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+++ Der DeinSpiegel-Bestseller +++ Spannende Fantasy zum Eintauchen in eine andere Welt! Die 13-jährige Ruby Fairygale lebt auf einer kleinen Insel nahe der Westküste Irlands. Dort wird Ruby von ihrer Großmutter zur Tierärztin ausgebildet. Doch die beiden haben ein großes Geheimnis: Sie wissen, dass es auf der Insel nicht nur Tiere, sondern auch magische Fabelwesen gibt, die ihre Hilfe brauchen. Als eines Tages der mysteriöse Noah auftaucht, muss Ruby schnell entscheiden, ob sie ihm vertrauen kann - denn ihre geliebten Fabelwesen sind plötzlich in Gefahr! Dieser erste Band ist der Auftakt einer neuen spannenden Fantasy-Reihe von Beststeller-AutorinKira Gembri. Mit vielen stimmungsvollen s/w-Vignetten. Für Fans von Alea Aquarius, Woodwalkers, Duftapotheke und für alle Kinder ab 10 Jahren. Dieser Titel ist auf Antolin.de gelistet.
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Seitenzahl: 247
Inhalt
Prolog
Ein Hauch von Schicksal und Vanille
Ein unheilvolles Telefonat
Ich sehe schwarz
Die kleine Bucht im Norden
Ein versalzener Morgen
Schlapphut auf Abwegen
Über Schmuggel und Schutzmauern
Ein Sturm zieht auf
Der letzte Ausweg
Geheimnisse werden gelüftet
Zauberlicht und Koboldhusten
Feenhunde krault man nicht
Rückkehr ins Meer
Ein unverhoffter Ferienjob
Die Kunst, ein Ungeheuer zu pflegen
Ich werde befördert
Nana reist ab
Ein Kobold zieht um
Schule des Schreckens
Der Verdacht
Eine Wagenladung Pech
Die Nebel lichten sich
Auf Verbrecherjagd
Banshee in Not
Es wird gefährlich
Ein Überraschungsbesuch
Enthüllungen und Entscheidungen
Epilog
Prolog
Später würde sie behaupten, sie hätte das Baby am Hafen entdeckt.
„Es lag dort einfach auf dem Pier“, würde sie sagen, „und jeder, der vorbeigekommen wäre, hätte es finden können.“
Aber das war eine Lüge. In Wirklichkeit hatte sie es am Nordstrand aus dem Meer gefischt, in der kleinen felsigen Bucht, die sonst kein Inselbewohner jemals aufsuchte. Cleo Collins wollte den anderen nicht erzählen, warum sie dort gewesen war – und sie war ausgesprochen gut darin, Geheimnisse zu bewahren.
Fast noch besser war sie allerdings im Retten hilfsbedürftiger Wesen. Behutsam wickelte sie das Baby in ihren Mantel und drückte es an ihre Brust. Seltsamerweise wirkte es gar nicht verfroren, obwohl es doch splitternackt im eisigen Wasser gelegen hatte. Seine winzigen Hände fühlten sich warm an, und es hatte rote Wangen.
„Rot wie ein süßer Apfel“, stellte Cleo fest. „Ich denke, ich werde dich Ruby nennen. Was hältst du davon?“
Das Baby hatte offenbar nichts dagegen. Versonnen lauschte es den Möwen, so als wäre ihr Kreischen eine schöne Melodie. Cleo schaute auf das kahle Köpfchen hinunter und merkte, wie tief in ihrem Inneren etwas geschah. Sie hatte schon unzählige kleine Schützlinge gehabt, die sie später ohne Schwierigkeiten wieder in die Freiheit entlassen hatte: Vögel mit gebrochenen Flügeln, Streunerkatzen, einsame Robbenkinder. Trotzdem erschauderte sie nun bei dem Gedanken, das warme Bündel in ihren Armen irgendwann wieder hergeben zu müssen.
„Ruby“, sagte sie langsam, beinahe feierlich. Der Sturm riss ihr das Wort von den Lippen und wehte es übers Meer. „Tapfere kleine Ruby. Ich glaube, das Schicksal hat dich an genau den richtigen Ort gebracht.“
1. KAPITEL
Ein Hauch von Schicksal und Vanille
Alles begann mit der Stachelbeertorte.
Es heißt ja oft, dass Hunde drohendes Unheil riechen können. Sie ahnen, wenn jemand krank wird, und fürchten sich bereits vor einem Gewitter, wenn die Sonne noch vom wolkenlosen Himmel scheint.
Für mich roch das Unheil an diesem Morgen eindeutig fruchtig, nach warmer Butter und Vanille. Wohl zum allerersten Mal bekam ich in Kathleens Kleiner Bäckerei eine Gänsehaut.
„Was soll denn der Quatsch?“, ertönte eine krächzende Stimme hinter mir. Im nächsten Moment drängte sich der alte Fergus an mir vorbei und zeigte mit seinem knorrigen Finger auf die Tafel neben dem Verkaufstresen.
‚Heute zum Tee: Stachelbeertorte nach Art des Hauses‘, stand da in Kathleens kugeliger Schrift. Kathleen selbst stand hinter dem Tresen, ebenso klein und rund wie ihre Buchstaben, und lächelte freundlich.
„Ich weiß, dass heute Dienstag ist“, sagte sie, „und dass es dienstags sonst immer Schokoladentorte gibt. Aber ich wollte mal etwas Neues ausprobieren.“
Der alte Fergus rümpfte die Nase. Man konnte ihn wohl nicht als Morgenmuffel bezeichnen, weil er den ganzen Tag muffelig war – aber er kam zumindest ein bisschen in Schwung, nachdem er sein übliches Stück Kuchen verspeist hatte. Vorher sollte man ihn lieber nicht reizen, das war auf der Insel allgemein bekannt.
Überhaupt wusste hier jeder alles über jeden. Zumindest glaubten die anderen das.
„Nach Art des Hauses, was soll denn das bedeuten?“, zeterte Fergus weiter. „Hast du das nur geschrieben, damit sich das Ganze besser anhört?“
Kathleens Lächeln wurde ein bisschen schmaler. „Die Torte wurde in diesem Hause gebacken. Mit Beeren aus meinem Garten. Das ist alles.“
„Ist es eben nicht!“, widersprach Fergus im Tonfall eines Polizisten, der einem schweren Verbrechen auf der Spur war. „Was hat dich bloß auf die hirnrissige Idee gebracht, die Tagestorte zu ändern? Dir muss doch klar sein, dass so etwas Unglück bringt!“
Seufzend fuhr Kathleen sich mit einer Hand über den Kopf. Dabei fielen mir zum ersten Mal zwei helle Streifen in ihrem braunen Dutt auf. Entweder sie hatte vom Backen noch Mehl an den Fingern gehabt, oder ihre schrullige Kundschaft bescherte ihr allmählich graue Haare.
Ich wusste natürlich, dass man Irland auch das Land der Märchen und Legenden nannte. Abergläubische Menschen waren hier nichts Besonderes, schon gar nicht auf einer so kleinen, abgeschiedenen Insel wie Patch Island. Doch der alte Fergus trieb es mit seinem Aberglauben eindeutig zu weit.
Als hätte er meine Gedanken gehört, drehte er sich plötzlich zu mir. „He, Ruby, wo ist eigentlich deine Großmutter?“, fragte er. „Eine Dreizehnjährige, die schon morgens um neun alleine herumlungert – dabei kommt bestimmt nichts Gutes heraus, Fräulein Fairygale!“
Während er meinen Namen sagte, runzelte er wie immer missbilligend die Stirn. Er war fest davon überzeugt, dass man bösen Zauber auf sich lenkte, wenn man nach einem Fabelwesen benannt war. Ich hingegen mochte den Namen Fairygale – also Feensturm – ganz gern, und ich wusste auch genau, warum ich so hieß.
Nana hatte mir das alles schon unzählige Male erzählt: wie sie mich vor knapp dreizehn Jahren gefunden und aufgewärmt hatte und wie sie danach schweren Herzens bei der Polizei anrief. Lieber hätte sie mich einfach behalten, aber das war gegen das Gesetz. Zu ihrer Erleichterung wurde das Wetter kurz darauf so schlecht, dass man mit einem Baby unmöglich übers Meer fahren konnte. Der Sturm hielt zwei Wochen an, und nach dieser Zeit waren Nana und ich bereits unzertrennlich. Also durfte sie meine Pflegemutter werden.
„Der Sturm hat Ihnen dieses Kind geschenkt“, hatte die Frau vom Jugendamt lächelnd gesagt, während sie die Formulare ausfüllte.
„Vielleicht war ja auch Magie im Spiel“, hatte Nana erwidert.
Und dann fiel den beiden ein Nachname für mich ein, der den alten Fergus auch heute noch jedes Mal zum Schaudern brachte.
Wie üblich ignorierte ich auch jetzt den Gesichtsausdruck des Alten und antwortete einfach nur auf seine Frage. „Nana musste in der Nacht zu einem Schaf mit Bauchschmerzen“, erklärte ich. „Darum schläft sie heute länger, und ich bringe ihr Frühstück.“
„Ein Schaf mit Bauchschmerzen, hm?“, brummte Fergus. „Wahrscheinlich hat es Stachelbeertorte gefressen.“
„Jetzt reicht’s!“ Kathleen stellte schwungvoll einen Teller mit einem Stück Torte vor Fergus auf den Tresen. Die Gabel fiel scheppernd daneben. „Du wirst jetzt gefälligst probieren und mir sagen, dass sie köstlich geworden ist!“
Mit Todesverachtung belud Fergus die Gabel und schob sie in den Mund. „Köschtlich“, nuschelte er, und es klang, als kaue er auf einer Schuhsohle herum. „So schön sauer. Wer sagt denn, dass Torte unbedingt süß sein muss, so wie … ich weiß auch nicht … Schokolade?!“
Kathleen sank in sich zusammen.
„Ich nehme zwei Stück davon“, sagte ich schnell. „Und eine Tüte gemischte Bonbons, bitte.“ Wenn etwas den ehrenvollen Titel „Nach Art des Hauses“ absolut verdient hatte, dann waren das Kathleens selbst gemachte Süßigkeiten. Es gab Karamell- und Sahnebonbons, außerdem Drops aus Fruchtsäften, die in allen Regenbogenfarben leuchteten, und ich konnte von keiner Sorte genug bekommen.
Sofort hellte sich Kathleens Miene auf. Während sie die zwei Tortenstücke einpackte, hatte sie sogar einen versöhnlichen Blick für Fergus übrig. „Willst du wirklich wissen, warum ich heute etwas anderes gebacken habe?“, fragte sie ihn. „Ich hatte keine Schokolade mehr, also ist Cormack schon gestern Abend mit dem Kutter losgefahren, um Nachschub zu holen. Auf dem Festland ist er dann aber zwei Urlaubern begegnet – einem Mann und einem Teenager aus Amerika. Die beiden hatten das Postschiff verpasst und waren mehr oder weniger gestrandet. Da hat mein lieber Cormack natürlich angeboten, sie hierher mitzunehmen …“
„AHA!“ Fergus ließ die Gabel fallen und starrte Kathleen aus zusammengekniffenen Augen an. „Urlauber! Ich wusste doch, da ist was Mieses im Busch.“
Gequält stöhnte Kathleen auf. „Nicht schon wieder“, rief sie, während sie die Bonbons für mich in eine Tüte schaufelte. „Dein Gemecker zu diesem Thema kennen wir alle auswendig!“
Das stimmte. Jeder Bewohner von Patch Island hatte schon unzählige Male mit anhören müssen, wie Fergus über Touristen herzog. Dabei kamen fast nie Urlauber hierher, weil es genügend andere, berühmtere Inseln gab, die nicht so weit von der irischen Küste entfernt waren. Nur wenn Fergus von Kathleens Mann Cormack mit dem Kutter zum Einkaufen aufs Festland gebracht wurde, kam es vor, dass er ein paar Reisenden begegnete. Über die konnte er sich dann stundenlang beschweren.
Nun verschränkte er beleidigt die Arme vor der Brust, aber ich war froh, dass Kathleen seine Schimpftirade unterbrochen hatte.
„Was sind denn das für Urlauber?“, fragte ich aufgeregt. „Und warum hat Cormack sie nicht schon gestern hierhergebracht?“
„Das weiß ich auch nicht so genau“, gab Kathleen zu. „Als ich mit meinem Schatz telefoniert habe, war die Verbindung sehr schlecht. Es gab wohl irgendein Problem, das die Urlauber erst klären mussten, und Cormack hat ihnen zuliebe auf dem Kutter übernachtet. Jetzt fahren sie aber sicher gleich los. Ich bin schon ganz gespannt auf unsere beiden Gäste, ihr auch?“
„Kathleen O’Sullivan“, sagte Fergus beinahe feierlich. „In Momenten wie diesem merkt man ganz genau, dass du auf dem Festland geboren bist.“
Inzwischen hatte Kathleen die Bonbontüte fertig befüllt und reichte sie mir zusammen mit dem Kuchenpaket über den Tresen. „Richte deiner Nana schöne Grüße aus“, meinte sie augenzwinkernd, „und frag sie bei Gelegenheit, woran man Bauchschmerzen bei einem Schaf eigentlich erkennt. Ich wüsste da einen alten Bock, der so schlecht gelaunt ist, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann!“
„Wird gemacht“, stieß ich hervor, dann stolperte ich hastig aus der Bäckerei. Das erste Stück meines Heimwegs legte ich im Laufschritt zurück, um die kleine Ansammlung von Häusern möglichst schnell hinter mir zu lassen. Abgesehen von Kathleens Bäckerei gab es im Zentrum der Insel eine winzige Schule samt Bibliothek, eine Kirche und das Graham’s Inn, das gleichzeitig als Hotel, Restaurant und Kneipe diente. Und als Postamt, nicht zu vergessen. Im Vergleich zur restlichen Insel ging es hier also ganz schön wuselig zu, und ich wollte gerade mit niemandem plaudern.
Erst als ich den Pfad erreicht hatte, der zu Nanas Hof führte, wurde ich etwas langsamer. Über mir spannte sich ein blitzblauer Himmel, und ich schwitzte in meinem bunten Wollpullover. So schönes Wetter hatten wir hier nicht oft, auch nicht im Juni. Wir waren eher an Wolken, Nebelschwaden und Regen gewöhnt. Wenn Patch Island sich zur Abwechslung von seiner freundlichsten Seite zeigte, dann war es ein Ort wie aus dem Bilderbuch: Die Hügel leuchteten in den verschiedensten Grüntönen, die Luft war erfüllt von Vogelgezwitscher, und die Ginsterbüsche am Wegesrand verströmten einen herrlichen Duft.
Im Moment war ich aber viel zu aufgeregt, um mich über den sonnigen Morgen zu freuen. Kathleens Stimme klang immer noch leise in mir nach.
Ein Teenager, hatte sie gesagt. Vielleicht war es ja ein Mädchen, mit dem ich mich anfreunden konnte? Ich gab es zwar ungern zu, doch der alte Fergus hatte in einem Punkt recht: Es war nicht normal für eine Dreizehnjährige, so viel Zeit alleine zu verbringen. Die Insel-Grundschule stand bereits seit zwei Jahren leer, und eine höhere Schule hatte es hier nie gegeben. Deshalb waren die anderen Inselkinder alle mit ihren Eltern aufs Festland gezogen. Nur ich wurde von meiner Großmutter zu Hause unterrichtet, und nebenbei bildete sie mich zur Tierärztin aus. Nie im Leben hätte ich mit einem meiner früheren Mitschüler tauschen wollen, aber hin und wieder konnte es hier schon ziemlich einsam sein. Vor allem, seit auch Briana mit ihren Eltern in der nächsten großen Stadt lebte.
Bri war so etwas wie meine beste Freundin gewesen, und ich vermisste sie sehr. Wir hatten unzählige Bonbontüten miteinander geteilt, waren zusammen auf Bauer Orins Ponys geritten und hatten uns in der Inselbibliothek beim Lesen von schnulzigen Liebesromanen halb totgelacht. Außerdem hatten wir über fast alles miteinander reden können – aber eben nur fast. Warum ich abends nie Zeit hatte, musste Nanas und mein Geheimnis bleiben. Bri war deswegen oft tagelang sauer auf mich gewesen. Vielleicht hatten wir uns ja deshalb allmählich ‚auseinandergelebt‘, wie Nana das nannte. Jedenfalls schien Bri keine allzu große Sehnsucht nach mir zu haben. Bei unserem Abschied hatten wir eigentlich ausgemacht, dass wir einander jede Woche Briefe schreiben würden, weil wir das so schön altmodisch fanden. Trotzdem ging ich meistens leer aus, wenn montags das Postschiff hier vorbeikam. Bri meldete sich höchstens einmal im Monat, und jeder ihrer Briefe begann mit dem Satz:
„Tut mir leid, dass ich erst jetzt schreibe, aber hier war so viel los!“
Bei diesen Worten fühlte ich jedes Mal tief in meinem Inneren einen kleinen Stich. Sicher hatte Bri auf dem Festland schon viele neue Freundinnen gefunden – und zwar Freundinnen, die nicht ständig irgendetwas verheimlichen mussten. Aber wie es aussah, würde auch ich in den nächsten Wochen nicht mehr einsam sein! Wenn ich Glück hatte, war das Mädchen aus Amerika sogar genauso verrückt nach Tieren wie ich.
Als wäre dieser Gedanke eine Zauberformel gewesen, sprang im nächsten Moment ein schwarzer Schatten aus dem Ginsterbusch am Wegesrand. Verblüfft starrte ich das Wesen an, das meinen Blick herausfordernd erwiderte. Es war eine Katze mit riesigen Eulenaugen, und sie erschien mir vollkommen fremd. Dabei hätte ich schwören können, jedes Haustier auf Patch Island persönlich zu kennen.
‚Schwarze Katze von rechts bringt Schlecht’s‘, hörte ich in meinem Kopf. Oder ging das Sprichwort eigentlich so: ‚Schwarze Katze von links, Pech bringt’s‘? Der alte Fergus wusste das sicher, aber ich wollte nicht zurücklaufen, um ihn danach zu fragen.
Schnell hockte ich mich hin, bohrte einen Finger ins Kuchenpaket und zog ihn sahnebeschmiert wieder heraus.
Die Katze ließ sich nicht lange bitten. Während sie mit ihrer rauen Zunge die Sahne abschleckte, flüsterte ich ihr zu:
„Du wirst mir Glück bringen, ganz egal aus welcher Richtung du gekommen bist. Selbst wenn du mir von oben direkt auf den Kopf gesprungen wärst! Dieser Sommer wird etwas Besonderes. Etwas Magisches. Das spüre ich genau.“
2. KAPITEL
Ein unheilvolles Telefonat
Wir wohnten so nahe am Meer, dass ich es bei Sonnenschein von meinem Zimmerfenster aus glitzern sah. Dann schaute ich gerne in Richtung Strand und hatte das Gefühl, als zwinkere mir der Ozean freundlich zu. Bei Sturm aber, wenn man das Tosen der Wellen sogar durch die Scheibe hören konnte, zog ich mir nachts vor Angst die Decke über den Kopf.
Im Gegensatz zu mir hielt Nana jede Laune des Meeres für wundervoll. Sie war der mutigste Mensch, den ich kannte, und fand immer etwas zu tun. Meistens lief sie in Leggings, Gummistiefeln und weiten Pullovern herum, die Ärmel bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt. An ihrem linken Ohr baumelte ein silberner Ring, und zum Schutz gegen Sonne, Regen und Wind trug sie auf dem Kopf ein Tuch, das sie im Nacken verknotete. Darunter lugten ihre kurzen, widerspenstigen Haare hervor. Bis auf ein paar graue Strähnen waren sie noch schwarz wie Rabenfedern – eine Haarfarbe, die ich wirklich gerne geerbt hätte. Fast alles wäre besser gewesen als das tomatenrote Gestrüpp, das auf meinem eigenen Kopf wucherte! Aber natürlich sah ich Nana kein bisschen ähnlich, weil sie ja nicht meine richtige Großmutter war.
Alles in allem erinnerte sie mich an die Kapitänin eines Piratenschiffs, doch leider war sie nicht mehr so zäh und kräftig wie früher. Anfang des Jahres hatte sie einige Tage im Krankenhaus auf dem Festland verbringen müssen, um sich am Herzen operieren zu lassen. Vor lauter Sorge um sie wäre ich damals beinahe durchgedreht. Seitdem bemühte ich mich, ihr so viel Arbeit abzunehmen wie möglich. Nicht umsonst war ich schließlich ihre Assistentin – auch wenn Nana rein gar nichts davon hielt, auf der faulen Haut zu liegen.
Auch jetzt schlief sie sich nicht aus, wie ich gehofft hatte, sondern kam mir pfeifend entgegen. „Na, Rotkäppchen“, rief sie fröhlich, „bringst du der armen, alten Großmutter Kuchen und Wein?“
Zur Antwort reckte ich meine Einkäufe in die Luft und begann wieder zu rennen. „Was machst du denn? Ich wollte mich heute Vormittag alleine um die Tiere kümmern, und du hättest im Bett bleiben können!“
Nana lachte. „Und Däumchen drehen, nehme ich an“, kommentierte sie und hielt mir die knallrote Haustür auf. Abgesehen von diesem Farbklecks leuchtete das Haupthaus in reinem Weiß, genau wie die beiden Nebengebäude. Früher war das Ganze ein Bauernhof gewesen, doch Nana hatte die Ställe umgebaut. Jetzt befand sich in dem einen die Tierarztpraxis, und im anderen wurden die Patienten gepflegt, bis ihre Besitzer sie wieder abholten.
„Mein Magen knurrt wie verrückt“, sagte Nana, während sie hinter mir in die gemütliche Wohnküche ging. „Nächtliche Arbeit macht mich nicht müde, sondern hungrig. Was hast du denn gekauft?“
Ich holte tief Luft. „Stachelbeertorte“, verkündete ich bedeutungsvoll. Doch anders als der alte Fergus schien Nana daran nichts Verdächtiges zu finden.
„Klingt gut“, meinte sie bloß und stellte einen Kessel auf den gusseisernen Herd, um Tee zu kochen. Wenig später stieg ein würziger Duft zu den dunklen Holzbalken an der Decke auf. Nana mischte diesen Tee selbst aus getrockneter Schafgarbe, Salbei und Brennnessel. Manche unserer Besucher hielten ihn für gewöhnungsbedürftig, aber ich fand schon allein den Geruch wunderbar beruhigend. Nur heute hatte er keine Wirkung auf mich.
„Ich muss dir unbedingt was erzählen“, sprudelte es aus mir heraus, während ich die Tortenstücke auf zwei blümchenverzierte Teller legte.
„Ich zuerst“, sagte Nana und setzte sich mir gegenüber an den Esstisch. „Weißt du, was mit Bauer Orins Schaf los war? Es hat klammheimlich eine Vorratskiste geöffnet und sich den Bauch mit Kraftfutter vollgeschlagen! Hätte wirklich übel ausgehen können, wenn Orin dem kleinen Fresssack nicht rechtzeitig auf die Schliche gekommen wäre. Aber keine Sorge, das wird schon wieder. Und ab heute hängt an der Vorratskiste ein Schloss.“
„Oh, gut!“, rief ich aus, beschämt darüber, dass ich gar nicht nach dem Schaf gefragt hatte. Normalerweise kreisten meine Gedanken fast ständig um die Tiere. Verlegen stocherte ich in meinem Stück Torte herum, bis Nana mich unter dem Tisch mit dem Fuß anstupste.
„Und was wolltest du erzählen?“
Ich räusperte mich. „Vorhin bei Kathleen, da …“, begann ich, ehe das Telefon schrillte.
Es war ein riesiger, altmodischer Apparat, dessen Klingeln uns jedes Mal erschreckte. Die meisten Leute riefen nämlich nur an, wenn es einen Notfall gab. Wer einfach Lust auf ein Schwätzchen hatte, kam lieber vorbei.
„Entschuldige, Liebes.“ Nana sprang auf und griff nach dem Hörer. „Tierärztin Collins, wie kann ich helfen?“, fragte sie. Dann huschte ein erleichterter Ausdruck über ihr Gesicht, und ich atmete auf. Anscheinend gab es doch kein Tier in Not. Gerade wollte ich mich wieder der Torte widmen, als sich Nanas dunkle Augenbrauen plötzlich zusammenzogen.
„Verstehe“, sagte sie. „Mhm, wir werden ja sehen. Mhm, mhm.“
Jedes neue ‚Mhm‘ klang noch ein wenig grimmiger als das letzte. Schließlich legte Nana mit einem Knall den Hörer auf und setzte sich wieder zu mir.
„Das war Tratschtanten-Tilda“, sagte sie, obwohl sie mir selbst einmal verboten hatte, die gesprächige Bibliothekarin so zu nennen. „Du kannst dir nicht vorstellen, was die in der Bäckerei erfahren hat!“
„Doch, kann ich“, gab ich zurück und musste grinsen. „Das wollte ich dir schon die ganze Zeit erzählen. Cormack bringt heute Gäste aus Amerika auf die Insel, ist das nicht spannend?“
Nana beugte sich ein wenig vor. „Ruby, das ist nicht einfach eine nette, kleine Familie, die da zu uns kommen soll“, sagte sie ernst. „Cormack hat es Kathleen gerade am Handy erzählt, und Tilda konnte alles hören. Angeblich sind die Gäste ein Jugendlicher und dessen Betreuer …“
„Betreuer?“ Verständnislos starrte ich sie an. „Meinst du so etwas wie einen Aufpasser?“
„Na ja, wahrscheinlich ist er ein Privatlehrer. Beim Aufpassen hat er gestern jedenfalls versagt.“ Sie machte eine kurze Pause, und ihr Gesichtsausdruck wirkte so düster, dass es mit meiner Vorfreude schlagartig vorbei war. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum, bis Nana weitersprach.
„Wie es klingt, ist der Junge ein ganz besonders schwieriger Fall. Kurz vor Abfahrt des Kutters soll er einfach davongelaufen sein. Tilda behauptet, Cormack und der Betreuer hätten bis in die Nacht nach ihm suchen müssen. Deshalb kommen sie erst heute hierher.“
Abwartend schaute sie mich an, doch ich brauchte eine Weile, um die Neuigkeit zu verdauen. Viel zu plötzlich hatte sich meine erhoffte Freundin in einen Jungen verwandelt. In einen schwierigen Jungen. Einen, der nicht die geringste Lust hatte, nach Patch Island zu kommen …
Und dann begriff ich endlich, warum Nana so besorgt aussah. Dieser Junge war alles andere als ein normaler Urlauber. Ein Ausreißer wie er würde sich wohl kaum damit zufriedengeben, bei Kathleen Kuchen zu essen, über den Südstrand zu schlendern oder auf einer Wiese zu picknicken. Stattdessen würde er jeden Winkel von Patch Island genauestens unter die Lupe nehmen – auch die kleine felsige Bucht im Norden. Er würde nach irgendetwas suchen, das spannend, ja vielleicht sogar gefährlich war, und genau dort würde er es finden.
Meine Kehle zog sich zusammen. „Was, glaubst du, wird er tun, wenn er unserem Geheimnis auf die Spur kommt?“, fragte ich heiser.
„Darüber will ich gar nicht nachdenken“, murmelte Nana, aber sie machte den Eindruck, als würde sie genau das tun. „Überhaupt hat es keinen Sinn, jetzt schon in Panik zu geraten. Vielleicht sind das ja alles nur Gerüchte!“
Mühsam schluckte ich. „Und wenn nicht …?“
„Dann fällt uns schon irgendetwas ein.“ Nana griff wieder nach ihrer Gabel, doch mir war der Appetit restlos vergangen. Schnell schob ich meinen Teller weg und stand auf.
„Wo willf du denn jepf hin?“, nuschelte Nana, den Mund voller Stachelbeertorte. „Gehen wir nicht zusammen zum Hafen, die Gäste empfangen?“
„Doch, ich schaue nur kurz auf die Pflegestation“, rief ich, dann war ich auch schon draußen. Mit großen Schritten eilte ich über den Hof, der von der Morgensonne in goldenes Licht getaucht wurde. Alles sah so friedlich aus: Nanas Kräuter- und Gemüsegarten hinter der niedrigen Steinmauer, die saftigen grünen Wiesen ringsum und das nahe Funkeln des Meeres. Aber dieser Anblick konnte mich nicht beruhigen. Was ich jetzt ganz dringend brauchte, war vierbeinige Gesellschaft.
Schon immer hatte ich das Gefühl gehabt, meine Probleme würden in der Nähe von Tieren zusammenschrumpfen wie alte Luftballons. Für mich gab es nichts Ansteckenderes als einen fröhlichen Hund oder eine entspannte, schnurrende Katze. Deshalb war die Pflegestation gegenüber der Tierarztpraxis auch einer meiner absoluten Lieblingsorte. Mein Herz schlug gleich ein wenig ruhiger, als ich die Tür öffnete und von einem Konzert aus Miauen, Kläffen und Fiepen begrüßt wurde.
Nur ein einziger Vierbeiner lag ganz still in seinem Zwinger: ein riesiger Wolfshund, der gestern als blinder Passagier auf die Insel gekommen war. Heimlich hatte er sich auf das Postschiff geschmuggelt, und Nana nannte ihn deshalb „Schmuggel“. Dabei hätte „Schmuddel“ eigentlich besser gepasst. Der magere, verfilzte Kerl war eindeutig ein Straßenhund gewesen. Nana hatte ihn gleich nach seiner Ankunft gebadet und entfloht, aber er wirkte nicht besonders dankbar dafür. Zusammengesunken kauerte er in der Ecke, ein Bündel aus grauem Fell und unendlich langen Beinen, und starrte mich missmutig an.
Trotzdem hockte ich mich vor seinem Zwinger auf den Boden. „Was für ein Schlamassel“, stöhnte ich und schlang die Arme um meine hochgezogenen Knie.
Falls das überhaupt möglich war, wurde Schmuggels Blick noch mürrischer. Jetzt sah er genauso aus wie der alte Fergus in Hundegestalt. ‚Interessiert mich einen feuchten Dreck‘, schien er sagen zu wollen.
„Das ist wirklich ganz, ganz großer Mist“, fuhr ich fort.
Schmuggel zog genervt die Lefzen hoch. ‚Und du riechst wie ganz, ganz großer Mist‘, sagte sein Gesichtsausdruck.
Ich schnitt eine Grimasse und redete einfach weiter. „Weißt du, die meisten Bewohner von Patch Island sind total abergläubisch. Die halten sich von der Bucht im Norden fern, weil sie glauben, dass es dort spukt. Aber ein rebellischer Junge aus Amerika wird sich nicht von ein paar Geistergeschichten einschüchtern lassen, oder?“
‚Da wir schon beim Thema Einschüchtern sind …‘ Schmuggel stieß ein dumpfes Grollen aus. Er verstummte erst, als sich die Tür zur Pflegestation öffnete und Nana den Kopf hereinsteckte. Zwar konnte Schmuggel meine Großmutter ebenso wenig leiden wie mich, aber zumindest hatte er ein bisschen Respekt vor ihr. In diesem Moment fand ich es allerdings erstaunlich, dass er sie überhaupt erkannte. Sie sah nicht nur komplett verändert aus, sondern roch auch ganz ungewohnt – nach einer Mischung aus Haarspray und Maiglöckchen.
„Können wir gehen?“, fragte sie.
Verblüfft musterte ich ihren schwarzen Rock und die geblümte Bluse. „Du siehst ja aus wie … wie eine Dame!“
„Tatsächlich? Igitt“, sagte Nana und grinste. „Na ja, kann zumindest nicht schaden, wenn ich diesen Betreuer ein bisschen ausfragen will.“ Damit wandte sie sich um und stöckelte in Richtung Hafen.
Jawohl, sie stöckelte. Meine Großmutter, die sonst bei jedem Wetter in Gummistiefeln herumlief, trug wahrhaftig Schuhe mit Absätzen! Bei diesem Anblick wusste ich, dass ich mir zu Recht Sorgen machte. Nana wollte es zwar verbergen, doch in Wirklichkeit war sie genauso nervös wie ich.
3. KAPITEL
Ich sehe schwarz
Gerüchte verhielten sich auf Patch Island so ähnlich wie Lawinen: Sie bewegten sich rasend schnell und wurden dabei immer größer. Deshalb wunderte es mich nicht, dass sich beim Hafen bereits die meisten Inselbewohner versammelt hatten und wild durcheinanderredeten.
Was wir als „Hafen“ bezeichneten, war eigentlich nur eine winzige Anlegestelle. Die einzigen Schiffe, die man hier jemals zu sehen bekam, waren Cormacks Kutter und das Postschiff. Ansonsten dümpelte ein wenig abseits nur das Motorboot, mit dem Bauer Orins Neffe Liam manchmal abends an der Küste entlangbretterte.
„Dort vorne sind sie schon!“, rief im nächsten Moment Bauer Orin, der mit seiner Latzhose so aussah, als käme er geradewegs aus dem Stall. Er deutete zum Horizont, wo Cormacks blauweißer Kutter auf den Wellen schaukelte. Gespannt schauten wir dabei zu, wie das kleine Schiff vor uns anlegte. Cormack sprang an Land und schlang die Leine um einen Poller. Bei unserem Anblick huschte ein Lächeln über sein wettergegerbtes Gesicht. Er war die längste Zeit seines Lebens Fischer gewesen, hatte diesen Beruf aber vor ein paar Jahren an den Nagel gehängt, um nicht mehr so oft von seiner geliebten Kathleen getrennt zu sein.
„Nanu“, sagte er, „hätte ich denn euch allen etwas mitbringen sollen? Ich weiß nur von der Schokolade für meine Süße.“ Er zwinkerte Kathleen zu, und sie kicherte. Die meisten anderen drucksten herum oder scharrten verlegen mit den Füßen.
„Ich dachte, du hättest vielleicht zufällig ein Buch für die Bibliothek dabei“, behauptete Tratschtanten-Tilda.
„Und ich wollte nur ein bisschen frische Luft schnappen“, brummte Orin, der sowieso die meiste Zeit im Freien verbrachte.
Niemand sonst machte sich die Mühe, eine Ausrede zu erfinden. Erwartungsvoll starrten wir weiter auf den Kutter, der wie verlassen dalag. Endlich öffnete sich die Tür des Führerhäuschens, und zwei Gestalten kamen zum Vorschein. Einer von ihnen, ein kleiner Mann mit Brille und Halbglatze, begann sofort zu strahlen. Fröhlich winkte er uns zu, obwohl es ihm doch merkwürdig vorkommen musste, dass wir ihn so anglotzten.
„Wie nett!“, hörte ich ihn rufen. „Sieh nur, ist das nicht ein wunderbarer Empfang?“
Darauf bekam er keine Antwort. Der andere Reisende trottete schweigend an Land, die Fäuste tief in seinen Hosentaschen vergraben.
„Das muss er sein“, wisperte Nana, obwohl ich natürlich selbst wusste, wen wir da vor uns hatten. Während der Betreuer und Cormack das Gepäck vom Kutter luden, musterte ich den Jungen unauffällig. Er war etwa ein Jahr älter als ich, hatte sonnengebräunte Haut und wuschelige dunkle Haare. Bestimmt hätte er ganz nett ausgesehen, wenn sein Gesichtsausdruck nicht so finster gewesen wäre. Seine Klamotten ließen ihn auch nicht gerade freundlicher wirken, denn sein Kapuzenpullover, die Jeans und sogar seine Turnschuhe waren allesamt pechschwarz.
Auf einmal kam mir wieder die Streunerkatze in den Sinn. Ob sie etwa doch ein böses Omen gewesen war? Vielleicht hatte sie mich ja vor der Bekanntschaft mit diesem Jungen warnen wollen …
„Willkommen auf Patch Island!“, rief Nana überschwänglich und ging auf den Betreuer zu. „Sie haben sich ja einen besonders schönen Tag ausgesucht, um auf unsere Insel zu kommen. So ein Wetter erleben wir nicht oft. Letztes Jahr fiel der Sommer hier auf einen Mittwoch!“
Der Mann grinste – anscheinend fand er Nanas Witz tatsächlich amüsant. Außerdem schien es ihn nicht zu stören, dass sich eine Wildfremde so aufdringlich benahm.
„Ja, die Sonne über dem Meer war wundervoll“, schwärmte er. „Leider ist uns dann an Deck etwas zu kühl geworden, solche Temperaturen sind wir aus Kalifornien nämlich nicht gewohnt.“
Schlagartig wurde es um mich herum mucksmäuschenstill. Sicher überlegten jetzt alle, was sie über Kalifornien wussten. Mir selbst fielen luxuriöse Swimmingpools ein (davon gab es auf Patch Island keinen einzigen), muskelbepackte Surfer (die kannte ich ebenfalls nur aus dem Fernsehen) und Strände, auf denen man tatsächlich braun werden konnte (hier setzte man höchstens Rost an). Doch der schmächtige, blasse Brillenträger passte zu keinem dieser Klischees, und den Kapuzenpulli-Jungen konnte ich mir auch nicht fröhlich planschend im Pool vorstellen.
Offenbar deutete der Betreuer unser Schweigen falsch, denn er klatschte sich mit der Hand gegen die Stirn. „Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt! Mein Name ist Arthur Bennet, und der junge Herr dort drüben ist Noah. Noah Arons. Sie haben vielleicht schon von seinem Vater gehört, dem berühmten Architekten Daniel P. Arons …?“
Ich bezweifelte, dass überhaupt jemand auf Patch Island irgendeinen Architekten beim Namen kannte. Trotzdem gelang es Nana, eine wissende Miene aufzusetzen. „Jaja, Arons, das sagt mir was“, behauptete sie. „Ich bin übrigens Cleo Collins und Tierärztin von Beruf. Aber ich lese sehr gerne Bücher über Architektur! Wie schade, dass dieser berühmte Architekt nicht nach Patch Island mitgekommen ist …“
„Oh, MrArons ist viel zu beschäftigt, um Urlaub zu machen“, erzählte MrBennet eifrig. „Aber er dachte, dass seinem Sohn ein Aufenthalt an einem friedlichen Ort guttun würde. Ein totaler Tapetenwechsel, verstehen Sie? Deshalb hat er diese zauberhafte Insel ausfindig gemacht und mich gebeten, den Jungen hierher zu begleiten.“