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Dieses Ebook enthält folgende Titel (399XE) Alfred Bekker: Palast der Nachtgeschöpfe Alfred Bekker: Der indische Fluch Ann Murdoch: Eine Braut des Teufels Hexenkräfte in London? Journalistin Helen Jefferson, Parapsychologie-Professor Thomas Harding und Inspector David Lane werden in rätselhafte Ereignisse rund um Telekinese, Teleportation und weitere Phänomene hineingezogen. Dreh- und Angelpunkt dieser Vorfälle scheint die junge und schöne Carina Roberts zu sein. Inspector Lane, der den mysteriösen Fall nicht nur aus beruflichen Gründen verfolgt, hat eine harte Nuss zu knacken, denn alles ist anders, als es scheint …
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Romantic Thriller Spezialband 3011 - 3 Romane
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Palast der Nachtgeschöpfe
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Der indische Fluch
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Eine Braut des Teufels
Dieses Ebook enthält folgende Titel
Alfred Bekker: Palast der Nachtgeschöpfe
Alfred Bekker: Der indische Fluch
Ann Murdoch: Eine Braut des Teufels
Hexenkräfte in London?
Journalistin Helen Jefferson, Parapsychologie-Professor Thomas Harding und Inspector David Lane werden in rätselhafte Ereignisse rund um Telekinese, Teleportation und weitere Phänomene hineingezogen. Dreh- und Angelpunkt dieser Vorfälle scheint die junge und schöne Carina Roberts zu sein. Inspector Lane, der den mysteriösen Fall nicht nur aus beruflichen Gründen verfolgt, hat eine harte Nuss zu knacken, denn alles ist anders, als es scheint …
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Die übersinnlich begabte Jessica Dark lernt einen faszinierenden Mann kennen, der allerdings in Zusammenhang mit rätselhaften Morden steht, die sich in London ereignen. Sie folgt dem Geheimnisvollen nach Indien und stößt auf das uralte Vampirgeschlecht der Kajari. Die Kajari trinken kein Blut - aber sie saugen Lebenskraft...
Nebelschwaden zogen von der Themse herauf und krochen wie formlose Gespenster durch die Straßen Londons. Dunkel war es in dieser ohnehin düsteren und ziemlich heruntergekommenen Seitenstraße, denn der Großteil der Straßenbeleuchtung funktionierte nicht. Linda Gordon schlug sich den Kragen ihres dünnen Regenmantels hoch. Sie zitterte leicht. Es war an diesem Abend für die Jahreszeit ungewöhnlich kühl. Die junge Frau trat unruhig von einem Bein auf das andere. Sie wartete auf den Bus, aber der schien Verspätung zu haben.
Ausgerechnet heute, ging es ihr ärgerlich durch den Kopf.
Schließlich hatte sie am Abend noch eine Verabredung, zu der sie auf keinen Fall zu spät kommen wollte.
Ihr Blick ging in den undurchdringlichen Nebel, aus dem sich geisterhafte Gestalten zu bilden schienen. Immer wieder von Neuem und immer wieder anders. Dann hörte Linda Schritte...
Zumindest glaubte sie das. Sie horchte kurz auf, war sich aber im nächsten Moment nicht mehr sicher, ob sie sich nicht vertan hatte. Ihr Blick suchte die Umgebung ab, glitt über die parkenden Wagen, die kaum mehr als schwarze Schatten waren und dann weiter über die renovierungsbedürftigen Fassaden der Häuser.
Ein schwarzes Etwas schnellte durch die Nacht. Der Blechdeckel einer Mülltonne ging scheppernd zu Boden und für den Bruchteil eines Augenblicks sah Linda in ein gelbes, dämonisch leuchtendes Augenpaar.
Lindas Puls schlug bis zum Hals.
Eine Katze!
Das Tier verschwand lautlos in der Dunkelheit. Die junge Frau schalt sich eine Närrin.
Du arbeitest als Nachtportier in einer heruntergekommenen Absteige und lässt dich von einer Katze ängstigen, ging es ihr durch den Kopf. Sie atmete tief durch, aber nur um schon im nächsten Moment zu einer Salzsäule zu erstarren.
Ein dumpfer, unartikulierte Laut des Schreckens entrang sich ihren Lippen, und sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Die hohen Pfennigabsätze ihrer Pumps ließen sie dabei beinahe stolpern. Sie hatte die düstere Gestalt nicht kommen hören, die jetzt auf sie zuging. Der Kopf, der sich nun aus dem Nebel herausschälte war bleich und knorrig wie einen Totenschädel.
Die Haut war ungeheuer faltig und wirkte eingetrocknet wie die einer Mumie. Die Lippen waren aufgesprungen und farblos.
Die Gestalt näherte sich. Einen Augenblick lang trafen sich die Blicke der beiden. Diese Augen, dachte Linda schaudernd.
Sie konnte nicht anders, als zu schlucken. Die Augen schienen das einzig Lebendige an dieser Gestalt zu sein, die an einen wandelnden Untoten erinnerte.
"Guten Abend", sagte die Gestalt. Linda runzelte die Stirn. Die Stimme kannte sie von irgendwoher. Noch eine Sekunde zuvor hatte sie davonrennen wollen, jetzt stand sie wie angewurzelt da. Sie hätte nicht sagen können, was es eigentlich war, das sie festhielt. Waren es der gespenstische Blick dieser dunklen Augen? Oder der Klang der Stimme?
"Erkennen Sie mich nicht?", fragte die Gestalt.
"Nun, ich..." Die Erkenntnis traf Linda wie ein Schlag vor den Kopf.
"Sie sind Mister Ellings!", entfuhr es ihr entsetzt.
Peter Ellings war seit ein paar Tagen Gast in der Absteige, in der sie ihren Job hatte. Die Stimme passte, aber das Gesicht...
Es wirkt so ungeheuer alt!
Linda fröstelte. Gänsehaut hatte ihren gesamten Körper überzogen. Sie hatte Ellings zuletzt am Tag zuvor gesehen und da hatte er mindestens zwanzig Jahre jünger ausgesehen. Vom ersten Moment an hatte sie sich gefragt, wie alt er wohl sein mochte. Er schien einfach nicht einzuschätzen zu sein.
Aber jetzt...
Jetzt wirkte er wie ein hundertjähriger Greis.
Nie zuvor hatte Linda einen Menschen gesehen, der die Aura eines solch ungeheuren Alters ausstrahlte.
Aber er ist es, wurde ihr nach und nach klar. Die Gesichtszüge waren noch erkennbar, auch wenn die Zeit ihnen seit dem gestrigen Abend unverhältnismäßig stark zugesetzt zu haben schien.
"Mein Gott...", flüsterte sie.
"Was ist?", fragte Ellings und trat noch näher an sie heran.
Ihre Beine waren wie taub. Sie fühlte sich auf einmal so völlig kraft- und wehrlos. Nicht einen einzigen Schritt hätte sie jetzt tun können. Ihre Füße schienen buchstäblich aus Blei zu sein.
"Was ist mit Ihnen passiert, Mister Ellings?"
Ein mattes, freudloses Lächeln huschte über Ellings' Gesicht.
"Das, was mit uns allen passiert, Miss", murmelte er mit heiserer, fast erstickter Stimme. "Eines Tages..."
Lindas Augen weiteten sich vor Entsetzen. Ihr Blick wurde starr, während alle Kraft ihren Körper zu verlassen schien.
"Nein...", flüsterte sie. "Nein..."
Aber es war zu spät. Sie taumelte. Alles drehte sich vor ihren Augen und einer der letzten Eindrücke, die sie aufnahm war Ellings' Gesicht, das sich auf geradezu gespenstische Weise verjüngt zu haben schien.
Die Haut hatte sich gestrafft und die Farbe war zurückgekehrt...
Leblos sank Linda in sich zusammen. Ellings Arme, die eine unerwartete Kraft entfalteten, fingen sie auf.
Sie atmete nicht mehr.
Jeder Funken Lebenskraft war aus ihr gewichen. Ellings vermied es, ihr Gesicht anzusehen. Er wusste, wie es aussah. Es war jedesmal dasselbe und inzwischen hasste Ellings nichts so sehr wie den Anblick pergamentener Haut und mumienhafter Gesichter...
Vorsichtig legte er sie auf den Boden. Er atmete tief durch, aber wenn ihn auch neue Kraft durchströmte, so fühlte er sich doch nicht wohl in seiner Haut.
Es muss ein Ende haben, dachte er mit Bitterkeit und Schmerz. Das Töten muss endlich ein Ende haben!
Ellings hörte Schritte von mehreren Menschen. Er blickte sich um und lokalisierte die Richtung, aus der sie herankamen. Dann ging er schnellen Schrittes über die Straße und hatte sich Augenblicke später im Schatten eines Hauseingangs verborgen.
Ellings presste sich an die kalte Steinwand.
Es waren ein paar Jugendliche, die gut gelaunt die Straße entlanggingen.
Ellings hörte ihre Stimmen.
"Hey, was liegt denn da?"
"Mein Gott, das ist ja eine alte Frau!"
"Los, weg! Besser wir bekommen damit nichts zu tun!"
"Ich weiß nicht..."
"Er hat recht!"
Dann verhallten ihre Schritte im Nebel.
"Jessica! Schön, dass Sie kommen konnten!", begrüßte mich Ray Smith ziemlich überschwänglich, während ich in meinem figurbetonten Cocktail-Kleid und einem Sektglas in der Hand dastand und hoffte, dass der kräftige Westwind meine Frisur nicht völlig ruiniert hatte, als ich aus dem Taxi gestiegen war. Smith kam auf mich zu. Er war drahtig und hager. Fast wirkte er ein bisschen ausgezehrt. Stets hatte er dicke Ringe unter den Augen und klagte darüber, was für einen harten Job er hatte. Er war Agent für Schauspieler und vermittelte vor allem Darsteller von Nebenrollen. Sein größter Traum war es wohl, einmal einen richtigen Weltstar unter seinen Schauspielern zu haben, aber das Problem dabei war, dass die meisten seine Agentur verließen, sobald sie den Durchbruch geschafft hatten.
An diesem Abend war Smith der Gastgeber.
"Ich hoffe, Sie amüsieren sich gut, Jessica", meinte er.
"Nun..."
"Es sind ein paar interessante Leute heute Abend hier..."
Es war einer dieser VIP-Parties, auf denen es mehr oder minder darum geht, sich zu zeigen und gesehen zu werden.
Es kommen diejenigen, die wichtig sind und natürlich die, die sich für wichtig halten. Vermutlich liegt das Zahlenverhältnis beider Gruppen bei etwa eins zu zehn zu Ungunsten der wirklich Wichtigen.
Und das ist sicher eine günstige Schätzung.
"Ich möchte Ihnen jemand vorstellen", erklärte Smith. "Kommen Sie!"
Ich folgte ihm und stand ein paar Augenblicke später vor einem hochgewachsenen, gutaussehenden Mann um die fünfunddreißig. Die Augen waren strahlend blau, das Haar aschblond. Um seine Lippen spielte ein Lächeln, das seinem Gesicht ein wenig von seiner markanten Kantigkeit nahm.
Das dunkelblaue Schurwolle Jackett stand ihm gut, aber kombiniert mit einer Jeans, deren Saum bereits ein wenig ausgefranst war, wirkte er für diesen Anlass etwas zu lässig.
"Mister Gardner, dies ist Jessica Dark, Reporterin des New World Observer", stellte Ray mich vor. Der Agent sah mich an. "Darf ich Ihnen Mister Curt F. Gardner vorstellen?"
Gardner ergriff meine Hand.
"Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Miss Dark", erklärte er und dabei trafen sich unsere Blicke. Seine Augen gefielen mir. Sie hatten eine sympathische Ausstrahlung.
"Sind Sie der Gardner?", fragte ich etwas ungläubig. "Der Autor des Buchs UNTER WÖLFEN?"
Gardner nickte. "Ich fürchte, ich muss mich schuldig bekennen", erwiderte er charmant.
"Ich habe Ihr letztes Buch gelesen", sagte ich. "Es hat mich beeindruckt." Ich sagte das nicht nur so dahin, sondern es entsprach meiner ehrlichen Meinung. UNTER WÖLFEN war eine Reportage über den internationalen Waffenhandel. Gardner pflegte unter falschem Namen zu recherchieren und dabei für Monate in eine falsche Identität zu schlüpfen. Auf diese Weise war er bis in die Spitzenzirkel der Waffen-Mafia vorgedrungen. Seine Bücher waren Bestseller. Kein Eisen war ihm zu heiß. Bevor UNTER WÖLFEN endlich herausgekommen war, hatte es Drohungen gegenüber Verlag und Autor gegeben und in einem halben Dutzend Staaten in drei Kontinenten waren auf Grund seiner Enthüllungen Minister zurückgetreten.
"Und Sie? Hat man Sie verdonnert, etwas über diese Party zu schreiben?", fragte Gardner.
Er war selbst lange Zeit Reporter bei verschiedenen amerikanischen Zeitungen gewesen und kannte das Geschäft ganz genau. Ihm etwas vormachen zu wollen war sinnlos. Er wusste, wie der Hase lief.
Ich schenkte ihm ein charmantes Lächeln und sagte: "Oh, zumindest wird man mich für das, was ich schreibe, nicht mit dem Tode bedrohen, Mister Gardner."
"Seien Sie da nicht zu sicher!"
Wir lachten beide. Als ich dann an meinem Sektglas nippte, merkte ich, dass Ray Smith sich aus dem Staub gemacht hatte.
Er war irgendwo im Gedränge verschwunden. Natürlich hatte er mich nicht ohne Grund Gardner vorgestellt. Ray wollte unbedingt, dass ich etwas über seine Party schrieb, damit er im Gespräch blieb. Ich kannte Ray immerhin gut genug, um zu wissen, wie eitel er war.
Und die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt etwas über seine Party ins Blatt kam, stieg natürlich, wenn wirklich prominente Gäste vorhanden waren.
Und Gardner war prominent. Zumindest sein Name. Sein Gesicht hingegen kannte kaum jemand und er hütete sich natürlich auch, es auf die Schutzumschläge seiner Besteller drucken zu lassen.
"Ganz im Ernst, Mister Gardner. Ich bewundere sehr, was Sie tun", erklärte ich. "Schließlich haben Sie für Ihre Reportagen wohl mehr als einmal Ihr Leben riskiert..."
"Nun..."
"Bleiben Sie länger in London?"
In seinen blauen Augen glaubte ich ein kurzes Aufblitzen erkennen zu können.
"Warum so förmlich?", fragte er lächelnd. "Nennen Sie mich Curt."
Ich erwiderte das Lächeln.
"Jessica."
Ich war mir nicht sicher, aber in diesem Moment kam mir der Gedanke, dass er mir vielleicht nur deswegen angeboten hatte, ihn beim Vornamen zu nennen, damit er mir nicht zu antworten brauchte. Immerhin eine äußerst charmante Art und Weise, einer Frage auszuweichen.
"Ich habe übrigens auch bereits einige Artikel von Ihnen gelesen, seit ich hier in London bin, Jessica", sagte er. "Sie scheinen ein Faible für Themen zu haben, die irgendwie mit dem Übernatürlichen zusammenhängen..."
"Das ist richtig."
"Glauben Sie an die Existenz übernatürlicher Phänomene?"
"Als gute Journalistin bleibe ich immer skeptisch", erwiderte ich. "Allerdings denke ich, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass da Dinge existieren, für die es keine befriedigende Erklärungen gibt.Ich finde allerdings, dass man deshalb nicht einfach die Augen davor verschließen kann..."
Er trat etwas näher an mich heran. Ich konnte sein angenehmes After Shave riechen. Der Blick seiner strahlend blauen Augen musterte mich prüfend. "Haben Sie selbst bereits derartige Erlebnisse gehabt, Jessica?"
Ich musste schlucken.
Was sollte ich ihm sagen?
Ich hatte nicht die Absicht, ihm von meiner leichten hellseherischen Gabe zu erzählen. Bei den Recherchen für meine Reportagen war ich selbst des öfteren Zeuge von Ereignissen geworden, die eigentlich nur einen vernünftigen Schluss zuließen: Dass nämlich das Übersinnliche eine Realität war.
"Es gibt Fälle...", begann ich ausweichend, aber Gardner schüttelte den Kopf und unterbrach mich.
"Ich spreche von Ihnen selbst, Jessica! Von Ihnen und Ihrem Leben!"
Als Jugendliche hatte ich den Brand eines Hauses vorausgesehen - und dieses Erlebnis hatte ich bis heute nicht vergessen können. Ein kalter Schauer überlief mich allein bei dem Gedanken daran.
"Das ist eine sehr persönliche Frage, Curt", erwiderte ich.
"Zu persönlich? Dann entschuldigen Sie."
"Hat diese Frage vielleicht etwas mit dem Buch zu tun, an dem Sie gerade arbeiten?"
Gardner lachte.
"Auch eine sehr persönliche Frage", erwiderte er.
"Zu persönlich?"
"Zu persönlich, als dass ich die Antwort darauf morgen im New World Observer lesen möchte, Jessica!"
"Aber ich entnehme dem, dass Sie an einem neuen Projekt arbeiten", stellte ich fest.
Gardner nahm das mit Humor, ließ sich aber darüber nichts weiter entlocken. Er hob die Augenbrauen und meinte: "Scheint ja richtig gefährlich zu sein, sich mit Ihnen zu unterhalten, Jessica."
Ich zuckte die Achseln. "Sie sind doch ein Mann, dem es nicht viel auszumachen scheint, sich in Gefahr zu begeben!"
Wir lachten. Dann stießen wir die Sektgläser gegeneinander. Das Geräusch, das dadurch entstand, klang in meinen Ohren wie Musik.
Wir unterhielten uns noch eine Weile über dieses und jenes.
Im Grunde war es belangloses Zeug, aber das spielte keine Rolle. Dieser Mann hatte etwas, das mich faszinierte und in seinen Bann schlug.
Vielleicht war es sein Lächeln, vielleicht der offene Blick seiner meerblauen Augen oder der dunkle Klang seiner Stimme...
Ich konnte nicht sagen, was mich so an ihm fesselte.
Leider verloren wir uns zwischendurch ein wenig aus den Augen. Das nächste Mal begegneten wir uns, als ich draußen in der kühlen, nebligen Nacht auf mein Taxi wartete.
"Sagen Sie bloß, jemand hat Sie versetzt, Jessica", sagte er schmunzelnd, als er auf mich zukam.
Ich zuckte die Achseln.
"Auf die Taxifahrer Londons scheint auch kein Verlass mehr zu sein."
"Wie gut!"
"Wie bitte?", erwiderte ich empört. "Ich stehe hier in der Kälte und friere mich in meinem Cocktail-Kleid vor lauter Schönheit zu Tode und Sie..."
"Ich?", lachte Gardner. "Ich bekomme auf diese Weise Gelegenheit, einer überaus attraktiven Frau meinen Mantel zu leihen und ihr anzubieten, sie nach Hause zu fahren."
Ich war zu perplex, um etwas erwidern zu können.
Gardner nutzte meine Verwirrung, um mir den Mantel über die Schultern zu legen, den er bis dahin über dem Arm getragen hatte. Er bestand aus einem angenehm weichen Wollstoff, Cashmere, so schätzte ich.
"Mein Wagen steht da drüben auf dem Parkplatz, Jessica", hörte ich seine sonore Stimme sagen. "Ein Leihwagen, den ich mir für meine Zeit in London gemietet habe. Ich hasse es nämlich, von anderen abhängig zu sein."
"Vermutlich beschränkt sich das nicht auf Taxifahrer?", erwiderte ich.
"Schon möglich. Wo wohnen Sie?"
"Ich zeig's Ihnen, Curt. Aber ich warne Sie."
Gardner sah mich erstaunt an und hob die Augenbrauen dabei.
"Sie warnen mich? Wovor?"
"Davor, dass Sie einmal quer durch London fahren müssen, wenn Sie mich wirklich nach Hause bringen wollen."
Gardner grinste schelmisch. "Zu dumm, dass Sie mir das nicht gleich gesagt haben, Jessica!"
"Sie hätten es sich noch einmal überlegt?"
"Nun..."
"Ich muss schon sagen, Sie wissen wie man einer Frau Komplimente macht", sagte ich ironisch.
"Man tut, was man kann!"
"Falls Ihr neues Buch ein Flirt-Ratgeber sein sollte, biete ich mich gerne an, um es nochmal gründlich Korrektur zu lesen..."
Gardner lachte. "Jetzt warne ich Sie, Jessica!"
"Mich?"
"Ich könnte auf Ihr Angebot zurückkommen!"
Ich hatte mich bei ihm untergehakt, während wir zum Parkplatz gingen. Es war eine furchtbar kühle und feuchte Nacht, aber dennoch war mir warm ums Herz. Fast bedauerte ich es, als wir den Wagen erreichten.
Es war eine unscheinbare Limousine. Er machte mir die Tür auf und ich stieg ein.
Während der Fahrt durch das Lichtermeer des nächtlichen Londons herrschte die meiste Zeit über Schweigen. Eine gewisse Befangenheit hatte mich befallen, gepaart mit einem halb angenehmen, halb unbehaglichen Kribbeln im Bauch.
Die Zeit verran und ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, aber es kam einfach nichts über meine Lippen. Nichts außer ein paar Angaben, die Gardner zur Villa meiner Großtante Lyndsay Gormic leiteten, in der ich die obere Etage bewohnte.
Tante Lyn, wie ich sie nannte, hatte mich seit dem frühen Tod meiner Eltern bei sich aufgenommen und mich wie eine Tochter aufgezogen. Ihr Mann Franklin, ein bekannter Archäologe, war seit vielen Jahren verschollen und vermutlich tot.
"Hier wohnen Sie also...", murmelte Gardner.
"Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mich nach Hause gebracht haben", erwiderte ich.
Wir sahen uns an.
Knisternde Spannung erfüllte den Raum zwischen uns. Ich spürte ein angenehmes Herzklopfen und fühlte mich im nächsten Moment durch den Klang seiner Stimme wie verzaubert.
"Ich würde Sie gerne wiedersehen, Jessica."
"Gerne, Curt!"
"Wir telefonieren?"
"Ja."
Er schrieb mir seine Hoteladresse auf und ich gab ihm eine der Visitenkarten, die der New World Observer für seine Mitarbeiter drucken lässt.
Als er mir den Zettel gab, hielt er einen Augenblick meine Hand fest. Dann küsste er mich flüchtig auf die Stirn.
"Gute Nacht, Jessica!"
"Gute Nacht."
Am nächsten Morgen stand ich ziemlich früh auf. Bevor ich mich in die Redaktion des Observers aufmachte, wollte ich noch meinen roten Mercedes aus der Werkstatt abholen und hatte zu diesem Zweck ein Taxi bestellt.
Tante Lyn leistete mir beim Frühstück Gesellschaft und erkundigte sich nach der VIP-Party.
Es sprudelte nur so aus mir heraus, bis Tante Lyn mich nach einer Weile unterbrach. "Man könnte meinen, auf dieser Party ist nur ein einziger Gast gewesen", lachte sie.
Ich war froh, mich in diesem Moment nicht im Spiegel sehen zu müssen, aber vermutlich überzog eine leichte Röte mein Gesicht.
"Nun, dieser Curt F. Gardner ist ein überaus faszinierender Mann."
"Auf dich muss er jedenfalls einen gewaltigen Eindruck gemacht haben", stellte Tante Lyn fest.
Sie kannte mich gut genug, um so etwas genau einschätzen zu können.
Ich nickte.
"Vermutlich hast du recht", gab ich zu.
Tante Lyn lächelte wohlwollend. Sie war jahrelang wie eine Mutter zu mir gewesen - aber gleichzeitig hatte ich in ihr auch immer so etwas wie eine Freundin und enge Vertraute gehabt.
"Bist du verliebt?", fragte sie.
Ich sah sie erstaunt an.
Eigentlich hatte ich etwas erwidern wollen, aber die Worte blieben mir buchstäblich im Halse stecken.
Stattdessen sprach Tante Lyn .
"Sag jetzt nicht, dass du über meine Frage wirklich überrascht bist, Jessica!"
Der rote Mercedes war ein Geschenk von Tante Lyn gewesen und deswegen hing ich sehr an dem Wagen, auch wenn er nun wirklich nicht mehr das neueste Modell war.
Jedenfalls war ich froh darüber, ihn wieder funktionstüchtig in Besitz nehmen zu können, nachdem die Diagnose zunächst ziemlich vernichtend geklungen hatte.
Kaum saß ich hinter dem Steuer, erreichte mich über mein Funktelefon ein Anruf aus der Redaktion.
Es war Maxwell T. Sloane persönlich, mein mitunter etwas cholerischer aber im Grunde väterlich-wohlwollender Chefredakteur. Ich hatte eine Weile gebraucht, um mir seinen Respekt zu erwerben, aber inzwischen hatte ich ihn längst überzeugt.
"Jessica? Schön, dass ich Sie erwische. Sie brauchen heute morgen gar nicht erst in die Redaktion zu fahren."
"Aber..."
"Es gab eine Tote in der MacMillan-Street." Er gab mir eine knappe Wegbeschreibung, die mich mir rasch notierte.
"Ein Mord?", fragte ich dann.
"Ich dachte, dass Sie das in Erfahrung bringen. Jim Barlow ist schon dort. Machen Sie sich bitte auch auf den Weg, Jessica!"
Ich hatte nicht einmal mehr Gelegenheit, noch irgendetwas zu erwidern. Sloane hatte schon aufgelegt. Auf den Gedanken, dass ich seinen Auftrag aus irgendeinem Grund vielleicht nicht ausführen konnte, kam er gar nicht.
Kaum eine Viertelstunde später hatte ich den Ort des Geschehens erreicht. Den Wagen hatte ich in einer Nebenstraße abstellen müssen, da eine Reihe von Dienstfahrzeugen der Polizei die Zufahrt versperrten.
Ein Leichenwagen war auch da.
Etwas abseits sah ich einen Mann mit blonden Haaren und einem Jackett, dessen Revers durch die Kamera, die er um den Hals trug, ziemlich ruiniert war. Als er mich sah, winkte er mir zu. Es war Jim Barlow, der als Fotograf für den New World Observer arbeitete.
Jim und ich hatten oft zusammengearbeitet und dabei stets ein gutes Team abgegeben.
"Hallo, Jessi", begrüßte er mich.
"Was ist passiert?"
"Eine alte Frau ist tot aufgefunden worden. Sie hieß Linda Gordon und..."
"Und was?", hakte ich nach.
Jim zuckte die Achseln. Mein Blick ging zu jener Stelle hin, an der die Leiche gelegen haben musste und an der jetzt ein Kreideumriss zu sehen war. Die Tote war offenbar bereits im Leichenwagen.
Jim deutete auf seine Kamera. "Ich habe alles hier drin, Jessi."
"Was ist passiert?"
Jim zuckte die Achseln. "Das weiß niemand und auch die Leute von Scotland Yard haben ziemlich ratlose Gesichter gemacht. Weißt du, die Tote sah aus wie eine Hundertjährige, aber laut ihrem Ausweis ist sie gerade 23 geworden. Sie hat drüben in der Absteige als Nachtportier gearbeitet... Der Besitzer war gerade hier und hat sie nur mit Mühe wiedererkannt. Er war völlig fassungslos und steht jetzt unter Schock."
"Und der Gerichtsmediziner?"
"Hat sich nicht festlegen wollen. Ich glaube, er war einfach ratlos, auch wenn er das nicht zugeben mochte."
Es hatte in letzter Zeit mehrere Todesfälle dieser Art in London gegeben. Und keiner dieser Fälle hatte bislang aufgeklärt werden können.
Mein Blick blieb an der Absteige haften, in der das Opfer angestellt gewesen war. Die schäbige Tür ging auf und ein Mann trat ins Freie. Er drehte sich nach allen Seiten kurz um. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als ich das Gesicht sah.
Es war niemand anderes als Curt F. Gardner!
"Einen Moment", murmelte ich an Jim gewandt, der natürlich nichts begriff.
"Heh, wo willst du hin?", rief er mir nach, als ich schon die ersten drei Schritte zurückgelegt hatte.
"Erkläre ich dir später!"
Ich überquerte die Straße, während Gardner bereits um die nächste Ecke bog.
Es konnte kein Zufall sein, dass er hier war!
Ich ging schneller und holte auf.
Dann hatte auch ich die Ecke erreicht. Ich ließ den Blick über die Passanten schweifen, aber von Gardner sah ich keine Spur. Er schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein.
Hinter mir hörte ich Schritte.
"Was ist denn los, Jessi? Jagst du Gespenstern hinterher oder was ist in dich gefahren?" Das war Jim.
Ich atmete tief durch, ließ ein letztes Mal den Blick vergeblich umherschweifen und fluchte innerlich. Ich hatte Gardner verloren.
"Wem jagst du hinterher?", fragte Jim eindringlich.
Ich sah ihn an.
"Ich weiß nicht", murmelte ich. Aber in Wahrheit sprach ich nicht mit ihm, sondern mit mir selbst. Ich war völlig in Gedanken und fragte mich, in welchem Zusammenhang Gardner mit dieser Sache stand. An einen Zufall konnte ich einfach nicht glauben.
Am Abend lag ein anstrengender Tag in der Redaktion hinter mir. Die Story, die ich über die VIP-Party schreiben sollte, ging mir einfach nicht von der Hand, was wohl daran lag, dass ich mich gedanklich zu sehr mit einem ganz bestimmten Gast dieser Feier beschäftigt hatte.
Und über die Tote in der MacMillan Street stand ich vor dem Problem, einen Artikel schreiben zu müssen, obwohl ich kaum Fakten hatte.
Es gab einfach keine. Nur Rätsel.
Jim entwickelte seine Bilder. Ich sah sie mir an.
Schaudern packte mich dabei. Die Tote war dreiundzwanzig Jahre alt gewesen und hatte das Aussehen einer mumifizierten Greisin.
Es war furchtbar.
Mehrfach hatte ich versucht, Gardner telefonisch in seinem Hotel zu erreichen. Aber er war nicht dagewesen. Ich erreichte ihn erst kurz bevor ich am frühen Abend die Redaktion verließ.
"Oh, Jessica. Es freut mich, dass Sie sich melden."
"Ich würde mich gerne mit Ihnen treffen, Curt."
Meine Stimme klang aus irgendeinem Grund etwas belegt.
"Sicher", erwiderte er.
"Jetzt gleich?"
"Nun..."
"Dann treffen wir uns am besten im Foyer Ihres Hotels. Einverstanden?"
Er zögerte.
Dann sagte er: "Einverstanden."
Als ich das Foyer des King Edward Hotels betrat, brauchte ich nicht lange nach Gardner zu suchen. Er saß in einem der drehbaren Ledersessel und blätterte gelangweilt in einer Illustrierten. Als er mich sah stand er auf und kam auf mich zu.
"Hallo, Jessica", sagte er lächelnd und nahm meine Hand.
Wieder war er da, dieser Zauber, der von ihm ausging.
"Hallo, Curt."
"Darf ich Sie zu einem Drink in die Hotelbar einladen?"
"Gerne."
Gemeinsam gingen wir in die Bar, in der wir im Moment so gut wie die einzigen Gäste waren.
"Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Jessica. Um ehrlich zu sein, werden Sie vermutlich das einzige sein, was mir von dieser seltsamen VIP-Party in Erinnerung bleiben wird."
"Oh..."
"Für gewöhnlich mag ich solche Anlässe nicht. Aber mein britischer Verleger hat mir schon so manchen Gefallen getan, da dachte ich mir, dass ich ihm auch einen schuldig bin." Ein sympathisch wirkendes Lächeln ging über sein Gesicht, als er dann fortfuhr: "Wie man sieht, wird eine gute Tat auch belohnt. Schließlich habe ich Sie kennengelernt! Und auch wenn Sie vielleicht der Meinung sind, dass eine Flirt-Schule aus meiner Feder ein kompletter Flop wäre - ich halte Sie für eine ungewöhnlich faszinierende Frau..."
"...der Sie aber dennoch um keinen Preis der Welt etwas über das Projekt verraten würden, an dem Sie gerade arbeiten", erwiderte ich, woraufhin er mich ziemlich erstaunt ansah.
"Sie lassen nicht locker, was?"
"Dafür werde ich bezahlt."
Er zuckte die Achseln. "Und ich dachte, Sie wären meinetwegen hier."
"Das bin ich."
Ich nippte an meinen Glas und schluckte unwillkürlich, als der Blick seiner blauen Augen mich traf. Mein Herz schlug wie wild. Ich hatte den ganzen Tag sein Bild vor Augen gehabt, was einerseits daran lag, dass dieser Mann mich faszinierte.
Auf der anderen Seite hatte mich die Frage nicht losgelassen, was er mit der Toten in der MacMillan Street zu tun hatte.
Ich sprach ihn direkt darauf an.
Er wich meinem Blick aus, nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas und sagte dann: "Ich kann Ihnen nicht sagen, woran ich arbeite, Jessica. Eine Meldung in der Zeitung und alles wäre hin... Monate intensiver und gefährlicher Arbeit. Nein, das kann ich nicht riskieren."
"Sie sollten mir vertrauen, Curt."
Er hob die Augenbrauen.
Sein Blick war prüfend. Aber ich sah noch immer das Misstrauen in seinen Zügen.
"Jessica..."
"Es hat etwas mit diesen rätselhaften Todesfällen zu tun, nicht wahr? Ich weiß von dreien und alle liegen bislang als ungelöste Rätsel in den Aktenschränken von Scotland Yard. Ich glaube Sie wissen, was - oder wer – dahintersteckt. Zumindest haben Sie eine Vermutung..."
Sein Lächeln wirkte dünn.
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, mit meinen Worten der Wahrheit sehr nahe gekommen zu sein. Aber ich stand jetzt vor einer Mauer, die ich ohne Gardners Hilfe nicht überwinden konnte.
"Und Sie haben eine lebendige Phantasie, Jessica."
"Braucht man die nicht, um der Realität auf die Spur zu kommen?"
Er zuckte die breiten Schultern.
"Ich fürchte, da haben Sie recht. Aber ich bin es leid, dass wir dauernd über mich sprechen, Jessica. Ich würde gerne mehr über Sie erfahren..."
Ich atmete tief durch.
Vielleicht musste ich ihm mehr Zeit geben.
"Wissen Sie schon, wie lange Sie in London bleiben werden?"
"Das hängt von den Umständen ab", wich er aus.
Leiser, gedämpfter Klavierjazz begann jetzt den Raum zu füllen. Ich blickte quer durch die Bar und sah, dass sich ein Mann im dunklen Anzug und kahlem Kopf an den Flügel gesetzt hatte, der dort stand. Er hatte ungewöhnlich große Hände, die mehr als eine Oktave greifen konnten.
"Das ist Billy, der Barpianist", erklärte Gardner. "Er hatte wohl gerade Pause... Ich habe ihm schon oft zugehört."
"Er spielt gut", musste ich zugeben, während ich fasziniert die Hände des Pianisten betrachtete, die mit ungeheurer Leichtigkeit über die Tasten glitten. Er spielte zunächst ein wirres Potpourri, so als könnte er sich nicht für ein Stück entscheiden, ehe er schließlich nach zahlreichen Appeggi ein Stück zu spielen begann, das ich nur zu gut kannte.
'As time goes by' aus Casablanca.
Eine Melodie, deren erste Akkorde mich bereits in eine romantische Stimmung versetzten.
Ich fühlte Gardners Hand die meine nehmen.
"Wollen wir tanzen, Jessica?"
"Gerne", hauchte ich.
Wir standen auf und einen Augenblick später umfasste er zärtlich meine Taille, während ich mich an seiner Schulter festhielt. Wir sahen uns in die Augen und sein Blick ging mir durch und durch. Ein wohliges Kribbeln machte sich in meinem Bauch breit.
Und während im Hintergrund Billy, der Pianist über 'As time goes by' improvisierte, fanden sich schließlich unsere Lippen zu einem Kuss. Erst vorsichtig tastend, dann leidenschaftlicher. Als wir uns schließlich voneinander lösten, legte ich den Kopf an seine Schulter. Gardner strich mir zärtlich über das brünette Haar, das ich an diesem Tag offen trug.
"Solche Augenblicke sollten nie vergehen", hörte ich Gardner mir leise ins Ohr flüstern.
Und ich konnte ihm da nur zustimmen.
"Ja", hauchte ich kaum hörbar. "Ja..."
Die Zeit schien stehenzubleiben.
In dieser Sekunde gab es nur uns beide, Gardner und mich.
Und der Rest der Welt erschien unbedeutend und weit entfernt.
"Jessica..."
"Curt..."
Erst als Billy irgendwann genug von 'As time goes by' zu haben schien und disharmonischere Klänge anschlug, gingen wir Arm in Arm zu unseren Drinks zurück.
Als ich ihm dann gegenübersaß, hatte ich plötzlich ein Bild vor meinem inneren Auge, das mich aus irgendeinem Grund beunruhigte.
Ich sah Kuppeln und Bögen, dazu Palmen und eine blutrote Sonne. Die Luft flimmerte vor Hitze.
Ein orientalischer Palast!
Im nächsten Moment hatte ich die Vision, durch einen engen, finsteren Gang zu gehen. Ich blickte durch eiserne Gitterstäbe in ein furchtbares Verlies und sah Gardners Gesicht, das sich auf schreckliche Weise verändert hatte. Es war leichenblass und aus den Augen war jeglicher Glanz verschwunden... Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich einem Toten oder einem Sterbenden in die Augen blickte.
"Jessica!"
Gardners Stimme holte mich wieder ins hier und jetzt. Die Vision war wie weggeblasen, aber das Gefühl namenloser Furcht schnürte mir die Kehle zu.
Ich fror innerlich und musste schlucken.
"Jessica, was ist los mit dir?"
"Ich..."
"Ja?"
Er fasste meine Hand, die sich warm anfühlte. Ich sah in sein leicht gebräuntes Gesicht mit dem sympathischen Lächeln und den strahlend blauen Augen, die mich an die Weite des Meeres erinnerten.
"Es ist nichts", behauptete ich und versuchte ein Lächeln, das sicherlich nicht sehr überzeugend wirkte.
"Wirklich nicht?"
"Wirklich nicht."
Es war eine Lüge. Inzwischen kannte ich das, was meine Großtante Lyndsay als "Gabe" zu bezeichnen pflegte, gut genug, um zu wissen, dass diese tagtraumhafte Vision etwas bedeutete. Möglicherweise hatte sie mit einem Verhängnis zu tun, das in der Zukunft wartete, vielleicht aber deutete sie auch auf ein Geheimnis, das ich intuitiv vielleicht schon weiter entschlüsselt hatte, als mein Verstand zuzugeben bereit war.
Ich wusste es nicht.
Ich wusste nur, dass mich Gardners Gesicht in dieser Vision an das Gesicht der Toten aus der MacMillan Street erinnert hatte.
In den nächsten Tagen machten einige Spekulationen über die Tote aus der MacMillan Street die Runde. Ein Mediziner trat der mit der These an die Öffentlichkeit, das Gift einer seltenen südamerikanischen Pflanze könnte möglicherweise eine derartige Wirkung haben.
Aber das war wohl nicht sonderlich ernst zu nehmen.
Die Sprecher von Scotland Yard wirkten mehr oder minder hilflos. Ich versuchte mein Glück mit mehreren Interviews, aber man versuchte mich mit dem nichtssagenden Geschwätz des Pressesprechers abzuspeisen. Das Ganze sollte vermutlich eines verdecken: dass man so gut wie nichts wusste.
Maxwell T. Sloane, den Chefredakteur des Observers stellte so etwas natürlich nicht zufrieden. Aber in diesem Fall stand ich so gut wie mit leeren Händen da. Und daran würde sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern.
Ich traf mich des öfteren mit Gardner.
Wir führten lange Gespräche, gingen zusammen aus und mehr und mehr wurde es für mich zur Gewissheit, dass ich mich in diesen faszinierenden Mann bis über beide Ohren verliebt hatte.
Wir trafen uns zumeist abends. Ich fragte mich, was er den Rest des Tages tat. Und er hatte auch keinerlei Neigung, mir darüber Auskunft zu geben. Also fragte ich auch nicht mehr.
Irgendwann, da war ich mir sicher, würde er mir genug vertrauen, um mich einzuweihen.
Er führte mich ins Theater aus. Wir aßen in exotischen Restaurants und jeder dieser Abende war ein Erlebnis.
Eng umschlungen spazierten wir durch die Parks und an der Themse entlang. Es waren wunderbare Tage, auch wenn über all dem ein Schatten lag, denn irgendwann würde Gardner London wieder verlassen, auch wenn er sich beharrlich weigerte mir über seine Pläne irgendetwas Genaueres zu sagen.
Und dann war da noch jene kurze tagtraumhafte Vision, die ich gehabt hatte...
Ich mochte nicht daran denken.
Sie hatte sich nicht wiederholt und daher hatte ich die Hoffnung, dass ich mich möglicherweise geirrt und ihre Bedeutung überschätzt hatte.
Im Grunde meines Herzens ahnte ich, dass das ein bequemer Selbstbetrug war... Aber in diesen Augenblicken des Glücks wollte ich es nicht wahrhaben. Ich weigerte mich einfach anzuerkennen, was meine Intuition mir überdeutlich klarzumachen versuchte.
"Ich liebe dich, Curt", sagte ich nach einem dieser romantischen Abende, nachdem wir uns im Angesicht des klaren Sternenhimmels leidenschaftlich geküsst hatten.
"Ich dich auch", erwiderte Gardner.
"Und ich möchte in dieser Nacht nicht alleinbleiben, Curt..."
Er presste mich an sich und ich fühlte mich beschützt und geborgen. "Das brauchst du auch nicht, Jessica", versprach er mir.