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Piquet kehrt auf den Planeten Borova zurück, wo er einst für die Freiheit kämpfte.
Aber im Licht der Riesensonne Beigeuze ist die Freiheit erneut bedroht...
Planeten-Abenteuer von Alfred Bekker alias Jack Raymond.
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Alfred Bekker
Science Fiction-Erzählung
© 1982 by Alfred Bekker
All rights reserved
Ein CassiopeiaPress E-Book
www.AlfredBekker.de
Warum war er einst hier her gekommen?
Was hatte er hier gesucht?
Durch das getönte Plexiglas konnte Piquet die großen Raumschiffe sehen, die von hier aus nach überallhin flogen. Vadrobo war ein ziemlich großer Raumhafen: der größte von Borova und der zweitgrößte des Beteigeuze-Systems.
Piquet hörte die Durchsagen, sah wie sich Passagiere an den Kontrollen drängelten und bemerkte die allgemeine Hektik, von der hier alles erfüllt zu sein schien.
Einst mußte es Gründe gegeben haben hierher zu kommen. Aber jetzt gab es diese Gründe für Piquet nicht mehr und er zog die Konsequenzen.
"Du willst also tatsächlich fort von hier?" fragte Nadransky, der neben ihm stand und sein Freund gewesen war.
"Ja."
"Warum eigentlich?"
"Das hast du mich in den letzten Tagen schon hundertmal gefragt."
"Und du hast mir nie eine Antwort gegeben!"
"Lassen wir das, ja?"
Nach einigem Zögern nickte Nadransky.
"Gut. Schließlich..." Aber er sprach den Satz nicht zu Ende und Piquet fragte auch nicht nach. Nadransky würde ihm von jetzt an egal sein, wie im übrigen ganz Borova, die Beteigeuze und die Revolution.
Er würde all das endgültig hinter sich lassen, wenn das Raumschiff vom Boden des Planeten abhob.
"Ich wünschte, du würdest bleiben", seufzte Nadransky. "Borova hat einen harten Bürgerkrieg hinter sich und es muß viel wieder aufgebaut werden. Männer wie du werden uns fehlen."
Piquet zuckte einfach nur mit den Schultern. Die Gegenwart des anderen nahm er nur ganz am Rande wahr, sie erschien ihm fast etwas unwirklich.
In Gedanken war er schon in Alpha Centauri.
"Ich verstehe das nicht! Entschuldige, aber ich verstehe es wirklich nicht! Du hast mitgeholfen, den Bürgerkrieg zu gewinnen und unserer Revolution zum Sieg zu verhelfen, und nun, wo das Schwierigste erledigt ist, gehst du einfach wieder davon. So unvermittelt, wie du hier aufgetaucht bist. Reizt es dich eigentlich gar nicht, am Aufbau einer neuen Gesellschaft mitzuwirken? Einer Gesellschaft, die unseren Idealen nachgebildet werden wird? Wir haben eine Chance, hier auf Borova eine Art Paradies auf Erden zu schaffen, eine Gesellschaft, die den Bedürfnissen der Menschen wirklich entspricht."
Über Piquets Gesicht huschte ein säuerliches Lächeln, freudlos und ein wenig zynisch. Aber als er dann sprach, war jedoch weder Wut noch Ärger in seiner Stimme - sie war kalt und unbeteiligt.
"Eine Chance?" Er sah Nadransky traurig an.
"Ja, eine Chance! Und wir werden sie nutzen!"
"Ihr habt sie bereits vertan."
Nadransky zog fragend die Augenbrauen hoch.
"Vertan?"
"Ja."
"Wieso?"
"Siehst du, wie viel Betrieb heute im Raumhafen ist?"
"Na und?"
"Viele von diesen Leuten hier sehen aus, als würden sie für immer gehen. Und dafür werden sie ihre Gründe haben."
"Reaktionäre Elemente vielleicht, die sich aus dem Staub..."
"Nein, nicht nur. Es sind ehemalige Revolutionäre darunter."
"Wie du!"
"Ja, richtig, wie ich."
"Aber..."
"Die Revolution hat eine schlimme Diktatur beseitigt, das ist richtig. Aber man ist drauf und dran eine neue zu etablieren. Die Freiheit wird schon seit längerem wieder mit Füßen getreten."
"Das ist nicht wahr!" schrie Nadransky. "Das ist eine Lüge! Eine Lüge!"
Piquet schüttelte den Kopf.
"Du weißt, daß es so ist, wie ich sage, Alexej. Du brauchst nur ein wenig die Augen offenzuhalten, dann siehst du es."
Nadransky schwieg einen Moment. Dann sagte er: "Wie sollten uns nicht streiten, Gabriel."
"Nein, das sollten wir wirklich nicht", mußte Piquet zustimmen. "Aber Alexej..." Sie sahen sich an und sie lasen das Verständnis in den Augen des anderen. "...wenn ich dir einen guten Rat geben darf..."
"Nein, nicht jetzt, Gabriel!"
"Geh fort von hier, Alexej! Geh fort von hier, solange sie dich noch lassen! Ich denke, man wird bald Ausreisebeschränkungen verfügen." Er zuckte die Schultern. "Ich käme in jedem Fall noch hier weg, da ich nach wie vor ein Bürger Neufrankreichs bin und einen entsprechenden Paß habe. Aber du, als Borovaner..."
"Ich glaube das nicht, Gabriel. Ich glaube das einfach nicht. Außerdem will ich auf keinen Fall von hier weg!"
"Ich habe dich gewarnt, Alexej."
"Das hast du. Und dabei kannst du es ja nun auch bewenden lassen."
Piquet nickte.
"Du mußt selbst wissen, was du tust, Alexej. Ich wünsche dir nur, daß du es später nicht bereust."
Nach einer kurzen Pause fragte Nadransky: "Wohin fliegst du?"
"Zunächst nach Athen, Alpha Centauri."
"Nicht zurück nach Neufrankreich?"
"Nein. Vielleicht später, aber nicht sofort. Wohin ich wirklich will, weiß ich noch nicht."
"Naja, jedenfalls viel Glück."
"Dir auch."
Der Abschied war kurz und wenig herzlich. Nadransky bemerkte die Mauer, die Piquet um sich herum errichtet hatte. Und er respektierte sie.
Piquet passierte die Kontrollen und drehte sich nicht mehr nach Nadransky um.
Eine automatische Anlage durchleuchtete ihn nach Waffen und Dingen auf die Ausfuhrzölle erhoben wurden, prüfte seinen Paß und sein Ticket und ließ ihn hindurch. Vor seinen Augen flimmerten die in den drei auf Borova gesprochenen Sprachen beschrifteten Hinweisschilder: In Russisch, Finnisch und Urdu.
Er wußte, wohin er zu gehen hatte auch ohne die Schilder. Es war nicht schwer, sich hier zurecht zu finden. Jeder konnte das.
Piquets Blick fiel auf einen Mann in weißen Gewändern (dem Pilgergewändern der Moslems), der nach ihm die Kontrollen passiert hatte, dann aber schnellen Schritts an ihm vorbei gegangen war. Der Mann war ausgesprochen hager und von ziemlich dunkler Hautfarbe. Vermutlich kam er aus Nol-Ni, dem dünn besiedelten Südkontinent Borovas.
Piquet verlor ihn wieder aus den Augen und hing seinen eigenen, quälenden Gedanken nach.
Warum war er einst hier her gekommen?
Was hatte er hier gesucht?
Er erinnerte sich der Ideale, die er gehabt hatte, als er nach Borova gekommen war.
Ideale von Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, von Selbstbestimmung und radikaler Basisdemokratie, von der Sozialisierung der Produktionsmittel.
Dafür hatte er gekämpft und geblutet.
Und getötet.
Er war davon überzeugt gewesen, daß es diese Opfer wert war.
Er war so erfüllt hier angekommen.
Und jetzt?
Er fühlte Leere in sich und genoß sie.
Etwas, das einmal zu ihm gehört hatte, ließ er hier zurück und nun war dort ein Vakuum. Aber das innere Vakuum war angenehmer, als der unbestimmte Drang, der früher in ihm geherrscht und ihn getrieben hatte.
Er kratzte sich an der juckenden Narbe auf seinem Oberarm, wo er einst von einem Geschoß getroffen worden war.
Diese Narbe war ein unvergängliches Zeichen dafür, daß er hier gewesen war und für die Freiheit und die Gerechtigkeit gekämpft hatte.
Aber was bedeutete das alles jetzt noch?
Nichts, dachte er.
Es hatte nie etwas bedeutet.
Nichts bedeutet irgendetwas.
Er hatte viele Wunden davongetragen, während er hier auf Borova gewesen war. Zunächst an seinem Körper. Doch das hatte ihm nicht besonders viel ausgemacht, denn er war stark und zäh gewesen und von einer Mischung aus Wut und Glauben und dem unbedingten Willen von Veränderung beseelt.
Die Wunden an seiner Seele waren später hinzu gekommen und sie waren weitaus schlimmer gewesen.
Aber jetzt hatte er sich unverwundbar gemacht.