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Studienarbeit aus dem Jahr 1997 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Universität Münster (Germanistik), Veranstaltung: HS: Don Juan/Blaubart: Zwei erotische Mythen im Vergleich, Sprache: Deutsch, Abstract: Neben dem Rückgriff auf Strukturen und Bilder dieses primär männlich-viril markierten Mythos zur Beschreibung der „Blaubartehe“ (F, 68) , in welcher sich Franza nach ihrer Heirat mit dem Arzt und Psychologen Leo Jordan tödlich oder besser todbringend gefangen sieht , findet sich in der mythischen Gestalt der ‘gehenden Undine’ der utopische Entwurf einer aus patriarchalen Machtstrukturen und dem damit einher gehenden zivilsatorischen „Dschungel“ (F, 72/73) herausgelösten Partner-Liebe am „Rande“, das heißt an der allgegenwärtigen, unaufhebbaren Grenze. Diese maniferstiert sich erstens zwischen Individuum und Gesellschaft allgemein, zweitens zwischen zwei einander zustrebender Individuen und schließlich drittens im stets wiederkehrenden, mehr oder weniger schmerzlich erlebten Konflikt des interiorisierten Zwiespalts, den das Individuum als die ihm eigene, unüberwindbare, ihn „auszeichnende“ Grenze begreift. Die Bedeutung einer neuerlichen Verwendung tradierter Mythen innerhalb einer Weiter-, Um- oder sogar „Anti“-Schreibung derselben muß genauso hinterfragt werden wie die Leistung der verwendeten Bilder, Formen und Strukturen, welcher sich die Autorin bedient. Im Hinblick auf die Rezeption (2.) der - wenn auch nicht gänzlich oder ausschließlich, so doch grundlegend - über gemeine Mythen vermittelten Werke bzw. deren Inhalte schließt sich die Frage nach der Funktion des Rückgriffs auf generell bekanntes Vorwissen (3) an, das sich verantwortlich zeichnet für eine Dynamik seitens des Lesers, generiert aus der vermeintlich allgemein gültigen Signifikanz der aufgerufenen Legenden (3.2.) und der deformierten, entstellten oder gegenläufigen Re-produktion innerhalb der autorspezifischen Ausgestaltung (3.3). Schließlich sollen die eigentlichen Parallelen und Widersprüche des männlich zentrierten Blaubart-Mythos und des weiblich geprägten Undine-Mythos in der bachmannschen Verwendung an den Texten (Der Fall Franza/Undine geht, 4.) aufgezeigt werden, die ihr vorläufiges Ende in der Überlagerung bzw. Auflösung der durch die aufgerufenen Mythen gesetzten Oppositionen nimmt (Ein Schritt nach Gomorrah, 5/6/7).
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Sommersemester 1997
Hauptseminar Germanistik Literaturwissenschaft Don Juan/Blaubart: Zwei erotische Mythen im Vergleich
Universtität Münster
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Bei der vergleichenden Betrachtung der erotischen Mythen von Don Juan und RitterBlaubart im Rahmen des Hauptseminars „Don Juan/Blaubart: Zwei erotische Mythen im Vergleich“ anhand verschiedener - nicht nur - literarischer Bearbeitungen und Fortschreibungen dieser mythischen Stoffe ergab sich auch der Blick auf das Werk Ingeborg Bachmanns, welche insbesondere in dem Romanfragment „Der Fall Franza“ die Legende des „fast vergessenen blaubärtigen Erotomanen“1evoziert und im Sinne einer ihr eigenen Partnerschaft- bzw. Ehekonzeption ausdeutet, ohne dabei jedoch bei einer bloß motivischen oder metaphorischen Ausbeutung des Stoffes zu verharren.
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Neben dem Rückgriff auf Strukturen und Bilder dieses primär männlich-viril markierten Mythos zur Beschreibung der „Blaubartehe“ (F, 68)2, in welcher sich Franza nach ihrer Heirat mit dem Arzt und Psychologen Leo Jordan tödlich oder besser todbringend gefangen sieht3, findet sich in der mythischen Gestalt der ‘gehenden Undine’4derXWRSLVFKHEntwurf einer aus patriarchalen Machtstrukturen
und dem damit einher gehenden zivilsatorischen „Dschungel“ (F, 72/73) herausgelösten Partner-Liebe am „Rande“, das heißt an der allgegenwärtigen, unaufhebbaren*UHQ]H.Diese maniferstiert sich erstens zwischen Individuum und
Gesellschaft allgemein, zweitens zwischen zwei einander zustrebender Individuen und schließlich drittens im stets wiederkehrenden, mehr oder weniger schmerzlich
1WERTHEIMER, J.: Die Ehe als Fleischwolf. Zur Renaissance der „ Blaubart“ - Legende. In: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 292. 14,/15.12.1996.
2Die Textangaben der bachmannschen Werke „ Undine geht“ (U) und „ Der Fall Franza“ (F) erscheinen fortlaufend unter der jeweiligen Bezeichnung (U) bzw. (F). Sie folgen den Ausgaben: BACHMANN, I.: Undine geht. In: Sämtliche Erzählungen. München, 1996. S. 253-263. BACHMANN, I.: Der Fall Franza. München, 1996. 5. Auflage.
3Vergl. auch die Erzählungen „ Das Gebell“ bzw. „ Ein Schritt nach Gomorrah“ , die hier gleichermaßen als Bezugstexte fungieren. BACHMANN, I.: Das Gebell. In: Sämtliche Erzählungen. München, 1996. S. 373-393. BACHMANN, I.: Ein Schritt nach Gomorrah. In: Sämtliche Erzählungen. München, 1996. S. 187-213.
4BACHMANN, I.: Undine geht. In: Sämtliche Erzählungen. München, 1996. S. 253-263. Zuerst 1961.
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erlebten Konflikt des interiorisierten Zwiespalts, den das Individuum als die ihmeigene, unüberwindbare, ihn „ auszeichnende“ Grenze5begreift.
In dieser Arbeit soll ein Vergleich der genannten0\WKHQ GHV 5LWWHUV %ODXEDUWund der:DVVHUIUDX 8QGLQHin ihrer unterschiedlichen Verwendungsweise im Werke
Ingeborg Bachmanns versucht werden, wobei die Frage nach Bedingung, Motivation und Bedeutungsrelevanz der mythischen Elemente bzw. Strukturen hinsichtlich einer solchermaßen vermittelten bachmannschen Gesamtkonzeption im Zentrum des Interesses stehen soll.
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sich die Autorin bedient.
Im Hinblick auf die Rezeption (2.) der - wenn auch nicht gänzlich oder ausschließlich, so doch grundlegend - über gemeine Mythen vermittelten Werke bzw. deren Inhalte schließt sich die Frage nach der)XQNWLRQdes Rückgriffs auf generell bekanntes Vorwissen (3) an, das sich verantwortlich zeichnet für eine'\QDPLN
seitens des Lesers, generiert aus der vermeintlich allgemein gültigen Signifikanz der aufgerufenen Legenden (3.2.) und der deformierten, entstellten oder gegenläufigen Re-produktion innerhalb der autorspezifischen Ausgestaltung (3.3). Schließlich sollen die eigentlichen Parallelen und Widersprüche des männlich zentrierten Blaubart-Mythos und des weiblich geprägten Undine-Mythos in der bachmannschen Verwendung an den Texten (Der Fall Franza/Undine geht, 4.) aufgezeigt werden, die ihr vorläufiges Ende in der Überlagerung bzw. Auflösung der durch die aufgerufenen Mythen gesetzten Oppositionen nimmt (Ein Schritt nach Gomorrah, 5/6/7).
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5Vergl.: „ Einen Fehler immer wiederholen, den einen machen, mit dem man ausgezeichnet ist.“ BACHMANN, I.: Undine geht. In: Sämtliche Erzählungen. München, 1996. S. 254/255.