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In Rumor beschreibt Strauß die Geschichte eines Mannes, der tags seine schwerkranke Tochter mit inzestuöser Hingabe pflegt, nachts im Alkoholrausch umherirrt und den Untergang beschwört. Es ist die Geschichte eines Verfalls und einer Verfallenheit, die wie eine heimtückische Krankheit die Personen infiziert hat. Der Einbruch des Mannes ist dabei stellvertretend zu lesen für ein allgemeines Gefühl in Deutschland, das auch durch Betriebsamkeit nicht zu verdrängen ist.
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Seitenzahl: 228
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Hanser E-Book
Botho Strauß
Rumor
Carl Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-25111-3
Alle Rechte vorbehalten
© 1980/2015 Carl Hanser Verlag München Wien
Umschlag: Karl Ernst Herrmann
Foto: Ruth Walz
Satz: Maschinensetzerei Janß, Pfungstadt
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Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Bekker ist tatsächlich zurückgekommen.
Ganz unerwartet ist er auf Zachlers Monatsfest erschienen. Bekker. Großes Hallo. Viele drängen zu ihm, ihrem Mann von draußen, der immer wieder den Mut fand, ohne das Institut zu leben, der es zumindest immer wieder versucht hat. Doch weicht bald einer nach dem anderen bedrückt zur Seite, geradeso wie im Werbestreifen der sich viel versprechende Mann vor der Frau mit Körpergeruch abdreht und die Nase rümpft. Bekker redet kaum etwas und mißt sie alle still mit Blicken, zu denen sich ein gnadenloses Erinnern abzuspielen scheint, die alten Kollegen und auch den Hausherrn, den immer stärker werdenden Chef.
Er kommt mir heute etwas schmächtiger vor als in früheren Jahren, trotz der hohen Gestalt, trotz des breiten Schädels mit dem glatt nach hinten gekämmten Haar und den starken Stirnhökkern. Die Schultern hängen so. Aber das mag an seiner komischen, verworrenen Bekleidung eher liegen als an einem Rutsch der Knochen. Er steckt in einer schlapprigen, wollenen Hausjoppe mit Herzflicken auf den Ellenbogen, darunter ein buntkariertes Hemd und an den Füßen Schuhe so klobig und marschfest, wie man sie wohl in second-hand shops der Bundeswehr erhält. Allein die dunkelblaue Hose mit strengen Bügelfalten, weitem Bein und breitem Aufschlag geht durch, ein etwas sonderbarer Torso von Abendeleganz. Die ganze Erscheinung in diesem gespaltenen, auseinanderstrebenden Aufzug wirkt wechselnd ältlich und gebrochen, dann wieder männlich überragend. Tatsächlich wird Bekker zwischen Anfang und Mitte vierzig sein, ja kaum älter als ich selbst. Wenn sein Gesicht sich nicht bewegt, die Augen dunstig von unten heraufblicken, der Mund halb offensteht, dann gemahnt er, eingefallen, belastet, abgekämpft, an einen alten oder plötzlich alt gewordenen Mann. Sobald er spricht hingegen und es gerne tut, straffen sich die Züge, die Augen ziehen scharf. Mich bemerkt er zunächst überhaupt nicht. Erst als ich schließlich zu ihm gehe und ihn in die Arme fasse, taut er auf, es wird ihm wohler, er geht ein wenig mehr aus sich heraus. Nur kurz erwähnt er Oldenburg und seine Plagen dort während der letzten beiden Jahre. Das liegt zurück, es hat nicht viel erbracht. Die unmittelbare Wirkung des Wiedersehens, die Ausstrahlung seiner Persönlichkeit, seine lodernde Intelligenz nehmen mich augenblicklich in ihren Bann. Ich vermag ihm nur ungenau, mit verschwimmender Auffassung zuzuhören. Ich denke nur: Unter all dem Winke-Winke von uns anderen ist Bekker wahrhaftig eine schneidende Gebärde. Wenn er je Macht besäße (und sie besitzen wollte!), er könnte mehr Leute an sich ziehen und stärker binden als selbst Zachler, der inzwischen allein durch seine Stellung verführt und glänzt, im Wesen aber kaum noch Feuer hat. Im übrigen macht es mich etwas nervös, daß Bekker mich nicht mehr wie früher einfach Bruno nennt, sondern dauernd Bruno Stöss, also den ganzen Namen zu mir sagt, eine kühle oder halbvertrauliche Anrede, wie sie zuweilen gleichrangige Offiziere oder Berühmtheiten untereinander verwenden.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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