Sagen aus Marburg und Oberhessen - Frank Weber - E-Book

Sagen aus Marburg und Oberhessen E-Book

Frank Weber

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Beschreibung

Da wir tranken unsern Trank, da wir sungen unsern Gesang, und uns kleideten mit unserm Gewand, da stand es wohl mit unserm Land. So klagte das alte Sprichwort schon zur Zeit des alten Winkelmann und wir fühlen täglich mehr, dass es ein Wahrwort ist. Singen und Sagen aber ist von jeher lebendig und unauflöslich verbunden, und wo es nicht mehr mundet, da schmeckt auch der alte Trank nicht mehr, da stirbt das ganze alte Gewand des Volkslebens ab. Was unsere Alten mit Recht unser nannten, das ist uns fremd geworden, das Fremde aber nennen wir unser und nicht zu unserem Heil, denn frommen kann uns nicht das unserm tiefsten Wesen Uneigne, Aufgepfropfte, sondern das aus den Wurzeln unseres Seins organisch Hervorgewachsene. Das wird uns gottlob mehr und mehr klar, darum sehen wir wachsendes Wegwerfen des flitternden Modernen, Rückkehr zum Studium des soliden Alten, neue Freude an dessen edler Kraft, die feurigsten Herzen der Nation treten, ferne der kalten Vernünftelei, wieder fest zu dem warmen Glauben, in welchem sie für sich wie für das Volk das einzige, wahrhaftige Heil erblicken; die heilige Kunst feiert neue Triumphe und … die Poesie erinnert sich, dass sie eine Tochter des Glaubens ist. … (usw.) (Aus der Vorede zu „Hessische Sagen“ von J. W. Wolf anno 1853)

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Es ward von unsern Vätern mit Treue uns vermacht

Die Sage, wie die Väter sie ihnen überbracht,

Wir werden unsern Kindern vererben sie aufs neu‘:

Es wechseln die Geschlechter, die Sage bleibt sich treu.

(Chamisso)

Inhalt:

Die Heilige Elisabeth

Der heiligen Elisabeth Fußtritt.

Die Heilige Elisabeth am Schröcker Brunnen

Über den Schreckerbrunn - Von Pfarrer K. Jüngst, 1893.

Wohin die Kirche gebaut werden soll.

Geldwerth in alter Zeit.

Heinrich, das Kind von Brabant.

Frau Sophie von Brabant fordert ihrem Sohne die Lande ein.

Sophie vor Eisenach.

Der Markgraf gewinnt Eisenach.

Heinrichs des Kindes Rettung.

Der goldene Schlüssel des Landgrafen Philipp.

Das Almosen

Landgraf Philipp und der Bauer.

Die beiden Landgrafen.

Kleider machen Leute

In Ketten aufhängen

Feuer zu rechter Zeit

Hessentreue.

Burchard von Gramm

Der böse Wunsch

Heinrich der Eiserne.

Otto der Schütz.

Otto, der Schütz

Die Brautfahrt.

Landgraf Moritz von Hessen

Tod des Erstgebornen.

Die Wünschelruthe.

Wünschelruthe beim Schatzgraben.

Schatzgräberei am Frauenberg

Waizen in Gold verwandelt

Waizen in Gold verwandelt.

Der Werwolf.

Der Bauer und der Werwolf.

Der Irrwisch.

Wassernixe.

Die Spinnerin auf dem Lahnberge.

Der Ameisentopf.

Nicht alles dient Allen

Das Bäumchen schütteln

Die Wichtelmännchen.

Die Wichtelhäuser.

Die Wichtelmännchen.

Das Eiersingen.

Der Teufel trägt ein Dorf weg.

Der Teufel.

Riesen als Nachbarn.

Essel, der Riese vom Weißenstein.

Der Riese auf dem Rimberg

Die Riesen und die Zwerge

Der Riesin Spielzeug.

Die Riesen vom Rimberg und Burgwald.

Die Sage vom Weißen Stein in Versen

Der Schwerttanz zu Weißenstein

Der Schwerttanz zu Weißenstein.

Der Schwerttanz zu Weißenstein.

Ruine Hollende im Lützlergebirge

Die Riesen von der Hunsburg.

Battenfeld

Der Ablaß in Hessen

Des Bonifatius Fußtritt.

Der Christenberg in Oberhessen

König Grünewald erobert den Christenberg.

Die Totenhöhe

Die Geisterschlacht auf der Todtenhöhe.

Der Schwedengeneral.

Die Glocke läutet von selbst.

Der Leichenzug.

Die Wichtelmännchen bei Frankenberg.

Wichtelwohnungen.

Die Frau unter den Wichtelmännchen

Schloss Waldeck

Die Glocke zu Haina.

Ankündigung des großen Krieges

Die Riesen vom Rauschenberg und Burgholz.

Das Lichtlein

Die Pest in Kirchhain.

Nixenbraut

Das wilde Heer.

Der feurige Drache.

Das Schlüsselweibchen.

Der Teufel am Spieltisch.

Der Kreuzweg über Erksdorf

Die Riesen bei Erksdorf

Ritter Knoblauch von Hatzbach

Die gespenstige Jungfrau und der umgehende Hund

Der unterirdische Gang.

Bonifazius-Aecker.

Das Steigerfest in Amöneburg.

Der grüne Keller.

Nothfeuer.

Der Teufel baut eine Stadt.

Die Neustädter und Junker Hans von Dörnberg.

Die Sprachröhre.

Die Burg zu Lehrbach

Das Lehnausrufen.

Bonifatius rettet Fritzlar

Der Graf von Ziegenhain

Wie Ziegenhain an Hessen gekommen.

Wunderliche Ehre

Der St. Walpurgistag.

Der hessische Blocksberg

Ackersegen.

Jagender Spuk

Maifeier.

Der Teufel im Himmerich

Die Weiße Frau

Schätze im Kesselsboden.

Das Schicksalsstübchen auf dem Burgberg

Ein Gottesurtheil.

Storch hilft löschen

Die Maultrommeln zu Romrod

Weiße Frau zu Burggemünden

Der Kroppenhans

Der Bauer mit seinem Kobold

Der Kobold zu Hachborn.

Die Räderburg.

Versunkenes Dorf.

Der hohe Stein.

Das Raubschloss bei Grünberg

Heim leuchten

Der Niesgeist von Grünberg

Der wilde Fraustein

Die Pfingstweide vor Klein Eichen

Das Necken der Heerwische

Die Teufelshecke bei Groß-Eichen

Frau Hollen Teich

Rutscherzins.

Die Kornmännchen

Das Schloss in der Kirche zu Herbstein.

Die Glocke von Herbstein

Der weisze Mann in Herbstein

Das Schlossfrauchen auf Ullrichstein

Der Name von Ulrichstein.

Geister auf Ulrichstein

Ulrichstein und Petershain

Die letzten Herren von Ulrichstein.

Vom Kirchbau in Schotten

Der Dappo

Der verjüngende Brunnen.

Der gute Born.

Die Glocke von Oberseilbach.

Die Nonne von Lich

Watzenborn

Der Ehlborn

Vetter Metz

Die Teufelskanzel im Hangelstein bei Gieszen

Hostie fallen gelassen

Der Fluch des Fremdlings zu Gießen

Vetzberg, Gleiberg, Wetternberg

Die Hexenwiese von Ruttershausen

Die Frau von Einshausen

Der Dünsberg

Der Dünsberg

Die Lahn hat gerufen

Klein Frankreich in Friedelhausen

Kurze Herrlichkeit

Der Hexenschmied von Hirzenhain

Der Greifenstein

Herborn

Der vergeßliche Graf

Der Holleabend

Sechshelden

Der Bohnstein in Fischelbach

Der Köhler bei Mornshausen

Skizzen aus dem Hinterland

Der Glockenguss zu Marburg

Entzauberung.

Alb erwischt

Der Kuckuck.

Baldrian und Dost.

Erbschlüssel.

Das Grille

Mittel gegen Zahnweh.

Die Kornähre

Der Alb aus der Fremde

Das Zauberhorn

Die beiden Schwestern

Eifersüchtige Katze

Die beiden Katzen

Das jammernde Irrlicht

Wie einmal der Teufel von einem Hessen geprellt wurde

Die zugeriegelte Thür

Die ausgerissenen Haare

Erlöste Seele

Hund und Esel

Männchen hütet das Feuer

Todte Mutter

Hühnchen auf dem Grabe

Sternschnuppen

Lollus

Die versteinerten Erbsen

Irrwische

Der Schäfer Hans und der Teufel

Drei Äpfel gekocht

Heinzelmännchen

Der Storch.

Die Haselgerten

Feuer beschwören

Die blinden Hessen

Die Hessen sind die rechten Gesellen

Schwarzenbörner Streiche

Was man sich in Marburg sonst noch so erzählte … ( aus alten Historienbüchern )

Sieben Künste und eine Kunst

Eine Schuldmahnung

Nachfrage nach Büchern

Was mancher auf der Universität lernt

Ein Schulmeister Examen

Der hessische Soldat

Das Kreuz

Unberufene Redner

Eine Reise von Marburg nach Kassel

Der gebührliche Titel

Wie der Professor Schuppius Europa unter Studenten vertheilt

Der geborgte Thaler

Vom Studenten, der nicht addieren konnte, doch gut rechnete

Der Fürst und der Hofprediger

Ortsverzeichnis

Einige wichtige Personen

Quellen und Fundstellen

Die Heilige Elisabeth

Das Königskind Elisabeth erwuchs auf der Wartburg in Holdseligkeit, Frömmigkeit und Tugend zu aller Freude, ebenso ihr Verlobter, der junge Landgrafensohn, der früh den Vater verlor und die Herrschaft antrat und seine Verlobte immer lieber gewann, obgleich Elisabeth ob ihres frommen Sinnes und ihrer Demut manchen Spott und Hohn erleiden mußte, davon gar viel erzählt wird. Und als der Landgraf seine Hochzeitfeier mit ihr beging, da haben zwei edle thüringische Ritter, Graf Reinhard von Mühlberg und Ritter Walter von Vargula, die sie einst aus dem Ungarlande nach Thüringen abgeholt, sie im schönsten Schmuck in Sankt Georgs Kirche geführt. Als junge Frau lag die fromme Landgräfin vielleicht mehr, als ihrem Gemahl lieb sein konnte, frommen Werken und Bußübungen ob. Sie zerschnitt oder verschenkte ihre schönsten Kleider und ging einfach und ärmlich einher, aber wenn es nötig war, umkleidete sie der Himmel selbst mit reichen und königlichen Gewanden.

Elisabeth, die fromme Landgräfin, war eine wahrhafte Mutter der Armen und gegen diese schier allzu freigebig, so daß man sich sogar darüber aufhielt und es tadelte. Es war aber auch eine schwere Zeit gekommen, Mangel und Not, und die Scharen der Armen wuchsen zusehends. Da geschah es, daß Elisabeth, wie sie täglich tat, einmal wieder Speisen und Gaben hinabtrug an den Ort, wo die Lahmen und Blinden und Notleidenden sich einfanden, und ihr der Landgraf begegnete, der diesmal kein freundliches Gesicht zeigte, denn es war ihm eben frisch hinterbracht worden, wie sie alles verschenke. Da rief sie der Landgraf nicht gerade zärtlich an: Was trägst du da? und sie sah in seinen Mienen den Wetterbaum seines Unwillens aufsteigen und erbebte und sprach mit unsicherer Stimme: Herr, Rosen! – Zeige her! rief der Landgraf und hob die Hülle von dem Korbe – siehe, da war der Korb eitel voll Rosen und andere blühende Blumen. Da stand der Landgraf beschämt vor ihr da, und wenn der und jener Diener wieder sich unterfing, gegen die milde Freigebigkeit der Herrin zu reden, so sprach der Landgraf: Lasset sie immer gewähren, da sie an Almosengeben ihre Freude hat, wenn sie uns nur Wartburg und Eisenach und die Niuwenburg nicht verschenkt. – In der Hand dieser edlen und frommen Spenderin mehrten sich auch alle Gaben gar wundersam, auch wurden ihre Gewande nicht naß und nutzten sich nicht ab. Da Agnes, Landgraf Ludwigs Schwester, mit einem Herzog von Österreich Hochzeit hielt, war die Wartburg voll Gäste, und alles prunkte im Festgewande, Elisabeth aber hatte am Tore einen armen preßhaften Greis, der halbnackt einherging, gefunden, der bat gar zu sehr um ein Gewand, seine Blöße zu bedecken, und da gab ihm die Landgräfin ihren Mantel; da man nun zu Tische gehen sollte, fragte der Landgraf seine Gemahlin, wo sie denn ihren Mantel habe, denn es war die Frauensitte so, im leichten Mantel bei Festen einherzugehen, und da antwortete sie kleinlaut und erschrocken: In meiner Kammer; so sendete der Landgraf eine Jungfrau hin, und siehe, da hing ein Mantel, schöner wie der einer Königin, himmelblau mit goldnen Bildchen überstreut, der Arme aber war verschwunden. Ein anderes Mal hatte Elisabeth gar einen Aussatzkranken mit herauf in das Haus genommen und ihn in ihr Bette legen lassen – das erregte ihr einen großen Sturm bei ihrer Frau Schwiegermutter, war auch just nicht appetitlich – allein als man nun kam, den Aussätzigen hinauszuwerfen, lag ein wunderbar schönes Kruzifix in dem Ehebette, überaus kunstvoll, aber leider nicht mehr auf der Wartburg vorhanden.

Darüber vergoß der fromme Gemahl dieser überfrommen Frau heiße Tränen. Der Kranke aber war Eli geheißen, den Elisabeth so treulich wartete, er genas und wohnte hernach noch lange nahe der Wartburg in einer ganz engen Felskluft und lebte von Wurzeln und Kräutern, der bekannten Waldbruderkost. Die Höhle ist noch vorhanden. Eines Tages ward die milde Herrin, da sie in Eisenach die Kirche besuchte, vor dem Portale von einer ganzen Schar Bettler umringt; sie gab, solange sie noch zu geben hatte, bis ihre Münze zu Ende war, aber da war immer noch ein armer Alter, einer von den beharrlichen, der bestand auf einer Gabe und drängte sich ihr bis in die Kirche nach; das erbarmte die freigebige Herrin, und sie zog einen ihrer reich mit Silber gestickten Handschuhe aus und reichte diesen dem unabweisbaren beharrlichen Greis. Das sah ein Ritter, der auch zur Kirche einging, trat schnell herzu und gab dem Alten für den Handschuh vieles Geld. Hernach hat er selben Handschuh an seinen Helm als ein Kleinod befestigt und ist in das Heilige Land gezogen, hat auch allda ritterlich gekämpft, und der Handschuh hat ihn geschützt wie ein Talisman, daß er glücklich wieder die Heimat sah. Und dann hat er Elisabeths Handschuh in sein Wappen gesetzt.

Ganze Bücher sind vollgeschrieben von den Taten und Wundern der frommen Landgräfin Elisabeth, die ein gottgefälliges heiliges Leben führte, darum sie auch nach ihrem Tode unter die Zahl der Heiligen aufgenommen worden ist.

Der heiligen Elisabeth Fußtritt.

Bei einem Dorfe in der Nähe von Homberg fließt ein Bach, in welchem die Heilige Elisabeth oft ihr Weißzeug gewaschen haben soll. Sie warf die Sachen nachher in die Luft, wo sie auf den Sonnenstrahlen wie auf einer Leine hängen blieben und trockneten. War sie mit dem Waschen fertig, so sprang sie jedesmal über den Bach. Auf dem andern Ufer lag ein großer Stein, der noch gezeigt wird, auf welchem von einem solchen Sprunge die Spuren sich abdrückten. Ein Fuß ist ganz zu sehen, mit dem andern war sie darüber hin geglitten.

Die Heilige Elisabeth am Schröcker Brunnen

Eine Stunde von Marburg quillt unter einem zierlichen, von Bäumen beschatteten Gewölbe der »Schröckerbrunnen«, auch »Elisabethen Brunnen« genannt, welcher sehr häufig von Marburg aus besucht wird. Der Sage nach ging die Heilige Elisabeth oft dahin, um in der Einsamkeit zu beten und um in dem klaren Wasser des Quells ihr Weißzeug zu waschen; wenn es rein gewaschen war, warf sie es nur in die Luft, da blieb es sogleich auf den Sonnenstrahlen hängen. Lange gingen seitdem die Frauen und Mägde aus den nahen Dörfern hierher, um zur Pfingstzeit gleichfalls ihr Weißzeug am Schröckerbrunnen zu waschen, und das thaten sie noch vor etwa 50 Jahren, denn ohne Seife wäscht, so sagen sie, das Wasser dieses Brunnens rein.

Einmal begegnete der heiligen Elisabeth ein Verbrecher, der zur Richtstätte geführt werden sollte. Einige Leute, die gerade vorüberkamen, bedauerten den Verbrecher; doch Elisabeth sagte: »er wird es verdient haben. « Und alsbald fiel alle ihre Wäsche aus der Luft.

Über den Schreckerbrunn - Von Pfarrer K. Jüngst, 1893.

Schröck ist einer der ältesten Orte des Hessenlandes. Schon der Name führt uns in die graue Vorzeit. In den ältesten Urkunden wird das Dorf Scrikede, Scirckede, Schrickede genannt und Schrighede im 13.-15. Jahrhundert. Der Name wird von scric, Erhöhung und der verallgemeinernden Silbe ede abgeleitet, so dass er etwa ‚hügelige Gegend‘1 bedeutet.

In der Nähe von Schröck führte die uralte ‚Heerstraße‘ aus der Wetterau nach Westfalen vorbei. Sie teilte sich hier in zwei arme. Der eine setzte bei Anzefahr (Furt der Ansen, Götter, Riesenstraße), über die Ohm ins Tal der Edder; der andere führte an der Ameneburg vorbei über Langstein zur Schwalm.

Der Ort, wo später die Kreuzkapelle sich erhob, zu welcher die hl. Elisabeth so gern pilgerte, war schon im Altertume berühmt. Zeuge dessen ist die beständige Überlieferung, welche einst der Poet Kirchner in seinem langen lateinischen Lobgedicht ausgesprochen hat, dass aus diesem Brunnen die alten Helden getrunken haben (heroas bibisse); Zeuge dessen ist die Sage, dass hier einst der Sachsenherzog Widukind sich lagerte; Zeuge dessen ist eine ganze Anzahl Gespenstergeschichten, welche von diesem Orte im Munde der Umgebung fortleben. Nahe bei Schröck liegt ein sog. Riesenstein, den der Unhold vom Frauenberge im Kampfe hierher geschleudert haben soll und ganz besonders bemerkenswert ist ein altheidnischer Opferstein, der noch jetzt wegen Größe und Form angestaunt wird und eine Viertelstunde vom Brunnen nach Moischt zu liegt. Es ist ein großer rechteckiger Stein, mit vielen künstlich angebrachten Vertiefungen. Dazu kommt das bekannte größte altdeutsche Totenfeld in Hessen, unmittelbar am Brunnenbezirk, das sog. Hemmerich. Daran schließen sich nach Moischt zu die Hünengräber an.

Es war eine ständige Gewohnheit der Glaubensboten in Deutschland, überall dort christliche Gotteshäuser zu erbauen, wo das Heidentum Spuren zurücklassen konnte. Daher erklärt sich der Ursprung unserer Kreuzkapelle. An der Grenze zwischen Mainzer Land und hessischem Gebiete, am steilabfallenden Berghange, von Buchen und Eichen überschattet, sprudelt eine mächtige Quelle. Ungewöhnliche Heilkräfte schrieb man ihr zu. Schreibt doch noch der alte Winkelmann in ‚Hessenlands Beschreibung‘ I, S. 63:

„Dieser Schreckerbrunnen ist der fürnehmste, berühmste und ädelste Brunn Hessenlands. Er quillet an einem sehr lustigen, ganz mit Bäumen bedeckten Ort aus einem Felsen mit angenehmem Gelispel herfür in einen steinern Kumpf. Daher die Fürsten von Hessen vor diesem oftermals Lusten halber daselbsten hingereiset, Mahlzeiten und Banqueten gehalten, bevorab weil es um Diesen Brunnen eine große Menge der wilden Thieren und wohlsingenden Vögel gibt. Es pflegen sich auch die Professores und Studenten oft darselbsten zu ergötzen und zu erlustigen, dahero ich fast sagen dörfte, dass derjenige, der diesen Brunnen nicht gesehen, zu Marburg nicht studiert hätte.“ Der obgenannte Kaiserliche gekrönte Poet Kirchner recitirte bei einer dort stattgehabten ‚fürstlichen Lustgasterei‘ 1595 seine 50 Hexameter, worin er zum Schlusse besingt, dass ein Hirsch während der Mahlzeit in die Küche gesprungen sei und sich als trefflichen Braten für die fürstlichen Herren dargeboten habe. Zur Jetztzeit kennt man die Heilkräfte des Brunnens nicht mehr. Bekannt ist nur für jede Hausfrau der benachbarten Dörfer, dass farbige Zeuge, „Halstücher“ und „Zwickelstrümpfe“ in diesem Wasser niemals „die Farbe verlieren“. Wäscherinnen sieht man daher stets an sonnigen Tagen in der Nähe des Brunnens.

Aus der nahen kleinen Quelle benutzt man noch jetzt das Wasser zum „Waschen der Augen“. Möglich, dass auch wegen der Heilquelle zur Zeit der hl. Elisabeth viele Kranke und Arme hierher kamen.

Nach der Überlieferung soll die hl. Elisabeth an diesem Brunnen die Kreuzkapelle erbaut haben. So heißt es in der Brunneninschrift: „Sie hat Gott, der Natur, und mir dankbar, ein Kapellchen neben mir erbaut und mich zuerst mit einfachem Bau nach dem Stil jener Zeit ausgeschmückt.“ - Auch den Steinweg von Marburg über den Lahnberg nach jener Kapelle soll Elisabeth angelegt haben.

Nach Justi, ‚Leben der hl. Elisabeth‘, hat die Heilige hier „während ihres Witwenstandes öfter ihre Andacht verrichtet und sich in dieser anmutigen Einsamkeit dem helldüsteren Vergnügen religiöser Gefühle überlassen“.

Wohin die Kirche gebaut werden soll.

Als die Heilige Elisabeth zu dem Entschlusse gekommen, in Marburg eine Kirche zu bauen, war sie lange über das Wohin? im Zweifel. Zuerst hatte sie einen hohen Berg über der Stadt, der deshalb auch noch heutigen Tages die »Kirchspitze« heißt, und von dessen Gipfel man weithin die schöne Gegend überschauen kann, dazu ausersehen. Doch gab sie diesen Plan bald wieder auf und da sich ihr in oder nahe bei Marburg eben kein geschickter Platz darbot, so ward sie endlich mit sich eins, dem höchsten Herrn die Wahl selbst zu überlassen. Sie wollte die Kirchspitze ersteigen, einen großen Stein von oben hinab rollen und dahin die Kirche bauen lassen, wo der Stein liegen bleiben würde. Und so geschah‘s. Der Stein kollerte schnell und immer schneller in einem großen Bogen zu Thal, dem Ufer der Lahn zu, bis er in einem Sumpfe stecken blieb. Elisabeth erlebte zwar den Beginn des Baues nicht mehr, doch wurde die Kirche nachmals an dieselbe Stelle hingesetzt, wo der Stein lag. Zahllose Baumstämme mußten zuvor in den Moorgrund eingerammt werden, ehe man die Gewölbe der Kirche darüber hinlegen konnte.

Geldwerth in alter Zeit.

An manchen Orten haben sich Sagen von der großen Fruchtbarkeit oder auch von dem hohen Werthe des Geldes in früherer Zeit erhalten.

Als die Elisabether-Kirche in Marburg gebaut wurde, stand es den Arbeitern frei, ihren Lohn in Geld oder Korn zu nehmen. Drei Heller galten gleich einer Meste Korn, und sie nahmen doch lieber die drei Heller.

Ebenso bei dem Bau der Kirche in Wolfhagen, wo gar ein Heller einer Metze Korn gleichgesetzt war und die Leute gleichfalls vorzogen, den Heller zu nehmen.

Auch von dem Schlosse bei Grebenstein erzählt man, daß es zu jener Zeit gebaut worden, wo die Metze Korn noch drei Heller gegolten habe.

Als man die Neustädter Kirche in Eschwege baute, ward eine Metze Korn einem Groschen im Lohne gleichgesetzt, es gab aber unter den Arbeitern viele, die es vorzogen den Groschen zu nehmen.

Heinrich, das Kind von Brabant.

Der letzte männliche Sprößling von dem alten Stamme Ludwigs mit dem Barte war in dem »Pfaffenkönig« Heinrich Raspe zu Grabe gegangen und seine Erblanden Thüringen und Hessen schwankten in der Wahl des neuen Herrn. Die Thüringer wollten Heinrich den Erlauchten, Markgrafen von Meissen, dessen Mutter eine Stiefschwester – die Hessen Heinrich, den zweijährigen Sohn der Herzogin Sophie von Brabant, deren Vater ein rechter Bruder des Pfaffenkönigs und Gemahl der heiligen Elisabeth gewesen war. Und die Hessen schickten Gesandte nach Brabant und luden Sophie ein, mit dem jungen Prinzen zu ihnen zu kommen, damit das Land nicht länger ohne Herrn bleibe. Da trat Sophie die Reise nach den Heimathlanden an, wo sie 1247 von den getreuen Hessen freudig und feierlich, mit Kerzen und Fahnen, empfangen wurde. In einem offenen Wagen, das »Kind von Brabant« auf dem Schooße, fuhr sie durch Hessen und Thüringen, von 800 Gewappneten mit guten Helmen umgeben, und nahm die Huldigung für ihren Sohn ein. Aber minder herzlich als in Hessen war ihr Empfang in Thüringen, denn hier waren die Stimmen getheilt und die Mehrzahl hing dem Markgrafen an.

Frau Sophie von Brabant fordert ihrem Sohne die Lande ein.

Im Jahre 1253 kam Frau Sophie von Brabant auf einem bestimmten Tag mit ihrem Sohn gen Eisenach in das Prediger-Kloster; dahin kam auch ihr Ohm, Markgraf Heinrich von Meissen, dem sie das Thüringerland zu getreuen Handen übergeben hatte. Zu dem sprach Sophie: »Lieber Ohm, ich habe nun bracht Heinrichen, meinen Sohn, und bitte mir und ihm die Lande wieder zu überantworten, welche ich Dir zu getreuer Hand befohlen habe. « Da antwortete der Markgraf: »Gerne, meine allerliebste Base! Meine getreue Hand soll Dir unverschlossen sein und Deinem jungen Sohn, meinem Ohmen. « – Und da er so sprach, kamen sein Marschall, Helwig von Schlotheim und sein Bruder Hermann, zogen den guten Fürsten bei Seite und sprachen: »O Herr! was wollt Ihr thun, ein solch fruchtbar Land und die unüberwindliche Feste Wartburg zu übergeben, da Ihr doch auch mit Glimpf, Eurer Mutter halben, Euch für einen Erben mögt eindringen. Und wär‘ es möglich, daß Ihr einen Fuß im Himmel hättet und den andern auf der Wartburg, viel eher solltet Ihr den aus dem Himmel zurückziehen, denn den von der Wartburg. « – Also kehrte sich der Markgraf wieder zu seiner Base und sprach: »Liebe Base, ich muß mich zu diesen Dingen bedenken und den Rath meiner Getreuen darüber hören. « Da merkte Frau Sophie, daß ihr Ohm durch falschen Rath sein Gemüth verkehrt hatte und ihr das Land vorenthalten wollte, das sie ihm in gutem Glauben übergeben hatte; darum ward sie sehr betrübt, weinte bitterlich, zog ihre Handschuh von den Händen und sprach: »O du Feind aller Gerechtigkeit, ich meine Dich, Teufel, nimm hin diese Handschuh mit den falschen Rathgebern!« und warf sie in die Luft. Also wurden die Handschuh hinweggeführt und nimmermehr gesehen. Die Räthe aber samt ihren Knechten sollen keines rechten Todes gestorben sein.

Sophie vor Eisenach.

Als Sophie von einer Reise gen Brabant zurückgekehrt war, ging sie mit ihrem Sohne nach Eisenach, von dem Markgrafen die Lande zurückzufordern. Aber die Bürger hatten die Thore vor ihr verschlossen und wollten sie nicht einlassen, denn sie hatten sich dem Markgrafen zugewandt. Da ergriff die erzürnte Herzogin eine Axt und hieb in das St. Georgenthor, daß man das Wahrzeichen noch zweihundert Jahre nachher in den eichenen Bohlen gesehen hat, und trieb solchen Jammer, daß die Bürger dadurch bewegt wurden, ihr öffneten und huldigten.

Der Markgraf gewinnt Eisenach.

Im Jahre 1261, in der Nacht conversionis Pauli, erstieg der Markgraf die Stadt hinter dem Barfüßer-Kloster und züchtigte die, welche Sophie und ihr Kind eingelassen hatten. Unter diesen war ein wohlhabender Bürger, genannt von Velsbach, der sprach: Das Thüringer-Land wäre billiger des Kindes von Hessen, denn des Markgrafen von Meissen; denn dieser Mann wußte die Rechte. Da ließ ihn der Landgraf in eine Blide oder Schleuder legen und in drei Stunden drei Mal vom Schloss in die Stadt Eisenach werfen. Zwei Stunden blieb er leben und sagte gleichwohl: das Land gehöre dem Kinde; beim dritten Mal gab er den Geist auf. – Noch bezeichnet ein Stein die Stelle, wo Velsbach niederfiel und wahrscheinlich auch begraben liegt.

Heinrichs des Kindes Rettung.

Um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts lebten zwei Brüder von Baumbach, Heinrich, der dem Kinde von Brabant treu ergeben, und Ludwig, der ein Anhänger des Markgrafen von Meissen gewesen. Einst als der junge Landgraf, von seinem getreuen Heinrich von Baumbach begleitet, sich weit in das Land der Thüringer gewagt hatte und in Gefahr kam, erkannt zu werden, überredete ihn dieser mit edler Selbstverläugnung, die Kleider mit ihm zu wechseln. Wirklich wurde der wackere Edelmann, den man nun, seiner Kleidung nach, für den Landgrafen hielt, gleich darauf gefangen genommen. Der Landgraf selbst entkam glücklich und erhielt die Kunde von der Ermordung seines edlen Freundes, ehe er im Stande war, Etwas zu seiner Rettung zu unternehmen.

Den abtrünnigen Ludwig von Baumbach schloß der Landgraf von den hessischen Lehengütern seines Stammes aus. Aber der Markgraf entschädigte ihn dafür, indem er ihm eine Erbtochter von Farnrode freite und Lehen und Namen dieses Geschlechts auf ihn übertrug.

Der goldene Schlüssel des Landgrafen Philipp.

Auf allen Bildern des Landgrafen Philipp des Großmüthigen wird dieser mit einem großen goldenen, nach unten offenen Schlüssel um den Hals dargestellt, auf welchem er insonderlich auf der Jagd seine Dienerschaft herbeizupfeifen pflegte. Auch Landgraf Wilhelm sein Sohn hat diesen (?) Schlüssel als beständiger Begleiter an einer Schnur um den Hals bei sich geführt, den er jedoch nicht zu diesem Zwecke, sondern zur Verwahrung von Briefschaften benutzte, an denen ihm viel gelegen war. Dieser Schlüssel ist im Jahre 1570 an das Archiv zu Cassel zur Verwahrung abgegeben worden. Was der Schlüssel eigentlich zu bedeuten gehabt hat, ist niemals bekannt worden, er ist weder ein Siegel in Gestalt eines Schlüssels gewesen, wie man gedacht hat, noch hat er das Sinnbild der landeshoheitlichen Macht des Landgrafen bedeuten sollen, noch viel weniger kann er die Stelle eines Degens vertreten oder angezeigt haben, daß die Landgrafen als Verehrer und Bewahrer des Landfriedens, zu dessen Beschützung die Kammer errichtet war, mit einem solchen prangten.

Das Almosen

Landgraf Philipp der Großmütige verdiente diesen Namen, welcher eigentlich bedeutet: der herzhafte, Tapfere, auch in dem Sinne, in welchem wir das Wort heutzutage brauchen; er war ein Herr, der zur rechten Zeit und am rechten Orte wohl ab und zu thun verstand , und von seinen Unterthanen, von denen er wohl wusste, wie treu sie ihm waren, manches hörte und ertragen konnte. Dazu war er mildtätig und freigebig.

Einst hatte er eine außerordentliche Abgabe durch das ganze Land ausgeschrieben, denn zu Führung der Kriege, die er größtenteils um des evangelischen Glaubens willen unternahm, brauchte er oft Geld und viel Geld. Die Armen und insbesondere die Witwen aber sollten, das war sein ausdrücklicher Befehl, mit der Steuer verschont werden. Einer seiner Rentbeamten aber, der sich etwa durch eine große Summe eingetriebener Abgaben beliebt machen, aber vielleicht gar sein Schäfchen dabei besonders scheeren wollte, hatte jedoch auch einer Witwe in seinem Bezirk die Steuer in seines Fürsten Namen abgefordert, und da diese sie nicht bezahlen konnte, ihr die Kuh gepfändet. Eben wurde die Kuh fortgeführt, und die Frau ging laut weinend und jammernd neben der Kuh her. Da trifft sich’s, daß der Landgraf mit seinem Gefolge daher geritten kommt, den die Frau aber nicht kennt. Der Landgraf fragt, was ihr fehle? Und sie erzählet ihm ihr Schicksal. Der Landgraf gibt ihr einen Thaler, um die Kuh wieder einzulösen. Voller Freude geht die Frau von dannen, betrachtet sich den Thaler und spricht: ‚So wollt ich doch nun, dass der Thaler glühend heiß wäre und brennete dem Fürsten lichtes Lohes auf dem Herzen. ‘ und was that der Landgraf? Lachend wandte er sich nach seinem Gefolge um und sprach: ‚Hört doch, hört! Habe ich meinen Thaler nicht wohl angelegt? ‘

Zuweilen wollten die Herren vom Hofe seiner Mildthätigkeit Grenzen setzen, indem sie sagten, dieser oder jener, dem er etwas gegeben hatte oder zu geben willens war, sei der Wohlthat und des Almosens nicht wert. ‚Er hat mich, ‘ antwortete der Landgraf, ‚in meines Herrn Christi Namen angesprochen, darum thue ich ihm Gutes, obschon er es nicht wert ist. ‘

Als aber einst einer seiner Edelleute zu der Zeit, als die vielen schönen Klostergüter eingezogen wurden, nach einem derselben Lust bekam, und den Landgrafen darum anging, er möge es ihm doch für seine langen treuen Dienste geben, sprach der Landgraf: ‚Wie könnten Wir dazu kommen, daß Wir dir ein solches gut schenkten? Ist es doch nicht unser sondern Gottes und seiner Kirche. Sollten Wir es nun Gott nehmen und dir geben? Das schickt sich nicht. Diese Güter müssen wieder hin gegeben werden, woher sie gekommen sind, zu Kirchen und Schulen und zur Steuer der Armen und Kranken. Ist dir etwas von Nöten, so warte so lange, bis das ein weltlich Gut, das Unser ist, los wird, und bitte darum, so wollen Wir deiner Bitte und deines Dienstes nicht vergeßen.‘

Und den Ruhm, die Kirchengüter zu rechten Dingen treulich verwendet zu haben, hatte damals Philipp der Großmütige vor allen seinen Fürsten du Herren seiner Zeit voraus, und das soll ihn auch voraus behalten.

Landgraf Philipp und der Bauer.

Als Landgraf Philipp im Jahr 1537 unter anderm einen feisten Hirsch in der Karthause auf dem Eppenberge zerlegen ließ, sprach er: »Das Thier hat viel Weiß. « Da antwortete ein Bauer von Hilgershausen, der dabei stand: »Ja, gnädigster Herr, das kostet uns unsere guten Körnlein, die sie uns im Felde abätzen. « Darauf sagte der Landgraf: »Wie mögt ihr nur verlangen, daß ich eure Kühe in meinen Wäldern weiden lasse, da ihr euch beschwert, daß meine Kühe in eure Felder gehen? « Gleichwohl ließ er dem Bauern durch den Rentschreiber zu Felsberg zwei Viertel Korn an seinen Zinsen absetzen.

Die beiden Landgrafen.

Ein andermal sah Landgraf Philipp auf der Jagd einen schönen schlankgewachsenen Bauernburschen einen Hund leiten und fragte ihn: »Wer bist Du und wie heisest Du? « Der Bauer antwortete: »Ich heiße Hans Landgraf. « »Wie«, sagte Philipp lachend, »Landgraf heisest Du? Wie bist Du zu dem Namen gekommen? Du mußt wohl von der Bank gefallen sein? « Der Bursch aber erwiderte: »Gnädigster Herr und Fürst! Ich bin von armen, aber redlichen und frommen Eltern auf einem Dorfe geboren und es ist mein und meiner Altvordern Zuname, dabei man uns Landgrafen erkennet. « Dem Fürsten gefiel diese Antwort so wohl, daß er dem Bauern ein Geschenk reichte und sagte: »Weil Du ein Landgraf bist, so sollst Du auch die Hunde nicht mehr leiten und fortan davon befreit sein. «

Kleider machen Leute

Als Landgraf Philipp der Großmütige im Jahre 1527 die Universität zu Marburg gestiftet hatte, berief er von allen Seiten her die gelehrtesten Leute zu Lehrern an der für die evangelische Kirche neu gegründeten Hochschule. Unter diesen war denn auch ein weit berühmter Mann, Hermann Busch, ein Edelmann aus Westfalen, und eigentlich von dem Busche geheißen. Als dieser in Marburg angekommen war, und zum ersten Male durch die Barfüßerstraße herauf über den Markt gieng, meinte er, jedermann würde in ihm den bekannten und berühmten Doctor Busch erkennen und ehren. Aber die Bürger zu Marburg, denen die Errichtung der Universität nicht einmal ein sonderlicher Gefallen war, hatten noch niemals etwas von dem Doctor Busch gehört, und kümmerten sich nichts um seine Gelehrsamkeit. Also war er durch die halbe Stadt gegangen und niemand hatte ihn auch nur gegrüßt. Da kehrte er in seine Wohnung zurück, legte seine Alltagskleider ab, that sein Feiertags-kleid, ein stattliches Rittergewand, an, und machte sich auf den Weg durch die Barfüßerstraße auf das Markt noch einmal. Da grüßte ihn jedermann mit Hutabziehn und Gnipgnappen (tiefen Verbeugungen), und alle Welt fragte: „Wer ist doch der ehrliche (stattliche) Herr?“ Aber Herr Busch eilte voller Wut zum zweitenmale nach Hause, riß sein schönes Kleid vom Leibe, warf esauf die Erde, sprang mit gleichen Füßen darauf herum und schrie: „Bist du denn der Doctor Busch, oder bin ich es?“

In Ketten aufhängen

Landgraf Philipp von Hessen mußte eine Zeitlang bei dem Kaiser gefangen sitzen; mittlerweile überschwemmte das Kriegsvolk seine Länder und schleifte ihm alle Festungen, ausgenommen Ziegenhain. Darin lag Heinz von Lüder, hielt seinem Herrn rechte Treue und wollte die Feste um keinen Preis übergeben, sondern lieber sich tapfer wehren. Als nun endlich der Landgraf ledig wurde, sollte er auf des Kaisers Geheiß, sobald er nach Hessen zurückkehren würde, diesen hartnäckigen Heinz von Lüder unter dem Ziegenhainer Tore in Ketten aufhängen lassen, und zu dem Ende wurde ein kaiserlicher Abgeordneter als Augenzeuge mitgegeben. Philipp, nachdem er zu Ziegenhain eingetroffen, versammelte den Hof, die Ritterschaft und des Kaisers Gesandten.

Da nahm er eine güldene Kette, ließ seinen Obersten daran an einer Wand, ohne ihm wehe zu tun, aufhängen, gleich wieder abnehmen und verehrte ihm die goldene Kette unter großen Lobsprüchen seiner Tapferkeit. Der kaiserliche Abgeordnete machte Einwendungen, aber der Landgraf erklärte standhaft, daß er sein Wort, ihn aufhängen zu lassen, streng gehalten und es nie anders gemeint habe. - Das kostbare Kleinod ist bei dem Lüderschen Geschlecht in Ehren aufbewahrt worden und jetzt, nach Erlöschung des Mannsstammes, an das adlige Haus Schenk zu Wilmerode gekommen.

Feuer zu rechter Zeit