Rotten Love - Mia Kingsley - E-Book + Hörbuch

Rotten Love E-Book und Hörbuch

Mia Kingsley

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Beschreibung

Wenn das Monster sich nicht länger versteckt, will es wahrscheinlich gefunden werden. Mein Boss, mein Mitbewohner, mein Verehrer und ein FBI-Agent treffen sich in einer Bar … Was wie der Anfang eines mittelmäßigen Witzes klingt, ist meine Realität. Vier von ihnen wollen mich ins Bett bekommen. Drei von ihnen sind halbwegs erträglich. Zwei von ihnen sind in mich verliebt – obwohl »besessen von mir« eher zutrifft. Und ich bin mir sicher, dass einer von ihnen ein gefährlicher Serienkiller ist … Dark Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.

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ROTTEN LOVE

BAD FAIRY TALE 1

MIA KINGSLEY

DARK ROMANCE

INHALT

Rotten Love

Warnung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Nächster Band der Reihe: Once Upon A Murder

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Über Mia Kingsley

Copyright: Mia Kingsley, 2019, Deutschland.

Covergestaltung: © Mia Kingsley

Korrektorat: http://www.swkorrekturen.eu

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.

Black Umbrella Publishing

www.blackumbrellapublishing.com

ROTTEN LOVE

Wenn das Monster sich nicht länger versteckt, will es wahrscheinlich gefunden werden.

Mein Boss, mein Mitbewohner, mein Verehrer und ein FBI-Agent treffen sich in einer Bar …

Was wie der Anfang eines mittelmäßigen Witzes klingt, ist meine Realität.

Vier von ihnen wollen mich ins Bett bekommen.

Drei von ihnen sind halbwegs erträglich.

Zwei von ihnen sind in mich verliebt – obwohl »besessen von mir« eher zutrifft.

Und ich bin mir sicher, dass einer von ihnen ein gefährlicher Serienkiller ist …

Dark Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.

WARNUNG

Ich habe mit einer Therapeutin gesprochen.

Mit mir ist alles in Ordnung.

Ich schwöre es.

KAPITEL1

WELTON

Sobald ich den Krawattenknoten löste, wurde meine Laune besser. Ich zog den Anzug aus, streifte das Hemd ab und schlüpfte stattdessen in Jeans und T-Shirt. Eigentlich hatte ich nicht mehr ausgehen wollen, aber nach den vergangenen Tagen brauchte ich eine kleine Aufmunterung. Ich hatte meinen Mitarbeitern heute schon die Hölle heißgemacht – sie würden sich bedanken, wenn der Boss nicht bald wieder mit besserer Laune zur Arbeit kam.

In der Garage entschied ich mich für den schwarzen Ford Mustang und legte meine Tasche in den Kofferraum. Als der Motor mit seinem satten Geräusch zum Leben erwachte, spürte ich zum ersten Mal seit Langem, wie die Wut nachließ. Die Aussicht auf ein wenig Spaß besänftigte das Toben in meinem Inneren.

Ich wollte nicht darüber nachdenken, wie lange ich noch auf diese Weise weitermachen konnte.

Nachdem ich die Hauptstraße mit den unzähligen Bars und Restaurants hinter mir gelassen hatte, nahm ich die Abzweigung in den ärmeren Teil der Stadt. Hier waren nicht so viele schicke Pärchen unterwegs wie auf der Flaniermeile. Es war nicht erstrebenswert, nachts in den Straßen rund um The Cathedral gesehen zu werden. Noch hatte die Gentrifizierung nicht zugeschlagen.

In diesem Teil der Stadt war es viel dunkler als im Rest, weil die Hälfte aller Straßenlaternen beschädigt worden war und die Reparatur sich nicht lohnte. Dementsprechend viele Gestalten der Nacht lungerten im Schatten herum.

Ich versuchte mir selbst zu versichern, dass es vorerst das letzte Mal war, dass ich diese Route nahm. Es war ein ständiger Kampf mit mir selbst, die Kontrolle zu behalten und dem Wüten in meinem Inneren nicht nachzugeben. Ich hatte mich beinahe davon überzeugt, dass es besser wäre, nach Hause zu fahren, als ich sie am Ende der Straße stehen sah.

Sie war neu hier. Jung, frisch und unverbraucht. Und – oh – so hübsch.

Braune Locken fielen auf schmale Schultern. Die Augen wirkten zu groß für das kleine Puppengesicht, die vollen Lippen konnten selbst einen Heiligen in Versuchung führen.

Die Jeansshorts waren kurz und genauso knapp wie das enge Oberteil. Sie hatte keine Geheimnisse – alles war deutlich zu sehen.

Ich bremste den Wagen und ließ das Fenster herunter. Wie immer war die Erleichterung auf ihrem Gesicht unbezahlbar. Nein, ich war kein fetter Trucker und kein Familienvater im mittleren Alter mit Kindersitz auf der Rückbank.

Da sie neu war, überwog ihre Erleichterung. Sie fragte sich nicht, was ein Kerl wie ich hier wollte. Sie hatte noch nicht gelernt, die Alarmsignale zu deuten. Die teure Uhr an meinem Handgelenk, die Tatsache, dass mein Gesicht allein garantierte, dass ich nicht für Sex bezahlen musste. Oder sie dachte, es wäre mein Fetisch. So oder so breitete sich ein Lächeln auf ihren verführerischen Lippen aus.

»Hallo«, sagte sie und beugte sich vor, um mir einen guten Blick in ihren Ausschnitt zu gewähren. »Auf der Suche nach Gesellschaft?« Sie hatte die Unterarme auf die Autotür gestützt, die schmalen Handgelenke überkreuzt. Ein sanfter Vanille-Hauch umgab sie.

»Klingt gut. Ich könnte Gesellschaft gebrauchen. Vor allem, wenn sie so hübsch ist wie du.«

Es war beinahe erbärmlich, wie ihre Augen aufleuchteten. Vermutlich war sie auf der Suche nach Bestätigung, die sie von Daddy nie bekommen hatte – und auf der Suche nach Geld, um ihre recht neue Drogensucht zu finanzieren.

Sie lächelte und ich nickte ihr zu. »Steig ein, Schönheit.«

Während sie es sich auf dem Beifahrersitz gemütlich machte, warf ich einen Blick in den Rückspiegel. Niemand achtete auf uns. Perfekt. Aber alles andere hätte mich in dieser Gegend auch gewundert.

»Schnall dich an. Wir wollen nicht, dass dir etwas passiert.« Es kostete mich Mühe, nicht über meinen eigenen Witz zu lachen, dessen Sinn sich ihr erst später erschließen würde.

»Wo fahren wir hin?«, fragte sie und legte die Hand auf meinen Oberschenkel.

Ich entdeckte das erste Manko – ihre langen, unfassbar spitz gefeilten Fingernägel. Damit würde ich sie unter Garantie nicht in die Nähe meiner Hoden lassen. »Zu mir.«

Eine glatte Lüge. Ich würde niemals eine Nutte mit nach Hause nehmen. Zu diesem Zweck besaß ich eine Reihe Lagerhallen in der ganzen Stadt verteilt, die auf den ersten Blick wie Künstlerlofts aussahen, solange man nicht weit genug hineinging, um die Plastikplanen auf dem Boden zu sehen.

»Klingt gut. Ausnahmsweise mal kein Hotel.« Sie drückte zu. »Willst du nicht über die Preise verhandeln?« Sie schob die Unterlippe vor.

»Wie heißt du?«

»Carla.«

»Hier, Carla.« Ich fasste in die Hosentasche und zog zwei Hunderter hervor. »Reicht das, um eine Stunde deiner Zeit zu beanspruchen?«

»Klar«, sagte sie lässig, aber ich konnte die Aufregung in ihrer Stimme hören. Zweihundert Dollar waren ein Vermögen im Gegensatz zu dem, was sie sonst verdiente, wenn sie ihren Körper verkaufte.

Ich parkte in der Garage neben der Lagerhalle, damit niemand sah, wie Carla aus meinem Wagen stieg, und öffnete die Durchgangstür. Als ich das Licht anschaltete, gab sie ein entzücktes Geräusch von sich.

»Bist du Maler?«

»Ja.« Nein. Aber große Leinwände eigneten sich hervorragend als Sichtschutz.

»Wie aufregend. Ein echter Künstler.«

Für meinen Geschmack redete Carla eindeutig zu viel. Bevor ich sie weiter nach hinten führte, zog ich sie an mich und küsste sie.

»Mhm«, machte sie und schlang die Arme um meinen Nacken. Sie schmeckte nach Fruchtkaugummi und Kaffee, was eine merkwürdige Mischung war, die mir nicht gefiel. Die Wut kehrte zurück, heftiger und intensiver als in den letzten Tagen. Es sah so aus, als würde ich das Ganze beschleunigen müssen.

»Du bist ein guter Küsser«, verkündete sie.

»Ich wette, das sagst du jedem Mann.«

Zum ersten Mal zeigte sie mir ihr ehrliches Lachen. »Nein. Ganz sicher nicht.« Sie streichelte meine Brust, doch alles, woran ich denken konnte, waren ihre spitzen Fingernägel und der schwarze Zorn, der drohte, mich einzuhüllen.

Nachdem sie einen Kuss auf meinen Hals gedrückt hatte, machte sie Anstalten, vor mir auf die Knie zu gehen. Eigentlich war ich nicht richtig in Stimmung, aber da ich schon bezahlt hatte, konnte ich sicher ein paar Minuten erübrigen. Möglicherweise hob ein Blowjob meine Laune zusätzlich an.

Es war definitiv nicht die erste Hose, die Carla öffnete, ihre Bewegungen waren geübt und flüssig. Sie zögerte keine Sekunde und hielt nicht inne, bevor sie die Lippen um meine Eichel schloss. Die Art, wie sie ihre Zunge benutzte, hatte durchaus etwas für sich. Die schwarzen Wolken zogen sich zurück.

Carla ließ sich Zeit, liebkoste meinen Schwanz und nahm ihn tief in ihren Mund. Nicht tief genug. Bevor sie reagieren konnte, umfasste ich ihren Hinterkopf und rammte mich tiefer in ihre Kehle. Obwohl sie Probleme hatte, mit meiner Größe klarzukommen, protestierte sie nicht. Sie schluckte und schnaufte durch die Nase.

Als ich die Augen schloss und mich auf das exquisite Gefühl konzentrierte, weil sie aufgrund des Luftmangels in Panik geriet, sah ich plötzlich eine andere Frau vor mir.

Ich war irritiert, denn das war mir bisher nicht passiert. Außerdem konnte ich die Frau nicht einordnen. Blonde Locken, spöttische Augen und ein verächtlicher Zug um den Mund – warum törnte mich ihr herablassender Gesichtsausdruck an?

Gerade noch rechtzeitig ließ ich Carla los, bevor sie erstickte.

Hustend und mit tränenden Augen fiel sie nach hinten, kroch rückwärts auf Händen und Füßen vor mir weg. Ihr schien aufzugehen, dass etwas mit mir nicht stimmte.

Zu spät. Ihre Erkenntnis kam viel zu spät.

Ich beugte mich vor und packte ihren Knöchel. Einen Ruck später lag sie ausgestreckt auf dem Boden. Ich hockte mich über sie und bändigte als Erstes ihre Hände, damit sie mich nicht mit ihren künstlichen Krallen kratzte.

»Was hast du vor? Du tust mir weh«, wimmerte sie und versuchte, sich aufzubäumen.

Dummes Mädchen. Wusste sie nicht, wie viel kleiner und schwächer als ich sie war?

Ich erstickte ihren Protest mit einem Kuss. Nach einem kurzen Moment stellte sie die fruchtlosen Versuche ein, sich zu wehren, und erwiderte den Kuss. Ich konnte zärtlich sein, wenn ich wollte. Obwohl ich ihre Arme gepackt hielt, wusste ich, wie ich ihr vorgaukeln konnte, dass alles in Ordnung war, dass mich lediglich die Leidenschaft mitgerissen hatte.

»Oh ja«, stöhnte sie an meinen Lippen. Es klang durch und durch falsch. Geradezu verlogen.

Die schwarzen Wolken kehrten wieder und drängten mich, es endlich zu tun. Carla war nicht die Richtige. Ich würde nie die Richtige finden. Es war alles so sinnlos und leer.

Damit sie still war, stieß ich die Zunge in ihren Mund, fand ihre und spielte mit ihr. Dabei ließ ich sie meinen harten Schwanz spüren. Ich rieb mich an ihr.

Nachdem ich ihr enges Top nach oben gezerrt hatte, betrachtete ich ihre Brüste. Nein. Irgendetwas war nicht richtig. Ich wusste nicht, was es war. Eine neue Welle Zorn brach über mich herein.

Ich stand auf und zerrte Carla mit mir. Sie stolperte bereitwillig hinter mir her, dachte wahrscheinlich, ich würde sie in mein Bett bringen.

Als die Plane unter ihren Füßen knisterte, blieb sie irritiert stehen und sah nach unten. »Was zum Teufel?«, fragte sie, die hübsche Stirn gerunzelt.

Ich zog mein Messer. Das Geräusch der hervorschnellenden Klinge ließ Carla erstarren.

»Tu mir nichts«, wisperte sie, ohne sich umzudrehen. Das Szenario schien ihr erstaunlich vertraut zu sein.

»Das kommt ganz darauf an, wie kooperativ du bist. Vorwärts.« Ich stieß eine Hand in ihren Rücken und sie lief weiter.

Wir hatten das Ziel ohnehin fast erreicht. Mitten im Raum, unter der Plane, gab es einen Abfluss, der mir das Saubermachen ungemein erleichtern würde.

Es hätte perfekt sein können, wenn sie nicht im letzten Moment beschlossen hätte, die Flucht zu ergreifen. Ich musste sie einfangen und zurückzerren, was mir die ganze Lust nahm.

Meine Erektion fiel in sich zusammen, und ich begnügte mich damit, das Messer einfach nur in ihr Herz zu rammen.

Sie sank zu Boden. Ich fing sie auf und legte sie vorsichtig ab, sonst würde sie hässliche blaue Flecken bekommen, die ihren schönen Anblick ruinierten. Jetzt, da sie nicht mehr redete, war sie wieder hübscher.

Das Blut quoll aus der Wunde, ihre Augen wurden leer. Ihr leicht geöffneter Mund versprach nach wie vor sündiges Vergnügen. Ich strich über ihre Unterlippe, als ihr Atem schwächer und schwächer wurde.

»Perfekt«, sagte ich. Die schwarzen Wolken verschwanden, und für den Moment spielte es keine Rolle, dass ich nicht gekommen war. Es war dennoch unerwartet befriedigend geworden, weil sie wieder das schöne Mädchen war, das in meinen Wagen gestiegen war. Nichts machte eine Frau so hübsch wie der Tod.

Ich blieb eine ganze Weile stehen und studierte sie, bevor ich das Messer fester packte und nach ihrer Hand griff. Es gab viel zu tun, ehe ich ihre Leiche entsorgen konnte.

KAPITEL2

SLATE

Ich wusste, dass alle Augen auf mir lagen, als ich die Tür nachdrücklich hinter mir schloss. Ruhig ging ich zum Tisch, klappte meinen Laptop auf und verband ihn über das bereitgelegte Kabel mit dem Beamer.

»Meine Damen und Herren, bevor wir beginnen, möchte ich Sie daran erinnern, dass nicht ein Wort von dem, was hier drinnen besprochen wird, nach außen dringen kann. Nicht ein einziges. Nicht einmal eine Silbe. Habe ich mich klar ausgedrückt?« Erst jetzt schaute ich auf und studierte die Mienen der Anwesenden. Ich nahm mir die Zeit, jedes Gesicht zu mustern und zu verharren, bis sie ihre Zustimmung mit einem Nicken signalisierten. Nicht jeder von ihnen würde dieses erste Meeting durchstehen, da nur wenige meinen Ansprüchen genügen konnten.

»Mein Name ist Special Agent Dr. Slate Walker, und ich bin heute hier, um eine Sondereinheit zusammenzustellen.« Ich drückte eine Taste auf der Tastatur und das erste Foto einer Leiche wurde an die Wand geworfen. »Bisher hat die Öffentlichkeit noch keine Ahnung – aber wir suchen einen Serienkiller.«

Ich wartete das aufgeregte Gemurmel ab und ignorierte die ersten Hände, die nach oben schossen. Die Eifrigen wollten immer direkt Fragen stellen, um zu beweisen, wie klug und hilfreich sie waren. Es gab außerdem kaum einen besseren Karrierekick, als einen Serienkiller zu schnappen.

Ich studierte die zwanzig Anwesenden, bis alle Hände wieder gesunken waren. »Fragen werde ich später beantworten. Bitte hören Sie erst zu.« Mein Blick verharrte auf einer attraktiven Frau, die am Rand der zweiten Reihe saß. Wie gewöhnlich waren mehr Männer als Frauen vertreten, weshalb sie noch mehr herausstach.

Sie erwiderte meinen Blick und machte keine Anstalten, wegzusehen. Es prickelte in meinem Magen, weil ich für den Bruchteil einer Sekunde glaubte, sie könnte mich durchschauen. Dann wandte ich mich ab und der Moment war vorbei.

Ich öffnete das zweite Foto und arrangierte es neben dem ersten. »Wie Sie sehen können, hat unser Mörder keinen speziellen Frauentyp, weshalb es sich bisher noch nicht herumgesprochen hat, dass ein Serienkiller auf der Jagd ist. Erst seit er seine Signatur gefunden hat, wissen wir, dass mindestens fünfzehn Morde auf ihn zurückzuführen sind. Er ist ordentlich, methodisch und unglaublich clever. Wir gehen inzwischen davon aus, dass er seit Jahren unbemerkt mordet. Wenn Detective …«, ich machte eine Pause und sah auf meine Notizen, »Detective Holt die Gemeinsamkeit nicht aufgefallen wäre, hätten wir immer noch keine Ahnung.«

Ich rief die nächste Folie auf. Mehr als ein Dutzend Fotos von Frauenhänden und an allen fehlte der Ringfinger. Nachdem ich gewartet hatte, bis der Anblick zu den Polizisten vorgedrungen war, fuhr ich fort: »Da viele der Opfer Prostituierte waren, wurde dem Fehlen des Ringfingers nicht viel Bedeutung beigemessen. In den meisten Akten wurden die Tode als missglückte Raubüberfälle abgehakt, da davon ausgegangen wurde, dass sich am Ringfinger Schmuck befunden haben muss, weshalb direkt der Finger abgeschnitten wurde. Detective Holt, Sie sind hier, richtig?« Ich schaute auf.

Natürlich hob die attraktive Rothaarige ihre Hand. Neben dem Namen C. M. Holt war das Geschlecht nicht vermerkt gewesen.

Ich nickte. »Gute Arbeit.«

Sie schenkte mir ein schmales Lächeln. Ich würde sie definitiv ins Team holen. Klug und attraktiv? Ein echter Gewinn. Außerdem konnte ich sie auf diese Weise besser kontrollieren.

Die Vorauswahl für die Sondereinheit war von jemandem getroffen worden, der sich noch mindestens drei Gehaltsstufen über mir befand, und ich durfte mich jetzt mit den politisch motivierten Entscheidungen herumschlagen. Das Geschlecht, der mögliche Migrationshintergrund, die religiöse Minderheit und von der Norm abweichende sexuelle Orientierung hatten bei der Auswahl eine größere Rolle gespielt als die tatsächlichen Fähigkeiten. Vermutlich konnte ich dankbar sein, dass Detective Holt wenigstens ihr hübsches Gesicht mit einem ebenso ansprechenden Gehirn vereinte.

»Unser Killer ist deshalb so gefährlich, weil er präzise und methodisch ist, aber keinen speziellen Frauentyp bevorzugt. Die Frauen sind jung und hübsch. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten. Blond, brünett oder rot – das scheint keine Rolle zu spielen, weshalb es schwierig war, sein Muster zu erkennen. Es könnte sein, dass er bald eskaliert, denn wenn wir mit unserer Vermutung, wie viele Frauen zu seinen Opfern zählen, richtigliegen, werden die Abstände zwischen den Morden kürzer und kürzer.«

»Hat er schon einen Namen?«

Irritiert sah ich auf und wartete darauf, dass der Sprecher sich zu erkennen gab. Ein Mann im mittleren Alter hob seine Hand und nickte mir zu.

»Einen Namen?«

»Die Presse ist doch immer schnell dabei, Serienkillern Namen zu geben.« Der Kerl grinste mich an.

»Wie ist denn Ihr Name?«, wollte ich wissen.

»Thomas Sutherland, Sir.«

»Schön, Mr Sutherland, dort ist die Tür. Ihre Dienste werden nicht länger benötigt.«

Vollkommen entgeistert starrte er mich an. »Was? Wieso?« Wie bei einem Fisch an Land klappte sein Mund mehrfach auf und zu.

»Ich habe gebeten, keine Fragen zu stellen. Ich habe gesagt, dass die Öffentlichkeit nichts von den Morden weiß.« Mit gerunzelter Stirn rief ich die Übersicht auf, die alle Leichen zeigte, die wir unserem Killer bisher zugeordnet hatten. »Abgesehen davon sind mindestens fünfzehn Frauen tot. Wenn es Ihre Priorität ist, einen perfekten Spitznamen für einen irren Killer zu finden, damit die Presse ihn noch besser ausschlachten kann, Detective Sutherland, dann sind Sie hier falsch aufgehoben. Ich will einen Killer schnappen.«

Sutherland wurde knallrot, stieß beim Aufstehen beinahe seinen Stuhl um und verließ mit gesenktem Kopf den Raum.

Ich wartete, bis mein Puls sich wieder beruhigt hatte. »Möchte sonst noch jemand etwas ähnlich Wertvolles zur Unterhaltung beitragen?«

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Detective Holt etwas auf dem Block notierte, der vor ihr lag. Meine Neugier wuchs. Was hatte sie sich wohl aufgeschrieben? Dass ich ein strenger Tyrann war? Bloß etwas für ihren persönlichen Einkaufszettel? Ihre Nummer, um sie mir später zuzustecken? Letzteres war vermutlich Wunschdenken, ausgelöst durch den kurzen Rock, den sie trug. Ich würde definitiv ein Auge auf Detective C. M. Holt haben.

Sie war – ebenso wie die Opfer unseres ominösen Killers – jung und hübsch. Es war sozusagen meine Pflicht, sie in meiner Nähe zu halten, damit ihr nichts passierte. Der Gedanke amüsierte mich.

Um mein Grinsen zu verbergen, wandte ich mich ab und projizierte eine andere Folie mit dem nächsten Tastendruck an die Wand.

»Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass unser Killer männlich und zwischen dreißig und fünfundvierzig Jahre alt ist.« Wie ich. »Er ist gebildet, hat einen soliden gesellschaftlichen Hintergrund und ist beruflich erfolgreich.« Wie ich. »Höchstwahrscheinlich ist er single, aber es ist seine eigene Wahl, damit der Partner oder die Partnerin nicht argwöhnisch wird oder einen Verdacht entwickelt. Er ist vermutlich attraktiv und hat keine Probleme, Sexualpartner zu finden.« Wie ich. »Aus dem gleichen Grund wird es ihm auch nicht schwerfallen, die Frauen zu sich zu locken. Gut aussehend, gebildet und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet.« Wie ich. »Wir gehen aufgrund des Opfertyps davon aus, dass er heterosexuell ist. Möglicherweise bisexuell.« Wie ich.

Detective Holt hob ihre Hand und stellte ihre Frage erst, nachdem ich ihr meine Erlaubnis signalisierte. »Gibt es eine Theorie, warum er ausgerechnet den Ringfinger abschneidet?«

»Vermutlich ist es bloß eine Art Andenken für ihn, die obligatorische Trophäe des Killers.«

Das stimmte nicht ganz. Ich hatte meine eigene Theorie, nachdem ich viel Zeit damit verbracht hatte, seine Taten zu analysieren und ihn zu beneiden.

Sein Frauengeschmack war exquisit. Jede der Frauen war unbeschreiblich schön und der Tod gab ihnen für immer das frische, jugendliche und makellose Aussehen einer Prinzessin. Er machte ihre Schönheit unsterblich und das wusste ich zu schätzen.

Es war meine persönliche These, dass er ihnen den Ringfinger symbolisch abtrennte, damit niemand ihnen einen Ring anstecken konnte. Die Frauen gehörten ihm, und das auch nach dem Tod. Wenn ich jemals das Glück haben sollte, ihn zu treffen, würde ich ihn danach fragen.

Zögerlich hob ein Mann mit asiatischen Gesichtszügen und vollem schwarzen Haar die Hand. »Ich will keinesfalls Detective Holts Arbeit infrage stellen, aber wie sicher sind Sie sich, dass es sich wirklich um einen Serientäter handelt?«

»Sie sind?«

»Special Agent Anthony Barger, Sir.«

»Das ist eine gute Frage, Special Agent Barger. Detective Holt war sorgfältig genug, alle ihr bekannten Fälle mit sämtlichen Datenbanken abzugleichen und die zuständigen Pathologen anzurufen, ob ihnen vielleicht nicht doch etwas aufgefallen ist, was ihnen im Gedächtnis geblieben ist. Wie der Zufall es wollte, macht unser Killer noch etwas anderes neben dem Abtrennen der Finger. Was es ist, behalte ich zum jetzigen Zeitpunkt noch für mich, bis diese Spezialeinheit zusammengestellt ist, um zu verhindern, dass die Presse frühzeitig Wind davon bekommt. In unserem Zeitalter sind – dank Social Media – Nachahmer ein größeres Problem als je zuvor. Wir sollten ihnen so wenig Informationen geben wie möglich.«

Wieder notierte Detective Holt etwas und es trieb mich in den Wahnsinn. Sie würde alle notwendigen Unterlagen bekommen – was zum Teufel schrieb sie also auf?

»Special Agent Walker?« Ein großer, wuchtiger Berg von Mann hob seine Pranke. »Mein Name ist Sergeant Clifford Avery. Ich habe bis vor drei Jahren in Shelton, Washington gearbeitet, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich vor fünfzehn oder sechzehn Jahren das Skelett eines Mädchens im Olympic National Forest gefunden habe, deren Ringfinger fehlte. Nach den damaligen Schätzungen des Pathologen muss das Mädchen zwischen siebzehn und neunzehn Jahren alt gewesen sein. Wir haben es nie geschafft, sie zu identifizieren. Aber jetzt die Sache mit dem Finger … und sie war auf eine besondere Weise positioniert. Als würde sie schlafen, die Arme und Beine ausgestreckt, die Hände flach neben dem Körper. Könnte es sich dabei vielleicht um das erste Opfer handeln? Der Auslöser und jetzt versucht der Killer, es immer wieder zu imitieren?«

»Special Agent Barger, Special Agent Connell, Detective Holt, Detective Dayton und Sergeant Avery. Alle, deren Namen ich nicht genannt habe, verlassen jetzt bitte den Raum.«

Detective Holt war mit ihren Notizen beschäftigt, aber mir entging ihr kleines Lächeln nicht. Sie war sichtlich zufrieden darüber, dass ich sie in die Spezialeinheit geholt hatte.

Ich hatte keine Zeit, sie genauer zu analysieren, denn ich war zu aufgeregt. Sollte Sergeant Avery recht haben, war unser Killer möglicherweise viel länger aktiv, als wir gedacht hatten. Wer wusste schon, wie viele Frauen er wirklich auf dem Gewissen hatte?

Ich hoffte inständig, dass ich in der Lage war, ihn zu identifizieren und aufzuspüren, bevor jemand aus meinem Team es schaffte. Ein weiterer Grund, Detective Holt nah bei mir zu behalten. Sie war clever und besaß den nötigen Biss, um es ganz nach oben zu schaffen. Außerdem wirkte sie nicht, als hätte sie auch nur die geringsten Hemmungen, dabei jedes Mittel zu nutzen, das sich ihr bot.

Ich musste sie in Schach halten und den Killer vor ihr finden. Ich gierte danach, ihn zu befragen und endlich mit jemandem zu reden, der tickte wie er. Und wie ich.

KAPITEL3

BETTIE

Mein Lieblingsgast war zurückgekehrt und hatte erneut einen Platz an der Bar gewählt, relativ in meiner Nähe. Natürlich wusste er nicht, dass er mein Lieblingsgast war, weil ich nicht wollte, dass es ihm zu Kopf stieg.

Mein Männergeschmack war beschissen. Wenn ich ihn also attraktiv und/oder anziehend fand, war es ein todsicheres Zeichen dafür, dass mit ihm etwas gehörig nicht stimmte. In meiner Sammlung fehlten nur noch ein Axtmörder und ein Brandstifter, um die Bingokarte der dämlichen Lebensentscheidungen komplett zu machen.

Ich wischte mit dem Lappen über die eigentlich saubere Bar und arbeitete mich dabei langsam in seine Richtung vor.

Wer auch immer der Fremde war, er gehörte nicht ins Whip. Niemand gehörte ins Whip.

Das Whip war eine Mischung aus Bar, Bistro und – verrückterweise – Sexklub. Seinen Namen hatte es der Tatsache zu verdanken, dass viele Anhänger der Fetischszene hier ein und aus gingen, weil niemand sich daran störte, wenn eine Domina ihren halb nackten Sklaven unter dem Tisch aus einem Napf essen ließ.

Die Arbeitszeiten waren beschissen, die Bezahlung noch beschissener, aber aufgrund meiner eingangs erwähnten eher mäßig klugen Lebensentscheidungen konnte ich nicht allzu wählerisch sein. Garrett, der Besitzer, hatte keinerlei Papiere sehen wollen und bezahlte mich bar auf die Hand. Ich hatte ihm allen Ernstes weisgemacht, mein Künstlername wäre Mistress. Ein Künstlername für eine Barkeeperin – und er hatte mir geglaubt. Hätte ich vorher schon gewusst, was für ein devoter Wurm mein Boss war, hätte ich einen anderen Namen gewählt oder wäre direkt bei meinem richtigen geblieben. Denn nun fragte er mich alle paar Wochen – überaus respektvoll –, ob ich ihn nicht doch mit einem Strap-on in den Arsch ficken wollte.

Ich wollte nicht.

Aber ich fand es amüsant, wie höflich und respektvoll die Perversen waren. So nett und höflich, dass es kaum zu glauben war.

Umso deutlicher war es für mich, dass der Fremde hier nicht hingehörte. Genau wie er in dem Shirt und der Jeans, die er trug, verkleidet aussah. Der billige Stoff des Shirts passte nicht zu der Uhr, die so viel kostete, dass ich drei bis vier Jahre meine Miete davon hätte zahlen können.

Stoppeln bedeckten heute seine sonst glatt rasierten Wangen und das energische Kinn mit dem Grübchen, das jeden klassischen Hollywood-Star vor Neid erblassen ließ. Jedes Mal, wenn ich in seine blauen Augen sah, wollte ich in ihnen ertrinken und wünschte mir, dass dieser attraktive und offensichtlich reiche Mann gekommen war, um mich zu retten. In erster Linie musste ich vor mir selbst gerettet werden, aber die Details spielten in unserer romantischen Liebesgeschichte keine Rolle. In der Liebesgeschichte, die nur in meinem Kopf stattfand.

»Hey«, sagte er. »Ich brauche einen Drink. Ich hatte einen schrecklichen Tag.« Seine Bartstoppeln verursachten ein köstliches, kratziges Geräusch, als er mit der Hand darüberstrich.

Ich hob eine Augenbraue. »Du bist in einer Bar. Sieh dich um – jeder hier hatte einen beschissenen Tag. Was darf’s sein?«

Die Irritation auf seinem schönen Gesicht mit den perfekt gemeißelten Wangenknochen war unbezahlbar. Er war es sichtlich nicht gewohnt, dass Frauen ihm gegenüber schnippisch waren, weshalb ich nicht widerstehen konnte. Ich hatte schon immer gern mit dem Feuer gespielt – und mich mehr als einmal dabei verbrannt.

Er musterte mich kurz, bevor er fragte: »Was empfiehlst du?«

Deinen Mund auf meiner Pussy. Doch statt die Wahrheit zu sagen, drehte ich mich um, griff nach der Wodka-Flasche und goss zwei Fingerbreit in ein Glas, das ich vor seine Nase stellte. »Hier. Ich mache mir nicht gern die Arbeit, wenn ich nicht muss.«

Ungläubig schaute er von mir zu dem Glas und zurück. Er konnte nicht fassen, wie ich ihn behandelte – und bekam gleichzeitig nicht genug davon. Eine fatale Mischung, die ich aus eigener Erfahrung zu gut kannte. Allerdings hatte ich bisher nicht auf der austeilenden Seite gestanden, immer nur auf der empfangenden.

Er hob das Glas, als würde er mir zuprosten wollen. »Auf schreckliche Tage.« Dann nahm er einen Schluck. »Gott, der schmeckt furchtbar.«

»Ich weiß.«

»Verstehe.« Neues Interesse glomm in seinen Augen auf. »Du hast Sinn für Humor.«

»Oder ich bin einfach nur gemein. Wer weiß das schon so genau?« Ich drehte mich um und schlenderte davon. Am anderen Ende der Bar saß ein Mann, der verzweifelt versucht hatte, Augenkontakt mit mir aufzunehmen. Er wollte ein zweites Bier, das ich ihm so liebevoll wie möglich servierte, weil ich wusste, dass der attraktive Fremde mich beobachtete.

Als ich nach einer Weile, in der ich vorgegeben hatte, hart zu arbeiten, wieder in seine Nähe kam, schenkte er mir ein umwerfendes, träges Lächeln, das nur Menschen beherrschten, die gut aussehend und sich dieser Tatsache bewusst waren. Er lächelte wie in einer Hollywood-Komödie, wenn der männliche Held vorsätzlich dafür gesorgt hatte, der Protagonistin auf jeden Fall zu begegnen. Ein Du-denkst-es-war-Zufall-aber-ich-weiß-es-besser-weil-ich-dich-will-Lächeln.

»Mein Name ist Welton.«

»Hallo, Welton. Möchtest du noch einen Drink?«

»Nein, ich möchte deinen Namen wissen.« Er zog eine Augenbraue hoch.

»Ich habe keinen Namen.« Mit einem Zwinkern drehte ich mich um und stolzierte davon, weil ich beschlossen hatte, dass der Flaschenvorrat unter der Theke dringend durchgezählt werden musste.

»Gut, dann möchte ich einen weiteren Drink«, sagte er etwas lauter. In seiner Stimme lag eine gewisse Anspannung, die mir verriet, dass ich recht hatte. Welton war ein reicher, herrischer Mann, der immer bekam, was er wollte – sodass er regelrecht vor Wut kochte, wenn es mal nicht nach seinen Spielregeln ging. Er war ein Mann, von dem ich dringend die Finger lassen sollte. Ganz dringend.

Welton – was war das überhaupt für ein Name? Er klang nach englischem Adel und bündelweise Geld.

»Mhm«, machte ich gelangweilt und holte die Wodka-Flasche, ehe ich ihm einen großzügigen Schuss eingoss.

»Verrätst du mir jetzt deinen Namen?« Er hatte die Ellbogen auf die Bar gestützt und beugte sich mir entgegen, sodass ich einen Hauch seines unglaublich verführerischen Dufts erahnen konnte. Herb und durch und durch männlich.

»Ich habe wirklich keinen Namen.« Mit diesen Worten drehte ich den Verschluss wieder auf die Flasche. »Wenn du darauf bestehst, kannst du mich Mistress nennen. Macht mein Boss auch.«

»Mistress?«, wiederholte er ungläubig und musterte mich, als hätte er den Aufdruck auf meinem schwarzen Tanktop übersehen, der meine sexuelle Orientierung verriet.

»Der Laden hier heißt Whip – was hast du erwartet?«

»Etwas Wohlklingendes, das deinem hübschen Gesicht gerecht wird.«

»Wenn du mein Gesicht schon hübsch findest, dann müsstest du erst mal meine Titten sehen.« Meine zahlreichen goldenen Armreife klapperten, als ich die Flasche wegstellte.

»War das ein Angebot?«

Mir gefiel das Raue in seiner Stimme, das für weiche Knie bei mir sorgte. Trotzdem schüttelte ich langsam den Kopf. »Nein. Eine schlichte Tatsache.«

Hinter mir ging die Tür auf und der Boss rief: »Mistress? Hast du eine Minute?«

Ich schenkte Welton ein selbstgerechtes Lächeln. »Siehst du? Ich lüge nicht.« Damit ließ ich ihn sitzen und schlüpfte zu dem Boss in den Hinterraum. Er nannte es sein Büro, aber eigentlich war es bloß ein Stapel Dokumente, der auf einem der Schwerlastregale lag. »Kannst du nächste Woche Katies Schicht übernehmen? Sie hat gekündigt.«

Das würde bedeuten, dass ich in der nächsten Woche keinen freien Tag hatte, dafür würde ich allerdings das Doppelte verdienen. »Klar.«

»Du bist die Beste.« Er wedelte mit der Hand, was bedeutete, dass ich entlassen war.

Mit einem letzten Blick auf ihn, weil ich mich fragte, was er eigentlich die ganze Nacht in der Abstellkammer trieb, ging ich wieder nach vorn.

Joseph hatte mich an der Bar vertreten und hielt mir einen weißen Briefumschlag hin. »Den soll ich dir geben.«

»Von wem?«

»So ein reicher Kerl hat ihn mir gegeben, saß da drüben.« Er deutete auf Weltons Platz, der inzwischen verwaist war.

»Danke.« Ich ging ans andere Ende der Bar, um den Umschlag ungestört zu öffnen. Hatte Welton allen Ernstes immer einen Stapel Briefumschläge für alle Fälle dabei, oder war er vorbereitet gewesen?

In dem Umschlag steckte mein Trinkgeld. Ich musste es dreimal durchzählen, bevor ich wirklich glauben konnte, dass er mir fünfhundert Dollar dagelassen hatte. Wahrscheinlich dachte er, sich damit meinen Namen erkauft zu haben, wenn er das nächste Mal im Whip