Rescue me now - T. K. Mitchell - E-Book

Rescue me now E-Book

T. K. Mitchell

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Beschreibung

Sarah Parker hat kaum das traumatische Erlebnis ihrer Entführung verarbeitet, als sie bei der Vorführung einer neuartigen Drohne wieder in die Gefangenschaft von Fremden gerät. Zeitgleich bringt man die technische Errungenschaft in seinen Besitz. Sobald sie dieses Martyrium hinter sich gebracht hat, von dem sie gehörige Erinnerungslücken zurückbehält, wird sie schon durch halb Westeuropa gejagt, wo General Atomics, ihr Arbeitgeber, sie zu Verkaufsgesprächen hin gesandt hat. Obwohl es Drohbriefe gegen die Firma gibt, möchte man den Verkauf vorantreiben. Einziger Trost für Sarah, man hat ihr zwei Sicherheitsleute von B.S.G. zur Seite gestellt. Cage und Lance versuchen ihr Möglichstes, sie vor Schaden zu bewahren. Doch wer steckt hinter diesen neuen Angriffen? Wird es Lance gelingen, sie in Sicherheit zu bringen? Wie lange wird er sich gefühlsmäßig von ihr fernhalten können, während sein Beschützerinstinkt auf Hochtouren läuft?

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Buch

Sarah Parker hat kaum das traumatische Erlebnis ihrer Entführung verarbeitet, als sie bei der Vorführung einer neuartigen Drohne wieder in die Gefangenschaft von Fremden gerät. Zeitgleich bringt man die technische Errungenschaft in seinen Besitz.

Sobald sie dieses Martyrium hinter sich gebracht hat, von dem sie gehörige Erinnerungslücken zurückbehält, wird sie schon durch halb Westeuropa gejagt, wo General Atomics, ihr Arbeitgeber, sie zu Verkaufsgesprächen hin gesandt hat.

Obwohl es Drohbriefe gegen die Firma gibt, möchte man den Verkauf vorantreiben. Einziger Trost für Sarah, man hat ihr zwei Sicherheitsleute von B.S.G. zur Seite gestellt.

Cage und Lance versuchen ihr Möglichstes, sie vor Schaden zu bewahren.

Doch wer steckt hinter diesen neuen Angriffen?

Wird es Lance gelingen, sie in Sicherheit zu bringen?

Wie lange wird er sich gefühlsmäßig von ihr fernhalten können, während sein Beschützerinstinkt auf Hochtouren läuft?

ANMERKUNG DER AUTORIN

Dies ist ein Roman.

Eine fiktive Geschichte.

Ein leichter Thriller mit einer guten Prise Romantik.

Ihr mögt eine fesselnde, rasante Geschichte,

Gegenspieler, die es in sich haben,

Protagonisten, die sich langsam näherkommen und die eine oder andere explizite Szene?

Dann seid ihr hier genau richtig.

Ich wünsche euch eine tolle Zeit in meiner Welt!

Um ein optimales Lesevergnügen zu erhalten, ist es empfehlenswert, die Bücher nach der Reihe zu lesen.

Sämtliche Figuren sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Firmen sind trotz sorgfältiger Recherche reiner Zufall und nicht beabsichtigt.

Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig digital ohne ausdrückliche Genehmigung der Autorin/ des Verlages vervielfältigt oder weitergegeben werden.

Die Ausnahme hiervon ist im Rahmen einer Rezension.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Epilog

WIDMUNG

Dieses Buch möchte ich all jenen widmen, die bereits Situationen durchstehen mussten, die ihre Weltanschauung deutlich erschüttert haben.

Großartig, dass ihr nicht aufgebt!

PROLOG

Mai

Im Denver Health Medical Center herrschte reges Treiben. Zwei Detectives des Denver Police Department standen vor dem Krankenzimmer von Sarah Parker und besprachen mit Lance Thompson, ob sie bereits in der Verfassung war, verhört zu werden. Er bat sie, kurz zu warten und ging zurück in ihr Zimmer. Lance war Mitarbeiter bei B.S.G. (Blackwell Security Group), einer Sicherheitsfirma, die sich Rang und Namen erarbeitet und einen Großteil dazu beigetragen hatte, für den angehenden Gouverneur Larry Baxton III einen Haftbefehl erteilen zu lassen. Das war mitunter Folge dessen, was Sarah zugestoßen war.

„Sarah, wie geht’s dir?“ Lance saß neben ihrem Bett in einem bequemen Besucherstuhl und hatte bemerkt, dass sie wach war. Sie war tagsüber immer wieder eingenickt, doch die letzten zwei Stunden hatte sie am Stück geschlafen.

„Lance, du bist immer noch hier?“ Sie schaffte es zu lächeln. „Ich fühle mich zumindest wieder wach.“

„Klar, bin ich noch hier. Solange nicht alles geklärt ist, hast du mich an der Backe. Vor der Tür warten zwei Detectives, die im Auftrag des Generalstaatsanwalts hier sind. Sie müssen deine Aussage aufnehmen, sobald du dich dazu in der Lage fühlst. Meinst du, du schaffst das?“ Er versuchte ihren Gesichtsausdruck zu lesen, doch er war sich nicht sicher, was er genau sah. Eine Mischung aus Erniedrigung und Erschöpfung vermutlich.

„Ich denke, das geht. Kannst du sie reinholen?“

„Klar, ich warte dann so lange draußen.“ Er wollte eben aufstehen, als sie seine Hand ergriff. Lance hatte etwas unheimlich Beruhigendes, das Sarah Kraft gab und sie erdete.

„Kannst du bleiben? Natürlich nur, wenn es okay für dich ist, das mitanzuhören.“ Er nickte und streichelte sanft über ihre Finger, bevor sie ihre Hand wieder von seiner löste.

Die beiden Polizisten waren äußerst höflich und versuchten die Befragung so kurz und schmerzlos wie möglich durchzuführen. Der Generalstaatsanwalt Jason Bancroft hatte bereits eine große Menge an Videomaterial gesichtet, auch der Fluchtversuch von Sarah und die darauffolgenden Misshandlungen waren darauf teilweise sichtbar und diese Information war auch schon zur Polizei vorgedrungen. Daher schien ihre Aussage reine Formalität. Doch die Ausführungen, wie Sarah gegen die Eingangstür ihrer Freundin gestoßen worden war, daraufhin ohnmächtig wurde, wie brutal der Entführer mit ihr umgesprungen war, als sie sich durch einen Trick befreien konnte und einen Fluchtversuch wagte, ließen Lance‘ Blut kochen.

Seine Zähne knirschten durch das Zusammenpressen seines Kiefers, während Sarah das Erlebte wiedergab. Erinnerungen, die sie an ihre Entführung und die Zeit im Kellergewölbe hatte. Immer wieder sah sie unsicher zu Lance, der ihr versuchte, mit seinem Blick Zuversicht und Stärke zu übermitteln. Schlussendlich wünschte er sich, dass jemand von ihnen Marc Benson, den Entführer, beim Eindringen in den Raum, wo er Sarah gefangen hielt, für immer ausgeschaltet hätte.

Sarahs Blick war leer, als die beiden Detectives ihr Zimmer verließen. Lance setzte sich auf ihre Bettkante und nahm ihre Hand. Ihre Augen folgten seiner Berührung und ließen ihren Blick zu seinem hinauf wandern.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Es kam nicht oft vor, dass Lance sprachlos war. Doch nach der Schilderung dessen, was Sarah passiert war und was sie über die Frauen mitbekommen hatte, die dort ebenfalls gefangen waren, war er es.

„Du musst nichts sagen. Danke, dass du hiergeblieben bist. Es hat mir geholfen, darüber zu sprechen.“ Sie ließ ihren Blick wieder in die Ferne schweifen. Sarah konnte seine Reaktion absolut nachvollziehen. Wer wollte schon jemandem nah sein, der so etwas erlebt hatte?

Wie gerne hätte er ihr die Last der Erinnerung abgenommen, doch er wusste, er musste sich von ihr fernhalten. Diese Frau wäre sein Verderben. Er hatte jetzt bereits das Gefühl, dass sie ihm zu nahestand. Doch solange sie in Gefahr war, würde er sie nicht allein lassen. Er nahm seinen Job ernst.

In den frühen Morgenstunden war es noch ruhig auf der Station. Sarah lag in ihrem Krankenbett und schlief nun seit wenigen Stunden einen durch die Medikamente bedingten tiefen, traumlosen Schlaf. Lance war seit ihrer Befreiung nur kurze Zeit von ihrer Seite gewichen, um zu Hause zu duschen und sich frisch zu machen. In dieser Zeit hatte sein Kollege Cage Ford die Obhut über Sarah übernommen. Bis Baxton verhaftet worden war, hatte immer noch die Gefahr bestanden, dass ihr etwas zustoßen könnte.

Als er sie jetzt beobachtete, konnte er nicht umhin, ihr graziles Wesen zu bewundern. Einzig die hellen Strähnen ihrer Haare täuschten über das Schneewittchen-artige, blasse Aussehen hinweg. Doch die Stärke, die ihr innewohnte, die er in den vergangenen Stunden erleben durfte, war das, was ihn anzog, wie die Motte das Licht.

Lance wusste, dass er sich schon bald von ihr zurückziehen musste, um nicht in Versuchung zu kommen. Mehr mit ihr anzufangen als ungezwungene Freundschaft, wäre ein Fehler. In seinem Beruf war das verdammt wichtig. Als ausgebildeter Marine und ehemaliger Navy S.E.A.L. wusste er um den Schmerz, der durch den Verlust von Menschenleben verursacht wurde. Die Abkürzung S.E.A.L. kommt vom Einsatzbereich der Mannschaft – nämlich „Sea, Air, Land“. Nach seiner kurzen Einsatzzeit bei den S.E.A.L.s, die ihm die Abgründe der Menschheit aufzeigte, schwor er sich, keine große zwischenmenschliche Nähe mehr zuzulassen. Das war auch der Grund, warum er das S.E.A.L. Team verlassen hatte und kurz darauf das Angebot von B.S.G. annahm.

Sarah bewegte sich unruhig, er griff automatisch ihre Hand und bewegte seinen Daumen in kleinen Kreisen auf ihrem Handrücken. Dies schien sie augenblicklich zu beruhigen und verhalf ihm selbst, sich wieder zu erden und die Gedanken an die Vergangenheit wieder auszublenden. Als ihre Augenlider zu flattern begannen, beugte er sich über sie und flüsterte ihr beruhigend zu, dass sie in Sicherheit war und alles in Ordnung sei. Einen Atemzug später öffneten sich ihre Augen und strahlten ihn an.

„Guten Morgen, Schönheit, wie fühlst du dich heute?“, die flirtenden Worte waren raus, bevor er noch darüber nachdenken konnte. Doch das Lächeln, das sich auf ihren Lippen abzeichnete, gab ihm recht.

„Besser, danke. Aber was tust du hier? Ich meine, versteh mich nicht falsch, es ist schön, mich sicher zu fühlen, mit dir an meiner Seite … aber solltest du nicht auch mal nach Hause und dich ausschlafen?“

„Keine Sorge, ich bin daran gewöhnt, mit ein bis zwei Stunden Schlaf auszukommen. Ich konnte mich in diesem bequemen Sitz gut ausruhen.“

Die weitere Unterhaltung wurde vom Eintreten eines Mannes unterbrochen, der mit einem Blumenstrauß in der Hand scharf die Luft einzog, bevor er sich auf Sarah zubewegte. Ihr überraschter Blick zeigte, dass sie nicht mit seinem Erscheinen gerechnet hatte.

„Trevor, hi, was machst du hier?“

„Baby, was denkst du denn, wenn du im Krankenhaus liegst? Ich musste dich einfach sehen.“ Er küsste sie auf die Stirn und legte die Blumen auf den kleinen Nachttisch neben ihrem Krankenbett. Das war Lance’ Stichwort, sich zurückzuziehen. Er konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn Männer sich kein besseres Kosewort als „Baby“ einfallen ließen. Glücklicherweise sollte es das letzte Aufeinandertreffen mit Sarahs Freund sein.

„Sarah, ich mache mich mal auf den Weg. Cage wird in ein paar Stunden wieder vorbeisehen. Wenn etwas ist, kannst du uns jederzeit erreichen.“ Er drückte noch einmal ihre Hand, die er in seiner hielt und verließ das Krankenhaus, ohne sich nochmals umzusehen.

KAPITEL 1

Oktober

Sarah stand schon seit den frühen Morgenstunden unter Strom. Sie hatte schlecht geschlafen, wie jedes Mal, wenn die Vorführung einer neuen Drohne bevorstand. Wie gerne hätte sie den Tag einfach genossen. Doch es stand, wie immer, viel auf dem Spiel. Die neueste Drohne, die General Atomics gebaut hatte, sollte heute auf dem Testgelände einer Gruppe potenzieller Käufer vorgeführt werden. Die ersten Testreihen waren vielversprechend gewesen und das Militär war bereits interessiert.

Sarah arbeitete seit ihrem Schulabschluss am M.I.T. – dem Massachusetts Institute of Technology - für General Atomics. Im Gegensatz zu ihrer besten Freundin Meghan, die nach ihrem Abschluss in der Computerbranche geblieben war, war die Rüstungsindustrie immer einen Tick interessanter für sie selbst. In ihrer Familie waren Waffen ständig präsent. Ihr Vater war Ausbilder in der Army gewesen, ihr Großvater ein begeisterter Jäger und ihr Bruder war ein Navy S.E.A.L., was ihm sein Vater anfangs gar nicht verzeihen wollte. Army und Navy waren schließlich im ständigen Konkurrenzkampf. Sarah jedoch war nicht mal ansatzweise auf die Idee gekommen zu den Streitkräften zu gehen, da sie zu zart und grazil war. Nicht, dass sie nicht einstecken konnte, doch sie war gerade mal knapp über einen Meter sechzig groß, wog etwa fünfzig Kilogramm und hatte eher den Körperbau einer Ballerina. Doch was ihr an Körpergröße fehlte, macht sie mit Wissen, Durchhaltevermögen und Charme wett.

Das Testgelände befand sich in der Nähe von Fort Morgan, etwa anderthalb Stunden Autofahrt entfernt von Denver, weshalb Sarah bereits seit fünf Uhr morgens wach war. Seit acht Uhr war sie nun auf dem Gelände und überprüfte sämtliche Details erneut, um einen störungsfreien Ablauf der Vorführung zu gewährleisten. Sie selbst war an der Entwicklung erheblich beteiligt gewesen und hatte neue Steuercodes und Programmierungen eingesetzt, die sie mit ihrem Team entwickelt hatte. Die Drohne würde somit um ein Wesentliches besser gegen Hackerangriffe geschützt sein, was mitunter ein großes Marketingargument war.

Die Sonne hatte immer noch Kraft und strahlte mit dem blauen Himmel über dem trockenen Gelände um die Wette. Es schien, als wären ihr die Götter wohl gesinnt.

Thomas Mabrouk, Sarahs Partner in dieser speziellen Entwicklung, betrachtete sie eingehend. Er wusste, dass sie an Präsentationstagen immer etwas nervös war und versuchte sie zu beruhigen. Schließlich hatten sie erst vor wenigen Tagen eine Präsentation hinter sich gebracht, die grandios verlaufen war. Sie hatten noch etwa zwanzig Minuten, bevor die Interessenten ankommen würden. Tom, wie er von Sarah genannt wurde, ging zu seinem SUV und holte aus der Kühltasche im Heck des Wagens zwei Eiskaffee, die er vorsorglich bei Starbucks geholt hatte. Er kannte Sarah lange genug, um zu wissen, dass sie ihren Kaffee Latte mit einem Schuss Haselnuss-Creamer mochte. Dieses Getränk brachte sie immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn sie sich mal wieder selbst zu Höchstleistungen antrieb.

„Hier, setz dich mal ein paar Minuten, atme tief durch und genieß deinen Kaffee, bevor es losgeht.“ Er drückte Sarah den Becher in die Hand und zwang sie, sich auf einen der Besucherstühle fallen zu lassen.

„Danke. Du kennst mich einfach zu gut.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Schließlich hatten sie einige Hundert Stunden gemeinsam an diesem Projekt gearbeitet und die Eigenheiten des anderen dadurch kennen und akzeptieren gelernt.

Schluckweise trank sie die süße Köstlichkeit und ging gedanklich noch einmal den Ablauf der Vorführung durch. Da es bereits die dritte Vorführung dieser Art innerhalb kurzer Zeit war, waren die Sicherheitsvorkehrungen auf ein normales Maß herabgestuft worden. Außer den gesamt vier Mitarbeitern ihrer Firma, war noch eine Sicherheitswache an der Zufahrt des Geländes und ein Wachposten an der Tribüne vor Ort. Die Nähe zum Fort machte eine weitere Sicherheitsüberwachung, nach Meinung ihrer Firma, überflüssig.

Fünfzehn Minuten später begrüßten Tom und sie die mehrköpfige Delegation um den englischen Großindustriellen Douglas Delaney, sowie ihn selbst. Delaney war einer der jüngsten Multimilliardäre Europas, der sein Geld mit dem Coaching großer Import-Export Firmen und vieler, sich daraus ergebender Nebenbeigeschäfte verdient hatte, wie sie von offizieller Seite erfahren hatte. Durch seine Größe, Statur und etwas dunklerer Hautfarbe, erweckte er den Eindruck südländischer Abstammung. Seine Gesichtszüge waren markant, beinahe kantig und schienen absolut symmetrisch. Sein dunkelblondes Haar fiel ihm lässig in die Stirn und seine blauen Augen funkelten Sarah interessiert an, während sie die einleitenden Worte zur Präsentation hielt.

Tom übernahm die Vorführung, nachdem Sarah geendet hatte und zeigte die Vorzüge der neuesten Errungenschaft der Predator Master Serie von General Atomics, der PM1, die etwa fünfundzwanzig Minuten dauerte. Danach wurde mit einem Glas Sekt auf die perfekte Präsentation angestoßen und man stellte sich zusammen, um noch die eine oder andere Frage zu erläutern. Alles in allem war es hervorragend gelaufen. Sarah wollte sich eben zurückziehen, als sie Schüsse hörte und sich zwei Pick-ups mit hoher Geschwindigkeit der Tribüne näherten. Der einzige Gedanke, der Sarah in diesem Moment kam, war: Verdammt! Nicht schon wieder! Es war gerade mal fünf Monate her, seit ihrer Entführung durch einen Security-Mitarbeiter im Haus ihrer besten Freundin. Manchmal wachte sie nachts immer noch schweißgebadet auf und es lag die Vermutung nahe, dass sie sich in Kürze wieder in einer ähnlichen Situation befinden würde.

Zehn bewaffnete Männer stürmten die Tribüne und entwaffneten den einzigen Wachposten, der in der kurzen Zeit dazwischen noch einen Hilferuf absetzten konnte. Dennoch würde die Zeit nicht reichen, dass sie rechtzeitig militärische Unterstützung erhielten. Die Gesichter der Angreifer waren von Sturmhauben bedeckt. Da die Mitarbeiter von General Atomics und die Interessenten nicht bewaffnet waren, wurden sie kurzerhand gefesselt und in kleine Gruppen aufgeteilt. Sarah wollte nicht glauben, dass es ihr so kurz hintereinander passierte, wieder als Geisel genommen zu werden. Sie selbst und die Mitarbeiter wurden in die beiden Pick-ups verfrachtet und weggebracht, während zwei der Angreifer die restlichen verbliebenen Personen, Delaney und seine Crew, auf der Tribüne an ihre Sitze fesselten. Auf dem Weg aus dem Testgelände, begegnete ihnen ein schwarzer Van, vermutlich um die beiden verbliebenen Angreifer abzuholen, möglicherweise sogar noch die anderen Personen. Kaum hatten sie das Gelände verlassen, spürte Sarah einen leichten Stich in den Hals und schon wurde die Welt um sie dunkel.

Lance saß in seinem Gartenstuhl, mit einer Flasche Bier in der Hand und genoss die Sonne, die mittags, auch im Oktober noch, zum draußen verweilen einlud. Seit ihrem großen Einsatz gegen Larry Baxton III, waren er, seine Vorgesetzten Tyler Logan und John Blackwell, sowie die Männer, die an der Ergreifung beteiligt gewesen waren, ein eingeschworenes Team. Sein mittlerweile bester Freund Cage Ford war leider an dem Tag verhindert und fehlte in der heutigen kleineren Runde.

Beinahe ein halbes Jahr war vergangen, seit sie Baxton aus dem Verkehr gezogen hatten, nachdem er sich als Drahtzieher hinter einigen dubiosen Geschäften hin zu Mordanschlägen herauskristallisiert hatte. Lance war nun seit über drei Jahren bei B.S.G. angestellt. Die Firma, die Tyler und John zu gleichen Teilen gehörte. Persönlich waren sie gefühlt immer mit dabei, wobei John weitgehend die Repräsentation der Firma übernahm, während Tyler die Sicherheitskonzepte oder auch Schlachtpläne entwarf und sich großteils mit dem Team ins Getümmel stürzte.

Soeben saßen sie zusammen im Garten seines Einfamilienhauses am Rande von Denver, unterhielten sich über die bevorstehenden Wahlen und aßen Gegrilltes. Auch die Frauen der beiden waren heute mit dabei. Meghan Reynolds war seit dem Einsatz gegen Baxton mit Tyler zusammen und Mandy war mit John seit einigen Jahren verheiratet. Sie glichen untereinander mehr einer Familie als engen Freunden, die sie auch für ihn mittlerweile waren. Meghans beste Freundin Sarah war ihm während ihres Krankenhausaufenthaltes nach der Rettung aus ihrer Gefangenschaft ans Herz gewachsen. Dennoch versuchte er sich auf Gefühlsebene weitestgehend von ihr fernzuhalten, vor allem da sich zwischen ihr, ihm und Cage eine solide Freundschaft entwickelt hatte. Deshalb war er beinahe froh, dass sie heute nicht mit anwesend war. Meghan meinte, Sarah hätte geschäftlich außerhalb von Denver zu tun.

Sie war froh, dass Sarah so gut in ihren Job zurückgefunden hatte, obwohl sie Entführung und darauffolgende Gefangenschaft psychisch sehr mitgenommen hatten, wie sie ihr anvertraute.

Ihre Unterhaltung wurde jäh vom Läuten der Mobiltelefone unterbrochen, die John und Tyler gleichzeitig zogen. Ein Blick in ihre Mienen verriet nichts Gutes.

„Es gab einen bewaffneten Überfall am Testgelände bei Fort Morgan. Die Army hat General Atomics darüber informiert, dass die vor Ort befindlichen Mitarbeiter entführt wurden und die präsentierte Testdrohne ebenfalls verschwunden ist. Die zwei Army-Mitarbeiter, die am Stützpunkt waren, wurden mit Betäubungspistolen angeschossen und so außer Gefecht gesetzt. Man konnte sie eben erst befragen. Wir sollen unterstützend ermitteln.“ John atmete tief durch, bevor er weitersprach. „Sarah ist eine der Mitarbeiter, die vor Ort waren.“

Als sie am Firmensitz von B.S.G. eintrafen, war Lance überrascht, seinen alten Freund Kirk Parker zu sehen. Sie waren zusammen in der Ausbildung bei der Navy gewesen, hatten sich aber ein wenig aus den Augen verloren, da sie unterschiedlichen S.E.A.L. Teams zugeteilt wurden. Kirk war immer noch im aktiven Dienst.

„Hi, schön dich zu sehen. Was gibt’s?“ Lance streckte ihm die Hand entgegen, zog ihn in eine kurze männliche Umarmung und klopfte ihm auf die Schulter.

„Ich weiß, dass ihr euch mit dem Vorfall der Vorführung von General Atomics auf dem Testgelände befasst. Ich habe persönliches Interesse daran, dass die Entführungsopfer schnell gefunden und die Beteiligten zur Rechenschaft gezogen werden. Ich stehe euch zur Verfügung, wenn ihr mich benötigt.“

„Welches persönliche Interesse? Woher weißt du davon? Wir haben es selbst gerade erst erfahren …“

„Mein Dad hat mich informiert. Er ist seit letztem Jahr beratender Gesellschafter der Geschäftsführung bei General Atomics und hat mich gleich angerufen, als er das gehört hat. Von ihm weiß ich auch, dass ihr hinzugezogen wurdet.“

„Ich muss gestehen, ich habe mir die Firmenstruktur von General Atomics noch nie genau angesehen. Ich hatte keine Ahnung, dass dein Vater im Vorstand ist.“

„Kann ich nachvollziehen. Die Geschäftsführungsebene ist auch sehr undurchsichtig, um das mal charmant auszudrücken. Meine Mom ist ebenfalls im Vorstand. Neben meinen Eltern gibt es noch ein paar Gesellschafter, die aber nie vor Ort sind.“

„Verstehe.“

„Ja, und mit Sarah ist es schon beinahe familienlastig, wobei sie am längsten dabei ist.“

Erst jetzt konnte Lance die Verbindung herstellen. Kirk Parker und Sarah Parker waren Geschwister. Natürlich hatte Kirk in der Ausbildung immer wieder von seiner Schwester erzählt, doch die Fotos, die er ihm vor Jahren von ihr gezeigt hatte, reichten bei Weitem nicht an die hübsche Frau heran, die sie inzwischen geworden war. Da er jedoch versucht hatte, sich in den vergangenen Monaten nicht allzu sehr auf Sarah einzulassen, hatte er auch noch nicht viel über sie erfahren.

„Na schön, komm mit in den Konferenzraum. Lass uns alle Informationen zusammentragen und dann sehen, was wir haben.“

Tyler und John hatten sich bereits im großen Konferenzraum eingerichtet. Auch Tracy Cross war vor Ort und ihre Finger flogen, wie üblich, über die Tastatur. Sie war der IT-Nerd der Firma, zierlich, aber zielstrebig und der Knaller, wenn es darum ging etwas im Netz auszuheben. Mittels Video-Liveschaltung war bereits Colonel Baker aus Fort Morgan zugeschaltet, dem das Testgelände unterstand. Man unterhielt sich kurz und er spielte ihnen das gewünschte Videomaterial ein, das den Vorfall zeigte.

Da General Atomics an diesem Tag eine Vorführung an Zivilpersonen durchgeführt hatte, war die Zuständigkeit der Behörden gelinde gesagt fragwürdig. Wegen des Ansehens von B.S.G. und ihren Verbindungen sowohl zum Militär als auch in die Politik, hatte sich Colonel Baker bereit erklärt, ihnen vorerst die Ermittlungen zu überlassen. Vor allem, da seine Mitarbeiter zwar verletzt wurden, aber bereits wieder ansprechbar waren. Die Army hatte genug damit zu tun, das Gelände abzuriegeln, mit der Presse zu sprechen und die Koordination zwischen den Behörden und General Atomics zu übernehmen.

Das Videomaterial an sich war nicht berauschend und gab auch nicht sehr viele Details preis. Dennoch setzte sich Tracy sofort daran, die Leute zu identifizieren, die der Vorführung beiwohnten. Als die Stelle kam, an der sich die Pick-ups näherten, konnte man das einheitliche geräuschvolle Luftholen wahrnehmen. Stumm verfolgten sie die wenigen Minuten, bis alles vorbei war und sich auch der nachträglich eingetroffene Van vom Gelände davon machte.

Sarah war übel. Ihr Magen rebellierte gegen die Substanz, die ihr verabreicht worden war. Ihr Kopf fühlte sich schwammig an, sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Es war dunkel und roch muffig. Ihre Hände und Beine waren an einen Stuhl gefesselt. Verdammt! Doch, schon wieder!

Sie versuchte sich zu konzentrieren, doch es wollte ihr nicht gelingen. Vor dem Raum, in dem sie sich befand, hörte sie Stimmen. Allerdings konnte sie nicht verstehen, was besprochen wurde. Sie war sich nicht mal sicher, ob die Unterhaltung nicht in einer anderen Sprache stattfand. Doch bevor sie Genaueres wahrnahm, drifteten ihre Gedanken wieder ab und sie dämmerte weg.

„Also gut, Jungs, Tracy ist bereits dabei, das Video in seine Einzelteile zu zerlegen und zu analysieren. Mal sehen, was sie zutage fördert. Hat jemand einen von ihnen erkannt?“ John übernahm die Führung, da er wusste, dass Tyler es sich nicht nehmen lassen würde, bei dem Einsatz dabei zu sein. Lance und er gaben ein gutes Team ab, dass sich großartig ergänzte.

„Soweit ich es erkennen konnte, ist einer davon Douglas Delaney. Ein britischer Großindustrieller, der überall seine Pfoten mit drin hat. Er lässt sich nichts nachweisen, aber er ist definitiv nicht ganz astrein“, meldete sich Kirk zu Wort.

„Na schön, dann sollten wir mit ihm beginnen und sehen, wo uns das hinführt. Lance, du kannst Kirk zwischenzeitlich mit unserer Vorgehensweise bekannt machen. Vielleicht fällt euch noch etwas ein. Übrigens, wir sind alle bemüht Sarah so rasch wie möglich zurückzuholen. Aber schön, dass wir über deine freie Zeit verfügen dürfen. Willkommen bei Blackwell Security.“ John streckte ihm die Hand entgegen. Es war zwar nicht alltäglich, dennoch gab es ein paar Personen, die während ihrer Freizeit immer mal wieder bei B.S.G. aushalfen, vorrangig militärisch ausgebildete Leute waren immer gefragt. Sie konnten bei kniffligen Einsätzen den Ausgang entscheidend beeinflussen. Man freute sich über jeden, der sie freiwillig unterstützte und entlohnte ihn auch entsprechend für seine Mühen.

Während sich alle auf die bereits vorhandene Information stürzten und versuchten weitere Details auszugraben, führte Lance Kirk durch die obersten zwei Stockwerke von Blackwell Security und erzählte ihm die wichtigsten Details über die Firma und ihre Verbindungen. Als sie in seinem Doppelbüro angekommen waren, schloss er die Tür. Er überlegte kurz, ob er Kirk erzählen sollte, dass er bei Sarahs Rettung nach ihrer letzten Entführung beteiligt war und entschied sich dann dafür. Er war immer für offene Kommunikation, soweit es der Sache dienlich war.

„Du kannst dich auf diesem Platz einrichten. Hier. Der Laptop gehört der Firma, somit erhältst du Zugang auf den Teil unserer Dateien, die zu diesem Fall gehören.“ Lance übergab ihm den Laptop und zeigte auf den zweiten Tisch in seinem Doppelbüro.

„Danke Mann, es wird Zeit, dass wir etwas tun. Sonst drehe ich noch am Rad. Ich weiß, dass Sarah erwachsen ist, aber sie wird trotzdem immer meine kleine Schwester bleiben, die ich beschützen möchte und für die ich mich verantwortlich fühle.“

„Das kann ich verstehen. Hör zu, Kirk, ich muss dir noch etwas sagen. Ich war bei der letzten Befreiung deiner Schwester vor Ort.“ Er schluckte und versuchte, die richtigen Worte zu finden. „Ich habe auch noch einige Zeit bei ihr im Krankenhaus verbracht. Wir sind uns nicht nahegekommen oder so, also keine Sorge. Dennoch finde ich, sie ist eine sehr interessante Persönlichkeit und es hat sich eine Freundschaft entwickelt. Ich möchte auch nicht, dass ihr etwas zustößt.“ Kirk nickte, äußerte sich jedoch vorerst nicht weiter dazu. Lance setzte sich an seinen Schreibtisch und startete seinen Laptop ebenfalls, um die weitere Recherche voranzutreiben.

Tracy durchforstete seitenweise das Internet, um weitere Zusatzinformationen zu den Leuten zu bekommen, die durch die Gesichtserkennung identifiziert wurden. Eigentlich hätte sie weiter an den Baxton Akten arbeiten wollen, doch aktuelle und akute Fälle wie dieser, hatten natürlich Vorrang. Außerdem war es ihr lieber, mit Jason Bancroft gemeinsam am Fall Baxton arbeiten. Das machte weitaus mehr Spaß. Sie waren sich in den vergangenen Monaten nähergekommen, wenn es auch immer nur bei flirtendem Geplänkel geblieben war. Keiner von ihnen wollte anscheinend den ersten Schritt gehen und diese Leichtigkeit, in der sie sich im Moment noch befanden, aufs Spiel setzen.

Schon poppte erneut ein Fenster auf, das nächste Gesicht war identifiziert. Mal sehen, was sich über denjenigen herausfinden ließ. Sie startete die nächste Suche und der Computer generierte den nächsten Identifikations-Durchlauf. Nebenbei wählte sie Meghans Nummer und bat sie um die Zugangsdaten zu Sarahs Smartwatch, mit der sie bei der ersten Entführung ihren Standort ermitteln konnten. Tylers Freundin hatte zum damaligen Zeitpunkt diesen tollen Einfall gehabt und mittels Zugangsdaten, die sie von ihrer besten Freundin kannte, ihren Standort erfahren. Bedauerlicherweise war die Smartwatch diesmal in der Nähe des Stützpunkts zuletzt online gewesen, wie auch ihr Handy.

Tracy konnte nur hoffen, dass sie in Kürze Anhaltspunkte finden würden. Sie wollte sich nicht ausmalen, was Sarah in der Zwischenzeit alles passieren konnte.

Die Stunden verstrichen ohne Unterlass, während alle um Sarahs und das Wohlergehen der anderen Entführungsopfer bangten. Kirk versuchte über seine Kontakte Suchtrupps zu organisieren, Tracys Onlinesuche konnte keine ausschlaggebenden Verbindungen zwischen den Entführungsopfern und Delaney herstellen, was naheliegend gewesen wäre. Trotzdem versuchte jeder sein Bestes, die Hintergründe zu durchleuchten und Verdächtige auszuforschen.

Es war zermürbend, sie kamen kein Stück weiter, egal welche Möglichkeiten Tracy oder Kirk ausschöpften. Gefühlt gab es unzählige Fragen, die einer Klärung bedurften, doch die Antworten blieben ihnen verborgen.

Die Nacht verbrachten die meisten von ihnen im Büro. Sie wechselten sich turnusmäßig ab, um zu schlafen. Hätte jemand Kirk ein paar Tage zuvor gesagt, dass er seinen Urlaub verbringen würde, in dem er sich den Schlaf versagte und um seine kleine Schwester bangte, hätte er es nicht geglaubt.

„Es kann doch nicht sein, dass plötzlich zehn Menschen, wie vom Erdboden verschluckt, einfach verschwinden. Bis wohin konntet ihr die Pick-ups verfolgen?“ Auch Tyler und Lance standen angespannt am nächsten Morgen im Konferenzraum und suchten fieberhaft nach Antworten.

„Ich konnte sie auf der I-76 bis Henderson verfolgen. Danach waren sie plötzlich weg. Egal, welche Kameras im Umkreis ich angezapft hatte, sie waren nicht mehr auffindbar.“ Tracy war gut in ihrem Job, das wusste jeder der hier anwesenden. Umso unglaublicher war die Tatsache, dass selbst sie nichts zutage fördern konnte.

„Man hat eben einen der Pick-ups bei Coal Creek gefunden!“ John stürmte beinahe in den Konferenzraum, mit dem Handy an seinem Ohr. „Ich habe Colonel Baker in der Leitung, er hat die Information eben von der State Patrol erhalten.“

„Kirk und ich machen uns sofort auf den Weg, haltet uns auf dem Laufenden.“ Lance schnappte im Vorbeigehen die Schlüssel zu einem Firmenwagen und joggte beinahe zum Lift, dicht gefolgt von Kirk.

Bedauerlicherweise brachte der Fund sie nicht weiter. Es war zum verrückt werden. Es gab keine Fingerabdrücke. Kein Haar. Nichts.

Achtundvierzig Stunden nach dem Zwischenfall kam die überraschende Wende, als Sarahs Smartwatch und ihr Handy plötzlich wieder online waren und ihren Standort bekannt gaben. Die alarmierten Sicherheitskräfte fanden alle Entführungsopfer nahe der Phoenix Gold Mine bei Idaho Springs. Keiner von ihnen konnte sich an etwas Brauchbares erinnern. Von den Entführern und dem zweiten Pick-up jedoch fehlte jede Spur.

Kirk war sofort an Sarahs Seite und stand ihr während der Untersuchungen im Krankenhaus, sowie bei den Befragungen bei. Ihre Eltern hatten sich kurz per Nachricht gemeldet und ihr von ihrem Bruder mitteilen lassen, dass sie froh waren, sie wohlauf zu wissen.

KAPITEL 2

Dezember

Sarah saß auf der Couch im Privatflugzeug von General Atomics am Weg über den Atlantik und versuchte die Präsentation der Drohne auf ihrem Laptop zu überarbeiten, ohne in Angstschweiß auszubrechen. Es fiel ihr immer noch schwer, gegen den Trigger anzukämpfen. Die neue Drohne nicht mit ihrer Entführung und dem darauffolgenden Martyrium, das weiterhin Großteils aus Erinnerungslücken bestand, in Verbindung zu bringen, war beinahe unmöglich. Dennoch musste sie sich so weit zusammennehmen, um die Vermarktung voranzutreiben, wie es ihr aufgetragen wurde.

Auf der rechten Seite der Maschine lehnte Lance in einem bequemen Sessel, hatte die Augen geschlossen und die Arme vor seiner Brust verschränkt. Ob er schlief oder nur ruhte, konnte sie beim besten Willen nicht sagen. Cage hingegen lag langgestreckt in einem der zum Bett wandelbaren Stühle im mittleren Teil der Maschine, obwohl sie ihm angeboten hatte, das Schlafzimmer im Heck zu benutzen. Es war ihr ganz recht, dass General Atomics sie mit zwei B.S.G. Mitarbeitern losgeschickt hatte. Wären da nur nicht die ständigen Schmetterlinge im Bauch, wenn Lance sie mit seinem undurchdringlichen Blick musterte, wohingegen Cage ihr ein Gefühl der Unbeschwertheit gab und sie in ihm einen brüderlichen Freund gefunden hatte.

Am liebsten wäre ihr gewesen, wenn ihre Eltern, die seit einigen Monaten ihre Vorgesetzten waren, die Präsentation einem anderen Kollegen überlassen hätten. Seit sie wieder im Job zurück war, fühlte sie sich wie eine Marionette – hohl, nur durch ihre Eltern geleitet, die die Fäden im Hintergrund zogen. Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass ihre eigene Mutter kein Interesse an ihrem Gemütszustand zeigte, obwohl sie von den körperlichen Traumata wusste, die ihr zugefügt worden waren. Ihr Vater, der sie daran erinnert hatte, sie sei für derlei Möglichkeiten in den Selbstverteidigungskursen unterwiesen worden, hatte dem Ganzen dann noch die Krone aufgesetzt. Seither fragte sich Sarah immer wieder, was sie dazu bewogen hatte, nach der nötigen Auszeit in das Unternehmen zurückzukehren.

So im Nachdenken verloren, bekam sie nicht mit, dass Lance sich zu ihr auf die Couch gesetzt hatte, bis er sie zaghaft an der Schulter berührte.

„Ein Penny für deine Gedanken …“, die Hand ruhig auf ihrer Schulter liegend, sah ihr Lance tief in die Augen, als ihr Blick seinen traf.

„Tut mir leid, ich bin wohl etwas abgedriftet in meinen Überlegungen. Es ist nichts. Alles gut.“ Sarah setzte das Lächeln auf, das ihr die letzten zwei Monate geholfen hatte, die Leute in ihrer Annahme zu beschwichtigen, dass sie durch die zweite Entführung einen psychischen Schaden davongetragen hatte.

„Du weißt, dass du jederzeit mit mir reden kannst. Ich bin zwar nicht Meghan, aber ich höre dir zu, wenn es dir hilft.“

„Danke, Lance, aber das ist nicht nötig. Ich komme klar.“ Diese Floskel war ihr in den vergangenen Wochen zur zweiten Natur geworden. Immer alle auf Abstand halten, lächeln und beteuern, dass es einem gut geht, denn eigentlich wollte niemand genau wissen, wie es ihr ging. Davon war sie überzeugt. Selbst der Psychologe, den sie kurz nach der zweiten Entführung konsultiert hatte, war mehr an den genauen Einzelheiten des Ablaufs, sowie an ihr selbst interessiert gewesen, als an ihrem Gemütszustand. Ganz zu schweigen davon, Möglichkeiten, mit ihr zu erzielen, das Erlebte verarbeiten zu können. Nein, er war eher dafür, ihr etliche Medikamente zu verschreiben. Immerhin gab es schließlich für alles eine Pille. Seither versuchte sie einfach einen Tag nach dem anderen durchzustehen und flüchtete sich abends in die Arme von Johnny Walker, um ein paar Stunden Schlaf abzubekommen, denn die verschriebenen Pillen zu nehmen, hatte sie in einen Zombie verwandelt. Da litt sie lieber an Schlafangst. Ihren Entschluss, nach einer Woche die Medikamente wieder abzusetzen, hatte sie nie bereut. Unnötig zu erwähnen, dass sie seither kaum mehr als zwei Stunden Schlaf am Stück geschafft hatte. Dementsprechend blank lagen ihre Nerven mitunter, was ihre Parasomnie weiter antrieb. Ihr war dieser Teufelskreis wohl bewusst, den nur der betäubende Alkohol kurzfristig durchbrechen konnte.

„Na schön, dann lasse ich dich weiterarbeiten.“ Lance sah sämtliche Gefühlsebenen, die sie gedanklich durchlief, in ihren Augen widerspiegeln. Doch er wusste aus eigener Erfahrung, dass es nichts brachte, weiter zu insistieren. Bevor jemand nicht bereit war, sich anzuvertrauen, wäre es vergebene Liebesmüh. Es blieb ihm nur abzuwarten und an ihrer Seite zu bleiben, denn die Frage war nicht, ob sie eines Tages zusammenbrechen würde, sondern nur wann.

Kurz nachdem sie im Hotel Tour Eiffel in Paris eingecheckt hatten, holte Lance Sarah in ihrer Suite ab, um sie zum Abendessen zu begleiten. Das Hotel lag knapp einen Kilometer vom Eiffelturm entfernt. Von ihrer Suite hatte Sarah einen großartigen Blick auf ebendiesen und auf die Lichter der Stadt, die sich unter ihnen erstreckte. Sobald sie fertig angezogen war, brachen sie auf.

General Atomics war daran interessiert, seine Errungenschaft auch an die Verbündeten in Europa zu verkaufen, daher hatten sie ein Geschäftsessen mit einem Colonel der französischen Luftwaffe arrangiert. Das Restaurant Le Jule Verne lag im zweiten Stock des Eiffelturms, ein Michelin Sterne Restaurant der Extraklasse, modern eingerichtet, mit einer Glasfront, die eine spektakuläre Sicht auf Paris freigab. An einen Tisch an ebendieser Front wurde Sarah nach Betreten des Restaurants und Nennung ihres Namens gebracht, während Lance sich an die Bar setzte, um sie im Auge zu behalten.

Colonel Etienne Agreste erhob sich, um sie zu begrüßen. Er war ein stattlicher Mann Anfang vierzig, groß, muskulös, hatte volles dunkles Haar und ein leichter Bartschatten in seinem markanten Gesicht, der bestimmt etliche Frauen beeindruckte. Sein leichter französischer Akzent, mit dem er sprach, brachte bestimmt das eine oder andere Herz zum Schmelzen. Leider konnte Sarah sich nicht auf diese Weise für den Mann begeistern, auch wenn sein Lächeln sicher aus einem bestimmten Grund so spitzbübisch ausfiel.

„Willkommen in Paris. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise?“

„Vielen Dank, Colonel. Ja, die Reise war sehr angenehm. Die Stadt ist einfach wundervoll. Ich konnte noch nicht viel davon sehen, aber was ich bis jetzt gesehen habe, ist beeindruckend.“ Sarah wusste eine gepflegte Konversation zu führen. Auch auf diesem Gebiet ließ der Firmenvorstand nun keinerlei Eigenverantwortung mehr zu. Sie wurde vor jedem Gespräch entsprechend gebrieft und musste einem Protokoll, das eigens für den Termin festgelegt wurde, folgen. Beginnend mit Komplimenten zum Standort, über Nachfrage zu Familie oder gemeinsame Freunde, soweit bekannt, weiter zu dem eigentlichen Geschäftsthema. Jahrelange Erfahrung im Umgang mit dem Militär und Kunden allein genügte dem Anspruch der weitverzweigten Geschäftsführung von General Atomics und daher ihren Eltern ebenso wenig. Erneut fragte sie sich, wann genau sie zu dieser Spielfigur geworden war. Dennoch versuchte sie das Protokoll so unauffällig wie möglich abzuarbeiten.

„Ich war so frei und habe für uns das Degustation-Menü gewählt, ich hoffe, Sie sind damit einverstanden.“ Colonel Agreste hatte ihr gegenüber Platz genommen und beobachtete sie mit Argusaugen. Sarah konnte nicht umhin, sich etwas zwischen geschmeichelt und unwohl zu fühlen. Ihr war noch kein Geschäftspartner begegnet, der so unverhohlen sein Interesse an ihr gezeigt hatte. Fehlte nur noch seine Hand, die ihre nahm. Spätestens dann, würde sie sich aus dem Staub machen.

„Colonel, wie Sie wissen, haben wir mit der Predator Serie und vor allem mit unserer zuletzt entwickelten PM1 hervorragende Ergebnisse erzielt. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie nicht enttäuscht sein werden über die morgige Präsentation. Konnten Sie sich die Videosequenzen bereits ansehen und mit Ihrem Generalstab die ersten Bewertungen durchführen?“