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Architektin Poppy steht kurz vor dem ersehnten großen Karriereschritt - und wenn sie dafür mit ihrem verhassten Stiefbruder Xander King zusammenarbeiten muss, dann soll es ebenso sein. Der eiskalte Xander und die hitzköpfige Poppy geraten immer wieder aneinander, doch unter der Oberfläche brodelt eine fatale Leidenschaft! Denn Xanders dominante Art weckt in Poppy den heimlichen Wunsch, sich ihm ganz und gar hinzugeben … Aber warum nur hat sie das Gefühl, dass hinter seiner beherrschten Fassade etwas Dunkles lauert?
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Seitenzahl: 266
Zum Buch
Zum Autor
MIRA® TASCHENBUCH
Copyright © 2020 by MIRA Taschenbuch in der HarperCollins Germany GmbH
© 2018 by Jackie Ashenden Originaltitel: „King’s Rule“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DARE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V. / SARL Übersetzung: Christian Trautmann
Coverabbildung: shutterstock_Viorel Sima E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN E-Book 9783745752359
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Xander
Ich hasste Poppy Valentine.
Erstens war da ihr Name. Ich hatte keine Ahnung, was ihre Mutter Lily sich dabei gedacht hatte. Poppy als Vorname war ja ganz in Ordnung. Valentine als Nachname war auch okay. Aber zusammen? Theatralisch. Ein Name für eine Burlesque-Tänzerin, nicht für eine echte Person.
Das war natürlich nur meine persönliche Meinung, aber ich zuckte jedes Mal innerlich zusammen, wenn ich den Namen hörte.
Und zweitens war sie auch noch meine Stiefschwester. Gleich vom ersten Tag an, als Dad sie mir und meinen Brüdern vorgestellt hatte, war Poppy nichts als unverschämt gewesen. Obwohl damals erst zehn, während ich schon fünfzehn war, hatte sie eine äußerst vorlaute Klappe. Ich hatte das Pech, dass ich von Dad dazu auserkoren wurde, auf sie aufzupassen. Sie machte keinen Hehl daraus, wie unbeeindruckt sie von mir im Besonderen und der King-Familie im Allgemeinen war.
Was soll’s, ich war auch von ihr und ihrem Auftreten wenig beeindruckt.
Drittens waren all dieser Spott und diese Arroganz in eine außergewöhnlich schöne Hülle verpackt. Ihre schwarzen Locken glichen einer Wolke, die so weich aussah, wie ihre Bemerkungen scharf waren. Unter bestimmten Lichtverhältnissen schimmerte ihre Haut golden, dann wirkte sie wieder wie polierte Bronze. Ihre Augen hatten die Farbe geschmolzener Kupfermünzen. Und dazu diese Killerkurven, die einen Mann in den Wahnsinn treiben konnten. Nicht, dass mir das aufgefallen wäre. Absolut nicht.
Viertens brauchte ich eine Sekretärin, und obwohl Poppy die letzte Person auf der Welt war, die ich einstellen wollte, sah es allmählich ganz danach aus, als bliebe mir keine andere Wahl in dieser Angelegenheit, da keine Zeitarbeitsvermittlung in Sydney mit einem King würde zusammenarbeiten wollen.
Mein Vater, Augustus King, hatte bis zu seiner Verhaftung vor fünf Jahren das größte kriminelle Imperium der Stadt angeführt. Es dauerte Jahre, bis meine Brüder und ich unseren Namen aus dem Dreck gezogen hatten.
Obwohl wir drei eine ganz legale Immobiliengesellschaft leiteten, wurde uns durch die Bevölkerung Sydneys keine Absolution erteilt. Sogar die Heirat meines Bruders Leon mit Vita Hamilton, der Tochter eines ihrer am meisten geschätzten Philanthropen, hatte uns nicht rehabilitiert.
Nein, anscheinend mussten wir darauf noch warten.
Für mich war das okay. Wir waren die Überbleibsel des Imperiums unseres Vaters losgeworden und hatten auch seine letzten Lügen aufgedeckt und weggefegt. Das reichte zwar noch nicht ganz, aber irgendwann würde es so weit sein.
Nicht in der Lage zu sein, gutes Personal zu bekommen und zu halten, war ein wenig ärgerlich.
Dass niemand für mich arbeiten wollte, hatte natürlich auch mit meinem Ruf zu tun, ein kalter, rücksichtsloser Bastard zu sein. Aber darum ging es nicht.
Ich wollte Poppy einfach nicht einstellen, Punkt. Aber ich brauchte jemanden. Jemanden, bei dem ich sicher sein konnte, dass er nicht mit unseren Feinden im Bunde war – denn von denen gab es noch genug. Ich brauchte jemanden, der nicht immer noch auf die Rückkehr meines Vaters hoffte, um sich bei ihm einzuschmeicheln.
Poppy mochte nicht meine erste Wahl als Sekretärin sein – auch nicht meine letzte, um ehrlich zu sein. Doch bei ihr konnte ich mir wenigstens sicher sein, dass sie nichts mit Augustus Kings Imperium zu tun hatte.
Ich vertraute ihr nicht, sie war jemand, dem ich nicht im Geringsten traute.
Nicht, dass ich eine Wahl gehabt hätte, angesichts des deutlichen Mangels anderer Kandidaten.
Jetzt saß Poppy am Kopfende des Konferenztisches im Bürogebäude von King Enterprises in Sydney – auf dem Platz meines älteren Bruders Ajax – und hatte ihre verdammten Füße hochgelegt. Sie saß zurückgelehnt, hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und summte. Als wäre sie gelangweilt.
Junge, diese Frau hatte keinerlei Respekt.
Um alles noch schlimmer zu machen, betonte ihre hautenge Jeans ihre fantastisch geformten langen Beine. Außerdem trug sie ein knappes schwarzes T-Shirt mit dem Logo irgendeiner Punkband, und ihre Sitzhaltung bewirkte, dass sich der Stoff über ihren vollen Brüsten spannte …
Der fünfte Punkt auf meiner Liste der Dinge, die ich an ihr hasste, war die Tatsache, dass ich sie vögeln wollte. Und es spielte keine Rolle, was sie sagte oder tat, wie unbeeindruckt, scharfzüngig, sarkastisch und geradezu unhöflich sie war – ich wollte sie trotzdem vögeln. Und wie.
Was mich nicht nur ärgerte, sondern richtiggehend wütend machte. Ich war kein Mann, dem Emotionen oder die Libido den Verstand vernebelten, aber Poppy Valentine schien bei jeder Gelegenheit sowohl auf meine Libido als auch auf meine sonstigen Gefühle eine direkte Wirkung zu haben.
Zum Beispiel jetzt.
Ich starrte sie von meinem Platz am gegenüberliegenden Ende des Tisches an und ignorierte das brennende Verlangen, einen ihrer in Stiefeln steckenden Füße zu packen und sie über die Länge des Tisches auf meinen Schoß zu ziehen, um ihr die Konsequenzen einer solchen Respektlosigkeit aufzuzeigen.
Das tat ich natürlich nicht.
Sie war meine Stiefschwester, und eine der letzten Anweisungen meines Vaters vor seiner Gefängnisstrafe lautete, dass ich mich um sie und ihre Mutter kümmern sollte. Dass weder die eine noch die andere wollte, dass man sich um sie kümmerte, war eine weitere Sache, die mich wurmte.
Ich war ein Mann, der zu seinem Wort stand und seine Versprechen hielt. Selbst meinem Vater gegenüber, der mich und jeden anderen in meiner Kindheit ständig belogen hatte. Also würde ich mich wirklich um sie kümmern, und das bedeutete gleichzeitig, dass ich sie nicht anrühren würde.
Hätte ich ohnehin nicht getan. Ich bevorzugte Frauen, die sich nicht dermaßen ins Zeug legten, um mich wütend zu machen.
„Du scheinst mein Angebot nicht sehr ernst zu nehmen“, sagte ich kühl, zufrieden, dass ich mich anscheinend ganz gut im Griff hatte.
Sie ignorierte mich und schaute weiterhin hoch zur Decke, mit einem Fuß den Takt einer imaginären Musik klopfend.
Die Frau verspürte offenbar eine Todessehnsucht.
Und dann sah ich in der Wolke ihres dunklen Haars etwas Weißes.
Verdammt. Sie trug Ohrstöpsel.
Sie war zu diesem Treffen gekommen – ein Treffen, mit dem sie einverstanden gewesen war, zumindest hatte meine Stiefmutter mir das versichert – und hatte sich bewusst vorgenommen, nichts von dem zu hören, was ich von mir gab.
Meine Beherrschung bröckelte, aber ich riss mich weiter zusammen.
Zorn war niemals produktiv. Leidenschaft ganz allgemein führte bloß zu Lügen und Missverständnissen und anderen … Problemen. Mein Vater war ein typisches Beispiel, das ich mir stets vor Augen halten musste.
Ganz ruhig schob ich meinen Sessel zurück, erhob mich und ging um den Tisch herum zu Poppy. Sie sah mich nicht an und bekam ganz offensichtlich nicht mit, was ich tat.
Gut.
Ich trat hinter ihren Sessel und beugte mich über sie, während ich gleichzeitig die Hände hob, um ihr die Ohrstöpsel herauszuziehen.
Erschrocken riss sie die kupferfarbenen Augen auf.
Und für eine Sekunde glaubte ich darin etwas anderes zu sehen als Verachtung oder Genervtheit. Etwas, das ich nicht zu benennen vermochte.
Aber dann blinzelte sie, und was immer da war, verschwand.
„Was machst du da?“, fragte ich eisig.
„Wonach sieht’s denn aus? Musik hören natürlich!“ Es schien sie kein bisschen zu stören, dass ich sie bei dieser Unaufmerksamkeit ertappt hatte. Was beinah genauso ärgerlich war wie die Tatsache, dass mir ihre rauchige Stimme unter die Haut ging.
„Du solltest dir anhören, was ich zu sagen habe. Darum ging es schließlich bei diesem Treffen.“
Sie verdrehte die Augen. „Wenn du was Interessantes zu sagen hast, werde ich zuhören. Alles, was ich bis jetzt gehört habe, war langweilig.“
Noch immer beugte ich mich über sie und war ihr so nahe, dass ich ihren Duft wahrnahm – etwas Süßliches wie Jasmin. Eine seltsame Wahl für eine Frau, die so scharfzüngig und zickig war.
Ich fand es außerdem betörend. Noch etwas, das ich an ihr hasste.
„Woher weißt du denn, dass es langweilig ist, wenn du nichts hören kannst?“ Ich wollte meine Finger in diesen weichen Locken vergraben, die zu beiden Seiten über den Sessel hingen, und daran ziehen. Sie festhalten, damit sie sich nicht mehr bewegen konnte.
Damit sie betteln muss.
„Ich muss es nicht hören.“ Ihr Blick war herausfordernd. „Es hat mit dir zu tun. Alles, was du sagst, ist langweilig.“
Es war offenkundig, dass sie mich zu irgendeiner Reaktion provozieren wollte. Doch sosehr es mich auch reizte, ich tat ihr den Gefallen nicht.
„Es gibt ein Architekturbüro in London“, sagte ich, das Ass in meinem Ärmel ausspielend. „Ich habe gehört, du hast Interesse daran, für die zu arbeiten.“
Schlagartig verschwand ihr anmaßender Gesichtsausdruck.
Genau das hatte ich beabsichtigt. Ich hatte meine Hausaufgaben gemacht. Bevor man sich dem Feind stellte, musste man so viel wie möglich über ihn herausfinden, über seine Stärken und Schwächen. Besonders die Schwächen. Und ich hatte Poppys entdeckt.
Ihre Mutter hatte mir verraten, dass Poppy ein Praktikum in einem renommierten Londoner Architekturbüro absolvieren wollte und es sich geradezu verzweifelt wünschte. Zufällig kannte ich die Besitzerin dieses Architekturbüros ziemlich gut.
Damit hatte ich ein ideales Druckmittel.
Poppys Miene verfinsterte sich. „Könntest du aufhören, so bedrohlich auf mich runterzublicken? Das nervt ziemlich.“
Aha. Lily hatte also nicht gelogen. Anscheinend war Poppy tatsächlich sehr daran interessiert, für die zu arbeiten.
Zufrieden richtete ich mich auf, zog ihr die Stöpsel aus den Ohren und steckte sie in die Hosentasche.
Poppys Gesichtsausdruck nach zu urteilen, überlegte sie, ob sie sie zurückfordern sollte.
Ich gab ihr die Antwort. „Du kannst sie wiederhaben, wenn ich fertig bin.“
„Sie gehören mir.“
„Ist mir egal. Dies ist ein geschäftliches Treffen, und ich habe keine Zeit für deinen Teenagertrotz.“
„Armleuchter.“
„Zicke. Schön, dass wir das geklärt haben.“ Ich ging zurück zu meinem Platz, setzte mich und faltete die Hände vor mir auf dem Tisch.
Unsere Blicke trafen sich, und ihre Augen funkelten vor Zorn. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Füße vom Tisch zu nehmen, sondern sie absichtlich dort gelassen. Zweifellos um mich zu ärgern.
Nun, den Gefallen würde ich ihr nicht tun. „Da ich jetzt deine Aufmerksamkeit habe, wirst du mir zuhören? Oder soll ich dich vom Sicherheitsdienst rausführen lassen?“
Sie lehnte sich zurück und verschränkte erneut die Hände hinter dem Kopf. Diesmal sah sie mich dabei an. „Okay“, sagte sie, als sei das keine große Sache. „Mum meinte, du wolltest mir ein wundervolles Angebot machen. Dann lass mal hören.“
Als wäre ich zu ihr gekommen und nicht umgekehrt.
Ehrlich, es war mir ein Rätsel, wieso mein Schwanz derartig an ihr interessiert war, obwohl ich sie doch eigentlich gar nicht ausstehen konnte. Und es lag nicht allein daran, dass sie schön war.
Ihre permanent herausfordernde Art war irgendwie … aufregend. Ich wusste nicht, woran das lag, da ich noch nie so auf eine Frau reagiert hatte.
Ich würde wohl nie schlau daraus werden.
„Ich brauche eine Sekretärin“, kam ich direkt zur Sache. „Die letzte ist gestern gegangen, und ohne kann ich nicht arbeiten. Allerdings habe ich Schwierigkeiten, jemanden zu finden, der für einen King tätig sein will.“
„Kann mir gar nicht vorstellen, warum“, murmelte Poppy. „Oh, warte. Könnte es daran liegen, dass dein Vater kriminell ist? Oder dass du ein Arsch bist?“
„Es wäre für die Dauer eines Monats“, fuhr ich fort, als hätte sie nichts gesagt. „Bis ich einen festen Ersatz gefunden habe. Es sind lange Arbeitstage, aber du würdest gut bezahlt werden und …“
„Nein.“
Es kam nicht oft vor, dass Leute mich unterbrachen. Zusätzlich zu dem Ruf, ein kalter, rücksichtsloser Bastard zu sein, war ich berühmt dafür, den Leuten nur eine einzige Chance zu geben. Wer es vermurkste, war draußen, ohne jede Diskussion.
Es war nichts Persönliches. Es war rein geschäftlich. Zeit war Geld, und wenn ich eines hasste, dann Geldverschwendung.
Schließlich war ich nicht umsonst der Chef von King Enterprises.
„Ich war noch nicht fertig“, sagte ich kühl.
„Du vielleicht nicht, aber ich schon.“ Sie stand auf und ging um den Tisch herum Richtung Tür. „Die Ohrstöpsel kannst du behalten.“
Ich ließ sie bis zur Tür gehen.
Dann sagte ich: „Ich werde Miss Jordan ausrichten, dass du an einem Praktikum nicht interessiert bist. Ich bin sicher, sie hat ein paar andere Kandidatinnen, deshalb wird es für sie halb so wild sein, wenn du einen Rückzieher machst.“
Poppys Hand lag auf der Türklinke; sie hatte mir den Rücken zugekehrt, bereit zu gehen.
Einen Moment herrschte Stille.
„Du hast mit Miss Jordan gesprochen?“ Jetzt war der verächtliche Ton aus ihrer Stimme verschwunden.
Wäre ich ein anderer gewesen, hätte ich gegrinst. Aber ich war kein anderer und hatte die Nase voll von diesem blöden Spiel.
„Ja“, antwortete ich daher knapp. „Sie ist mit dem Praktikum unter einer Bedingung einverstanden: dass du eine Empfehlung von mir erhältst.“
Poppys Schultern spannten sich an, aber sie drehte sich immer noch nicht um. „Warum ist das notwendig?“
„Weil ich es ihr gesagt habe.“ Ich betrachtete ihre steife Haltung, die im Kontrast zu diesen sinnlichen Kurven stand. „Bist du nun bereit, dich wie ein braves Mädchen hinzusetzen und dir anzuhören, was ich zu sagen habe?“
Poppy
Ich wollte mich nicht umdrehen, da ich genau wusste, was ich sehen würde: den zufriedenen Ausdruck auf Xander Kings dämlichem, attraktivem Gesicht.
Ich hasste ihn so sehr. Hasste ihn.
Woher hatte er von dem Praktikum gewusst? Wer hatte es ihm gesagt? Es gab nur eine Person, der gegenüber ich es erwähnt hatte …
Verdammt! Natürlich. Mum. Die mischte sich dauernd ein. Und sie hatte schon immer eine Schwäche für Xander gehabt. Der Himmel allein wusste, wieso, und sie würde es ihm gesagt haben, wenn er gefragt hätte.
Ich hätte wissen müssen, dass die Einladung zu diesem Treffen einen Haken hatte, weil es immer einen Haken gab, sobald es um Männer ging. Nichts war umsonst, was sie betraf. Da brauchte ich bloß meine Mutter anzusehen, um das zu begreifen.
Bist du bereit, dich wie ein braves Mädchen hinzusetzen …?
Ein Schauer überlief mich, wie jedes Mal, wenn ich seine kalte, tiefe Stimme hörte. Diese Autorität vernahm, die etwas in mir auslöste. In einem Teil von mir, den ich nicht leiden konnte.
Mist, ich wollte ihn nicht ansehen. Ich hasste es, ihn anzusehen.
Aber ich hatte Jahre damit zugebracht, mir zu sagen, dass er mir nicht das Geringste bedeutete, also zwang ich mich dazu, mich mit gelangweilter Miene umzudrehen.
Doch sosehr ich mir auch einredete, dass er mir gleichgültig sei, empfand ich seine Gegenwart erneut wie einen Hieb in den Magen.
Er war ein King und benahm sich auch wie einer, als herrsche er über die ganze Stadt und ihre Bewohner. Der Sessel, in dem er saß, war sein Thron, das Vorstandszimmer sein Thronsaal, die Angestellten seine Höflinge, die ihm huldigten.
Alle King-Brüder waren charismatisch, und das galt natürlich auch für Xander. Vermutlich hatte es etwas mit seiner Größe, den breiten Schultern und dem athletischen Körper zu tun, der durch den dunkelgrauen maßgeschneiderten Anzug noch betont wurde.
Seine Gesichtszüge waren markant. Er hatte schwarze Brauen, schwarze Augen und kohlschwarzes Haar, das stets sehr kurz geschnitten war, dazu eine gerade, klassische Nase. Insgesamt wirkte er bedrohlich und auf eine kühle Art unglaublich anziehend und attraktiv. Was mich jedoch am meisten faszinierte, war sein Mund. Während sein Gesicht hart wirkte, war sein Mund es nicht. Diese sinnliche Unterlippe tat es mir immer wieder aufs Neue an.
Ich sollte diesen Mund nicht ansehen, genauso wenig wie den restlichen Mann.
Aber, der Himmel stehe mir bei, ich tat es trotzdem. Und dafür hasste ich ihn noch mehr.
Besonders jetzt, da er mich mit etwas köderte, was ich unbedingt haben wollte.
„Bist du eigentlich absichtlich so ein Mistkerl, oder wurdest du schon so geboren?“, fragte ich leichthin, meinen rasenden Puls ignorierend. „Nein, warte. Ich glaube, diese Frage kann ich mir selbst beantworten.“
„Meine Eltern waren verheiratet, falls es das ist, was du meinst.“ Er sagte das mit völlig ausdruckslosem Gesicht, sodass ich nicht einschätzen konnte, ob er scherzte oder nicht. Wahrscheinlich nicht, denn er besaß keinen Sinn für Humor. „Setz dich, Poppy.“
Ich wollte nicht. Ich wollte nichts tun, was er mir sagte. Mein Herz pochte noch immer, und zwar seit dem Augenblick, als er sich über mich gebeugt und mir die Ohrstöpsel herausgezogen hatte. Ich hatte Angst, dass ihm seine Wirkung auf mich nicht entgangen war.
Also lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Tür und schob die Hände in die Taschen, um totale Gleichgültigkeit zu demonstrieren, vor allem ihm gegenüber. „Ich stehe ganz gut hier, danke. Das Stehen wird mich wachhalten, während du mich mit öden Details zu Tode langweilst.“
Seine Brauen zuckten, und wären diese schwarzen Augen Schwerter gewesen, hätte er mich mit ihnen an die Tür genagelt, direkt durchs Herz.
Ja, ich wusste es. Er hasste mich ebenso, wie ich ihn hasste. Um ehrlich zu sein, war das das Einzige, was jede Interaktion zwischen uns erträglich machte.
„Wie du willst.“ Er besaß nicht einmal genug Anstand, um wenigstens für einen Moment woanders hinzusehen und mir dadurch eine Verschnaufpause zu gönnen. Stattdessen saß er da und starrte mich an, als hätte er mich am liebsten Stück für Stück auseinandergenommen. „Wie ich bereits erwähnte, benötige ich eine Sekretärin für diesen Monat, bis ich einen Ersatz gefunden habe. Es ist kein leichter Job, aber du wirst gut bezahlt und …“
„Danke“, unterbrach ich ihn erneut und trat mit dem Absatz gegen die Tür, nur um ihn zu ärgern. „Aber leider habe ich schon einen Job.“
Das war eine Lüge. Ich hatte keinen Job. Ich war letzte Woche gefeuert worden, weil mein Boss ein Arschloch war, der glaubte, nur weil meine Mutter kostenlos herumhurte, könnte er mich auch umsonst haben.
Die Story meines verdammten Lebens.
An dem Punkt hatte ich beschlossen, nicht mehr für einen Mann zu arbeiten. Meine Mutter warf mir vor, ich sei albern, und schlug mir allen Ernstes vor, ich solle mein Aussehen dazu benutzen, um zu bekommen, was ich wollte. Hatte Gott mich denn nicht deshalb damit gesegnet?
Aber ich war nicht wie sie. Ich wollte nicht betatscht und als reines Sexobjekt betrachtet werden. Und ganz bestimmt wollte ich meinen Lebensunterhalt nicht mit meinem guten Aussehen verdienen.
Ich wollte nach London und ein Praktikum bei Jordan Architectural absolvieren, einem der besten Architekturbüros in Europa, geführt von Elizabeth Jordan, einer der besten Architektinnen der Welt.
Ich hatte Architektur studiert, und auch wenn ich nicht gerade mit Bestnoten abgeschlossen hatte, hoffte ich, meinen Mangel an akademischen Fähigkeiten durch Leidenschaft und eigene künstlerische Visionen wettmachen zu können. Denn davon hatte ich mehr als genug.
Ja, nur wirst du nirgendwo hinkommen, wenn du King Blödmann nicht zuhörst. Wie wäre es also, wenn du aufhörst, dich selbst zu sabotieren, nur weil du ihn nicht leiden kannst?
Jetzt sah er mich wieder an, diesmal missbilligend und ernst, wie ein Highschool-Direktor eine rebellische Schülerin betrachtet. Und ich merkte, wie ich weiche Knie bekam.
Verärgert über mich selbst, reckte ich das Kinn und hob eine Braue. „Was?“
„Du hast gehört, was ich über dieses Praktikum gesagt habe, oder? Dass du es nicht bekommst, wenn du keine guten Referenzen von mir erhältst.“
„Ja und? Ich werde sie anrufen und persönlich mit ihr sprechen. Ich kann …“
„Ich kenne Liz persönlich.“ Diesmal war er an der Reihe, mich zu unterbrechen. „Und wenn ich ihr erzähle, dass es sich nicht lohnt, dich zu nehmen, dann wird sie das auch nicht tun.“
„Oh, klar, du bist per du mit einer der besten Architektinnen der Welt?“, fragte ich sarkastisch. „Ausgerechnet der Mann mit dem riesigen kriminellen Imperium, der eigentlich hinter Gittern sitzen sollte? Na sicher doch.“
Xander zuckte nicht mit der Wimper, doch etwas flackerte in den schwarzen Tiefen seiner Augen auf. Ich war mir sicher, dass es Zorn war, was mir aus irgendeinem Grund einen kleinen Kick gab.
Er war immer derart beherrscht, nichts drang durch seine ernste Fassade, daher war es äußerst befriedigend, zu wissen, dass ich ihn ein wenig aus dem Konzept bringen konnte.
Allerdings war das auch dumm von mir. Ich wollte nicht wütend machen. Es war mir nicht wichtig genug, ihn wütend zu machen.
„Liz ist Australierin“, erklärte er unbeirrt. „Was du wüsstest, hättest du deine Hausaufgaben gemacht. Sie hat hier studiert, und ich kenne sie seit der Universität. Sie ist eine alte Freundin von mir.“
Meine Wangen wurden heiß.
Ja, das hätte ich wirklich wissen müssen. Tatsächlich hatte ich keine Recherchen angestellt. Ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, genug Arbeit zu finden, um Mums Schulden und mein Studiendarlehen zu tilgen.
Blöd. Natürlich war Elizabeth Jordan eine verdammte Freundin von Xander. War doch klar.
Ich trat härter mit dem Absatz gegen die Tür, um mir meine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. „Was ist also der Deal? Ich muss für dich arbeiten – als Gegenleistung für dieses Praktikum? Ist es das, was du mir vorschlägst?“
„Ich glaube, genau davon spreche ich seit einer halben Stunde, ja.“ Er saß ganz still und hatte den Blick auf mich gerichtet, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Am liebsten hätte ich weggeschaut.
Tat ich aber nicht. Ich hielt seinem Blick stand, zwang mich dazu. „Du weißt, dass ich lieber für Dschingis Khan arbeiten würde als für dich.“
„Und ich würde lieber jemand anderen einstellen.“
„Warum tust du es dann nicht?“
Zunächst antwortete er nicht, sondern hielt den Blick unverwandt auf mich gerichtet. Dann lehnte er sich langsam zurück und streckte mit der Anmut eines Panthers die langen Beine aus. „Wie ich dir bereits erklärt habe, kann ich niemanden finden. Keine der Zeitarbeitsfirmen will mit mir arbeiten. Die einzigen Bewerberinnen für den Job sind Feinde der Familie King, und denen traue ich nun mal nicht.“
„Ich bin auch eine Feindin der Familie King“, erinnerte ich ihn, nur für den Fall, dass ihm das nicht klar war. „Wie kommst du darauf, dass du mir vertrauen könntest?“
„Weil du das Praktikum willst.“ Er verschränkte die Arme vor der breiten Brust und musterte mich genau. „Und ich glaube, du wirst alles dafür tun, um es zu bekommen.“
Alles dafür tun …
Wieso hielt ich angesichts der Art und Weise, wie er das sagte, den Atem an? Und wieso malte ich mir plötzlich all die Sachen aus, die ich für ihn tun könnte, um das Praktikum zu bekommen?
Wütend auf mich selbst fuhr ich ihn an: „Wenn du glaubst, ich sinke auf die Knie und lutsche dir den Schwanz, hast du dich getäuscht.“
Seine Augen funkelten hart und metallisch. „Hältst du mich wirklich für so einen Mann?“ Er klang echt gekränkt, und für einen Moment konnte ich mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Xander King, Mr. Robot, zeigte wahrhaftig eine emotionale Reaktion?
„Ich weiß nicht“, erwiderte ich, um ihn noch ein wenig mehr zu reizen und um zu sehen, wie weit ich gehen konnte. „Bist du so einer?“
„Nein.“ Seine Antwort kam prompt, und dunkler Zorn schwang darin mit. „Ich muss Frauen nicht erpressen, um Sex mit ihnen zu haben. Und selbst wenn, wärst du die letzte Frau auf dieser Erde, die ich dazu drängen würde. Denn ganz ehrlich, ich will dich nicht mal in der Nähe meines Schwanzes haben.“
„Warum nicht?“, rutschte es mir heraus.
Sofort bereute ich, das gesagt zu haben. Mir war sein dämlicher Schwanz ganz egal, und erst recht gleichgültig war mir, ob er mich wollte oder nicht.
„Warum nicht?“, wiederholte Xander und hob eine schwarze Braue. „Ich dachte, das wäre klar. Du bist meine Stiefschwester, und ich mag dich nicht. Mochte dich nie. Und abgesehen von allem anderen, fühle ich mich nicht im Geringsten zu dir hingezogen. Beantwortet das deine Frage?“
Das Glühen meiner Wangen nahm zu.
Ich Idiotin. Ich hätte das niemals sagen dürfen. Warum hatte ich es trotzdem getan? Die einzige Erklärung war, dass ich so darauf konditioniert war, mit ihm zu streiten, dass es sich um einen seltsamen Reflex gehandelt haben musste.
„Ja.“ Ich hielt seinem Blick stand und ließ mir die eigenartige Enttäuschung nicht anmerken, die einfach nicht verschwinden wollte. „Ich würde es ohnehin nicht tun. Lieber würde ich Graf Dracula einen blasen.“
Xander sagte nichts. Stattdessen schaute er auf die Uhr, irgendein schweres Platinding, das sein starkes Handgelenk betonte. „Nimmst du mein Angebot an oder nicht? Ich habe in fünf Minuten ein Meeting, und Zeit ist Geld.“
Zu gern hätte ich abgelehnt und ihm erklärt, dass ich nicht für ihn arbeiten würde. Weder jetzt noch sonst jemals. Nicht einmal dann, wenn er mir eine Million böte.
Doch eine leise Stimme in meinem Kopf beschwerte sich, ich wäre schön blöd, mir diese Chance auf etwas entgehen zu lassen, das ich seit Jahren tun wollte, nur weil ich Xander King hasste.
Es handelte sich doch nur um einen Monat. Das war alles. Das würde ich hinbekommen, oder?
„Dir ist schon klar, dass ich in meinem ganzen Leben noch keinen Bürojob gemacht habe, oder?“ Er sollte genau wissen, worauf er sich einließ, da meine ganze Karriere eine traurige Aneinanderreihung von Einzelhandels- und Gastgewerbejobs war, die ich entweder hingeschmissen hatte oder die mir gekündigt worden waren, weil ich meine Meinung gesagt hatte. Oder wegen meiner Einstellung. Oder weil meine Jeans, meine Haare oder was auch immer nicht gefallen hatten.
Es war mir egal. Diese Jobs waren ohnehin nie das gewesen, was ich tun wollte.
Das sah bei diesem Job möglicherweise anders aus.
Ich biss die Zähne zusammen, während Xander mich weiterhin durchdringend ansah.
„Soll das heißen, du kannst es nicht?“ Seine Stimme war so kalt wie ein Eiswürfel auf meiner Haut.
Ich unterdrückte ein Erschauern und reckte das Kinn. „Selbstverständlich kann ich das. Mal ernsthaft, wie schwer wird das sein? Kaffee kochen, deine Wäsche aus der Reinigung abholen und kleine Geschenke für deine Freundinnen besorgen? Kein Problem.“
Sein attraktives Gesicht zeigte keinerlei Regung. „Für Botendienste habe ich andere Leute. Und meinen Kaffee kann ich selbst kochen. Was Freundinnen betrifft … ich habe keine.“
Das Wort „Freundinnen“ betonte er, als besäße es einen üblen Geschmack, und ich hatte keine Ahnung, warum ich das mit einer gewissen Genugtuung registrierte. Was kümmerte es mich denn, ob er Freundinnen hatte oder nicht?
„Was auch immer.“ Ich trat härter mit dem Stiefel gegen die Tür. „Ist trotzdem kein schwerer …“
„Du wirst jeden Morgen um halb neun beginnen, und ich kann Unpünktlichkeit nicht ausstehen, also wirst du pünktlich sein. Der Arbeitstag endet, wenn ich gehe – es sei denn, ich schicke dich früher nach Hause. Für gewöhnlich mache ich nicht vor sechs Feierabend. Frühestens. Was deine Pflichten betrifft, wirst du im Wesentlichen das tun, was ich dir auftrage.“ Prüfend sah er mich an. „Hast du verstanden?“
Mein Herz schlug schneller, und ich wusste nicht, warum.
Dir gefällt die Vorstellung, alles zu tun, was er von dir verlangt …
Nein. Du liebe Zeit, warum sollte mir das gefallen? Ich hasste es, gesagt zu bekommen, was ich tun sollte.
„Klar“, erwiderte ich. „Du willst im Prinzip eine Sklavin. Kein Wunder, dass niemand für dich arbeiten will.“
Er verzog keine Miene. „Ich mag weder Aufsässigkeit noch Widerworte. Wenn du mit mir nicht einer Meinung bist, bin ich gern bereit, darüber zu sprechen. Aber falls es lediglich Genörgel ist, wirst du damit nicht weit kommen. Sobald ich eine Entscheidung getroffen habe, wirst du sie nicht mehr infrage stellen.“ Er schob seinen Bürosessel zurück und stand auf – ein Meter neunzig pure bedrohliche Ausstrahlung. „Du bekommst eine Chance von mir, Poppy. Eine Chance, das ist alles.“
Mein Kiefer schmerzte, weil ich mir alles verkniff, was ich ihm entgegenschleudern wollte. Dass er ein verdammter Kontrollfreak sei und ich lieber nackt über zerbrochenes Glas kriechen würde, als für ihn zu arbeiten oder auch nur irgendetwas zu tun, was er mir auftrug.
Nur … die Aussicht auf dieses Praktikum bewirkte, dass ich mich jeder spöttischen Bemerkung enthielt.
„Meinst du das ernst mit dieser Referenz?“, hakte ich nach.
Er kam auf mich zu. Offenbar erwartete er, dass ich aus dem Weg ging und die Tür freigab. Tat ich aber nicht.
Ich blieb exakt dort, wo ich war.
Er blieb vor mir stehen, und zumindest seine versteinerte Miene zeigte eine winzige Regung. „Eine Sache, die du über mich wissen solltest, ist, dass ich nie lüge. Du wirst von mir nur die Wahrheit zu hören bekommen. Wenn ich dir also ein Empfehlungsschreiben versprochen habe, bekommst du auch eines.“
Ich versuchte nicht allzu zufrieden zu sein über das kurze Mienenspiel. „Tja, ich schätze, das ist …“
„Du bekommst allerdings nur dann gute Referenzen, wenn ich deine Tätigkeit befriedigend finde“, fuhr er kühl fort. „Falls nicht, erhältst du gar nichts.“
Wenn ich deine Tätigkeit befriedigend finde …
Die Worte hallten seltsam in meinem Kopf nach, und plötzlich wurde ich mir seiner Nähe bewusst, während er mit diesem eisigen Blick vor mir aufragte.
Ein heißes Prickeln überlief meine Haut.
Er war so groß, so maskulin, und er hatte ein dezentes, frisch duftendes Eau de Toilette aufgetragen. Der Duft erinnerte mich an Wasser oder Regen, mit einer gewissen zusätzlichen Note. Gewitter …
Mir wurde der Mund trocken, und ich spürte meinen Herzschlag in den Ohren dröhnen. Hier zu stehen war ein Fehler gewesen. Aber würde ich mich bewegen, wäre das ein Zeichen von Schwäche, die ich mir vor diesem Mann nicht erlauben durfte. Ich hatte ihm schon Macht über mich gegeben, weil ich dieses Praktikum so sehr wollte. Mehr Boden durfte ich auf keinen Fall verlieren.
Also stieß ich mich von der Tür ab und machte einen Schritt nach vorn.
Auf ihn zu.
Xander
Poppy machte einen Schritt auf mich zu, einen herausfordernden Ausdruck in den kupferfarbenen Augen. Ganz offensichtlich ahnte sie nicht, wie brüchig meine Selbstbeherrschung war.
Anscheinend bestand ihr Daseinszweck auf dieser Welt darin, mich auf die Probe zu stellen.
Normalerweise hatte ich überhaupt kein Problem damit, mich zusammenzureißen. Aber diese Frau … Seit sie den Raum betreten hatte, provozierte sie mich. Und jetzt war ich allmählich mit meiner Geduld am Ende.
Andererseits wusste ich auch nicht so recht, was ich eigentlich erwartet hatte. Schließlich verhielt sie sich seit ihrem zehnten Lebensjahr mir gegenüber so.
Anfangs hatte ich mich noch über eine kleine Schwester gefreut, die ich verwöhnen konnte, da ich als Kind ziemlich isoliert gewesen war. Doch dann stellte sich heraus, dass sie boshaft und gemein war. Und aus irgendeinem Grund, den nur sie kannte, hielt sie mich für die schlimmste Person auf diesem Planeten und behandelte mich entsprechend.
Von da an war es zwischen uns kontinuierlich bergab gegangen.
Ich wusste damals, dass sie ihren Vater verloren hatte. Daher gab ich mir, nachdem sie zu uns gekommen war, mindestens ein Jahr lang Mühe, nett zu ihr zu sein. An ihrem Verhalten änderte das nichts. Nichts, was ich tat, war richtig, und nichts, was ich sagte, änderte etwas. Entweder ignorierte sie mich komplett oder hackte in einer Tour auf mir herum und versuchte, mich auf die Palme zu bringen.
Ajax oder Leon behandelte sie nicht so, nur mich.
Also versuchte ich nicht länger, nett zu ihr zu sein, sondern beachtete sie einfach gar nicht mehr. Was auch gut funktioniert hätte, wenn ich sie eines Morgens nicht zufällig beim Nacktbaden im Pool überrascht hätte. Da war sie achtzehn gewesen und wie eine Meeresgöttin aus dem Wasser gestiegen – mit tropfnassen Haaren, die ihr glänzend über den Rücken fielen. Ihre Haut hatte bronzefarben geschimmert, und ausnahmsweise hatte sie einmal nicht verdrießlich dreingeschaut, sodass mir ihr Gesicht nur umso schöner erschienen war. Sie hatte dort am Beckenrand gestanden, die Arme erhoben, und auf den Ozean hinausgeschaut, da unser Haus auf einer Klippe gebaut war. Und sie hatte gelächelt.
Dieses Lächeln haute mich schier um.
In dem Moment beschloss mein Schwanz, dass er sie wollte. Und seither hatte der verdammte Kerl keine Ruhe mehr gegeben.