsfigur schwerelos vor dem Koppelflugverband.
Aber das war physikalisch unmöglich!
Und dennoch …
Alles spielte sich klar und deutlich vor Huxley ab: Er sah sich selbst »von oben«, einfach so im Weltraum ausharrend. Hinter ihm die miteinander verbundenen zehn Ringraumer, als warte er auf irgendetwas …
Urplötzlich tauchte die Flotte von Keilschiffe auf! Finsterer noch als die Schwärze des kosmischen Raums. Von ihren Flanken blitzten lediglich die roten Hoheitszeichen hervor wie frisches Blut in der Sonne. Der Schiffsverband der Schwarzen Macht nahm Kurs auf die gekoppelten Ringraumer auf.
Huxley verharrte direkt vor ihnen, sah dem Feind mit seinen scharfen, grauen Augen geradezu entgegen. In seinem Blickfeld wurden die Keilschiffe immer größer und größer, bis sie schließlich mit seinem Körper kollidierten!
Das Licht, das unvermittelt aufflammte, als würden sich tausend Megaexplosionen auf einmal ereignen, blendete ihn unweigerlich, versiegte jedoch genauso schnell, wie es entfacht worden war. Gleich darauf fiel bodenlose Schwärze wie ein wildes Tier über ihn her, was besagte, dass sein Sehvermögen innerhalb eines Sekundenbruchteils ausgelöscht worden war.
Ich bin blind!
Der gutturale Schrei, der sich Huxleys Kehle entrang, in dem alles lag, was er an Angst und Grauen empfand, schien seine sämtlichen Eingeweide zu zerreißen, als wären sie aus Pappmaché.
In diesem Moment schlug Frederic Huxley die Augen auf. Die Neuronen seiner Sehnerven, die sich nicht erneuern konnten, waren irreversibel geschädigt, als wären es abgestorbene, braune Blätter an einem Herbstbaum.
… blind …
Aber – nein! Da war dieses Licht. Winzig und rotleuchtend. Und weit weg von ihm.
Also doch nicht …
Ruckartig setzte sich der Generaloberst auf. Er war schweißgebadet. Erst jetzt begriff er, dass er noch immer in seinem Bett lag und keineswegs irgendwie im All herumschwebte. Auch war er nicht mit Blindheit geschlagen, sondern konnte deutlich die Konturen der Kabine sehen. Das winzige rote Licht stammte vom Notschalter an der Eingangstür. Er hatte zuvor also gar nicht den Raum verlassen und war auch nicht in die menschenleere Zentrale der EPOY VI marschiert …
Huxley schüttelte sich, als wollte er die Eindrücke dieses Albtraums abschütteln wie ein Hund Wassertropfen von seinem Fell.
Aber nein! Das war kein Albtraum gewesen. Dazu war alles viel zu echt, viel zu intensiv gewesen! Im Laufe der Zeit hatte er durchaus gelernt, genau diesen Unterschied zu erkennen.
Vielmehr handelte es sich um eine der seltenen Visionen, die ihn immer wieder mal einholten oder besser gesagt: ihn umtrieben oder gar plagten. Denn er besaß die Gabe der Prophetie. Allerdings verfügte er über diese Fähigkeit lediglich unkontrolliert, sporadisch und in großen Abständen.
So wie jetzt.
Es gab nur wenige Menschen, denen er sich diesbezüglich anvertraut hatte. Und das war unter anderem sein Stellvertreter, Oberstleutnant Lee Prewitt. Wie viele Leute von seiner Gabe inzwischen erfahren hatten, wusste Huxley nicht, und eigentlich war ihm das auch egal.
Die Keilschiff-Flotte!
Das war die Schlussfolgerung seiner prophetischen Vision. Wo und wann ihre Konfrontation mit dem Koppelflugverband stattfinden sollte, verschloss sich ihm.
Jedenfalls war jetzt wirklich nicht mehr an Schlaf zu denken, sodass er sich anzog und die Kabine verließ. Er lief zunächst ziellos in den Gängen herum, einfach um sich zu beruhigen und wieder klare Gedanken zu fassen, auch wenn der Bewegungsradius ziemlich eingeschränkt war, denn die CHARR-Besatzung, einschließlich der Führungsmannschaft, durfte sich keineswegs überall an Bord frei bewegen.
Vielmehr waren etliche Schotten und auch Zugänge zu den Antigravschächten verriegelt. Etwa zu Deck 4, wo sich die unabhängigen Waffensteuerungen befanden, oder zu Deck 1, das den Maschinenraum, die Hangars sowie Frachträume beherbergte. Hauptsächlich blieb den Gästen Deck 5, wo unter anderem die Medostation und die Mannschaftsquartiere lagen.
Auf Deck 4 hingegen beschränkte sich der Zugang auf die acht Meter hohe und fünfundzwanzig Meter durchmessende Zentrale sowie den Bereitschaftsraum für den Kapitän – sofern Gisol das zuließ.
Niemand begegnete Huxley, was zu dieser Zeit auch nicht verwunderlich war. Vor allem die Terraner, die eigentlich fast die gesamte inoffizielle Besatzung der EPOY VI ausmachten, gingen ihrem herkömmlichen Schlafzyklus nach, den sie bereits von der CHARR gewohnt waren.
Huxley schlug den Weg in die Zentrale ein. Nahezu wie in seiner Vision war diese fastunbesetzt. Aber eben nur fast.
Gisol, in der gewohnten Gestalt eines Terraners, blickte ihm verwundert entgegen. »Können Sie nicht schlafen, Mister Huxley?«
»So könnte man es nennen.« Der Generaloberst platzierte sich in den Sitz neben den Kommandantensessel, in dem der Worgun hockte. »Glauben Sie an Prophetie, Mister Smith? An Weissagungen?«
Der Angesprochene rümpfte ziemlich menschlich die Nase. Sofort schien bei ihm der Groschen zu fallen. »Sie meinen damit Ihre hellseherischen Fähigkeiten?«
Gisol wusste davon, weil ihm Prewitt von Huxleys Gabe erzählt hatte, um ihn von der Vernichtung des Raumschiffantriebs der CHARR abzubringen, nachdem unter seiner Führung mehrere Flash in den Forschungsraumer eingedrungen waren. Um dem Worgun eine Vereinbarung schmackhaft zu machen, hatte der Oberstleutnant ihm angedeutet, dass Huxleys Gabe im Kampf gegen die Schwarze Macht eingesetzt werden könnte. Außerdem spielte er die Karte der angeblichen Freundschaft zwischen Huxley und Ren Dhark aus, der vor einigen Jahren zusammen mit Gisol die Galaxis Orn gerettet hatte. Das verband die beiden natürlich miteinander.
Schließlich hatte sich der »Schlächter« auf Prewitts Vorschlag eingelassen …
»Um ehrlich zu sein, zweifle ich solche Fähigkeiten an, Mister Huxley. Daran hat sich nichts geändert.«
»Ihre Skepsis kann und will ich nicht ausräumen, das steht mir nicht zu. Aber dennoch möchte ich Ihnen etwas mitteilen, was für uns alle wichtig sein könnte.«
»Sie wurden also wieder von einer solchen prophetischen Vision heimgesucht?«
»Gerade eben. Hören Sie mir zu!«