Running wild in Afrika - Rafael Fuchsgruber - E-Book

Running wild in Afrika E-Book

Rafael Fuchsgruber

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Beschreibung

Zwischen Wanderdünen und Oasen: Ultra Running durch eine der heißesten Wüsten der Welt Rafael Fuchsgruber und seine Partnerin Tanja Schönenborn haben sich Großes vorgenommen: Laufend wollen die beiden Ausnahmesportler die Wüste Namib durchqueren. 1000 Kilometer in rund zwei Wochen, über 400 Liter Trinkwasserbedarf – eine absolute Weltpremiere. In diesem packenden Reisebericht nimmt das bekannte Extremlauf-Paar Sie mit auf diese Tour der Extreme. Vom Sossusvlei, seit 2013 – wie das gesamt Namib-Sandmeer - UNESCO-Welterbe, führt ihre Laufstrecke vorbei an der größten Wanderdüne der Welt und durch Namibias bedeutendsten Seehafen, die Walfischbucht, weiter zum Messum-Krater und hinein in die traumhaften Landschaften des Brandbergmassivs. Am Ende warten der Tafelberg und das älteste Tierreservat Namibias am Mount Etjo auf sie. Ein atemberaubender Wüstenlauf voller faszinierender Landschaften und magischer Augenblicke! • Ein einzigartiges Sportler-Team auf dem Weg durch die Namib-Wüste • Landschaftlich faszinierende und sportlich anspruchsvolle Laufstrecke vom Namib Naukluft National Park entlang der Skeleton Coast bis zum Mount Etjo • Motivierendes Laufbuch und packender Erlebnisbericht in einem, illustriert mit zahlreichen Fotografien von der Wüstendurchquerung • Ideales Geschenk für Sportler und Ultraläufer auf der Suche nach Motivation und Inspiration Zum Geburtstag durch die Wüste – Feiern mit dem erfolgreichsten Ultralauf-Paar Deutschlands Rafael Fuchsgruber ist Deutschlands erfolgreichster Läufer in den Wüsten dieser Welt. Aus dem ehemals unbekannten »Comebacker«, dessen Alkoholismus ihn mit 41 Jahren mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Klinik brachte, ist mittlerweile eine eigene kleine (Lauf-)Marke geworden. Rafael Fuchsgruber ist in der ARD als Laufexperte zu sehen, die ZDF-Sportreportage berichtet über seine Läufe, er ist Talkgast bei Markus Lanz. Als Inhaber einer Konzertagentur sowie eines Musikverlags, arbeitet er im Live-Bereich mit Künstlern wie Ed Sheeran oder Coldplay. Er ist Kolumnist, Autor für verschiedene Laufmagazine, ein gefragter Vortragsredner und Gast in Talkshows wie 3nach9. Tanja Schönenborn, ist leidenschaftliche Läuferin, Vermögensberaterin bei der Kreissparkasse Köln und lizenzierte Personal Trainerin. Vor drei Jahren stellt sie ihr Leben auf »Neuanfang« und ändert so einiges. Sie nimmt 28 Kilogramm ab und beschließt neben einer kompletten Umstellung ihrer Ernährung die ersten Schritte in den Sport zu wagen. Konsequenterweise macht sie sofort ihre Lizenz als Personal Trainerin.   2021 begeht Rafael Fuchsgruber seinen sechzigsten Geburtstag. Tanja wird vierzig. Ihren "gemeinsamen Hunderter" feierten sie – stilecht – mit dem Ultralauf durch eine der heißesten Wüsten der Welt. Doch "Running wild in Afrika" ist mehr als ein Erfahrungsbericht. Die beiden Abenteurer verraten, wie man selbst in der größten Hitze und mit Wüstensand in den Schuhen die Motivation zum Laufen nicht verliert und wie viele Liter Trinkwasser es für eine Wüstendurchquerung in Laufschuhen braucht. Eine einzigartige Inspiration für alle Extremsportler und Ultratrail-Läufer!

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Lauf-Statistik

Länge: 1.000,01 km

Da wir an einem späten Nachmittag starten, sind das 18 Kalendertage.

An Tag 19 folgt der Spendenlauf für die Mount Etjo Junior School.

Tagesetappen

Tag 1 - 14,86 km

Tag 2 - 62,69 km

Tag 3 - 61,87 km

Tag 4 - 65,30 km

Tag 5 - 51,10 km

Tag 6 - 64,07 km

Tag 7 - 60,82 km

Tag 8 - 56,39 km

Tag 9 - 63,01 km

Tag 10- 43,25 km

Tag 11 - 61,70 km

Tag 12 - 61,25 km

Tag 13 - 62,94 km

Tag 14 - 49,52 km

Tag 15 - 56,74 km

Tag 16 - 59,25 km

Tag 17 - 61,59 km

Tag 18 - 43,66 km

Gesamt 1.000,01 km

plus Tag 19 – 43,37 km Spendenlauf

RAFAEL FUCHSGRUBERTANJA SCHÖNENBORN

RUNNING WILD

IN AFRIKA

PAARLAUF DER EXTREME

IN 17 TAGEN 1.000 KM DURCH DIE WÜSTE

1. Auflage 2021

© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld

Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:

ISBN 978-3-667-12254-4 (Print)

ISBN 978-3-667-12341-1 (Epub)

Lektorat: Carola Pröbstle, www.carolaproebstle.de

Fotos: Paul Hartmann, mit Ausnahme von:

Rafael Fuchsgruber, Tanja Schönenborn: Seite 70

Jan Fitschen: Seite 16

Karte: Inch3, Bielefeld

Umschlaggestaltung und Layout: Felix Kempf, www.fx68.de

Datenkonvertierung E-Book: Bookwire - Gesellschaft zum Vertrieb digitaler Medien mbH

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder komplett noch teilweise vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.

www.delius-klasing.de

SANDIN SICHT

DAS»DAVOR«

HUNDERT JAHRE UND TAUSEND KILOMETERWIE EINE IDEE ENTSTEHT

DA IST ER WIEDERDER ZAUBER DES ANFANGS

DIE NAMIBEIN ORT JENSEITS VON RICHTIG UND FALSCH

VOM WÜSTEN-CHAMÄLEONUND ANDEREN BEGEGNUNGEN

TOURSTARTZWEIER LANDSTREICH(L)ER

DAS HUPEN DER AFRIKANISCHEN AUTOFAHRERUNSER APPLAUS

»WENN ES KRIEG GIBT, GEHEN WIR IN DIE WÜSTE«DIE GROTTEN IM KUISEB CANYON

JOY AND PAIN ODER:SCHWIERIGE STRASSEN FÜHREN OFT ZU WUNDERSCHÖNEN ORTEN

EIN FUCHS ZU SEIN ALLEIN REICHT NICHTABSCHIED VON DER JUGEND

FLOWUNLIMITED

RICHTUNG ATLANTIKRICHTUNG BERGFEST

EIN AUSSERGEWÖHNLICHERVIERZIGSTER

NICHT MEHR WEITABER GRAS WÄCHST AUCH NICHT SCHNELLER, WENN MAN DRAN ZIEHT

DIE ROUTE WIRD NEU BERECHNETMOUNT ETJO JUNIOR SCHOOL

BEREIT ZUMABSCHIED

EQUIPMENT

Spuren im Sand – der Naukluft National Park.

SANDIN SICHT

RAFAEL

Wir sind seit fünf Tagen in der Namib unterwegs – unter sehr schweren Bedingungen. Die ersten Etappen haben enorm Kraft gekostet. Von Anfang an laufen wir gegen konstant harten, heißen Wind. Von den bisherigen 300 Kilometern war einiges zu marschieren – vor allem in Wind und Mittagshitze. Weitere 700 Kilometer liegen noch vor uns. Wo soll das hinführen? Laufen macht oft keinen Sinn. Dazu habe ich aus zwei Wüstenrennen in Namibia bereits Erfahrungen gesammelt; gesehen, wie gestandene Läuferinnen und Läufer eingegangen sind – wenn sie versuchen, gegen Wind und Hitze anzulaufen.

Es ist der Vorabend meines sechzigsten Geburtstags. Ich habe mich lange darauf gefreut. Der eine Teil der Freude begann schon in Kindertagen und bezog sich auf meinen Wunsch, Afrika zu erkunden. Den anderen Teil, nämlich sechzig Jahre alt zu werden … nun ja: dem gewinne ich sehr viel Positives ab. Mein Vater starb in dem Alter an Drogen und bei mir sah es auch viele Jahre nach einem eher kürzeren Leben aus. Aber ich bin noch da – oder anders ausgedrückt: ich bin mit Mitte Vierzig wieder zurück ins Leben gekommen. Ich feier meinen Geburtstag immer am Abend vorher – dieses Mal und an diesem Ort erst recht. Ich dachte, es wird einfach – wird es aber nicht.

BLASEN, HALLUZINATIONEN UND EIN BREAKDOWN

Wir haben 60 Kilometer hinter uns. Tanja ist durch. Die Blasen an den Füßen, die Schmerzen in den Beinen und die Strapazen der letzten Tage haben ihr sehr zugesetzt. Sie fängt an, Unsinn zu erzählen. Wenn ich nicht direkt neben ihr gehe, beginnt sie zusätzlich die gesamte Breite der vor uns liegenden Schotterstraße zu vermessen. Sie sieht kleine Tierchen am Boden – erste Halluzinationen. Wir haben es nicht mehr weit zu unserer Crew, die irgendwo in einer windgeschützten Senke unser Camp für die Nacht aufgebaut hat. Aber wie weit weg? Das ist unklar. Ich nehme Tanja an der Hand, und über unser Funkgerät erreiche ich Nel, unseren Crewchef. Tanja kann in dem Zustand unmöglich weiter – das erste Mal auf der Tour funke ich um Hilfe. Wenig später sehe ich nach einer Kurve die Lichter vom Camp und gebe Nel über Funk Entwarnung. Die 400 Meter können wir jetzt auch noch gehen – denke ich. Denke auch, dass es Tanja eventuell nicht mag, abgeholt zu werden. Ihr O-Ton wäre sicherlich gewesen: »Wie sieht das denn aus?!« Aber O-Töne kann sie grad nicht mehr. Wir erreichen das Camp und Tanja sackt in sich zusammen. Eine Liege steht bereit und Bruno Thomas, unser Doc aus Bordeaux, kümmert sich sofort um sie. Bruno ist ein guter Freund geworden, bei Rennen in Australien und Mozambik, aber vor allem hat er mit seinen 75 Jahren alle Erfahrung der Welt als Buschdoktor. Der Wüstenläufer, den ein Skiunfall fast komplett »gehimmelt« hätte, hat seitdem als Arzt 43 Wüsten- und Dschungelrennen begleitet; aber das Wichtigste in diesem Moment ist: Tanja vertraut ihm!

DAS IST NICHT IRGENDEIN 60STER …

Die Sekunde, in der Tanja zusammensackt, ist heftig für mich. Stell dir eine Marionette im Puppentheater vor: gerade noch voll in Aktion, und dann schneidet eine Schere alle Fäden durch. Rumms! Mir kommt in dem Moment die Frage: Wie wird es weitergehen? Machen wir uns nix vor: Tausend Kilometer durch die Wüste – das ist nicht mal eben so ne kleine Geburtstagsparty. Das ist schon eher ein wildes Rockkonzert. Sechzig Kilometer an siebzehn aufeinanderfolgenden Tagen – in der Wüste, in Hitze, Wind und Sand – mir ist nicht bekannt, dass das überhaupt schon mal ein Liebespaar versucht hat.

Bruno spricht mit Tanja, als sie wieder die Augen öffnet – ich halte ihre Hand. Reaktion, normaler Blutdruck und regelmäßiger Puls lassen noch ein bisschen auf sich warten. Als Bruno mich nach einigen Minuten bittet, für sie eine Cola zu organisieren, hellt sich meine Stimmung ein wenig auf. Kurz danach drückt Tanja meine Hand ein wenig fester und nippt an ihrem koffeinhaltigen Zuckergetränk. Bruno nickt – und wir sind für den Moment aus der Sorge raus.

UND DANN WAR DA NOCH …

Ach ja – ich habe Geburtstag. Nels Frau Ute und ihre Freundin Anita kommen zu Besuch, es gibt von verschiedenen Seiten Marzipan (ja, es hat sich bis nach Afrika rumgesprochen!), es wird schön gesungen, ein kleiner Kuchen mit Kerze stilvoll serviert … und das alles mitten in der Wüste Namibias – der ältesten Wüste der Welt. Ich fühle mich geehrt und nehme mir vor, auf jeden Fall auch stilvoll zu altern. Wie erwähnt geht ein Traum in Erfüllung – nicht nur an diesem Tag.

Trotz Geburtstag haben Bruno und ich noch ein ernstes Gespräch. Er weiß, dass ich gut auf Tanja aufpasse, äußert aber trotzdem seine Bedenken: »Das kann passieren und Tanja ist hart im Nehmen, aber ein zweites Mal möchte ich das als Arzt nicht sehen.« Wir wissen beide, dass diese Nummer für sie – mit nur drei Jahren intensiver Lauferfahrung – eine grenzwertig große Herausforderung ist. Auf der anderen Seite hat Bruno aber schon ein wenig realisiert, wo und wie der Hase bei Tanja läuft. Wer sie kennt, der weiß, was ich meine. Für die, die sie noch nicht so gut kennen, sei hier erwähnt dass, wenn sie sich etwas vorgenommen hat oder von etwas begeistert ist, oft allein der Moment für sie zählt. Bremsen lassen ist dann nicht.

Die Nacht wird ruhig und Tanja kommt auf acht Stunden Schlaf. Die Tage vorher waren es häufig viel weniger – zu wenig. Tanja erholt sich, aber die Ampel ist an diesem Tag auf Gelb umgesprungen.

»Ich liege noch etwas länger wach.

Angst habe ich keine, mache

mir aber so meine Gedanken –

auch über die Anfänge dieser etwas

wahnwitzigen Idee, die ziemlich

genau vor einem Jahr an meine

Tür klopfte. Ich war wie immer

neugierig und habe geöffnet …«

Rafael

Ich liege noch etwas länger wach. Angst habe ich keine, mache mir aber so meine Gedanken – auch über die Anfänge dieser etwas wahnwitzigen Idee, die ziemlich genau vor einem Jahr an meine Tür klopfte. Ich war wie immer neugierig und habe geöffnet …

Das»Davor«

KURZ VOR DER ABREISE NACH NAMIBIA INTERVIEWT UNS JAN FITSCHEN.DER EHEMALIGE EUROPAMEISTER ÜBER 10.000 METER IST HEUTE ERFOLGREICHER FREELANCER UND PODCASTER UND HAT EIN PAAR FRAGEN AN UNS.

Jan Fitschen:

Wie groß ist die Aufregung bei Euch?Jetzt – eine Woche vor dem Start?

Tanja:

Meine Stimmung schwankt in den letzten zwei Wochen vor der Abreise von absoluter Tiefenentspannung bis hin zur panischen Schnappatmung. Es ist kein tägliches Durchdrehen mehr wie im Jahr 2018 vor meinem ersten Etappenrennen in der Mongolei. Dennoch stehen die Gedanken nicht mehr still. Merkwürdigerweise kreisen sie fast ausschließlich um organisatorischen Kram. Kommt der Zug pünktlich? Wie wird der Flug? Was sagt der Zoll, wenn wir mit über 20 Kilo Nahrungsergänzungsmitteln einreisen? Haben wir an alles gedacht?

Die To-do-Liste haben Rafael und ich gestern Punkt für Punkt abgehakt. Alles, was elementar wichtig ist, ist da: Kleidung, Schuhe, Essen. Am Wochenende werden wir die Koffer final packen. Wenn dieses Tetris-Spiel vollbracht ist, fällt mir sicher ein Stein vom Herzen.

Während meine Seele mit tausend Gedanken Ping-pong spielt, hat sich mein Körper bereits in den Tape-ringmodus verabschiedet. Ich bin müde, habe keine Lust mehr zu trainieren, dafür ständig Hunger. Mein Körper wird sich dabei bestimmt etwas »denken«. Ich stelle es nicht infrage.

Rafael:

Es ist definitiv das erste Mal nach zehn Jahren, dass mich intensive Aufregung überkommt. Erinnert stark an die Anfänge meines Laufens. Der erste Marathon, der erste Wüstenlauf … die Bilder und alles, was damals dranhing, kommen wieder zum Vorschein. Genau das wollte ich ja unbedingt wieder erleben und nicht so abgeklärt am Start stehen wie in den Rennen zuvor. Es ist wunderschön – und nervt wie die Sau. Im Moment stehe ich regelmäßig um vier Uhr morgens auf – auf grundlos folgt dann ziellos. Es gibt nichts mehr zu trainieren und alle Vorbereitungen zu unserer kleinen Expedition laufen in die richtige Richtung. Ich sitze mit Kaffee vorm Rechner und schreibe am Buch, was es vorab schon zu schreiben gibt. Ich begrüße die Pferde im Stall, die sich genau so verwundert wie Hund und Katze fragen: »Was hat er bloß?« Tja, Leute: er ist aufgeregt.

Neue Asana: der Baum in der Wüste.

Jan Fitschen:

Wie kam es zu diesem Plan?

Rafael:

Die Idee entsteht in einer schweren Lebenskrise Anfang 2020 – einer Ansammlung von Schicksalsschlägen, die nicht ohne sind. Im Januar wirft mich ein schwerer Band-scheibenvorfall aus der Bahn. Mit Laufen ist erst mal nix mehr. Am 11. März ist mein letztes Konzert – James Blunt in der Elbphilharmonie. Ich war mein Leben lang als Konzertveranstalter oder Produktionsleiter tätig. Meine eigene Firma ist durch die Pandemie von einem auf den anderen Moment ohne Arbeit. Und das bedeutet nicht nur einfach weniger Arbeit – es ist das komplette Aus. Das hat schwere finanzielle Konsequenzen, aber auch inhaltliche, weil ich meinen Job einfach liebe.

Im April folgt ein Stressbruch in der Hüfte und am 1. Mai verstirbt meine Mutter Anja durch einen Fahrradsturz. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis. Sie war Künstlerin, Weltreisende, Bergsteigerin – und mit ihren 83 Jahren noch wenige Monate vorher in Südafrika unterwegs gewesen. Unterwegs hieß bei ihr: jeden Tag woanders – auch in Afrika. Anja war ihr ganzes Leben gerne unterwegs und so ist sie auch gestorben: unterwegs. Dass Sterben zum Leben gehört, war mir klar, aber dieses Paket an Niederlagen in vier Monaten war einfach zu groß für mich. Ich fiel in eine depressive Phase und gefiel meiner Tochter und Tanja gar nicht mehr. Ich hab das Rauchen wieder angefangen – in dem Moment, als die Polizei mich anrief, dass Anja verstorben sei. Ich saß nur noch auf der Terrasse und starrte in die Gegend. Ich musste raus, und nachdem Mama beerdigt war, fuhr ich Richtung Meer, um wieder Luft zu kriegen.

Jan Fitschen:

Wann hast du, Tanja, das erste Mal von dieser Idee zu einem Tausend-Kilometer-Wüstenlauf erfahren? Was waren deine ersten Gedanken in dem Moment?

Tanja:

Rafael lieh sich das Wohnmobil einer Freundin und fuhr an die Urlaubsorte seiner Kindheit. Im Gepäck hatte er die Hoffnung, den Kopf frei zu bekommen. Als er mir dann bei der Heimkehr von seinem Plan berichtete, hatte ich große Sorge, dass er nun vollkommen durchgeknallt ist. Tausend Kilometer?! Das ist ja wohl nicht dein Ernst. Was für ein Schwachsinn! Oder …? Ab diesem Moment war die Idee aber in meinen Kopf gepflanzt. Und sie wuchs wie ein Pflänzchen von Tag zu Tag ein bisschen weiter. Ebenso wie die Neugierde, es versuchen zu wollen. Ich war schon mal 30 Kilo schwerer gewesen als heute und hatte es geschafft, mein Leben komplett zu verändern. Schaffe ich es auch, tausend Kilometer zu laufen? Challenge accepted!

Jan Fitschen:

Wie muss man sich eure Vorbereitung vorstellen? Lief alles rund?

Tanja:

Da muss ich tatsächlich erst einmal schmunzeln. Die Startlinie eines Rennens ist unendlich weit entfernt, wenn man sich dafür anmeldet. Pläne werden geschmiedet, während es überall in einem kribbelt und sich vor Freude die Gedanken überschlagen. Nicht nur das reine Trainingspensum wird akribisch vorbereitet, sondern auch vieles, was ich zusätzlich machen möchte, um das Beste aus mir rauszuholen. Ich möchte alles tun, um körperlich und mental stark an den Start zu gehen. So der Plan.

Doch oft kommt es ja ganz anders als man denkt. Das habe ich ja bereits bei den letzten Vorbereitungen für die Rennen in der Mongolei oder der Atacama-Wüste zu spüren bekommen. Diesmal sollte alles perfekt werden. Keine Ausreden. Ich hatte mir einen Schlachtplan der Superlative überlegt, da es sich bei dem Geburtstagslauf um ein »Once in a Lifetime«-Projekt handelte.

Kurz vor dem Jahreswechsel begann ich daher, motiviert bis in die Haarspitzen, mit den ersten Läufen. Dann schmerzte plötzlich mein linker Fuß, mal mehr, mal weniger – und meine Stimmung wurde rapide schlechter. Das ist nun wirklich der falsche Zeitpunkt für sowas! Ja, es gibt nie den richtigen, aber jetzt grad geht das gar nicht! Nach einer Woche Eigenbehandlung nach Doktor Google entschied ich mich dann doch, den Arzt meines Vertrauens, Frank Schmähling, aufzusuchen. Die ernüchternde Diagnose des Facharztes: Fersensporn. »Das ist eine langwierige Sache, Tanja.« Nach dem ersten Schock und zahlreichen Tränen schwenkte ich dann trotzig in den Angriffsmodus um. Da ich jetzt wusste, was der Grund meiner Schmerzen war, konnte ich auch etwas dagegen tun. Und das tat ich, wenn auch freudlos. Klare Ansage vom Arzt und Physiotherapeuten war: Keine schnellen Läufe! Und keine Bergläufe! Na toll. Dabei macht mir das doch am meisten Spaß.

Es folgte eine gefühlte Ewigkeit der emotionalen Hochs und Tiefs. Armer Rafael. Über Wochen hakte ich täglich meine Liste ab: warmes Fußbad mit Kaisernatron, danach eins mit Eiswasser, die Fußsohlen rollen, exzentrische Übungen an der Treppe (um die Wade zu dehnen) und zur Entspannung eine Massage. Ganz ehrlich: nach einem langen Arbeitstag musste ich mir oft gut zureden. Doch dann stellten sich nach zwei Monaten endlich kleine Erfolge ein, die ich glücklich in meinem Trainingstagebuch vermerkte. »Endlich! Ich habe fast keine Schmerzen mehr. Namibia, ich komme!«

Einige Tage später hatte ich gedanklich bereits die Koffer gepackt und Lust zu rennen. Ich rief eine Freundin an, um gemeinsam über die heimischen Trails zu fliegen. Schließlich war ja nun wieder alles bestens mit dem Fuß. Am Morgen nach dem Lauf bekam ich prompt die Retourkutsche. »Heute bricht die Panik in mir aus. Der Fuß tut weh. Richtig weh! Warum bin ich nur gestern so gerannt? Ich bin ein Idiot!«, schreibe ich in mein Tagebuch. Der Lauf war zwar Balsam für meine Seele, aber leider Gift für meinen Fuß. Mit schlechtem Gewissen bestellte ich im Internet alles, was irgendwie helfen könnte: homöopathische Mittel, eine Akkupressurmatte, Manukahonig und Salben. Die Wiedergutmachung kostete mich viel Geld, doch dadurch fühlte ich mich nicht mehr so schlecht. Die Zeit bis zum Abflug habe ich mich dann brav an die Vorgaben gehalten und so meinen Fuß bei der Heilung unterstützt.

Wenn ich eins immer wieder durchs Laufen lernen kann, dann ist es das Thema »Geduld«. Bei meinen ersten Läufen mit Rafael sprach er bereits davon, wie wichtig Geduld und Demut beim Laufen sind. Ich habe das nicht verstanden. Doch mit der Zeit und mit jedem Kilometer mehr in Laufschuhen stimme ich ihm zu. Geduld zahlt sich aus. Im Training wie auch bei der Regeneration meines Fußes.

Rafael:

Das mit der Vorbereitung ist bei mir übersichtlich: Ich laufe seit 2002 und habe nicht aufgehört – in der Regel jeden Tag. Ich finde, ich habe in meinem Leben genug trainiert, so dass ich heute vor allem nach Genuss laufe. Ich liebe es und das ist der Kern. Über Mengen und Trainingskonzepte denke ich im Moment für mich nicht mehr so viel nach. Veränderung? Das Marschieren mit Stöcken über viele Stunden hinweg wurde ins Training aufgenommen. Und es gibt ein Defizit in der Vorbereitung gegenüber den vergangenen Jahren: das Frühjahr war recht kalt und alle Saunen hatten zu, was dazu geführt hat, dass das gesamte Hitzetraining ausfiel. Diese Tatsache wird uns die ersten Tage in der Wüste sehr zusetzen. Ganz sicher!

Jan Fitschen:

Wie waren die Nächte?

Tanja:

Rafael sagte einmal zu mir: »Schatz, Du bist ein guter Schläfer.« Und üblicherweise hat er Recht damit. Ich schlafe schnell ein und wache ohne besondere Vorkommnisse wieder auf. Selbst bei unseren Rennen, wo wir mit wildfremden Menschen in Zelten übernachten, ist das kein Problem für mich. Augen zu und ab ins Schlummerland. Oft kann ich mich am Morgen sogar noch daran erinnern, was mein Unterbewusstsein da an Emotionen und Gedanken in der Nacht zusammengewürfelt hat. Vom klassischen »Start eines Rennens verpassen« oder dem verlorenen Koffer bis hin zum kompletten Schwachsinn ist tatsächlich alles möglich. Vor einigen Wochen hatte ich beispielsweise einen merkwürdigen Traum, den ich nicht vergessen konnte. Ich dieser Nacht wurde ich von meinen Gefühlen und Gedanken überrannt.