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Knapp einen Monat lang haben die Meegs an dem neuen globalen Schutzschirm um Terra gearbeitet. Nun ist er endlich fertig, doch die Freude daran währt nicht lange. Der Schirm aktiviert sich plötzlich selbst und lässt sich nicht mehr abschalten. Während Bruder Lambert versucht, die Erdbevölkerung zu beruhigen, ruft General Planning Ren Dhark zu Hilfe, um Schlimmeres zu verhindern. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn die ersten Menschen verfluchen bereits das Geschenk der Nogk… Gary G. Aldrin, Alfred Bekker und Nina Morawietz schrieben diesen explosiven SF-Roman nach dem Exposé von Anton Wollnik.
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Seitenzahl: 373
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 92
Das Geschenk der Nogk
von
Alfred Bekker
(Kapitel 1, 3 bis 5 sowie 10)
Gary G. Aldrin
(Kapitel 2, 6 bis 9 sowie 11 bis 14)
Nina Morawietz
(Kapitel 15 bis 20)
und
Anton Wollnik
(Exposé)
Inhalt
Vorwort
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
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Ren Dhark Classic-Zyklus
Ren Dhark Extra
Simulacron-3/Welt am Draht
T93
Impressum
Vorwort
Haben wir mittlerweile die Millionenmarke überschritten? Ich weiß es nicht, kann sein. Zumindest gut sechsstellig ist die Zahl der gedruckten REN DHARK-Buchexemplare auf jeden Fall. Und mittlerweile erscheint der »Commander der Planeten« im siebenundzwanzigsten Jahr.
16 Classic-Bände, 24 Drakhon, 12 Bitwar und bislang 92 Weg ins Weltall, 54 Sternendschungel Galaxis, 29 HJB-Sonderbände und 38 Unitall-Sonderbände, vier Spezial-Ausgaben und eine Platinum-Ausgabe. Macht zusammen die unglaubliche Zahl von 270 Büchern.
Und wer ist dafür entscheidend verantwortlich? Natürlich die Autoren, derer rund 40 mittlerweile an der Serie mitgewirkt haben. Und ein Projekt dieser Komplexität benötigt einen »Mr. Ren Dhark«, einen, der die zuvor auf Autorenkonferenzen erdachten Handlungsfäden strukturiert und daraus Erzählabschnitte konstruiert, diese den einzelnen Autoren zuteilt und schließlich die Endredaktion erledigt und dem Verlag quasi die fertige Buchinhaltsdatei anliefert.
Und diese wichtige Aufgabe hatten bisher inne: Manfred Weinland, der ganz massiv für den Wahnsinnserfolg der Startbände unserer Buchausgabe verantwortlich zeichnet. Gerd Rottenecker, der in einer schwierigen Zeit das Ruder übernahm, und Heinz Mohlberg, der mir als Feuerwehr Zeit verschaffte, den Classic-Zyklus zu beenden und den »echten« Neuanfang, die Fortschreibung nach Heft 98 (Ende des letzten Buches des Classic-Zyklus), konzipieren zu lassen von dem Mann, der dann für den erschlagend größten Teil der Buchausgabe verantwortlich war: Hajo F. Breuer – dem nur der Sensenmann das Ruder entreißen konnte.
Vor fünf Jahren übernahm dann in dieser wirklich ernsten Situation der bereits seit Jahren bei REN DHARK aktive Autor Ben B. Black die Herausgeberschaft, und es gelang ihm voller Elan, der Serie seinen Stempel aufzudrücken und dem allgemeinen Rückgang des Buchmarktes zu trotzen.
Ich danke jedem einzelnen der Redakteure für seine wichtige Arbeit.
Und nun ist Anton Wollnik der Verantwortliche. Nicht schlucken, lieber Anton, denn wir, Verlag und Autoren und Leser, erwarten nicht viel von dir, lediglich die wahrscheinlich – nach Perry Rhodan – zweitbedeutendste SF-Romanserie auch die nächsten Jahre über die Runden zu bringen. Kleinigkeit also.
Wünschen wir Anton Wollnik alles Gute und allen nur erdenklichen Erfolg.
Ihr Hansjoachim Bernt
Wer das Vorwort des letzten Weg ins Weltall-Bandes gelesen hat, kennt mich bereits. Ich möchte den verbliebenen Platz daher vor allem unserem neuen Autoren widmen: Gary G. Aldrin.
Gary hat bislang unter anderem Namen vor allem im Bereich Thriller und Horror veröffentlicht. Der Mann kennt sich mit Spannung aus. Also bitte nicht erschrecken, wenn seine Geschichte erst harmlos anfängt, nur um dann aus buchstäblich heiterem Himmel eine rasante Wendung zu nehmen!
Übrigens haben sich etliche Leser neue Geschichten mit den Nogk gewünscht. Jetzt errichten die Meegs endlich einen neuen globalen Schutzschirm um die Erde. Schreiben Sie uns also gerne Leserbriefe! Wir freuen uns über Rückmeldungen und Anregungen.
Ansonsten wünsche ich Ihnen, liebe Leser, viele unterhaltsame und spannende Stunden mit REN DHARK.
Düsseldorf, im Juni 2020
Anton Wollnik
Prolog
Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.
Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist, doch Ren Dhark und seinen Getreuen gelingt es, auch dieser Bedrohung erfolgreich zu begegnen, nur um sich sogleich einem viel größeren Problem gegenüberzusehen: Im Zentrum der Milchstraße ist ein Miniuniversum entstanden, das exponentiell wächst und dadurch droht, das bekannte Universum innerhalb weniger Jahre zu vernichten. Mithilfe der Nomwarun schafft man es schließlich, auch diese Gefahr zu meistern.
Im Sommer des Jahres 2072 werden Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart durch ein Lichtphänomen aus einer uralten Einrichtung der Wächter unterhalb des Titicacasees in die Galaxis Voktar verschlagen. Ren Dhark eilt seinen Freunden zu Hilfe, und nach einer kleinen Odyssee gelingt es den Terranern im Sommer 2073 endlich, wieder in die Milchstraße zurückzukehren.
Kaum zu Hause bekommen es die Raumfahrer mit einem Krayn namens Kharamak zu tun, der bewohnte Planeten mit tödlichen Seuchen überzieht. Er lässt Ren Dhark und dessen Begleitern keine andere Wahl, als ihn zu töten. Die Terraner befinden sich bereits wieder auf dem Heimweg, als sie von den Tel dazu aufgefordert werden, bei der Aufklärung einer Reihe bestialischer Morde auf der Forschungswelt Reshaf zu helfen.
Der Täter entpuppt sich als ein Teil des Bakterienmannes, dem Ren Dhark und seine Getreuen bis Babylon folgen, wo dessen Large jedoch bereits von der BF abgeschossen wurde. Ein Segment des Bakterienmannes überlebt und veranstaltet ein regelrechtes Chaos auf dem Planeten. Ren Dhark gelingt es, den Bakterienmann zu besänftigen und eine für beide Seiten zufriedenstellende Einigung zu erzielen.
Während die Besatzung der POINT OF bei der Normalisierung der Lage auf der Erde hilft, bittet Marschall Bulton um Hilfe bei der Suche nach Dan Riker und dessen Verband. Dabei machen Ren Dhark und seine Gefährten eine erschütternde Entdeckung: Kharamak hat von dem Konteradmiral Besitz ergriffen und versucht mithilfe von Rikers Verband, sich aller Unsterblichen zu bemächtigen. Sie machen dem Krayn einen Strich durch die Rechnung und verbannen sein Bewusstsein in einen Hyperkalkulator, der sich nun im Keller der Point-of-Stiftung befindet.
Nachdem die Gefahr gebannt ist, lädt Bruder Lambert die Nogk ein, damit diese einen neuen globalen Schutzschirm um die Erde errichten. Alles scheint für die Menschen endlich gut zu werden, doch im Randbereich der Milchstraße entfaltet eine mysteriöse Sonne gewaltige Kräfte, die bald zur Gefahr für das Corr-System werden könnten …
1.
Frederic Huxley erhob sich vom Platz des Kommandanten im Forschungsraumer CHARR und ließ seinen Blick über die eingeschaltete Allsichtsphäre wandern. Die Außenwände der Zentrale boten einen Ausblick in den freien Weltraum hinaus, als würde das Schiff gar nicht existieren. Wenn man das zum ersten Mal erlebte, konnte einem schwindelig werden, aber davon war Huxley natürlich weit entfernt. Das, was ihn beunruhigte, befand sich dort draußen.
Eine Sonne, so groß und hell wie Sol, war plötzlich am galaktischen Rand der Milchstraße aufgetaucht. Sie unternahm mysteriöse Raumsprünge und verhielt sich im Ganzen auf eine Weise, die jeglichen Naturgesetzen widersprach.
Ein Objekt, das einiges durcheinanderwirbelt, ging es Huxley durch den Kopf. Und das im wörtlichen Sinn!
Das Schicksal der Oumpf steckte allen noch in den Knochen – sowohl den Besatzungsmitgliedern des Forschungsraumers CHARR als auch Commander Ren Dhark und seiner Mannschaft. Durch die eingeschaltete Allsichtsphäre erhielt man von der Zentrale der CHARR aus gegenwärtig einen Blick auf die POINT OF, die sich in unmittelbarer Nähe befand.
Betroffenes Schweigen herrschte in der Zentrale – ein Schweigen, wie Huxley es selten zuvor erlebt hatte.
Lee Prewitt, der Erste Offizier der CHARR, brach es schließlich. »Dieses Ding ist eine Waffe.« Er deutete auf die fremde, mysteriöse Sonne, deren gelbliches Licht ihnen durch die Allsichtsphäre entgegenschien. Von der Wärme dieses Sterns spürten sie natürlich nichts, auch wenn man den Eindruck gewinnen konnte, einen Frühlingstag auf der Erde zu erleben. Die CHARR und die POINT OF hielten natürlich einen gewissen Sicherheitsabstand zu dem Himmelskörper. Da dieser größer als die Distanz Sonne-Mars war, wäre die Strahlkraft des Sonnenobjekts ohnehin kaum in der Lage gewesen, die Temperatur kurzfristig merklich zu erhöhen. Davon abgesehen waren die Wände der Zentrale zwar im Moment transparent, aber das bedeutete nicht, dass sie dadurch eine weniger abschirmende Wirkung gegen all das hatten, was aus dem All auf ein Raumschiff einwirken konnte. Neben Strahlung aller Art und jeder nur denkbaren Stärke zählten dazu vor allem auch feste Objekte, die teilweise mit geschossähnlichen relativen Geschwindigkeiten daherjagten.
Letzteres stellte im Moment ein besonderes Problem dar. Dort, wo die fremde Sonne aufgetaucht war, hatte sie durch ihre pure Gravitation die Materie in ihrer Umgebung durcheinandergebracht. Planeten, Monde, Asteroiden, Materiebrocken jedweder Größe waren wie auf einem Billardtisch durcheinandergewirbelt worden.
Und genau das war für das Volk der Oumpf zum Verhängnis geworden. Mehr oder minder hilflos hatten die Besatzungen der POINT OF und der CHARR mit ansehen müssen, was sich nach dem plötzlichen Auftauchen der fremden Sonne ereignete. Eine ganze Zivilisation war innerhalb kürzester Zeit ausgelöscht worden.
»Es ist eine Waffe«, wiederholte Prewitt. »Selbst wenn es ein natürliches Phänomen sein sollte: Es wirkt wie eine Waffe! Und das Schlimme ist, dass wir jetzt wissen, dass sich die Gravitationseffekte und Raumzeitverwerfungen weiter ausbreiten werden und letztendlich alle bedrohen, die in diesem Raumsektor siedeln …«
»Und das mit Überlichtgeschwindigkeit«, murmelte Huxley.
Man hatte eine Hyperraumkomponente bei der Ausbreitung dieser rätselhaften Effekte anmessen können. Ob sie die Ursache für die überlichtschnelle Ausbreitung der Raumzeitverwerfungen waren, hatten die Wissenschaftler der CHARR und der POINT OF noch nicht herausfinden können. Da die Sonne, von der die Effekte ausgingen, selbst durch den Hyperraum transitiert war, überraschte die Komponente im Prinzip auch nicht. Ungewöhnlich war jedoch, dass diese Hyperraumkomponente auch bei den sich schockwellenartig ausbreitenden Raumzeitverwerfungen angemessen werden konnte. Gleichzeitig war die Suche nach Anzeichen für den Einsatz irgendeines Hyperraumantriebs allerdings erfolglos geblieben.
Sollte das alles tatsächlich ein natürliches Phänomen sein?
Quantenteleportation und kosmische Inflation, ging es Huxley durch den Kopf. Das sind die einzigen natürlich vorkommenden Ausnahmen, die die klassische Physik von dem Gesetz kennt, dass es im Einsteinuniversum keine Geschwindigkeit geben kann, die die Lichtgeschwindigkeit überschreitet – es sei denn, man nimmt eine Abkürzung durch ein anderes Kontinuum oder umgibt sich selbst mit einem Minikontinuum. Egal ob Hyperraumsprünge, Sternensogantrieb oder Transmitterstraßen: Sie basieren alle auf diesem Prinzip.
Aber in diesem Fall gab es einfach bislang keinerlei Hinweise auf irgendeinen künstlichen Transitionsantrieb, so sehr man auch danach gesucht hatte.
Wenn es sich aber um ein natürliches Phänomen handelte, schränkte das die Erklärungsmöglichkeiten stark ein. Bei der Quantenteleportation kam es zur Verschränkung beliebig weit entfernter Quantenzustände, die sich zeitgleich veränderten und damit untereinander Informationen überlichtschnell übertrugen. Die Mehrheit der Forscher an Bord der CHARR schloss jedoch aus, dass dies für die überlichtschnelle Verbreitung der aufgetretenen Effekte hätte sorgen können.
Blieb die kosmische Inflation. Das war ein Gedanke, der Huxley tatsächlich Angst einjagte. Man wusste, dass sich das Universum nach dem Urknall für eine kurze Phase mit Überlichtgeschwindigkeit ausgedehnt haben musste, weil es sonst nicht jene Gestalt haben konnte, die es seitdem angenommen hatte. In der Physik existierte die Theorie, dass jederzeit eine neue Phase der kosmischen Inflation einsetzen konnte – mit verheerenden Folgen.
Alle Materie würde auf atomarer, molekularer Ebene förmlich zerrissen, überlegte Huxley. Der Effekt würde sich sogar auf der Ebene der Elementarteilchen und der Quanten bemerkbar machen und Auswirkungen auf die Struktur der Raumzeit selbst haben. Alles, was wir gemessen und gesehen haben, ließe sich damit erklären, selbst die angemessene Hyperraumkomponente. Wenn die Struktur der Raumzeit selbst in Mitleidenschaft gezogen wird, kommt es fast zwangsläufig zu Interferenzphänomen mit anderen Kontinuen.
Nur eine Sache passte nicht zu der Hypothese von der wieder einsetzenden kosmischen Inflation, und das war die fremde Sonne selbst. Eigentlich hätte sie ebenso zerrissen werden müssen wie andere Objekte, die in den Einflussbereich der Effekte gerieten, aber das war nicht der Fall, und dafür gab es einfach keine vernünftige Erklärung. Kurzgefasst: Bisher existierten nur Theorien, keine gesicherten Erkenntnisse, doch das, was bisher an messbaren Tatsachen vorlag, war beängstigend genug.
Die Phänomene breiteten sich in Form einer Serie von überlichtschnellen, anscheinend von der fremden Sonne ausgehenden Schockwellen aus. Am galaktischen Rand war die Sternendichte gering. Es gab nur wenige und weit verteilte Sonnensysteme. Wie verheerend die Effekte sein konnten, hatte das Schicksal des Heimatsystems der Oumpf gezeigt – aber auch in diesem Augenblick ließ sich die Ausbreitung anhand der Auswirkungen auf intergalaktische Gasströme ortungstechnisch deutlich nachweisen.
Der Navigator der CHARR blickte angestrengt auf die Anzeigen seiner Konsole. »Wir messen schon wieder eine Reihe von Gravitationsanomalien an.« Er schüttelte den Kopf. »Was da geschieht, widerspricht allem, was ich mal über diese Dinge gelernt habe.«
Gravitationslöcher von unbekannter Ursache sorgten dafür, dass Objekte aller Art plötzlich herumgewirbelt wurden. Die CHARR und die POINT OF waren davon auch schon betroffen und ordentlich durchgeschüttelt worden. Für weniger robust gebaute Einheiten konnte so etwas natürlich das Ende bedeuten. Es war nicht einfach nur die Gravitation einer plötzlich wie aus dem Nichts auftauchenden Sonne, die so tödlich war, sondern insbesondere diese scheinbar chaotischen Effekte.
»Eine Sonne, die quasi dazu in der Lage ist, mit einer Art Hypersprung zu transitieren, um schließlich irgendwo anders wieder aufzutauchen«, fuhr Prewitt fort. »Da kann mir niemand erzählen, dass das ein rein natürlich zu erklärendes Phänomen sei. Sir, darf ich Ihnen mal ganz offen sagen, woran mich das erinnert?«
»An den alten Feind der Nogk«, erwiderte Huxley fast tonlos und sehr ruhig. Offenbar hatte er Prewitts Gedanken erraten. »Jedenfalls kenne ich niemanden sonst, der eine Sonne als Waffe verwenden würde.«
In diesem Augenblick wurde ein Funkspruch gemeldet.
»Es ist Commander Ren Dhark«, vermeldete der diensthabende Funker. In diesem Fall war das Iggy Lory.
»Dann schalten Sie den Kanal frei, Mister Lory«, befahl Frederic Huxley.
Kurz darauf erschien das Gesicht von Ren Dhark in einer Projektion. Dhark sprach von der Zentrale der POINT OF aus, wie man am Hintergrund erkennen konnte.
»Guten Tag, Commander«, begrüßte Huxley den weißblonden Raumfahrer.
Dhark erwiderte den Gruß und kam dann sofort zur Sache: »Unsere Wissenschaftler sind sich einig: Die Verwerfungen werden sich ausbreiten, ganz egal, wie sich die fremde Sonne in Zukunft verhält. Selbst wenn sie plötzlich für immer verschwinden sollte, wofür es jetzt eigentlich keine Anzeichen gibt.«
»Wir konnten den Oumpf nicht helfen«, stellte Huxley fest, »aber möglicherweise können wir andere warnen, damit sie sich darauf einstellen.«
»Genau deswegen habe ich jetzt mit Ihnen Kontakt aufgenommen«, ließ Dhark ihn wissen.
»Sie denken an die Nogk, Commander.« Huxley hatte das nicht als Frage formuliert, sondern im Tonfall einer Feststellung.
»Sie nicht?«
»Wir sollten die Nogk umgehend warnen«, schlug Huxley vor. »Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Raumzeitverwerfungen das Corr-System erreichen und damit möglicherweise ihr Imperium bedrohen.«
»Unsere Astronomische Abteilung hat ausgerechnet, dass diese Effekte innerhalb von wenigen Monaten das Corr-System erreichen könnten. Sie breiten sich überlichtschnell aus.«
»Falls diese Berechnungen stimmen …«, wandte Huxley ein.
»Sagen Sie nur nicht, dass die Wissenschaftler an Bord der CHARR anders gerechnet haben!«
»Nein, das nicht, aber die Ausbreitung dieser Effekte ist doch genauso unberechenbar wie die Sprünge der mysteriösen Sonne. Und dass es sich wirklich um eine Sonne und nicht um irgendetwas anderes handelt, wissen wir inzwischen mit Sicherheit, auch wenn das so manchem nicht in den Kopf will.«
»Wir haben nach Spuren von Sprungtriebwerken gesucht und nichts gefunden«, rief Dhark ihm in Erinnerung. »Das ist nicht gleichbedeutend damit, dass dieses Objekt nicht doch irgendwie künstlich manipuliert wurde, auch wenn wir bis jetzt nichts anderes feststellen konnten als einen ganz normalen, sonnentypischen Heliumbrand.«
»Ich weiß«, erwiderte Huxley. In seiner Stimme klang fast so etwas wie Resignation mit. Die Forscherteams beider Raumschiffe hatten schließlich ihr Bestes gegeben, um herauszufinden, was die Hintergründe dieser unerklärlichen Phänomene waren. Viel Erfolg hatte sie bisher nicht gehabt. Das wenige, das sie herausgefunden hatten, warf mehr Fragen auf als zuvor.
»Ich denke, dass Sie es am besten übernehmen, mit den Nogk zu reden, oder?«, fragte Ren Dhark.
Huxley lächelte kurz. »Reden ist wohl nicht so ganz das richtige Wort, wenn man mit einem Nogk Kontakt aufnimmt.«
»Das stimmt wohl.«
»Erinnern Sie sich daran, dass Sie sich mal einen Diener zweier Herren genannt haben?«
»Weil Sie ehrenhalber Mitglied im Rat der Fünfhundert des Nogk-Imperiums sind?«
»Unter anderem.«
»Oder weil Sie ein Implantat tragen, mit dem Sie ohne Translator die halbtelepathischen Bildimpulse verstehen können, mit denen die Libellenköpfe sich verständigen?«
»Es war mehr oder weniger Zufall, dass ich damals mit der Besatzung meines Forschungsschiffs in ihr System gelangte und eine Freundschaft mit Charaua schließen konnte«, meinte Huxley. »Ich halte es auch nicht für ausgeschlossen, dass die Nogk uns helfen könnten, mehr über diese fremde Sonne herauszufinden.«
»Dann sollten wir keine Zeit verlieren«, fand Ren Dhark.
»Achtung!«, rief der Ortungsoffizier Jeff Perry. »Störung in der Schutzschirmintegrität. Stabilisatoren lassen sich nicht ansprechen. Gravitationswerte steigen ohne erkennbare Masse in der Nähe.«
Die Verbindung zur POINT OF brach ab. Im nächsten Moment durchzuckte die CHARR eine heftige Erschütterung.
*
Ein gewaltiger Gesteinsbrocken raste auf die CHARR zu. Aufgrund der eingeschalteten Allsichtsphäre sah es für die Anwesenden in der Zentrale so aus, als wäre nichts zwischen ihnen und diesem Brocken aus Fels und Eis, von denen es in diesem Sektor Abermillionen gab.
»Schutzschild ausgefallen. Es lässt sich nicht mehr aktivieren!«, meldete Maxwell, der Navigator.
»Uns bleibt nur eine Nottransition!«, rief Lee Prewitt.
»Nottransition!«, gab Huxley den entsprechenden Befehl, denn auf andere Weise war eine Kollision mit diesem Brocken nicht mehr zu verhindern.
»Keine Reaktion!«, stellte Maxwell entsetzt fest.
Dann kam es zum Zusammenprall. Der Brocken traf die vollkommen ungeschützte Außenhülle der CHARR. Das Ellipsoid-Raumschiff wurde erneut stark erschüttert. Der Felsbrocken schrammte an der Außenhülle entlang.
»Hart Backbord! Vollen Impulsschub!«, befahl Huxley.
»Triebwerk reagiert«, meldete Maxwell.
Die CHARR setzte sich in Bewegung. Es dauerte nicht lange, und der Raumer hatte sich von dem Brocken weit genug entfernt, sodass trotz dessen chaotisch taumelnder Flugbahn ein erneuter Kontakt ausgeschlossen war.
»Schadensbericht!«, verlangte Huxley.
»Ein paar Kratzer an der Außenhülle«, berichtete Prewitt, während er angestrengt auf die Anzeige seiner Konsole blickte. »Alle Systeme lassen sich wieder ansprechen. Die Störung scheint vorbei zu sein.«
Was zum Teufel ist es, was so empfindlich auf unsere Technik einwirkt?, ging es Huxley nicht zum ersten Mal durch den Kopf. Vielleicht kommt man über diesen Punkt der Antwort auf die Frage näher, was genau mit dieser fremden Sonne eigentlich nicht stimmt!
»Sir, sollen wir eine Probetransition durchführen?«, fragte Maxwell. »Ich meine, zur Systemüberprüfung.«
»Nein, das wird nicht nötig sein«, glaubte Huxley.
Die Störungen waren schließlich völlig unvorhersehbar. Dass sie in irgendeiner Weise mit den von der fremden Sonne ausgelösten Verwerfungen in Zusammenhang stehen mussten, lag auf der Hand.
Aber worin genau dieser Zusammenhang bestand, war nach wie vor ein ungelöstes Rätsel. Wenn man nun also das Transitionstriebwerk testete, garantierte das längst nicht, dass es beim erneuten Auftreten der Turbulenzen funktionieren würde.
Ein Funkspruch der POINT OF erreichte im nächsten Moment die CHARR.
»Die Kommunikation ist plötzlich abgebrochen«, erklärte Ren Dhark, »und wir hatten auf einmal keinen Kontakt mehr.«
»Wir haben hier mal wieder die Auswirkungen der Verwerfungen zu spüren bekommen«, antwortete Huxley. »Keine nennenswerten Schäden, aber zeitweiliges Systemversagen einiger Komponenten.«
»So etwas dachte ich mir schon«, sagte Dhark. »Wir haben auch etwas abbekommen. Aber das ist nicht der Rede wert. Freut mich, dass auf der CHARR soweit alles in Ordnung ist.«
»Das ist es«, bestätigte Huxley.
»Dann will ich Sie nicht länger aufhalten«, erwiderte Dhark, bevor die Verbindung beendet wurde.
Huxley wandte sich an Lory. »Stellen Sie eine To-Richtfunkverbindung ins Corr-System her«, wies er den Funker an. »Höchste Dringlichkeit. Ich möchte mit Charaua persönlich sprechen.«
»In Ordnung, Sir«, bestätigte Iggy Lory. Fast lautlos flogen seine Finger über das Eingabegerät seiner Konsole.
*
Wenig später stand die Funkverbindung zum etwa eintausend Lichtjahre entfernten Heimatsystem der Nogk. Selbstverständlich war Charaua, der Herrscher des Nogk-Imperiums, für seinen alten Freund Huxley immer persönlich zu sprechen.
»Meine Grüße an einen alten Freund«, sagte Huxley, nachdem die Projektion des Herrschers der Nogk erschienen war. Zwei Meter fünfzig maß ein normaler Nogk. Die Projektion war deutlich kleiner.
Charaua bewegte leicht seinen libellenartigen Kopf, während sein reptilienartiger Körper vollkommen ruhig verharrte. Huxley! Wie schön, dass wir voneinander hören!
»Leider habe ich beunruhigende Nachrichten. Unsere Positionsangaben werden mit diesem Funkspruch als Datenstrom übermittelt. Außerdem sämtliche Daten, die wir und die Besatzung der POINT OF zu dem Thema gesammelt und ausgewertet haben.«
Dann ist die POINT OF in der Nähe?
»Ja.«
Bitte richte Ren Dhark meine Grüße aus.
»Das werde ich tun.«
Die Freundschaft zwischen Menschen und Nogk wird niemals aufhören. Wann immer der eine die Hilfe des anderen braucht, werden beide füreinander da sein.
»Ja, Charaua.«
Der gemeinsame Kampf gegen die Grakos hat uns alle einst zusammengeschweißt. Gut, dass der Alte Feind besiegt ist und von ihm nie mehr eine Gefahr ausgeht …
Huxley kam schnell zur Sache: »Hier draußen ist eine Sonne aufgetaucht, die scheinbar willkürlich zu transitieren scheint.«
Eine Sonne, die transitiert? Charaua bewegte leicht die Fühler seines libellenartigen Kopfes. Ich werde mir das Datenmaterial auf jeden Fall sehr genau ansehen.
»Dieses Objekt springt tatsächlich durch den Hyperraum. Sowohl die Wissenschaftler der POINT OF als auch das Forscherteam der CHARR sind sich inzwischen einig. Zugegebenermaßen war es nicht leicht, das herauszufinden. Die angemessenen Gefügeerschütterungen sprechen aber eindeutig dafür.«
Ist diese Sonne denn wirklich nur eine Sonne?
»Abgesehen von der Tatsache, dass sie immer wieder transitiert und dann irgendwo anders auftaucht, sowie den furchtbaren Raumzeitverwerfungen und Gravitationseffekten, die von ihr ausgehen, handelt es sich wirklich um einen ganz normalen Stern vom Sol-Typ. Die Unterschiede sind minimal. Es handelt sich um einen großen Ball aus heißem Gas, in dem die Fusionsreaktion dafür sorgt, dass der Stern nicht unter seiner eigenen Schwerkraft kollabiert.«
Wurde nach Merkmalen von Transitionstriebwerken gesucht?, wollte Charaua wissen. Nach irgendwelchen höherdimensionalen Emissionen oder anderen typischen Anzeichen!
»Natürlich wurde danach gesucht. Sehr intensiv sogar«, erklärte Huxley.
Und es war nichts zu finden?
»Nichts, was für den Einsatz von Sprungtriebwerken typisch wäre. Es gab eine messbare Hyperraumkomponente bei den Raumzeitverwerfungen, die durch diese Sonne ausgelöst wurden, aber nicht bei der Sonne selbst.«
Auch nicht, wenn sie transitiert?
»Nein.«
Das ist eigenartig.
Nun kam etwas Bewegung in den bis dahin fast reglosen reptilienhaften Körper des Nogk. Was der Kommandant der CHARR ihm mitgeteilt hatte, schien ihn innerlich sehr aufzuwühlen.
Huxley bedauerte, ihm nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, denn dann hätte er über sein Implantat sehr viel direkter mit dem Herrscher der Nogk kommunizieren können. Über eine To-Richtfunkverbindung war das nicht so einfach möglich, aber Huxley konnte sich auch so ganz gut vorstellen, was in diesen Sekunden in Charaua vor sich ging.
»Die Effekte, die von diesem Sonnenobjekt, wie ich es mal neutral nennen möchte, ausgehen, werden sich ausbreiten und in ein paar Monaten Sonnensysteme am galaktischen Rand gefährden«, brachte Huxley die wichtigste Erkenntnis auf den Punkt. »Wir wurden hier bereits Zeuge ihrer Wirkungskraft, die eine wahre Tragödie nach sich zog.«
Was für eine Tragödie?, wollte Charaua wissen.
»Die fremde Sonne materialisierte im Heimatsystem der Oumpf.«
Wir kennen die Oumpf, erklärte Charaua. Der Kontakt war nicht besonders eng, aber …
»Die Oumpf-Zivilisation existiert nicht mehr«, offenbarte Huxley ihm. »Sie wurde vernichtet. Die fremde Sonne hat mit ihrer puren Schwerkraft dafür gesorgt, dass die Planetenbahnen durcheinandergerieten. Die Raumzeitverwerfungseffekte haben den Rest erledigt. Es war grausam, und wir konnten nichts tun. Ich glaube, ich brauche das nicht bis ins kleinste Detail zu schildern. Wir konnten den Oumpf leider nicht helfen, aber vielleicht anderen.«
Ich verstehe, erwiderte Charaua. Im libellenartigen Gesicht eines Nogk Emotionen lesen zu wollen, war natürlich für einen Menschen nicht möglich, doch Huxley kannte die Nogk und insbesondere ihren Herrscher Charaua so gut, dass er sich zutraute, die jeweilige emotionale Verfassung seines nicht menschlichen Gesprächspartners trotzdem zuverlässig zu erfassen.
Gibt es irgendwelche … Zeichen …? Die Frage des Nogk-Herrschers blieb unverständlich. Ob dies an den permanenten Schwierigkeiten des Translators lag, die telepathische Bildimpulssprache der Nogk angemessen zu übertragen, oder ob Charaua davor zurückschreckte, seine Furcht gedanklich zu manifestieren, und deswegen nichts in Worte übertragen werden konnte, blieb offen.
Huxley wusste jedoch auch so, worum es seinem Freund ging. »Nein, es gibt keine Anzeichen, dass es den Alten Feind der Nogk doch noch gibt.«
Gut.
»Aber ich gebe zu, dass ich auch zuallererst daran gedacht habe, denn dass diese Sonne manipuliert wurde, liegt mehr als nahe. Und es kommen nur wenige infrage, die dazu in der Lage wären.«
Es folgte eine Pause des Schweigens.
Dann hob Charaua den Kopf. Es war schwer, bei den Facettenaugen des libellenartigen Kopfs überhaupt eine Blickrichtung auszumachen, aber Huxley war in diesem Moment davon überzeugt, dass Charaua ihn direkt ansah.
Die Menschheit ist der wichtigste Verbündete der Nogk. Unsere Freundschaft hat überdauert und sich bewährt. Es ist so, wie es immer war: Gegenseitige Hilfeleistungen werden nicht verrechnet.
»So ist es«, bestätigte Huxley.
Ich werde eine Expedition ausrüsten und so schnell wie möglich am Ort des Geschehens sein, versprach Charaua.
*
»Das Monster verhält sich ruhig«, meldete Hen Falluta. Der Erste Offizier der POINT OF wandte sich an Ren Dhark. »Commander, es ist ein Monster! Es hat eine ganze Zivilisation vernichtet – wie ein torkelnder Riese, der durch eine Großstadt wankt und dem es dabei vollkommen gleichgültig ist, wie viele Menschen in den Gebäuden sterben, die er dabei ganz beiläufig zum Einsturz bringt.«
»Wir wissen nicht, um was es sich handelt«, entgegnete Ren Dhark ruhig, aber sehr ernst. »Und genau das ist ein Teil des Problems.« Sein Blick war auf die große Bildkugel in der Mitte der Zentrale gerichtet. Dort manifestierte sich eine Projektion der fremden Sonne, außerdem eine dreidimensionale, schematische Darstellung, aus der ihre Position im Verhältnis zu den Positionen der CHARR und der POINT OF erkennbar wurde.
Darüber hinaus war die Richtung angezeigt, in der sich der galaktische Rand befand. Das Objekt hatte innerhalb der letzten Stunden seine Position nicht mehr verändert, geschweige denn eine weitere Transition durchgeführt.
Hen Falluta hatte die Situation recht treffend auf den Punkt gebracht, fand Dhark. Das Monster legt anscheinend eine Ruhepause ein. Wollen wir hoffen, dass es nicht um die Ruhe vor dem nächsten Sturm handelt.Der letzte hat die Oumpf vernichtet und war schließlich furchtbar genug. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was geschieht, falls die Sonne erneut springt!
»Wir sollten nicht voreilig ausschließen, dass es sich doch um ein natürliches Phänomen handelt«, meinte Arc Doorn. »Die Tatsache, dass wir das Verhalten dieses Sonnenobjekts für absichtsvoll halten, sagt noch lange nichts darüber aus, dass es auch absichtsvoll ist.«
»Und welchen natürlichen Grund könnten Sie sich für eine Sonne vorstellen, in unregelmäßigen Zeitintervallen eine Hyperraumtransition durchzuführen?«, fragte Falluta mit leichtem Sarkasmus.
Arc Doorn zuckte mit den Schultern. Er wandte schließlich den Kopf in Fallutas Richtung. »Als ich einst zur Zeit Alexanders des Großen auf der Erde strandete, waren die ersten Menschen, mit denen ich in Kontakt kam, davon überzeugt, dass Donnerschläge und Blitze willentliche Äußerungen eines Gottes wären. Dabei hat es sich auch nur um natürliche Phänomene gehandelt, für die diese Menschen damals bloß noch keine Erklärung hatten.«
»Die Weisheit eines Außerirdischen, der auf die Erde geriet und die Menschheit seitdem beobachtet«, erwiderte Chris Shanton schmunzelnd.
»Schön und gut, aber was hat das mit diesem Sonnenobjekt zu tun?«, wollte Falluta wissen.
»Ich glaube, unser Arc wollte uns darauf hinweisen, dass Menschen die Angewohnheit haben, überall einen Sinn zu suchen«, erklärte Ren Dhark. »Und zwar auch dort, wo es eventuell gar keinen gibt. Etwa wenn ein paar Felsformationen auf dem Mars als Gesicht interpretiert werden, obwohl ganz sicher kein extraterrestrischer Bildhauer am Werk war, sondern nur die natürlichen Kräfte marsianischer Erosion.«
»Exakt«, stimmte Arc Doorn zu. »Und wenn ich das noch ergänzen darf: Die Eigenschaft, einen Sinn zu sehen, weil man sich nicht vorstellen will, dass es keinen gibt, ist keineswegs auf Menschen beschränkt. Für uns Worgun würde ich das auf jeden Fall ebenfalls behaupten wollen – und wahrscheinlich trifft es auf die meisten intelligenten Lebensformen zu.«
Chris Shanton lauschte grübelnd der Diskussion seiner Mitstreiter. Die Stirn des bärtigen Ingenieurs war dabei von immer tieferen Furchen durchzogen worden, während sein Roboterhund Jimmy neben seinem linken Bein Platz genommen hatte und ebenfalls aufmerksam zuhörte. Nun konnte Shanton nicht mehr länger an sich halten. »Wir haben doch wirklich lang und ausgiebig nach einer natürlichen Erklärung für das Phänomen gesucht«, ereiferte er sich. »Und? Was haben wir gefunden? Nichts! Es gibt unseren bisherigen Erkenntnissen nach keinen natürlichen Prozess, der eine Sonne zum Hyperraumhüpfer werden lässt!«
»Zumindest keinen, der uns bekannt ist, da stimme ich zu«, pflichtete Arc Doorn seinem Freund nickend bei. »Alles, wogegen ich mich wehre, ist doch nur, dass wir eine natürliche Erklärung vorschnell ausschließen. Was ist nicht alles als vermeintliches Anzeichen außerirdischen Lebens interpretiert worden! Regelmäßige Radioimpulse oder periodisch auftretende Gammastrahlenblitze, die sich nachher als völlig natürlich erklärbare Phänomene herausstellten …«
»… während ein echter Außerirdischer wie Arc Doorn jahrtausendelang auf der Erde unerkannt geblieben ist«, warf Amy Stewart ein, die sich in der bisherigen Diskussion zurückgehalten hatte.
»Ich setze große Hoffnungen auf die Hilfe der Nogk«, sagte Ren Dhark. »Ihre Meegs bringen hoffentlich ein paar neue Ideen ein, wie wir an das Problem herangehen können.«
Die Meegs waren die Wissenschaftlerkaste der Nogk, und deren Standard galt als sehr weit fortgeschritten. Auf manchen Gebieten stellten sie alles in den Schatten, was die Menschheit in dieser Hinsicht zustande gebracht hatte. Derzeit waren Meegs noch immer damit beschäftigt, einen neuen globalen Schutzschirm für die Erde zu installieren. Die Arbeiten daran standen kurz vor der Vollendung. Eigentlich hatte Dhark gehofft, an der Einweihungsfeier auf Terra teilnehmen zu können, doch im Moment sah es nicht danach aus. Die Sache mit der transitierenden Sonne würde nicht so schnell aufzuklären sein, wie dem Commander inzwischen mehr und mehr bewusst geworden war. Dieses Objekt einfach sich selbst zu überlassen, stand nicht zur Debatte. Dazu war es zu gefährlich, wie sich am Schicksal der Oumpf in grausamer Eindrücklichkeit gezeigt hatte.
*
Zwei Standardtage nach Erdzeit später meldete Ortungsoffizier Tino Grappa in der Zentrale der POINT OF das Eintreffen einer kleinen Flotte von Nogk-Schiffen in wenigen Lichtminuten Entfernung.
»Ich identifiziere die Signatur der TALKARN«, verkündete Grappa.
»Das Flaggschiff von Charaua«, murmelte Dhark.
»Auf gute Freunde kann man sich verlassen«, ergänzte Amy Stewart. Die Cyborg-Frau wandte ihr Gesicht in Dharks Richtung. »Wenn du ehrlich bist, musst du zugeben, dass wir in den letzten zwei Tagen kein Stück vorangekommen sind.«
»Ich weiß«, gestand Dhark zerknirscht, dann sagte er etwas lauter: »Funk-Z?«
»Ja, Commander?«, meldete sich der Funker.
»Öffnen Sie bitte eine Phase zur TALKARN, Mister Morris. Am besten in Konferenzschaltung mit der CHARR.«
»Jawohl, Sir«, bestätigte Morris.
Wenig später stand die Verbindung. In verschiedenen Teilbereichen der großen Bildkugel in der Mitte der Zentrale waren nun Frederic Huxley, der Kommandant der CHARR, sowie Charaua zu sehen.
»Ich wünschte, wir hätten uns unter glücklicheren Umständen wiedertreffen können«, begrüßte Ren Dhark den Herrscher der Nogk. »Trotzdem bin ich froh, dass unserer Bitte um Hilfe so schnell Folge geleistet wurde und wir offenbar mit der Unterstützung der Nogk rechnen können.«
Ich denke, wir können immer auf die gegenseitige Unterstützung vertrauen, bestätigte Charaua. Darüber hinaus erscheint mir das, was im Moment hier am galaktischen Rand der Milchstraße geschieht, ein sehr ernstes Problem zu sein. Zumindest ergab das die Auswertung der Daten, die uns unser Freund Huxley noch vor unserem Aufbruch zur Verfügung gestellt hat.
»Die Verwerfungen, die von der fremden Sonne ausgehen, werden sich ausbreiten«, stellte Dhark klar. »Das bedeutet, dass wir die Bewohner der nächstgelegenen Systeme warnen und unser Wissen mit den anderen galaktischen Völkern teilen müssen.«
Das sehe ich genauso, erklärte Charaua. Ich hatte eigentlich gehofft, bald auf Terra an der Einweihung des neuen Schutzschirms teilnehmen zu können, den unsere Meegs in diesem Augenblick installieren.
»Ein Symbol unserer Freundschaft«, sagte Dhark.
Charaua senkte etwas den libellenartigen Kopf. Seine Fühler bewegten sich leicht. So sehe ich das auch. Aber diese Angelegenheit hat hohe Dringlichkeit und erfordert meine Anwesenheit. Deshalb werde ich auf die Teilnahme an diesem Festakt leider verzichten müssen.
»Ich wäre ebenfalls unter anderen Umständen zur Einweihung des Schirms auf der Erde gewesen. Aber es stimmt: Diese Angelegenheit hat absolute Priorität.«
Es freut mich zu hören, dass wir uns in dieser Hinsicht so einig sind. Das Schicksal der friedlichen Oumpf bekümmert uns sehr. Wir standen in einem losen Kontakt zu ihrer Zivilisation.
»Unglücklicherweise muss ich gestehen, dass wir im Grunde noch keinen Schritt weitergekommen sind, so sehr wir uns auch bemüht haben«, gestand Dhark. »Wir können noch nicht einmal völlig ausschließen, dass es sich um ein natürliches Phänomen handelt, auch wenn das angesichts der bisherigen Ereignisse kaum plausibel erscheinen mag. Selbst ein erneutes Auftreten der sogenannten kosmischen Inflation wurde diskutiert, aber das würde zwar zu den ausgelösten Verwerfungseffekten, nicht aber zu einer transitierenden Sonne passen. Das Einzige, was wir wirklich mit Sicherheit sagen können, ist, dass es sich bei diesem Ding tatsächlich um eine Sonne vom Sol-Typ handelt, die durch den Hyperraum zu springen vermag.«
Ich verstehe …, signalisierte Charaua.
»Allerdings haben unsere Wissenschaftler keine Ahnung, was sie dazu bringt, sich so zu verhalten.«
Huxley ergriff nun ebenfalls das Wort und wandte sich direkt an Charaua: »Was mich interessieren würde, ist, was die Analyse der Daten ergeben hat, die von der CHARR aus übersandt wurden.«
Wir haben die bisherigen Daten sehr gründlich analysiert, erklärte der Nogk.
»Was ist mit dem Verdacht, dass das Verhalten dieser Sonne irgendetwas mit dem Alten Feind zu tun hat?«, kam Huxley nun auf den Punkt.
Meine Experten haben noch keine Indizien gefunden, die diesen Verdacht in irgendeiner Weise hätten bestätigen können, meinte Charaua.
»Abgesehen von der Tatsache, dass es um die Manipulation von Sonnen gehen könnte.«
Richtig. Aber dazu wären auch andere in der Lage – immer die entsprechenden Technologien vorausgesetzt. Wir sind bei unserer Analyse auch dem Verdacht nachgegangen, dass sich irgendwelche Spuren finden lassen, die auf die Verwendung eines Hyperraumantriebs hindeuten würden. Was diese Frage betrifft, haben wir leider nichts Neues hinzuzufügen und können die bisherigen Erkenntnisse nur noch einmal bestätigen. Es existiert nicht der kleinste Hinweis darauf, dass ein herkömmlicher Hyperraumantrieb verwendet wurde, wie wir ihn kennen.
»Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang einfach mal durchrechnen, wie viel Energie notwendig wäre, um ein Objekt von einer Sonnenmasse durch den Hyperraum zu schicken«, mischte sich jetzt Chris Shanton ein, der schon eine ganze Weile Schwierigkeiten zu haben schien, länger ruhig zu bleiben. »Bereits das Schicken einer Masse von der Größe der Erde durch den Hyperraum würde mit jedem uns bekannten Hyperraumantrieb so viel Energie verbrauchen, dass allein schon der Gedanke daran absurd ist.«
»Und trotzdem kommen wir an der Tatsache nicht vorbei, dass dieses Objekt mit Sicherheit durch den Hyperraum gesprungen ist – und zwar mehrfach«, beharrte Huxley auf seinem Standpunkt. »Da lassen unsere bisherigen Untersuchungsergebnisse nicht den Hauch eines Zweifels zu, auch wenn ich gerne zugebe, dass das allem zu widersprechen scheint, was irgendein naturwissenschaftlich Bewanderter dazu sagen würde.«
»Da reichen schon einfachste Kenntnisse in Mathematik und Physik, um das für absurd zu halten«, meinte Shanton.
»Aber wir haben erlebt, wie diese Sonne gesprungen ist«, entgegnete Huxley.
Möglicherweise suchen wir nicht das Richtige, meinte Charaua. Ein herkömmlicher Hyperraumantrieb, wie wir ihn kennen, wäre mit Sicherheit nicht stark genug, um eine Sonne zu transportieren. Trotzdem können wir nicht ausschließen, dass es anderen gelungen ist, einen Hyperraumantrieb zu entwickeln, der dazu in der Lage ist. Wir müssen auch damit rechnen, dass jemandem, der so einen Antrieb zu entwickeln vermag, eventuell auch Energiequellen zur Verfügung stehen, von denen wir nicht einmal etwas ahnen und die die notwendige Effizienz mitbringen.
»Es bleibt das Argument, dass auch ein höher entwickelter Antrieb mit irgendeiner für uns fantastisch anmutenden hypothetischen Energiequelle gewisse typische Spuren hinterlässt, die unsere Sensoren aufzeichnen müssten«, sagte Shanton. »Bisher haben wir davon aber nichts feststellen können. Gar nichts!«
»Und ein Antrieb, der diese typische Spuren nicht hinterlässt?«, fragte Dhark.
»… ist physikalisch schwer vorstellbar«, antwortete Shanton.
»Das ist eine Sonne, die spontan Hyperraumsprünge durchführt, allerdings auch«, gab Amy Stewart zu bedenken.
Charaua ergriff daraufhin wieder das Wort. Der Stand unserer Erkenntnis lässt sich also dahingehend zusammenfassen, dass wir einfach zu wenig wissen, um die Lage wirklich beurteilen zu können.
»Wir müssen näher ran, sonst können wir nicht an zusätzliche Daten kommen«, meinte Huxley.
Das dürfte nicht ungefährlich sein, gab Charaua zu bedenken. Das, was den Oumpf geschehen ist, kann jedem geschehen, der sich in die Nähe dieses Objekts begibt. Wir haben die Daten, die wir erhalten haben, auch auf diesen Aspekt hin gründlich analysiert. Selbst wenn sich die Oumpf-Zivilisation auf einem deutlich höheren technischen Stand befunden hätte, wäre es in Anbetracht der Umstände unmöglich gewesen, den verhängnisvollen Phänomenen zu entgehen.
»Wir werden ein gewisses Risiko eingehen müssen«, erklärte Dhark, »sonst treten wir auch weiterhin auf der Stelle. Ich schlage vor, dass sich die POINT OF ein ganzes Stück näher an die fremde Sonne heranwagt, während die anderen Einheiten einen größeren Abstand wahren. Zur Datengewinnung müsste es ausreichen, wenn wir nur ein Schiff in Gefahr bringen. Die POINT OF ist alles in allem am besten ausgerüstet, um der Gefahr zu trotzen.«
Einige Augenblicke herrschte Schweigen.
Ich wäre auch bereit, mit der TALKARN diesen Vorstoß zu wagen, offenbarte Charaua nach einer Weile.
»Nein. Es ist besser, die TALKARN bleibt zurück«, stellte Dhark klar. »Wir brauchen die wissenschaftliche Kapazität der Meegs für die Auswertung der eingehenden Daten.«
»Ich wünsche Ihnen viel Glück, Commander«, meinte Huxley schließlich.
Dasselbe gilt selbstverständlich für mich, Dhark, äußerte sich Charaua. Auf jeden Fall sollten wir eine dauerhafte Datenverbindung zwischen all unseren Schiffen herstellen.
Dhark nickte. »Das klingt nach einer guten Idee.«
*
Ren Dhark ließ Hen Falluta die POINT OF näher an die fremde Sonne heransteuern. Die CHARR und die Schiffe der Nogk verringerten ebenfalls die Distanz zu dem mysteriösen Objekt, blieben aber deutlich hinter der POINT OF zurück.
»Achtung! Planetesimal von Backbord«, rief Grappa. »Wir müssen ausweichen!«
»Gehe auf Ausweichkurs«, bestätigte Hen Falluta.
Planetesimale – das waren Protoplaneten, manchmal auch mehr oder minder zusammenhängende Geröllwolken, die erst angefangen hatten, unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenzuklumpen. Solche Objekte waren eigentlich typisch für Planetensysteme in ihrem Frühstadium. In diesem Fall handelte es sich jedoch um die Überreste des Oumpf-Systems. Das Auftauchen des mysteriösen Sonnenobjekts mit seinen Verwerfungen hatte das System mehr oder minder völlig zerfetzt. Planeten waren auseinandergerissen worden.
Unzählige planetare Trümmer torkelten nun durch das All – auf Bahnen, die aufgrund der Raumzeitverwerfungen und mysteriösen Gravitationslöcher kaum vorhersagbar waren. Es konnte immer sein, dass ein solches Objekt plötzlich in einen unerklärlichen Sog geriet und massiv beschleunigte, um dann zu einem gefährlichen Geschoss zu werden.
Genauso konnte es einem Raumschiff passieren, in einen derartigen Sog hineinzugeraten und auf einmal zum Spielball unberechenbarer Kräfte zu werden. Die freigesetzten Energien konnten die Bordsysteme der Raumschiffe stark belasten. Das machte diese Mission zu einem hochgefährlichen Unterfangen.
Die Projektion in der großen Bildkugel in der Mitte der Zentrale der POINT OF machte das mehr als deutlich. Die Positionen aller größeren Bruchstücke waren dort dargestellt, ebenso wie die gegenwärtigen Positionen der POINT OF, der CHARR sowie der Nogk-Flotte.
Die POINT OF wich einem herannahenden großen Brocken aus. Das doppelte Intervallfeld war eingeschaltet. Der Ringraumer befand sich dadurch eigentlich in einem separaten Kontinuum, das nicht mit der baryonischen Materie des Einsteinuniversums interagierte. Genau das machte ja das Durchdringen fester Materie möglich. Normalerweise.
Die hiesigen Energieausbrüche und -ströme hingegen wirkten dennoch auf das Intervallfeld, sodass die POINT OF nicht einfach ins Zentrum der hiesigen Ereignisse fliegen konnte.
»Wir werden hier erst einmal bleiben«, bestimmte Ren Dhark, während er die Anzeigen auf seiner Konsole verfolgte. »Die Instrumente der Ortungsabteilung erfassen hier einen Bereich, in dem ein unerklärlicher Sog auf die umliegenden Objekte ausgeübt wird.« Die entsprechende Zone wurde in der holografischen Darstellung des Weltraums in der großen Bildkugel markiert.
»Diese Zone scheint sich auszudehnen«, bestätigte Tino Grappa die Beobachtung des Commanders. »Wir sollten uns auf keinen Fall weiter annähern. Aufgrund des Sogs entwickelt sich in Kürze ein Wirbel aus Materiebrocken.«
»Eine Gefahr für uns?«, fragte Dhark.
»Ich denke nicht – vorausgesetzt, es passiert nichts mit dem Intervallum.«
»Der eigentlichen Sogzone sind wir ja erfolgreich ausgewichen«, meinte Hen Falluta.
»Die wäre uns auf jeden Fall gefährlich geworden«, erwiderte Arc Doorn.
»Ein Gravitationsloch, das es so eigentlich nicht geben dürfte«, murmelte Chris Shanton sehr nachdenklich. »Ganz ehrlich, ich will nicht behaupten, dass irgendjemand von unseren Forschern bislang wirklich verstanden hat, was diese Anomalien eigentlich sind!«
»Wir müssen Daten sammeln«, beharrte Arc Doorn. »Daten sammeln, und noch mal Daten sammeln. Dinge messen, die uns wichtig erscheinen und auf Auffälligkeiten achten, diese dann mathematisch miteinander in Beziehung setzen, um Korrelationen zu erkennen.«
»Der Checkmaster wird in nächster Zeit sicher ausgelastet sein«, vermutete Artus.
»Alles ist erklärbar«, behauptete Arc Doorn. »Und ich nehme an, dass die notwendigen Informationen direkt vor uns liegen und wir sie bloß nicht richtig zu interpretieren wissen.«
»Eine Nachricht von der CHARR«, vermeldete Morris. »Das Schiff wird seine gegenwärtige Position vorerst halten.«
»Gut«, antwortete Dhark.
»Und es gibt auch eine Nachricht von der TALKARN. Charaua möchte mit dem Transfer der bisherigen Analyseergebnisse beginnen, die die Meegs zusammengestellt haben. Er entschuldigt sich dafür, dass die Resultate bisher so mager sind.«
Dhark schmunzelte. »Entschuldigung angenommen.«
»Wird trotzdem interessant sein, sich genau anzusehen, wie die Meegs manche Dinge interpretieren«, fügte Chris Shanton hinzu. »Eine andere Perspektive auf dieselben Daten kann manchmal sehr erhellend sein.«
*
Ein Schwarm programmierter Drohnen wurde von der POINT OF ausgeschleust, um mehr Daten sammeln und die fremde Sonne noch besser beobachten zu können.
»Verbindung zur Datenübertragung ist eingerichtet«, meldete Glenn Morris. »Die Daten werden sofort auch an die CHARR und die Nogk-Schiffe weitergeleitet.«
In der großen Bildkugel war zu verfolgen, wie sich der Drohnenschwarm langsam ausbreitete, um sich der fremden Sonne zu nähern. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Verluste angezeigt wurden.
»Zone A der Gravitationswirbel hat gerade drei Drohnen geschluckt«, meldete Grappa.
»Ist die Ursache klar identifiziert?«, hakte Dhark nach.
»Leider nicht, Commander. Eine Drohne sendet einfach keine Daten mehr«, erklärte der Ortungsoffizier. »Die anderen beiden sind mehr oder weniger zerfetzt worden.«
»Die letzten Daten, die sie übertragen konnten, sollte man sich genauestens ansehen«, meinte Chris Shanton.
»Ich denke auch, dass die Anomalien der Schlüssel zum Verständnis des ganzen Phänomens sein könnten«, glaubte Arc Doorn. »Das hoffe ich zumindest.«
Ren Dhark betrachtete eine Weile die Positionsveränderungen der Drohnen. Die Verlustmeldungen hielten sich in Grenzen. Vermutlich würde letztlich ein nicht unerheblicher Teil des Drohnenschwarms doch nahe genug an die fremde Sonne herankommen, um vielleicht doch ein paar neue Erkenntnisse zu liefern.
»Jetzt werden wir wohl erst mal einfach abwarten müssen«, stellte Arc Doorn fest. »Die Verteilung der Drohnen wird sich eine Weile hinziehen.«
Dhark nickte. Er wandte sich an Falluta. »Sie übernehmen, Nummer Eins. Ich mache mal eine kurze Pause.«
»In Ordnung, Commander.«
»Falls es irgendetwas Neues gibt, will ich sofort unterrichtet werden.«
*
Wenig später verließ Dhark zusammen mit Amy Stewart die Zentrale der POINT OF.
Er unterdrückte ein Gähnen. Die letzten Tage hatten ihn stark gefordert.
»Es beunruhigt dich, dass wir noch immer im Dunkeln tappen, nicht wahr?«, fragte Amy Stewart.
Dhark nickte. »Da muss etwas sehr viel Größeres dahinterstecken. Sonnen transitieren nicht einfach. Wer dazu in der Lage ist, muss unvorstellbare Macht haben und ein technisches Wissen, von dem vermutlich selbst die Nogk nur träumen können.«
Sie gingen um die Ecke des Korridors, als ihnen der Flashpilot Pjetr Wonzeff entgegenkam. »Sir!«, grüßte dieser etwas verlegen.
Dhark hatte das Gefühl, dass Wonzeff irgendetwas von ihm wollte. Es ist kein Zufall, dass er hier auftaucht, ging es dem Commander der POINT OF durch den Kopf. Normalerweise hat jemand wie Mister Wonzeff in diesem Bereich des Schiffs gar nichts zu tun. Könnte es sein, dass er mich abgepasst hat?
Dhark blieb stehen.
»Commander, wenn ich Sie kurz mal ansprechen dürfte«, rückte der Pilot schließlich mit der Sprache heraus.
»Natürlich, kein Problem!«
»Es geht doch immer noch darum, dass wir einfach nicht nahe genug an dieses Höllending herankommen, um mehr darüber zu erfahren.«
»Höllending – das ist treffend formuliert, Pjetr«, erwiderte Dhark. »Heiß ist es dort jedenfalls. Heiß wie in der Hölle oder in jeder normalen Sonne vom Sol-Typ auch.«
»Ja, nur dass mit dieser ja irgendwas nicht stimmt, wie wir inzwischen alle wissen.«
»So ist es.«
»Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten, wie wir vielleicht weiterkommen könnten.«
Dhark blickte ihn überrascht an. »Bitte, ich bin ganz Ohr.«
»Danke, Ren.« Wonzeff atmete tief durch. »Ich möchte Ihnen anbieten, mit einem Flash Kurs auf die fremde Sonne zu nehmen. Sie wissen, dass ich ein sehr guter Pilot bin und mich so schnell nichts aus der Bahn wirft.«
»Im wahrsten des Wortes!«
»Ich könnte versuchen, noch näher an dieses Höllending heranzukommen, als irgendeine Drohne das schaffen würde!«
»Pjetr, ich weiß Ihren Einsatzwillen zu würdigen …«, begann Dhark.
Wonzeff hob die Hände. »Lehnen Sie meinen Vorschlag bitte nicht vorschnell ab, Commander! Ich habe mir die Daten zu den bisherigen Verwerfungen, Gravitationslöchern sowie deren Auswirkungen angesehen und gründlich analysiert. Natürlich nicht wie ein Physiker, sondern als Pilot. Mit meiner Erfahrung traue ich mir durchaus zu, den Turbulenzen weitestgehend auszuweichen.«