Russischer Frühling - Norman Spinrad - E-Book

Russischer Frühling E-Book

Norman Spinrad

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Beschreibung

Der Beginn eines neuen Jahrtausends

Der Kalte Krieg zerstörte Amerikas Pläne für die Erforschung des Weltalls: Statt Missionen ins All konzentrierte sich die Supermacht auf Abwehrsatelliten, um der nuklearen Bedrohung durch die Sowjetunion etwas entgegensetzen zu können. Raumfahrtingenieur Jerry Reeds großer Traum ist es, Astronaut zu werden, deswegen wendet er sich, enttäuscht vom eigenen Land, Europa zu, die mit den Russen zusammenarbeiten. Die politische Lage verändert sich zu Ungunsten der Vereinigten Staaten, die schnell zum Außenseiter im Weltgeschehen werden. Reed, der inzwischen die Russin Sonya geheiratet und mit ihr zwei Kinder hat, und seine kulturell gespaltene Familie sehen sich einer Zukunft gegenüber, die so zwar in der Realität nicht eingetreten ist, die aber sehr wohl hätte die unsere sein können …

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Seitenzahl: 1260

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NORMAN SPINRAD

RUSSISCHER FRÜHLING

Roman

Das Buch

Der Kalte Krieg zerstörte Amerikas Pläne für die Erforschung des Weltalls: Statt Missionen ins All konzentrierte sich die Supermacht auf Abwehrsatelliten, um der nuklearen Bedrohung durch die Sowjetunion etwas entgegensetzen zu können. Raumfahrtingenieur Jerry Reeds großer Traum ist es, Astronaut zu werden, deswegen wendet er sich, enttäuscht vom eigenen Land, Europa zu, die mit den Russen zusammenarbeiten. Die politische Lage verändert sich zu Ungunsten der Vereinigten Staaten, die schnell zum Außenseiter im Weltgeschehen werden. Reed, der inzwischen die Russin Sonya geheiratet und mit ihr zwei Kinder hat, und seine kulturell gespaltene Familie sehen sich einer Zukunft gegenüber, die so zwar in der Realität nicht eingetreten ist, die aber sehr wohl hätte die unsere sein können …

Der Autor

Titel der Originalausgabe

RUSSIAN SPRING

Aus dem Amerikanischen von Irene Bonhorst

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1991 by Norman Spinrad

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: Das Illustrat

Für

Michail Gorbatschow,

der es nötig gemacht hat,

und

N. Lee Wood,

INHALT

Einführung des Autors zur deutschen Ausgabe

Erster Teil – Amerikanischer Herbst

Zweiter Teil – Russischer Frühling

Einführung des Autors zur deutschen Ausgabe

Als ich im August 1988 mit dem Schreiben von Russischer Frühling begann, war ich kurz zuvor von einer internationalen Schriftsteller-Konferenz in Budapest zurückgekehrt, und als im September 1991 die amerikanische Hardcover-Ausgabe erschien, war inzwischen der Putschversuch vom August in Moskau fehlgeschlagen. In der Zeit zwischen der Idee zu dem Buch und seiner Fertigstellung im Jahre 1991 wurde es vielmals überarbeitet, um die revolutionären Veränderungen zu berücksichtigen, die während jener Jahre stattfanden und die die Welt so tiefgreifend neu gestalteten. Jetzt, im Juli 1992, da ich diese Zeilen schreibe, liegen die endgültigen Auswirkungen dieser Veränderungen noch vollkommen im dunkeln, und zwar so sehr, dass die einzige sichere Voraussage, die sich treffen lässt, die ist, dass es noch weitere solche Veränderungen geben wird, bevor Sie das, was ich jetzt schreibe, im November 1992 werden lesen können.

Viele der Veränderungen, die ich während des Schreibens des Buches voraussah, fanden tatsächlich statt, bevor der endgültige Entwurf fertiggestellt war – demokratische Wahlen in der Sowjetunion, die Auflösung des sowjetischen osteuropäischen Imperiums, die Wiedervereinigung Deutschlands, das Ende des Kalten Krieges, der allmähliche militärische Rückzug Amerikas aus Europa – und die endgültige Version trug ihnen mit abgewandelten Details Rechnung.

Andere Veränderungen traten erst ein, nachdem das Buch bereits in der Herstellung war. Einige davon, wenn sie auch nicht ganz der Vorhersage entsprachen, was den zeitlichen Rahmen oder den Ablauf im einzelnen betraf, entsprachen jedoch dem Roman auf unheimliche Weise zumindest in groben Zügen und mit derselben tieferen Bedeutung – die amerikanische Wirtschaftsmisere, die neuen Schritte in Richtung auf ein nationenübergreifendes westeuropäisches Staatenbündnis, das Wiedererwachen eines Stammesnationalismus in Europa, im Osten wie im Westen, sowie die unseligen Folgen davon.

Andere Vorhersagen scheinen sich zum jetzigen Zeitpunkt jedoch als falsch herausgestellt zu haben. Die Sowjetunion besteht nicht mehr, und es sieht so aus, als hätte die Kommunistische Partei keinen Platz mehr in der Zukunft, die sich in ihren ehemaligen Territorien anbahnt; die dortigen wirtschaftlichen Verhältnisse liegen sehr im argen.

Und doch, wer weiß? Die Feinheiten der zukünftigen Geschichte, die so sehr vom Aufstieg und Fall einzelner Personen, von zufälligen Ereignissen, Putschen, Katastrophen, glücklichen oder unglücklichen Fügungen abhängen, sind vielleicht nicht mit Exaktheit vorherzusagen, doch die weiterreichenden und tieferen ökonomischen, technologischen und geopolitischen zwingenden Umstände, die dem Schicksal von Völkern und Nationen zugrunde liegen, sind wieder etwas anders.

Im Jahr 1968 habe ich mit Champion Jack Barron die Vision von einer etwa zwanzig Jahre in der Zukunft liegenden amerikanischen Präsidentschaftspolitik dargelegt, die vollkommen der Macht des Fernsehens untergeordnet und von ihr untergraben ist. Jetzt, vierundzwanzig Jahre später, wenn auch die spezifischen politischen Einzelheiten nicht ganz gemäß der Voraussage eingetroffen sein mögen, hat sich die allgemeine Voraussage auf der großen Linie als zutreffend erwiesen. Im Jahre 1987, auf dem Höhepunkt des sogenannten Reagan-Booms, habe ich in Little Heroes den wirtschaftlichen Abstieg Amerikas in den neunziger Jahren vorausgesehen, was allerdings nicht besonders schwer war in Anbetracht der wirtschaftlichen und sozialen Realitäten, die von der Euphorie des Augenblicks überlagert waren.

Und das gilt auch für das Buch Russischer Frühling: wenn auch einige Einzelheiten durch dramatische Umwälzungen überholt wurden, so bleiben doch die übergeordneten Mächte bestehen, die die Zukunft formen, auf die die Welt zusteuert. Die tatsächliche EG bewegt sich unweigerlich in die Richtung des vereinten Europas im Roman, ihre wirtschaftliche Vorherrschaft ist bereits eine Tatsache, und die Nationen Osteuropas streben eine Mitgliedschaft an. Die Vereinigten Staaten sind tatsächlich zum militärischen Beherrscher des Planeten geworden, ein amerikanisch dominierter Gemeinsamer Markt der Westlichen Hemisphäre ist bereits in der Entstehung, und die ersten Grundsteine zu einer Strategischen Verteidigungs-Initiative werden in Kürze gelegt. Und der von hoher Verschuldung begleitete Verfall der amerikanischen Wirtschaft ist bereits eine traurige Tatsache, mit der man leben muss.

Aber wie steht es um die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, die ehemalige Sowjetunion? Sie ist zerrissen durch einen ethnischen Chauvinismus, die jeweilige Wirtschaft befindet sich in einem chaotischen Zustand. Können diese Republiken tatsächlich in einem einheitlichen Rahmen wieder zusammenfinden und ihr Wirtschaftsleben wieder auf einen Stand bringen, auf dem ein Zusammenschluss mit der EG möglich ist, um Gorbatschows (und meine) Vision von einem ›gemeinsamen europäischen Haus‹ wiederzubeleben, um eine gedeihliche und demokratische Vereinigung von Völkern vom Atlantik bis zum Ural und darüber hinaus zu erreichen?

Ich glaube immer noch, dass sie es können. Weil die wirtschaftlichen und geopolitischen Realitäten nach wie vor verlangen, dass sie es müssen.

Die Sowjetunion, die Nachfolgerin des Russischen Reiches, war ein nationenübergreifender Staat, dessen Aufbau seit tausend Jahren im Gange ist, und das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld, das während all der Jahrhunderte entstand, ist mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Staats noch nicht verschwunden.

Es gibt immer noch mehr als hundert verschiedene Völker innerhalb des Gebiets der fünfzehn Republiken der früheren Sowjetunion, und sie sind immer noch gründlich vermischt. Etliche Millionen Russen leben immer noch außerhalb der Grenzen des Russischen Staatenbundes – Estland zum Beispiel ist zu vierzig Prozent russisch, ebenso Kasachstan, und Millionen Russen leben in der Ukraine, in Lettland, Litauen, Moldawien. Es gibt armenische Enklaven in Aserbaidschan, aserbaidschanische Enklaven in Armenien, Ukrainer in Russland, Enklaven innerhalb von Enklaven innerhalb von Enklaven. Der Russische Staatenbund an sich ist genau das, nämlich ein Mosaik aus unzähligen ethnischen Gruppierungen.

Ohne eine konföderale Struktur in irgendeiner Form, ohne eine gemeinsame Staatszugehörigkeit und zentral garantierte interne Minderheitenrechte gibt es nur zwei mögliche Folgen – fortgesetztes Kriegstreiben der Volksstämme untereinander und beständiges Chaos, ohne die geringsten Aussichten auf Stabilität; oder eine Reihe von Marionettenstaaten, die nur dem Namen nach unabhängig sind und von Moskau regiert werden, von einer demographisch, wirtschaftlich und militärisch vorherrschenden russischen Pluralität.

Ebenso haben die Jahrhunderte die Republiken der ehemaligen Sowjetunion zu einer einzigen ökonomisch voneinander abhängenden Einheit verschweißt, ob es den jeweiligen Regierungen oder den Völkern gefällt oder nicht. Ukrainischer Weizen ernährt die Arbeiter der russischen Ölförderanlagen, die wiederum die Energie liefern, mit der die gesamte Wirtschaft angetrieben wird. Baltische Milch kann ohne russische Maschinen nicht in Flaschen gefüllt werden. Ukrainische Fabriken brauchen Teile, die in Russland hergestellt werden, und umgekehrt. In Zentralasien produziertes Uran dient als Treibstoff für die Generatoren in Russland und der Ukraine, die die Energie für ein republikenübergreifendes Stromnetz liefern. Gas- und Öl-Pipelines, Straßennetze, all das ist seit langem ohne Rücksicht auf interne Grenzen konzipiert und gebaut worden.

Die Folgen der Versuche der einzelnen Republiken, als unabhängige wirtschaftliche Einheiten zu funktionieren, sind allzu offensichtlich: Chaos in der Nahrungsmittelverteilung; Treibstoff- und Energieknappheit; ein Verfall der Währung, nämlich des Rubels, der trotz allem immer noch als allgemeines Zahlungsmittel in der GUS dient; der steile Niedergang der Industrieproduktion.

Es ist kein Zufall, dass diese Wirtschaftskrise der Auflösung der Sowjetunion auf den Fersen folgte. Im Gegenteil, der Abbau der föderalen Koordination verursachte den wirtschaftlichen Abstieg. Denn wenn auch die Bürokratie der zentralen kommunistischen Planwirtschaft für einen Großteil der ökonomischen Missstände in der ehemaligen Sowjetunion verantwortlich gewesen sein mochte, so lässt sich rückblickend doch deutlich erkennen, dass sie, wie schwerwiegend ihre Verfehlungen auch gewesen sein mochten, doch besser war als überhaupt keine zuständige Stelle für eine wirtschaftliche Koordination.

Wenn also das Buch Russischer Frühling vielleicht keine exakte Vorhersage des kurzfristigen Verlaufs der Dinge im Land der ehemaligen Sowjetunion mehr darstellt, so bleibt es doch eine Vision, eine hoffnungsvolle Vision, allgemein gesprochen vielleicht die einzige hoffnungsvolle Vision, in deren Richtung sich die Völker jenes Landes entwickeln müssen, wenn ihr Schicksal nicht aus generationenlanger Armut und endlosen blutigen Auseinandersetzungen bestehen soll.

Wird sie sich, entgegen dem gegenwärtigen Anschein, letztendlich durchsetzen?

Das ist der Punkt, an dem die losgelöste Vorhersage aufhört und eine hoffnungsvolle Stellungnahme beginnt. Zum Zeitpunkt, da ich diese Zeilen schreibe, bin ich gerade von Moskau zurückgekehrt, und das Buch Russischer Frühling ist soeben in Russland selbst erschienen. Ich kann nur hoffen, dass es dort eine kleine Rolle in dem fortgesetzten Kampf gegen die Kälte der Verzweiflung des Winters spielen und dazu beitragen wird, diesen neuen Frühling, von dem darin die Rede ist, heraufzubeschwören.

Norman Spinrad

ERSTER TEIL

– – – – – – – – – – – – – – –

Minister Goddard: »Früher oder später, Bill, müssen wir uns mit der leidigen Tatsache auseinandersetzen, dass Lateinamerika einfach nicht in der Lage ist, sich allein zu behaupten.«

Bill Blair: »Sich allein gegen was zu behaupten, Herr Minister?«

Minister Goddard: »Sich allein im Leben zu behaupten. Das heißt: Eine erfolgreiche Handhabung der modernen Ökonomie mit stabilen Währungen, eine selbständige Ernährung der Bevölkerung sowie die Aufrechterhaltung einer zumindest scheinbar stabilen demokratischen Regierungsform. Mit Sicherheit ist all das zur Zeit nicht der Fall, und die Geschichte bietet keinen Anlass zum Optimismus. Eine passive Rolle bedeutet Verzicht auf Verantwortung.«

Bill Blair: »Wollen Sie damit sagen, wir sollten offen in die Angelegenheiten von lateinamerikanischen Ländern eingreifen, deren innenpolitische Verhältnisse nicht nach unserem Geschmack sind?«

Minister Goddard: »Ich will damit sagen, wir sollten das Nötige tun, um stabile demokratische Regierungen zu etablieren, die fähig sind, sich mit uns zu einer Art von Gemeinsamem Markt der Westlichen Hemisphäre zusammenzuschließen, und die verhindern, dass sich diese Hemisphäre in ein zweites Afrika verwandelt! Und falls das Ihrer Vorstellung von einer Kanonenboot-Diplomatie entspricht, nun gut, dann bin ich stolz, von Ihnen als Kanonenboot-Diplomat bezeichnet zu werden!«

– Newspeak, mit Bill Blair

EIN TAUMEL IN RICHTUNG KATASTROPHE ODER

NUR DIE WAHRNEHMUNG VON GESCHÄFTEN?

Die Amerikaner scheinen wieder einmal einem weiteren Mini-Vietnam in Lateinamerika zuzutaumeln, und die empörte, jedoch unmaßgebliche europäische Meinung scheint wieder einmal dem hoffnungsvollen Schluss zuzustolpern, dass es eine Katastrophe wie jede andere sein wird.

Wenn sich nun aber die klugen Köpfe auf der ganzen Linie getäuscht haben? Gewiss erscheint diese neueste Intervention wie eine Katastrophe für die armen Costaricaner, und gewiss erscheint es naheliegend, dass sich die Vereinigten Staaten wieder einmal in eine endlose militärische Schlammschlacht hineinziehen lassen.

Doch wenn nun die Amerikaner auf der ganzen Linie andere Ziele im Auge haben? Schließlich war für sie der Vietnam-Krieg eine lange Periode des inneren wirtschaftlichen Wohlstandes. Und der Golfkrieg hat ihnen bestätigt, dass keine andere Nation auf der Erde hoffen darf, sich erfolgreich ihrer hochtechnisierten Macht entgegenzustellen, wodurch die Stellung der Vereinigten Staaten als verarmter militärischer Herrscher des Planeten untermauert wurde.

»Klotze mit dem, was du hast«, lautet eine alte und gegenwärtig sehr aktuelle amerikanische Redewendung. Und wenn man sonst schon nicht viel hat, ist dann das hemmungslose Klotzen mit der De-facto-Militärvorherrschaft wirklich ein Fehler, in einer unmoralischen Welt der politischen und ökonomischen Realpolitik?

Wenn nun das amerikanische Wirtschafts-Establishment auf der ganzen Linie genau dahin gezielt hat, dass ihr Militär ständig bei endlosen kleinen militärischen Schlammschlachten in Lateinamerika mitmischt?

Libération

AMERIKA DEN AMERIKANERN

Die Verurteilung unserer Bemühungen bei der Rettung Costa Ricas vor der fanatischen extremen Linken und dem absoluten Chaos, herbeigeführt durch das Parlament der Europäischen Gemeinschaft unter der Leitung der selbstgerechten deutschen Grünen Sozialisten, sowie vor der damit verbundenen Androhung von Wirtschaftssanktionen sollte schließlich selbst den europafreundlichsten Skeptiker davon überzeugen, dass ein halbes Jahrhundert amerikanischer Großzügigkeit auf menschenverachtende Weise im Dienste des ökonomischen Hegemonismus der Europäischen Gemeinschaft verraten wurde.

Als wir Europa von den Nazis befreiten, wurden wir als Helden bejubelt. Als wir seine zerrüttete Wirtschaft durch die Hilfsleistungen des Marshall-Plans wiederaufbauten, wurden wir als Wohltäter gepriesen. Als wir den Europäern gegen den sowjetischen Imperialismus zur Seite standen, waren wir zuverlässige Verbündete. Als wir ihre Erdölversorgung in der Golfregion mit unseren Waffen und unserem Reichtum aufrechterhielten, stellten wir ihr wirtschaftliches Wohlergehen sicher und zahlten dafür unsererseits keinen geringen Preis.

Als das wiedervereinte Deutschland in das straffe Bündnis der Europäischen Gemeinschaft eingebunden wurde, gab es lauten Jubel auf beiden Seiten des Atlantiks, weil die sogenannte Deutschlandfrage endlich gelöst war. Die Sowjets zogen ihre Truppen hinter ihre eigenen Grenzen zurück, als Gegenleistung für unbezifferte Milliarden von D-Mark an Zuschüssen, Darlehen und Joint-venture-Kapital, und die Vereinigten Staaten konnten endlich ihre Truppen in die Heimat holen.

Jetzt sehen wir, wie es uns vergolten wird, dass wir ein halbes Jahrhundert und länger in Europa Freiheit und Wohlstand bewahrt haben.

Man hat uns aus dem größten Wirtschaftsmarkt, den die Welt je gekannt hat, eiskalt ins Abseits gestellt. Wir sehen uns einer Europäischen Gemeinschaft gegenüber, ökonomisch beherrscht vom Koloss Deutschland, die entschlossen ist, unsere Bemühungen um die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes der Westlichen Hemisphäre zu sabotieren.

Wir haben gewaltige Auslandsschulden, ausgerechnet an die Nutznießer unserer Großzügigkeit und Gutmütigkeit, dazu eine schwankende Wirtschaft und eine unheilige Allianz, die auf unsere eigene Hemisphäre einwirkt, angeführt von einem großspurigen, selbstgerechten Deutschland, bejubelt von der Sowjetunion auf der Zuschauertribüne.

Amerika steht allein auf der Welt. Und im traurigen Rückblick können wir sagen, dass es immer so war. Wenn unsere Hilfe gebraucht wurde, waren die europäischen Nationen unsere Freunde. Jetzt, nachdem sie längst alles von uns bekommen haben, was sie wollten, gestatten sie uns nicht einmal, unseren eigenen Vorgarten zu bestellen, ohne dass sie sich einmischen.

Wir waren immer für alle da. Jetzt haben wir keine Alternative. Wir müssen ein wirtschaftlich freies und geschlossenes Amerika für alle Amerikaner, Nord und Süd, schaffen und erhalten. Wir müssen jedes erforderliche Opfer bringen, um sicherzustellen, dass die überwältigende europäische Wirtschaftsmacht durch das Gegengewicht der absoluten militärischen Unbezwingbarkeit Amerikas aufgewogen wird.

Wir müssen uns dem Hegemonismus einer Europäischen Gemeinschaft entgegenstellen, müssen notgedrungen in den sauren Apfel beißen und ›Battlestar America‹ auf lange Sicht in Gefechtsposition bringen, um jeden Preis.

– Washington Post

Aktien der Rüstungsindustrie, vor allem im Zusammenhang mit der Luft- und Raumfahrt, die ein Jahrzehnt lang im tiefsten Keller schlummerten, sind bereits explosionsartig in die Höhe geschnellt. Wie das Sprichwort sagt: Der erste am Fressnapf schnappt sich den dicksten Brocken.

Doch es sind noch reichlich gewinnversprechende Anteile zu haben, als Zweit- und insbesondere als Drittausgaben. Und selbst bei den heutigen stark angezogenen Preisen gibt es immer noch mehr steigende Anteile der großen Luft- und Raumfahrt-Konzerne mit mittlerer Nachfrage, als der Pessimist meint. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung der Street glauben wir, dass es für schlaue Investoren keineswegs zu spät ist, sich in die Goldgrube von ›Battlestar America‹ einzukaufen. Wir glauben, die besten Brocken werden erst noch verteilt. Stichwort: auf eigene Rechnung arbeitende Unterhändler.

– Words from Wall Street

AMERIKANISCHER WAHNSINN MIT METHODE?

Nach der allgemeinen Auffassung war die Entscheidung des amerikanischen Kongresses zur Finanzierung der Bereitstellung von wichtigen Teilen des atomaren Verteidigungsapparates mit dem Namen ›Battlestar America‹ ein Akt des kollektiven Wahnsinns. Doch nach den wahrhaft grausamen Maßstäben der Realpolitik, aus amerikanischer Sicht, stimmt das vielleicht doch nicht.

Gegen wen soll ›Battlestar America‹ zur Verteidigung eingesetzt werden? Gegen eine Sowjetunion, die keine militärische Bedrohung darstellt? Gegen eine friedliche und blühende Europäische Gemeinschaft mitten in einem Wirtschaftsboom? Gegen hypothetische Verrückte der Dritten Welt, die versessen darauf sind, nationalen Selbstmord zu begehen, indem sie einen schwächlichen Kernwaffen-Angriff gegen die einzige militärische Supermacht der Welt durchführen, wie einige naive Befürworter ernsthaft behaupten?

Natürlich gibt es keine vernünftige Antwort auf diese Frage. Aber vielleicht ist es gar nicht die richtige Frage. Denn wenn man fragt, was die Amerikaner durch die gefechtsmäßige Vorbereitung von ›Battlestar America‹ gewinnen, wie fadenscheinig die offiziellen Vorwände auch sein mögen, dann liegt die Antwort nur allzu deutlich auf der Hand.

Durch die Einsatzvorbereitung von ›Battlestar America‹ päppeln die Vereinigten Staaten einen schwer angeschlagenen Verteidigungssektor auf, ohne den ihre bereits erheblich kränkelnde Wirtschaft in eine tiefe strukturelle Depression verfallen würde.

Durch die Einsatzvorbereitung von ›Battlestar America‹ rechtfertigen die amerikanischen Politiker die Milliarden, die sie im Laufe der Jahrzehnte bereits in seine Entwicklung gepumpt haben.

Durch die Einsatzvorbereitung von ›Battlestar America‹ geben die Vereinigten Staaten den Republiken von Lateinamerika zu erkennen, dass die amerikanischen Streitkräfte die westliche Hemisphäre überlegen beherrschen und dass – egal in welche Niederungen interventionistischer Ausschreitungen sich die Amerikaner auch herablassen mögen – niemand jemals den Willen oder die Kraft haben wird, sich ihnen in ihrer sich selbst zuerkannten Einflusssphäre entgegenzustellen.

Vor langer Zeit versprach Michail Gorbatschow, Amerika etwas Schreckliches anzutun. »Wir werden euch des Feindes berauben«, verkündete er – und er hielt Wort.

Und jetzt erleben wir die amerikanische Reaktion darauf. Nachdem sie ihres Feindes beraubt waren, dessen Existenz ein halbes Jahrhundert lang ihre Wirtschaft gestützt und ihre Außenpolitik begründet hat, hat sich die amerikanische Regierung schlichtweg daran gemacht, einen Ersatz zu ernennen.

Wenn es Deutschland und die Europäische Gemeinschaft nicht gegeben hätte, um diesen Zweck zu erfüllen, dann wären sie gezwungen gewesen, uns zu erfinden. Und tatsächlich, in gewisser Weise haben sie genau das getan.

– Die Welt

I

Mit einem bleischweren Aufprall, einem missfälligen Schleifen von Gummi auf Beton und einem beunruhigenden Ächzen von ermüdetem Metall setzte die alte 747 auf der Landebahn auf, wobei etliche Klappen der Gepäckstauräume über den Köpfen der Passagiere aufflogen, während die Schubumkehr aufheulte, das Flugzeug von einem Beben erschüttert wurde und die Lichter flackerten.

Es waren vierzehn wahrhaft abscheuliche Stunden gewesen, die Reise von Los Angeles in diesem fliegenden Viehtransporter, mit einem Thermostat, der offenbar nicht in der Lage war, für eine gleichbleibende Temperatur zu sorgen, mit zwei lauwarmen, pappigen fernsehbegleiteten Mahlzeiten und einem nicht funktionierenden Filmvorführgerät, einem Sitz, der sich nicht vollständig in Ruhestellung neigen ließ, sowie einem unguten Zittern des linken inneren Triebwerks, aber irgendwie hatte die Maschine ihr Ziel erreicht, und Jerry Reed war in Paris, oder jedenfalls offiziell auf französischem Boden.

Für einen in Kalifornien geborenen und aufgewachsenen Space Cadet, dessen bisherige Erfahrungen mit ausländischen Gepflogenheiten sich auf das Anmachen von Nutten in Tijuana beschränkten, war das ganz schön weit weg von Downey, mein lieber Schwan!

Vor acht Wochen hatte Jerry noch die Absicht gehabt, seinen dreiwöchigen Urlaub als Rucksackwanderer in der Sierra zu verbringen. Er hatte damals nicht einmal einen Reisepass besessen. Jetzt rollte er also auf das Terminal des Flughafens Charles de Gaulle zu und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, weil er es bis in die Europäische Gemeinschaft geschafft hatte, ohne dass er sich ein einziges Mal hätte ausweisen müssen.

»Nein, nein, natürlich nicht, daran ist nichts Gesetzwidriges«, hatte ihm André Deutcher versichert. »Das Schlimmste, das dir passieren kann, ist, dass sie dich nicht ins Flugzeug einsteigen lassen.«

»Und meinen Pass beschlagnahmen.«

André hatte das für ihn typische weltmännische Lächeln aufgesetzt und eine dünne Rauchfahne von einer seiner zehn ECU-Upmanns in die Luft geblasen. »Wenn sie deinen Pass beschlagnahmen, weil du versucht hast, das Land zu verlassen, dann war es ohnehin von vornherein ein Papier ohne Wert, n'est-ce pas, Jerry?«, entgegnete er.

»Allerdings«, räumte Jerry widerwillig ein. »Aber wenn sie mir die Unbedenklichkeit aberkennen, nur weil ich es versucht habe, dann werde ich nie mehr am Programm mitarbeiten, wie der arme Rob.«

»Rob ist erledigt, Jerry; so traurig das ist, aber es ist nun mal wahr«, sagte André Deutcher in einem entschieden kühleren Ton. »Und weil Leute wie Rob Post nicht mehr gefragt sind, ist auch dein amerikanisches Raumfahrtprogramm …«

»Mit unseren schweren Trägerraketen und unseren Shuttles und unseren Satellitenschlitten ist unsere grundlegende logistische Technologie gar nicht so weit zurück …«, widersprach Jerry halbherzig, wobei er sogar selbst fand, dass er sich traurig und töricht anhörte.

»Während die Sowjets drei weitere Kosmograds errichten und zum Mars fliegen und wir den Prototyp eines Raumflugzeugs bauen.«

»Wenn die Politik hier eine andere Richtung einschlägt, wird uns die Technologie von Battlestar America …«

»Jerry, Jerry, nimm mein Angebot an oder nicht, wie du willst«, sagte André und musterte ihn eindringlich mit seinen hintergründigen graugrünen Augen, »das sagt dir der ESA-Vertreter. Aber lüge dir nicht selbst in die Tasche, wie es alle auf dieser Party Anwesenden tun müssen, damit sie sich morgens im Spiegel ansehen können. So ist es Rob ergangen, n'est-ce pas? Ich möchte nicht, dass dir das gleiche widerfährt, und das sagt dir ein neuer Freund, ein Freund, der den gleichen Traum geträumt hat und der nur allzu gut weiß, wie er sich fühlen würde, wenn er zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte unglücklicherweise in Amerika anstatt in Frankreich auf die Welt gekommen wäre. Battlestar America ist das Problem, niemals kann es die Lösung sein. Rob wusste das im tiefsten Innern, ja, und er dachte, er könnte es von innen heraus bekämpfen. Pass auf, dass es dir nicht genauso ergeht.«

Jerry kannte André Deutcher erst seit drei Wochen, er hatte ihn bei Rob Posts Party kennengelernt. André war ihm vorgestellt worden übrigens von Rob persönlich als ESA-Ingenieur, der seinen Urlaub in den Vereinigten Staaten verbrachte, um Sehenswürdigkeiten zu besuchen und zu seinem Vergnügen gleichgesinnte amerikanische Leute aus der Raumfahrt kennenzulernen.

Jerry hatte das natürlich keine Sekunde lang geglaubt, hatte vielmehr angenommen, dass der Franzose eine Art Wirtschaftsspion sei, und hatte sofort angefangen, ihn deswegen aufzuziehen. André hatte dagegengehalten, dass das amerikanische Programm der zivilen Raumfahrt, das ohnehin so gut wie nicht existierte, keinerlei industrielle Geheimnisse einschloss, die des Stehlens wert wären, und dass er in Wirklichkeit für den militärischen Geheimdienst Frankreichs arbeite. So war die Frotzelei zwischen ihnen hin und her gegangen, und irgendwie musste dabei wohl der Funke der Freundschaft übergesprungen sein.

Jerry führte André durch das Original-Disneyland, zeigte ihm Forest Lawn und deichselte es, dass er an einer Besichtigungstour durch die zugänglichen Bereiche der Rockwell-Betriebsanlage in Downey teilnehmen konnte; als Gegenleistung lud der Franzose Jerry auf ESA-Kosten zu edlen Speisen und feinen Weinen in Restaurants ein, von deren Existenz dieser nicht einmal eine Ahnung gehabt hatte.

Und dann hatte André eines Abends den kalifornischen Fauxpas begangen, sich mitten in einem mit Leuten vollgestopften Wohnzimmer eine dicke Zigarre anzuzünden, Jerry ebenfalls eine zu reichen und darauf zu bestehen, dass er es ihm gleichtat.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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