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In diesem Band findest du alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst – ohne das Werk komplett gelesen zu haben.
Alle wichtigen Infos zur Interpretation sowohl kurz (Kapitelzusammenfassungen) als auch ausführlich und klar strukturiert.
Inhalt:
- Schnellübersicht
- Autor: Leben und Werk
- ausführliche Inhaltsangabe
- Aufbau
- Personenkonstellationen
- Sachliche und sprachliche Erläuterungen
- Stil und Sprache
- Interpretationsansätze
- 6 Abituraufgaben mit Musterlösungen
NEU: exemplarische Schlüsselszenenanalysen
NEU: Lernskizzen zur schnellen Wiederholung
Layout:
- Randspalten mit Schlüsselbegriffen
- übersichtliche Schaubilder
NEU: vierfarbiges Layout
In Ruhm geht es um die Kommunikation mit dem Telefon, Computer und Internet sowie um die Frage, was fiktiv und was real ist.
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Seitenzahl: 181
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 351
Textanalyse und Interpretation zu
Daniel Kehlmann
Ruhm
Rüdiger Bernhardt
Alle erforderlichen Infos zur Analyse und Interpretation plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgabe: Daniel Kehlmann: Ruhm. Ein Roman in neun Geschichten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2010, 43. Auflage 2022, Nr. 24926 (seitenidentisch mit der Hardcoverausgabe von 2009).
Über den Autor dieser Erläuterung:Prof. Dr. sc. phil. Rüdiger Bernhardt lehrte neuere und neueste deutsche sowie skandinavische Literatur an Universitäten des In- und Auslandes. Er veröffentlichte u. a. Studien zur Literaturgeschichte und zur Antikerezeption, Monografien zu Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, August Strindberg, Peter Hille und Julius Mosen, gab die Werke Ibsens, Peter Hilles, Hermann Conradis und anderer sowie zahlreiche Schulbücher heraus. Von 1994 bis 2008 war er Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee. 1999 wurde er in die Leibniz-Sozietät gewählt, 2018 erhielt er den Vogtländischen Literaturpreis.
1. Auflage 2023
978-3-8044-7088-0
© 2023 by Bange Verlag GmbH, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Heino Ferch als Ralf Tanner in der Verfilmung von 2012© Little Shark Entertainment
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1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Daniel Kehlmann: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Daniel Kehlmanns Verhältnis zur Geschichte
Revolution der Medien
Literarische Traditionen
Kehlmanns Meinung zu Bertolt Brecht
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
3. Textanalyse und -Interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
Die Romankapitel in ihrer Abfolge
1. Geschichte: Stimmen
2. Geschichte: In Gefahr
3. Geschichte: Rosalie geht sterben
4. Geschichte: Der Ausweg
5. Geschichte: Osten
6. Geschichte: Antwort an die Äbtissin
7. Geschichte: Ein Beitrag zur Debatte
8. Geschichte: Wie ich log und starb
9. Geschichte: In Gefahr
Dreiergruppen der Geschichten unter dem Aspekt des Spiels
1. Gruppe: Geschichten 1, 4, 8: das Spiel mit Identitäten
2. Gruppe: Geschichten 2, 5, 9: das Spiel mit Wirklichkeiten
3. Gruppe: Geschichten 3, 6, 7: das Spiel mit Biografien
3.3 Aufbau
Gattung und Titel
Der Prolog und der erste Satz
Der Erzähler
Handlungsablauf
Spiegel, Spiegelbild, Kaleidoskop
Zahlensymbolik, Zahlenmystik
Romantik und romantische Requisiten
Ironie
Satire und Karikatur
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Ebling (Techniker)
Leo Richter (Schriftsteller)
Elisabeth (Ärztin)
Rosalie (ehemalige Lehrerin, fiktive Figur Richters)
Ralf Tanner (Schauspieler)
Maria Rubinstein (Krimiautorin)
Miguel Auristos Blancos (Bestsellerautor)
Mollwitz (Blogger und Troll)
„Boss“ von Mollwitz (Ehebrecher)
Lara Gaspard (Ärztin und fiktive Figur Richters)
Ein dünner Mann
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
Wortfelder
Klimax
Sprachgeschehen
Sprachliche Versatzstücke
Stilistik des Widerspruchs
3.7 Interpretationsansätze
Wirklichkeits- und Identitätsverlust durch mobile Kommunikation
Der Begriff Ruhm
Identitätstausch, Technik und Kunst
Doppelbilder und Doppelgänger
Ruhm – Die Suche nach dem literarischen Format
3.8 Schlüsselstellenanalysen
4. Rezeptionsgeschichte
5. Materialien
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 **
Aufgabe 2 ***
Aufgabe 3 **
Aufgabe 4 ***
Aufgabe 5 ***
Aufgabe 6 **
Lernskizzen und Schaubilder
Literatur
Zitierte Ausgabe
Primärliteratur
Interviews und Reden Daniel Kehlmanns
Sekundärliteratur
Verfilmung
Damit sich die Leser:innen in diesem Band zurechtfinden und das für sie Interessante gleich entdecken, folgt eine Übersicht.
Im 2. Kapitel wird Daniel Kehlmanns Biografie beschrieben und auf denzeitgeschichtlichen Hintergrund verwiesen:
Daniel Kehlmann wurde 1975 in München geboren und wuchs in Wien auf. Mit dem Roman Die Vermessung der Welt (2005) schrieb der deutsch-österreichische Autor einen Weltbestseller, es folgte Ruhm mit einem ebenfalls überwältigenden Erfolg.
Seine Gestalten in Ruhm leiden nicht an vergangenen Ereignissen oder ihrer Familiengeschichte, sondern an der überbordenden Herrschaft der medialen Kommunikation (Internet, Handy, E-Mail, iPod) über den Menschen in der Gegenwart, der damit verbundenen Fragwürdigkeit von Ort und Zeit und der Austauschbarkeit der Individualität.
Ruhm beschreibt die zunehmende Verunsicherung des Menschen und wie sich unter dem Einfluss der medialen Techniken nachdrücklich das Leben ändert.
Der Mensch erlebt dadurch einen Höhepunkt der Entfremdung, da er nicht mehr die ihm übertragene und anvertraute Arbeit durchschaut, versteht und bewältigen kann; Ergebnisse sind Zufall.
Symbole der Entfremdung sind Spiegel (Wandspiegel) und Doppelgänger.
Die Technik beginnt, den Menschen zu beherrschen.
Vier Jahre nach dem Welterfolg Die Vermessung der Welt erschien 2009 Daniel Kehlmanns Roman Ruhm, der sich auf den Umgang mit Wirklichkeit, Fiktion und Kunst unter dem Einfluss der modernen Kommunikationstechnik konzentriert. Die verwirrenden technischen Möglichkeiten führen bis zum Zerfall bzw. zur Verdopplung von Gestalten. Eine Vorstufe war die Geschichte Sein Porträt (2008). In dem Roman beschäftigt sich Kehlmann mit literarischen Traditionen von Franz Kafka bis Ernest Hemingway.
Neun Geschichten „ohne Hauptfigur“ (25) sind miteinander durch „Komposition“ (Handlungselemente), „Verbindungen“ (Personen) und einen „Bogen“ (die Austauschbarkeit der Individualitäten) verbunden. Indem Gestalten und Vorgänge auf hervorstechende Merkmale konzentriert wurden, entstehen statt plastischer Menschen und Handlungen Spielfiguren und -abläufe.
Die Handlungszeit der neun Geschichten ist um das Jahr 2000 – die Ärzte ohne Grenzen sind seit 1971 im Einsatz, Sterbehilfe in der Schweiz gibt es seit 1998 –, die realen Handlungsorte befinden sich in Deutschland, Südamerika, der Schweiz, Asien und Afrika. Es werden auch fiktive Handlungen verbreitet (aus Paris, Madrid, Berlin, Chicago, Caracas; 174), um ein anderes Leben führen zu können
Traditionelle Gattungsbegriffe (Roman, Erzählung) werden in Frage gestellt.
Die neun Geschichten sind vielfältig miteinander verzahnt und durch einen Prolog Stimmen eröffnet.
Mit zahlreichen künstlerischen Mitteln (Spiegelbild, Doppelgänger, Zahlensymbolik usw.) werden Beziehungsgeflechte und Parallelgesellschaften entwickelt.
Ironie, Satire und Karikatur spitzen Vorgänge zu.
Bezüge zur Romantik und Verwendung romantischer Requisiten mit Gegenposition
Ebling, Techniker
Leo Richter, Schriftsteller
Elisabeth, Ärztin
Rosalie, Lehrerin und fiktive Figur Richters
Ralf Tanner, Schauspieler
Maria Rubinstein, Krimiautorin
Miguel Auristos Blancos, Schriftsteller von Lebensratgebern
Mollwitz, Mitarbeiter in einer Telekommunikationsfirma
„Boss“ von Mollwitz, Abteilungsleiter in einer Telekommunikationsfirma, lebt mit zwei Frauen
Lara Gaspard, Ärztin und fiktive Figur Richters
ein dünner Mann, merkwürdige Gestalt mit teuflischen Attributen
Wortfelder begleiten die Texte.
Einzelne Sprachporträts fallen aus dem Rahmen (Mollwitz u. a.)
Die Sprache ist nüchtern, klar und objektbezogen.
Technik beunruhigt, ist „kompliziert und rätselhaft“, „niemand durchschaute sie ganz“ (9 f.).
Ein Höhepunkt der Entfremdung wird erreicht, da der Mensch nicht mehr die ihm übertragene und anvertraute Arbeit völlig beherrscht; Ergebnisse sind Zufall.
Ein weiteres Thema ist die Begegnung von Technik (Kom-munikationstechnik) mit Kunst (vorwiegend Literatur und darstellende Kunst).
Diese Themen werden in einem Spannungsrahmen von Doppelbildern und Doppelgängern behandelt.
Der Roman stellt die Bedrohung des Menschen durch eine technische Lebenswelt dar, „der wir nicht entkommen können“[1].
Ruhm wurde zuerst weitgehend zustimmend aufgenommen, doch stellten sich auch kritische bis ablehnende Stimmen ein.
Eine orientierende Überschau gab Felicitas von Lovenberg, in der sensibel die unterschiedlichen Möglichkeiten der Bewertung angesprochen wurden.
Daniel Kehlmann
(geb. 1975)© picture alliance / Arne Dedert/dpa | Arne Dedert
Jahr
Ort
Ereignis
Alter
1975
München
Daniel Kehlmann am 13. Januar als Sohn des in Wien geborenen Regisseurs Michael Kehlmann (1927–2005) und der Schauspielerin Dagmar Mettler geboren. K. besitzt die deutsche und die österreichische Staatsangehörigkeit. Kindheit in einem großbürgerlichen Künstlerhaushalt. „Großvater väterlicherseits, Eduard Kehlmann, ein getaufter Jude“, war der Autor zweier expressionistischer Romane.[2]
1981
Wien
Umzug der Familie, da der Vater das Theater in der Josefstadt leiten soll, Intrigen verhindern das.
6
1991
Wien
Begeisterung für E. L. Doctorows Roman Billy Bathgate; beginnt seine Romanvorstellungen zu entwickeln.
16
Wien
Schulabschluss am Kollegium Kalksburg, eine Jesuitenschule.
Wien
Studium der Philosophie und Germanistik. Promotion über Immanuel Kant abgebrochen.
1997
Wien
Erster Roman: Beerholms Vorstellung. Darin beschreibt er sein Verhältnis zur Zauberkunst.
22
2001
Mainz
Gastdozent für Poetik an der Universität.
26
2003
Ich und Kaminski. Roman.
28
2005
Reinbek bei Hamburg
Der Roman Die Vermessung der Welt wird ein Welterfolg, allein im deutschsprachigen Raum ca. 2,5 Millionen Exemplare. Übersetzungen in 40 Sprachen.
30
Berlin-Kreuzberg
Zweiter Wohnsitz neben Wien.
2005/06
Wiesbaden
Poetik-Dozentur an der Fachhoch-schule.
31
2006
Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung, Heimito von Doderer-Literaturpreis, Kleist-Preis. Diese sehr ernsten Scherze. Poetikvorlesungen an der Universität Göttingen 2006.
31
2007
Astana
Über Weihnachten zu Besuch bei seiner Frau, einer spanischen Diplomatin, in Kasachstan, wo sie seinerzeit arbeitete. WELT-Literaturpreis.
32
2008
Augsburg
Per-Olov-Enquist-Preis, Thomas-Mann-Preis.Die Vermessung der Welt (Hörspiel –Regie: Alexander Schuhmacher, Sprecher: Michael Rotschopf u. a.). Juli: Eröffnungsrede des Festivals Augsburg Brecht Connected.Requiem für einen Hund. Ein Gespräch mit Sebastian Kleinschmidt.
33
2009
Reinbek bei Hamburg
19. Januar: Der RomanRuhmerscheint. Wird in kurzer Zeit ebenfalls zum Bestseller: Mitte Februar bereits 300.000 verkaufte Exemplare.
34
Salzburg
Festrede zu den Salzburger Festspielen: K. wendet sich gegen das Regietheater und bis zur Unkenntlichkeit verfremdete Stoffe und fordert stattdessen „Enthüllung“, große Diskussion.Leo Richters Porträt sowie ein Porträt des Autors von Adam Soboczynski.
2010
Tübingen
Gast der Poetik-Dozentur (mit Jonathan Franzen und Adam Haslett).
35
2010
Reichenau
Festspiele: Uraufführung der Dramatisierung vonRuhm. Bearbeitung: Anna Maria Krassnigg.
35
Köln
Dezember: Literatordozent für Weltliteratur am IK Morphomata der Universität.
2011
Frankfurt a.M.
In der F.A.Z. bekennt er sich zu E. L. Doctorow, Verfasser von Billy Bathgate und Ragtime.Geister in Princeton. UA am Schauspielhaus Graz.
36
2012
New York
Gastprofessur am German Department der Universität, Nestroy-Theaterpreis für Geister in Princeton.
37
2013
Roman F, wird schnell zum Bestseller.
38
2014
Frankfurt a.M.
Poetik-Vorlesungen an der J.-W.-Goethe-Universität. Erscheinen unter dem Titel Kommt, Geister.
39
Mainz, Hamburg, Darmstadt
Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur, der Freien Akademie der Künste Hamburg und der Deutschen Akademie für SpracheSprache und Dichtung.
2016
Du hättest gehen sollen. Erzählung. Heilig Abend. Theaterstück. UA im Theater in der Josefstadt Wien.
41
2017
Reinbek bei Hamburg
Roman Tyll; Lesereise damit in Frankfurt a. M., Köln, Lüneburg, Hamburg, München, Berlin und Göttingen.
42
2018
New York
Frank-Schirrmacher-Preis. Fellow am Cullman Center for Writers and Scholars der New York Public Library.
43
Wien
6. September, Theater in der Josefstadt, Uraufführung: Die Reise der Verlorenen.
Homburg
Friedrich-Hölderlin-Preis.
Linz
Brucknerfest – Festrede; K. kritisiert die Regierung des österreichischen Bundeskanzlers Kurz wegen ihrer Flüchtlingspolitik und erinnert an die im Dritten Reich geflüchteten Österreicher.
2019
Der unsichtbare Drache. Ein Gespräch mit Heinrich Detering erscheint. Schubart-Literaturpreis für Tyll, Anton-Wildgans-Preis.Das letzte Problem. Fernsehspiel (Drehbuch).
44
2020
New York
Aus der Shortlist des International Booker Prize mit der englischsprachigen Übersetzung von Tyll. Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland (bis 2022).
45
2021
Stuttgart
Mein Algorithmus und Ich. Stuttgarter Zukunftsrede. Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis für das Gesamtwerk. Die Thomas-Mann-Verfilmung Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull nach einem Drehbuch von D. Kehlmann wird veröffentlicht.
46
2022
Mitbegründer des PEN Berlin. Arbeit an einer Fernsehserie über Franz Kafka.
47
New York
Mitunterzeichner eines Offenen Briefes an den deutschen Bundeskanzler zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine.Wollen wir die maskierte Gesellschaft?, Aufruf zur Beendigung der Maskenpflicht im Zuge der Coronakrise in der FAZ.
Marbach
„Sorgt, daß sie nicht zu zeitig mich erwecken.“ Marbacher Schillerrede.
Zusammenfassung
Daniel Kehlmann ist Jahrgang 1975 und hat daher wesentliche Erfahrungen des 20. Jahrhunderts nicht persönlich machen können. Andererseits begreift er Historisches als aktuell und stellt sich damit in die Reihe der Schriftsteller, die Literatur über die ästhetische Anlage hinaus als Dokumentation eines sowohl nationalen als auch weltweiten Geschichtsverlaufes begreift, eine Haltung, die im 19. Jahrhundert im Umkreis der Realisten aufkam.
Für Daniel Kehlmann sind literarische Traditionen wichtig, einerseits indem er sie bewusst gerade nicht bedient, andererseits weil er sich auf sie beruft. Literatur nimmt bei Kehlmann teilweise die Stelle des Wirklichkeitserlebnisses ein. Zeitereignisse sind für ihn Literaturereignisse, die von der Huldigung der lateinamerikanischen Literatur bis zur Abwertung von Bertolt Brecht reichen.
Kehlmanns Geburtsjahr 1975 ist Orientierung: Für den deutsch-österreichischen Schriftsteller sind Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit, Gründungen zweier deutscher Staaten und anderes kaum von Bedeutung, mindestens nicht als persönlich erlebte Vorgänge. In einem 2018 geführten Gespräch konstatiert er unter Anspielung auf das Ende des Kalten Krieges und die deutsche Wiedervereinigung vielmehr: Die Welt, als er sie bewusst wahrzunehmen begann, „wurde erst einmal (…) besser, demokratischer und fortschrittlicher“[3]. Historisches spielt in seinen Werken, die sich aktuellen Themen widmen, nur dann eine Rolle, wenn ein Schicksal aus der Vergangenheit sich als aktuell relevant erweist (allerdings betont er in seinen Frankfurter Poetikvorlesungen Kommt, Geister von 2014 ausführlich die Bedeutung der gesellschaftskritischen Nachkriegsliteratur für die Aufarbeitung der NS-Zeit). Das trifft zum Beispiel bei seinen Überlegungen zum Schicksal seines Vaters Michael Kehlmann zu, der während der NS-Zeit Häftling in einem Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen war. Der Sohn gab seiner Rede, in der er 2018 über das Schicksal des Vaters sprach, den Titel „Es ist gerade erst geschehen“[4].
Geschichte ist für Daniel Kehlmann Gegenwart, wie er gerade im Zusammenhang mit seinem jüngsten Roman Tyll, der während des Dreißigjährigen Krieges spielt, mehrfach betonte:
„Ich bin immer wieder überrascht, wie nah uns historische Ereignisse sind. Es ist überraschend, aber sechs Generationen reichen, und man ist bei jemandem, der Napoleon gekannt hat. (…) Die Welt war so anders, aber all das ist uns zeitlich näher, als man denkt.“[5]
Auch die gesellschaftsverändernden Auswirkungen der Programme und Politik der Achtundsechziger sind für ihn zur selbstverständlichen Gegenwart geworden; die europäischen Veränderungen und die deutsche Wiedervereinigung 1990 erlebte er als Jugendlicher. So bietet sich Daniel Kehlmann eine Welt mit mancherlei Vorzügen, in der er jedoch auch apokalyptische Züge entdeckt, die er einerseits aus historischem Wissen erklärt, andererseits aus der fortwährenden technologischen Entwicklung. In dieser sieht er durchaus auch eine ferne Möglichkeit, dass die menschliche Intelligenz einmal von einer technischen abgelöst wird, dass „auf die zellenbasierte Intelligenz eine silikonbasierte folgt“[6].
Das prägende Erlebnis wurden für Daniel Kehlmann die Revolutionierung der Medien (Internet, Handy, E-Mail, iPod) und die inflationistischen Veränderungen durch die Kommunikationstechnik seit Ende des 20. Jahrhunderts, die das Leben grundsätzlich verändert haben. In der 8. Geschichte von Ruhm wird dieser Unterschied auf eine einfache Formel gebracht: „Wirkliche und festgesteckte Plätze im Raum, die gab es, bevor wir kleine Funkgeräte hatten und Briefe schrieben, die in der Sekunde des Abschickens schon am Ziel sind.“ (173)
Parallel zu Kehlmanns Kindheit und Jugend entwickelte sich die Technik des Mobiltelefons, die um 1990 einen ersten Höhepunkt erreichte. Aufgrund der technologischen Entwicklungen sieht Kehlmann eine globale Entwicklung das Individuum bedrohen: die Entpersönlichung des Menschen. Er weiß sich damit im Einvernehmen mit dem US-Autor Jonathan Franzen (Die Korrekturen, 2001), der dieser Technik ebenfalls misstrauisch gegenübersteht. Ein anderes Thema Kehlmanns entwickelte sich im Schatten dieser Thematik: Die Gefährdung des Individuums erscheint zwar als ein von den neuen Medien und sozialen Netzen bestimmter Vorgang. Aber an den schrecklichen Vernichtungsszenarien der Menschheit um des ökonomischen Vorteils willen, hat sich auch nach Ende des Kalten Krieges nichts geändert. Krieg erscheint als gefährlichstes, aber auch bedrohlichstes Mittel, wie der Roman Tyll thematisiert. Durch die neuen Medien wird der Krieg nur noch technisierter und „unmenschlicher“.
Die Veränderungen in der Kommunikationstechnik sind jedoch nur ein Teil der gewaltigen Veränderungen, die sich durch die Automatisierung der Industrie, aber auch der sozial-gesellschaftlichen Vorgänge vollzogen haben. Kehlmann vergleicht diesen Vorgang mit der Verwirrung, die mit der Erfindung der Druckerpresse (um 1440) entstanden sei und die dadurch massenhaft möglichen Flugschriften. Damals wie heute seien die Menschen nicht in der Lage gewesen, mit dem neuen Medium „ganz umzugehen“, Hetze und Hass entstanden, damals durch Flugschriften und heute etwa durch die Newsfeeds bei Facebook, man denke etwa an die Debatte über Fake News. In beiden Fällen haben die Menschen erst allmählich Wahrheit und Lüge unterscheiden gelernt. Standards hätten sich später gebildet oder würden sich bilden: „Ein Teil der Verwirrung und Wut, die wir derzeit überall sehen, hat damit zu tun, dass wir gerade erst lernen, mit einem neuen Massenmedium umzugehen.“[7]
In Kehlmanns Roman Ruhm werden unterschiedliche Stufen dieses Lernprozesses miteinander konfrontiert: Stellen einige Geschichten den inzwischen erreichten europäischen Standard der Kommunikation aus (Stimmen, Ein Beitrag zur Debatte, Wie ich log und starb), so wird in anderen noch der Gegensatz von Kommunikationsferne einerseits und notwendiger höchster Kommunikationsmöglichkeit andererseits gegenübergestellt (In GefahrI, In GefahrII). Eine Geschichte beschreibt, wie sich beides auch heute noch ausschließen kann (Osten). Durch diese Kommunikationsmedien erhöht sich in Teilen der Welt die Automatisierung der Industrie, die zu Massenproduktion und Überproduktion führt, in deren Gefolge andererseits in bestimmten Teilen der Welt die Armut sich verschlimmert, dort aber auch diese Modernität der Kommunikation weder vorhanden noch entwickelt ist.
Als passionierter Leser sucht Daniel Kehlmann seine Lektüre beim kritischen Realismus und bekennt sich, beispielhaft, zu Leo Tolstoi. Doch nennt der Autor noch zahlreiche weitere Vorbilder, so Leo Perutz (1882–1957), Franz Kafka (1883–1924) und Ernest Hemingway (1899–1961), aber auch Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1621–1676) und den bedeutenden Wiener Sprach- und Medienkritiker Karl Kraus (1874–1936). Ebenfalls hier anführen lassen sich sagenhafte Gestalten, die Kehlmann literarisch produktiv gemacht hat, wie Till Eulenspiegel (Tyll), oder Autorengrößen, mit denen er sich in Vorträgen und Essays beschäftigt hat, von Ingeborg Bachmann, Günter Grass und Vladimir Nabokov über Shakespeare bis hin zu Vertretern der aktuellen südamerikanischen Literatur und sogar J. R. R. Tolkien. Nimmt man noch hinzu, welche Autoren die Sekundärliteratur Kehlmann vergleichend zuordnet – von den Italienern Luigi Pirandello (Sechs Personen suchen einen Autor, UA 1921) und Italo Calvino bis zu Philip Roth, dessen Lektüre Kehlmann zusätzlich zu Ruhm angeregt habe[8] –, dann drängt sich die Frage auf, was bei dieser Menge an unterschiedlichen Beispielen, Vorbildern und Bezugsgrößen der Anteil Kehlmanns bleibt. Die Antwort ergibt sich aus seinen Werken, die sich mit grundsätzlichen Widersprüchen der Menschen beschäftigen wie Krieg und Frieden, Kunst und Technik, Fiktion und Realität, Moral und Verbrechen, Wahrheit und Täuschung, Menschlichkeit und Modernität usw. Alle diese Themen werden überdacht von der Frage, ob die Entwicklung des Menschen einen ethischen Sinn und ein historisches Ziel hat. Ein Freund der „deutschen Nachkriegsliteratur“ ist Kehlmann allerdings nicht unbedingt, weil sie zwischen „sozialem Engagement und Lautpoesie“[9] gependelt sei. Er verzichtet damit auch auf die Traditionen der osteuropäischen und deutschen linksorientierten Literatur.
Für Kehlmanns Werke spielen Zeitereignisse der Nachkriegszeit nur eine mittelbare Rolle; dafür schuf er sich für seine Romane eine teils fiktive, teils scheinbar real erfahrene Wirklichkeit, für die er ein umfangreiches literarisches Aufgebot entwickelte. In einer seiner Poetikvorlesungen sagte er dazu:
„Die größte literarische Revolution der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, das waren die Erzähler Südamerikas, die an Kafka anknüpften und die Grenzen zwischen Tages- und Nachtwirklichkeit, die zwischen Wachen und Traum durchlässig machten. Romane als große Träume, in denen alles möglich ist.“[10]
In dieser Auswahl ist er anderen bedeutenden und wichtigen deutschsprachigen Autoren der Gegenwart wie Volker Braun, Christoph Hein oder Lutz Seiler durchaus ähnlich. Nicht so aber im Umgang mit den Traditionen. Das wird in Bezug auf Thomas Mann auffallend, denn Beziehung bedeutet für Kehlmann nicht Aufnahme, um etwas weiterzuführen, sondern „Umkehrung“[11], wie er im Falle Kafkas („Element der Kafka-Umkehrung“) erklärt: Die Orte seiner Texte seien, wenn es gehe, stets im Freien, die Orte Kafkas dagegen im Inneren seiner Protagonisten. So verhält es sich auch im Falle Thomas Manns, den Kehlmann bereits mit dreizehn Jahren las (Buddenbrooks). Mit sechzehn las er den Zauberberg, mit siebzehn den Doktor Faustus, aus dem er ableitete, dass alles bereits komponiert oder geschrieben sei und „die Zukunft nur mehr Parodie und mildes Nachspiel sein werde“[12]. Diese Erkenntnis bestimmte Kehlmanns literarische Konzeption, wenn er auch durch Joseph und seine Brüder ins Zweifeln kam, war es doch ein so heiteres Werk. Doch fand Kehlmann immer auch das Chaos, das Delirium und die Momente des „Umschlags“[13] bei Thomas Mann, die ihn besonders faszinierten.
Die Parallelen zwischen Thomas Manns Joseph und seine Brüder und Daniel Kehlmanns Ich und Kaminski (2003) sowie Ruhm[14], wie sie in der Forschung zum Teil behauptet werden, sind allerdings wenig überzeugend. So wurde der Blogger Mollwitz aus Ruhm mit der Frauengestalt Thamar Thomas Manns verglichen, weil dieser unbedingt in eine Geschichte Leo Richters will und diese einen Platz in der Heilsgeschichte beansprucht. Eines wird deutlich: Parallelen bestehen allenfalls zwischen Episoden Thomas Manns und Daniel Kehlmanns. In der epischen Gesamtanlage sucht Kehlmann die Umkehrung, nicht das episch geschlossene Großwerk als Pendant zu Thomas Mann, sondern gerade in Ruhm den Roman als episodische Reihung, „ein Roman ohne Hauptfigur (…) kein Protagonist, kein durchgehender Held.“ (25)
Dafür nimmt Kehlmann Elemente der Popart als strukturbildend, die Science-Fiktion-Literatur in ihren verschiedenen Spielarten, auch Kriminalliteratur und traditionelle utopische Literatur auf, also alles Versuche, Wirklichkeiten aufzulösen oder mit Wirklichkeit zu brechen: „(…) in meinen Romanen ging es mir immer um das Spiel mit Wirklichkeit, das Brechen von Wirklichkeit.“[15] Seine literarischen Traditionen und Beziehungen einigermaßen überschaubar zu machen, endet in der Forschung in der Aufzählung von Autorennamen.[16]