Rote Spaltung - Henning Lindhoff - E-Book

Rote Spaltung E-Book

Henning Lindhoff

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Beschreibung

Waffen für die IRA +++ Unterstützung der ETA +++ Bürgerkrieg in der Ostukraine +++ Haben russische Geheimdienste ihre Hände im Spiel? Ein Staat entsteht nicht von jetzt auf gleich. In der Juristerei kennt man den Begriff "Protostaat". Dieser Protostaat gilt nach offizieller Lehrmeinung als Werkzeug zur Rechtsprechung und Konfliktschlichtung zwischen streitenden Gemeinschaften. Ausgehend von dieser Definition passen einige der in der Menschheitsgeschichte bislang ausgerufenen Volksrepubliken, wie aktuell auch die VR Lugansk und VR Donezk in der Ostukraine, sowie ähnliche provisorische Staatengebilde und ihre Vorläufer, nicht so recht ins Bild. Wie vor allem anhand der Ereignisse in der Ostukraine seit 2014 ersichtlich wird, wird in solchen Konstrukten kaum wirklich Recht gesprochen. Vielmehr werden Volksgruppen gegeneinander aufgehetzt. Als Grundlage für einen Rechtsstaat sind die beiden jungen Republiken genauso wenig vorstellbar wie es ihre zahlreichen historischen Vorbilder waren. Es stellt sich also die Frage, ob ein Protostaat immer nur mit rechtspflegerischer und friedensstiftender Absicht der Einheimischen gegründet wird, oder ob nicht doch auch Interessen aus dem Ausland eine Rolle spielen, ob also Protostaaten nicht vielleicht auch Waffen im geopolitischen Wettstreit darstellen. Dieser Frage wird in diesem Buch nachgegangen. Dargestellt wird, inwiefern die Unterstützung von Protostaaten im verfeindeten Ausland im Interesse einer geopolitisch bedeutenden Macht steht und dass der Initialfunke zur Gründung eines Protostaates oft mittels militärischer und geheimdienstlicher Unternehmungen gezündet wurde und wird. Im Fokus der Untersuchungen werden die diesbezüglichen Aktionen der sowjetischen Regierung während des Kalten Krieges stehen. Ziel ist es, anhand historischer Beispiele die grundlegenden Strategien der Operationen zur Gründung und Unterstützung separatistischer Protostaaten im Ausland aufzuzeigen.

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Henning Lindhoff

Rote Spaltung

Die Destabilisierung des Westens durch KGB und GRU

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Einführung

Moskaus Sezessionen

Resümee

Literaturverzeichnis

Über den Autor

Impressum neobooks

Impressum

Rote Spaltung

Die Destabilisierung des Westens durch KGB und GRU

Copyright © 2016 Henning Lindhoff

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagbild: shutterstock.com

Umschlaggestaltung: Henning Lindhoff

Verfasser und Verleger: Henning Lindhoff,Burgstraße 21, 53359 Rheinbach

Einführung

Den „Separatismus“ erklärt Carl Creifelds‘ renommiertes Rechtswörterbuch in seiner elften Auflage als „innenpolitische Bewegung, die auf Abtrennung eines Teiles des Staatsgebietes gerichtet“ (Creifelds, 1992) sei. Die Frage, ob eine solche Bewegung immer nur innenpolitische Bezüge aufweist, bildet den Gegenstand der nachfolgenden Erörterungen.

Ein Staat entsteht nicht von jetzt auf gleich. In der Juristerei kennt man den Begriff „Protostaat“, der laut Online-Lexikon Jurispedia „eine Vorstufe in der natürlichen Staatenbildung“ (Jurispedia, 2015) darstellt. Die Entwicklung von Protostaaten diene „der zwischenmenschlichen Konfliktregelung. Die häufig eskalierenden Friedensverhandlungen und Schlichtungen unter Männern der Stammeskulturen führten aus Leiderfahrungen zur Bildung staatlicher Gerichte, die nicht mehr im Konsens des Friedensgespräches, sondern autoritär durch Richter oder Könige entschieden.“ Anhand des Aktes der kollektiven Anerkennung eines formalen Richteramts könne rückblickend ein Protostaat erkannt werden, so die Autoren des Nachschlagewerks. Der Protostaat gilt somit als Werkzeug zur Rechtsprechung und Konfliktschlichtung zwischen streitenden Gemeinschaften. Auf dieser Kompetenz aufbauend wachsen im Laufe der Zeit die weiteren Arme der Staatskrake.

Ausgehend von dieser Definition passen einige der in der Menschheitsgeschichte bislang ausgerufenen Volksrepubliken, wie die VR Lugansk und VR Donezk in der Ostukraine der Jahre 2014 und 2015, sowie ähnliche provisorische Staatengebilde und ihre Vorläufer, nicht so recht ins Bild. Wie vor allem anhand der Ereignisse in der Ostukraine anno 2015 ersichtlich wird, wird in solchen Konstrukten weniger Recht gesprochen, als Volksgruppen gegeneinander aufgehetzt. Als Grundlage für einen Rechtsstaat sind die beiden jungen Republiken genauso wenig vorstellbar wie es ihre zahlreichen historischen Vorbilder waren. Es stellt sich also die Frage, ob ein Protostaat immer nur mit rechtspflegerischer und friedensstiftender Absicht der Einheimischen gegründet wird, oder ob nicht doch auch Interessen aus dem Ausland eine Rolle spielen, ob also Protostaaten nicht vielleicht auch Waffen im geopolitischen Wettstreit darstellen.

Dieser Frage werde ich in diesem Buch nachgehen. Ich werde darstellen, inwiefern die Unterstützung von Protostaaten im verfeindeten Ausland im Interesse einer geopolitisch bedeutenden Macht steht und dass der Initialfunke zur Gründung eines Protostaates oft mittels militärischer und geheimdienstlicher Unternehmungen gezündet wurde und wird.

Im Fokus meiner Untersuchungen werden die diesbezüglichen Aktionen der sowjetischen Regierung während des Kalten Krieges stehen. Mein Ziel ist es, anhand historischer Beispiele die grundlegenden Strategien der Operationen zur Gründung und Unterstützung separatistischer Protostaaten im Ausland aufzuzeigen.

Moskaus Sezessionen

Am 3. Juni 1977 erklärte der kanadische Parlamentsabgeordnete Tom Cossitt in Ottawa, DDR-Geheimdienstler würden in einem Lager bei Finsterwalde etwa 500 bis 700 Terroristen aus verschiedenen Ländern zu Untergrundkämpfern ausbilden. Neben Mitgliedern der irischen IRA befänden sich in dem Lager auch Anhänger einer radikalen Organisation, die mit Gewalt die Lösung der Provinz Quebec vom übrigen Kanada betreiben wolle. Doch nicht nur Kanada war damals bedroht.

Untergrundkämpfer der Roten Armee lauerten in vielen Ländern des Westens. Zu behaupten, dass der internationale Terrorismus ohne Moskaus Unterstützung niemals eine hohe Bedrohungsstufe erreicht hätte, ist keinesfalls voreilig. Regionaler Nationalismus war den Sowjets stets eine willkommene Quelle für Störungsaktionen und Moskaus Machthaber unterstützten ihn in vielerlei Formen, genauso wie sie extremistischen Gruppen innerhalb nationaler Bewegungen konkrete Hilfe anboten (vgl. Suworow, 1989).

Entgegen wiederkehrender Dementis aus Moskau nutzten der KGB und der sowjetische Militärgeheimdienst GRU (Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije) während des Kalten Krieges immer wieder Gegensätze und schwelende Minderheitsfragen zur Destabilisierung des Westens. Moskau organisierte die Kooperation der internationalen marxistischen Gruppierungen und sorgte als Schirmherr für das Zusammenwachsen der kommunistischen Weltfront. Doch auch nicht-marxistische Gruppierungen, insbesondere rechtsradikale Kleingruppen in Mitteleuropa wurde gezielt aufgebaut und unterstützt, um Diskussionen über den angeblich faschistischen Westen am Köcheln zu halten. Einflussreiche Terrorbanden wie die ETA im Baskenland und die IRA in Nordirland wurden als „progressive Gruppen“ bezeichnet und ganz gezielt und direkt über die Residenturen des KGB in den Zielländern unterstützt (vgl. Laqueur, 1999).

Zusätzlich wurden mächtige Mittelsmänner eingesetzt. Etwa 50 kommunistischen Terrororganisationen griff allein Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi mit Billigung oder im Auftrag der sowjetischen Geheimdienste unter die Arme. Italiener, Türken, Südamerikaner, Japaner, Iren, Basken, Thailänder, Äthiopier und Palästinenser wurden in insgesamt 21 libyschen Terrorausbildungslagern trainiert. Im Dezember 1976 sprach Gaddafi persönlich mit Leonid Breschnew und forderte von ihm eine noch stärkere Aufrüstung im Mittelmeerraum. Insbesondere die Palästinenser müssten gestärkt werden. Libyen war damals Drehscheibe der sowjetischen Präsenz im südlichen Mittelmeer. Etwa 12.000 sowjetische sowie 5.00 polnische und bulgarische Militärberater und Techniker arbeiteten an verschiedenen Projekten im Land. Etwa 4.000 libysche Offiziere und Soldaten wurden in der Sowjetunion und Polen ausgebildet. Ab 1975 hatte Tripolis für über 13 Milliarden Dollar Waffen in der Sowjetunion gekauft – weit mehr als die kleine libysche Armee von 30.000 Mann wahrscheinlich überhaupt verwenden konnte. Zu den modernen sowjetischen Waffen in Libyen gehörten auch 50 Panzer des Typs T-72, die damit erstmals außerhalb des Warschauer Pakts geliefert worden waren

Die Operationsziele lagen vor allem auch in Europa, wo jahrzehntealte Regionalkonflikte um Grenzen, Nationalitäten und Territorien wieder aufflammten. Österreicher und Italiener stritten um Südtirol, Griechen und Türken um Zypern, Iren und Briten um Nordirland. Die Konflikte und sezessionistischen Bewegungen hatten zumindest anfangs kaum ideologische Verbindungen zum Kommunismus, wurden allerdings von den sowjetischen Strategen geopolitisch ausgenutzt.

„Bürgerkrieg morgen Nachmittag“ – Waffen für irische Genossen

In Irland sind allein in den Jahren von 1969 bis 1977 1.800 Menschen ums Leben gekommen. 12.000 Mordversuche wurden unternommen und über 20.000 Verletzte waren zu beklagen. Dazu kamen etwa 70.000 zerstörte Häuser, über 20.000 Schießereien und ungefähr 9.000 Explosionen – auf einem Gebiet mit damals nur etwa 1,6 Millionen Einwohnern. Nordirland zählte zu dieser Zeit nicht mehr Bewohner als der Großraum München.

Die irische Tragödie spielte sich vor dem Hintergrund eines mehrfachen Minderheitenproblems ab. Jahrhundertelang hatten die Iren die Unterdrückung durch britische Regierungen erleiden müssen – furchtbare Hungersnöte und millionenfache Auswanderung waren die Folgen. Unterdrückt wurden sie als Iren und als Katholiken. Sie wurden sozial wie politisch benachteiligt. Die nordirischen Protestanten widersetzten sich einer Vereinigung mit der Republik, da sie dann ihrerseits in die Minderheit geraten wären und dementsprechend Nachteile befürchteten. Das Nordirland-Problem war während des Kalten Krieges eines der am schwersten lösbaren europäischen Minderheitsfragen. Moskau hatte dies erkannt und versuchte es für seine politischen Zwecke auszunutzen.

Im Kampf um Nordirland standen sich mehrere Terrororganisationen gegenüber. Die lrish Republican Army, IRA, die Nordirland mit dem Freistaat vereinigen wollte, und bis heute noch will, und auf protestantischer Seite die Ulster Volunteer Force, UVF, die Ulster Defence Association, UDA, sowie die Rote Hand. Sie versuchten die Teilung Irlands und die enge Verbindung Nordirlands mit Großbritannien aufrecht zu erhalten. Anfang der 1960er Jahre begann die systematische marxistische Unterwanderung der IRA. Zehn Jahre später hatte sich die IRA in zwei Organisationen gespalten: Die „offizielle marxistische“ IRA und die weniger doktrinäre aber dafür noch gewalttätigere „provisorische IRA“. Beide zählten etwa 1.000 aktive Mitglieder. Die „offizielle IRA“ lehnte zwar auch Gewalt nicht ab, setzte jedoch mehr auf die Taktik einer friedlichen „nationalen Befreiungsfront“, um ganz Irland schließlich unter einem sozialistischen Regime zu vereinen. Die „provisorische IRA“ baute auf Stadtguerillaterror und Sabotageaktionen mit dem Ziel, die Regierungen in Dublin und Ulster zu stürzen (vgl. Barron, 1978).

Bereits in den 1920er Jahren hatte die IRA erste Fühler nach Moskau ausgestreckt, um Hilfe für ihren Kampf gegen England zu erbitten. Damals hatte jedoch der sowjetische Geheimdienst wenig Interesse gezeigt (vgl. Sejna, 1982).