Sandra, meine Einzige! - Friederike von Buchner - E-Book

Sandra, meine Einzige! E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Die alten breiten Dielen waren frisch gebohnert. Sie glänzten fast schwarz im Sonnenschein, der durch das offene Fenster am Ende des langen Flurs schien. Charlottes Eltern, Emil Holzer und seine Frau Monika, standen am offenen Fenster. Sie schauten aus der zweiten Etage des Klosters hinunter in den halboffenen Innenhof. Emil trommelte nervös mit den Fingern einer Hand auf die Fensterbank. »Emil, ganz ruhig!«, sagte Monika. Sie legte ihre Hand auf die seine und hielt sie fest. Liebevoll lächelte sie ihren Mann an. »Mei, bin ich nervös!«, flüsterte er. »Ausgesprochen ruhig bin ich auch nicht. Aber ich kann nur noch einmal betonen, dass die Mutter Oberin Justina sehr freundlich am Telefon war, als ich sie anrief. Sie schlug vor, dass wir heute am Samstag herkommen sollten. Dann sei Lotte bestimmt nicht hier und wir würden nicht Gefahr laufen, ihr zu begegnen. Sie ist uns bestimmt wohl gesonnen, Emil.« Emil seufzte. »In meinem Kopf dreht sich alles, Moni. Ich schäme mich der vielen Fehler, die ich gemacht habe. Und dich und unser Kind habe ich da hineingezogen.

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Toni der Hüttenwirt – 253 –

Sandra, meine Einzige!

Ich weiß, was dein Herz bewegt

Friederike von Buchner

Die alten breiten Dielen waren frisch gebohnert. Sie glänzten fast schwarz im Sonnenschein, der durch das offene Fenster am Ende des langen Flurs schien. Charlottes Eltern, Emil Holzer und seine Frau Monika, standen am offenen Fenster. Sie schauten aus der zweiten Etage des Klosters hinunter in den halboffenen Innenhof. Emil trommelte nervös mit den Fingern einer Hand auf die Fensterbank.

»Emil, ganz ruhig!«, sagte Monika.

Sie legte ihre Hand auf die seine und hielt sie fest. Liebevoll lächelte sie ihren Mann an.

»Mei, bin ich nervös!«, flüsterte er.

»Ausgesprochen ruhig bin ich auch nicht. Aber ich kann nur noch einmal betonen, dass die Mutter Oberin Justina sehr freundlich am Telefon war, als ich sie anrief. Sie schlug vor, dass wir heute am Samstag herkommen sollten. Dann sei Lotte bestimmt nicht hier und wir würden nicht Gefahr laufen, ihr zu begegnen. Sie ist uns bestimmt wohl gesonnen, Emil.«

Emil seufzte.

»In meinem Kopf dreht sich alles, Moni. Ich schäme mich der vielen Fehler, die ich gemacht habe. Und dich und unser Kind habe ich da hineingezogen. Ich wollte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, wenigstens, was diesen heiklen Punkt betrifft. Es war Unrecht von mir, mich auf Haralds Seite zu schlagen und mit Vater und Mutter zu brechen.«

Monika streichelte seine Wange.

»Emil, ich verstehe dich. Du hast zwischen zwei Stühlen gestanden. Du warst jung und unerfahren und hast deinen älteren Bruder bewundert. Ich mache mir auch Vorwürfe, dass ich deine Entscheidung einfach so hingenommen habe. Wir waren beide jung. Heute würden wir diesen Konflikt bestimmt besser bewältigen.«

»Das stimmt, Moni. Hinterher ist man immer schlauer.«

»Jetzt reden wir mit Mutter Justina, dann finden wir bestimmt einiges heraus. Hör auf, dir Gedanken zu machen! Du drehst dich im Kreis, Emil. Warten wir es ab, was sie uns sagen kann, und dann überlegen wir gemeinsam.«

Emil seufzte wieder.

»Du hast recht, Moni«, sagte er. Er schaute erneut auf seine Armbanduhr. Die Zeit schien langsamer zu vergehen, als sonst.

»Gedulde dich, Emil! Die Nonne von der Pforte, die uns heraufgebracht hat, hat sich entschuldigt. Sie sagte, dass die Mutter Oberin uns bittet, einen Augenblick zu warten, weil sie noch ein wichtiges Telefonat führen müsse.«

In diesem Augenblick ging die große Flügeltür auf. Die Mutter Oberin, die Leiterin des Klosters, dem eine Schule mit Internat und ein Waisenhaus angeschlossen waren, trat heraus.

»Frau und Herr Holzer, bitte komme Sie herein! Ich hatte einen unerwarteten Anruf aus der bischöflichen Verwaltung. Aber jetzt bin ich ganz für Sie da.«

Die Holzers begrüßten die Oberin herzlich und bedankten sich, dass sie sich Zeit genommen hatte.

Drinnen bat Justina das Ehepaar in der Sitzecke für Besprechugen Platz zu nehmen. Der Tisch war gedeckt. Es gab Kaffee und Kuchen. Justina schenkte ein und legte jedem ein Stück Obstkuchen mit Sahne auf den Teller.

»Gutes Essen hält Leib und Seele zusammen«, sagte sie. »So sagt man und ich füge hinzu, dass Süßes die Nerven beruhigt. Bitte greifen Sie zu!«

Emil und Monika nippten an dem Kaffee.

Oberin Justina ergriff das Wort: »Liebe Frau Holzer, am Telefon haben Sie mich gebeten, ihnen zu sagen, wie Ihre Tochter hinter die Sache gekommen ist. Ich will das mal so ausdrücken.«

»Hinter meine Lebenslüge!«, verbesserte sie Emil. »Es war eine Lüge. Ich habe Lotte ihren Großvater vorenthalten. Ich habe sie in dem Glauben aufwachsen lassen, dass ich keine lebenden Verwandten hätte. Das ist eine Sünde, der ich mich schuldig gemacht habe.«

Die Oberin lächelte nachsichtig.

»Herr Holzer, mir obliegt es nicht, über Ihr Verhalten zu urteilen. Das müssen Sie mit jemand anderem ausmachen.«

Sie trank einen Schluck Kaffee.

»Kommen wir zur Sache! Die Suche nach ihren Verwandten ging nicht von Charlotte aus. Auch Alois Holzer hat keine Nachforschungen angestellt. Ich sage mit Nachdruck, dass liebe Menschen, die Alois Holzer nahestehen, sich seiner Angelegenheit angenommen haben. Dazu gehören Toni und Anna Baumberger, die die Berghütte von Alois übernommen haben. Er lebt bei ihnen auf der Berghütte. Es ließ sich nicht verbergen, besonders in den letzten Jahren, dass Alois über seine verlorenen Söhne trauerte. Er ist alt und einsam, sagten sich Toni und Anna und beschlossen, zusammen mit Alois’ Hausarzt …«

»Ist mein Vater krank?«, brach es aus Emil hervor.

Die Ordensfrau schüttelte den Kopf.

»Nein, das ist er nicht. Er ist alt, das ist keine Krankheit. Bevor er Lotte kennenlernte, hatte er etwas den Lebensmut verloren. Doch jetzt scheint er um Jahrzehnte jünger zu sein.«

»Sie kennen meinen Vater?«

»Nein, Herr Holzer, ich kennen ihn nicht persönlich. Ich stehe in gutem Kontakt mit dem Geistlichen von Waldkogel, Pfarrer Heiner Zandler. Er hat mich informiert. Er war an der Zusammenführung von Alois und Charlotte auch beteiligt. Toni und Anna, sowie Doktor Martin Engler und seine Frau Katja zogen ihn hinzu, genauso die alte Ella Waldner.«

Ein kurzes, zaghaftes Lächeln huschte über Emils Gesicht.

Justina erzählte in aller Ausführlichkeit, wie Toni, Anna, Martin und Katja zuerst Nachforschungen angestellt hatten. Dann waren Anna und Ella nach München gefahren und gaben zwei kleine Skulpturen in Auftrag.

»Sie erzählten Charlotte die Geschichte von den Engeln vom ›Engelsteig‹. Auf diese Weise tasteten sie sich vorsichtig heran. Behutsam erzählten sie von Alois und nahmen Charlotte mit nach Waldkogel, zu Ella Waldners Kate. Dort konnte Charlotte die Briefe lesen, die ihre Großmutter Hedwig nach München geschrieben hatte. Sie waren alle ungeöffnet zurückgekommen.«

»Ich habe nie einen Brief gesehen!«, brach es aus Emil hervor.

Mutter Justina nickte.

»So viel mir bekannt ist, hatte Ihre Mutter keine Adresse von Ihnen, Herr Holzer. Hedwig Holzer schrieb an die Adresse Ihres Bruders Harald.«

»Ich habe bei ihm und seiner Frau gewohnt, als ich in München die Lehre als Fotograf machte.«

»Das ist mir inzwischen bekannt. Dann klären Sie die Angelegenheit mit Ihrem Bruder und Ihrer Schwägerin, Herr Holzer. Mir steht es nicht zu, deren Handlungen zu kommentieren und zu beurteilen«, sagte Oberin Justina.

Monika legte ihrem Mann kurz die Hand auf den Unterarm.

»Emil, du solltest mit Harald unter vier Augen sprechen. Es ist doch gut möglich, dass er von den Briefen auch nichts weiß.«

»Du meinst, Karola hat einfach die Annahme verweigert, sie zurückgehen lassen und nichts gesagt, weder Harald, noch mir?«

Monika zuckte mit den Schultern.

»Das ist sehr gut möglich, Emil. Oder Harald und Karola stecken beide dahinter.«

Emil seufzte. Er schaute Oberin Justina an.

»Wer hat die Briefe jetzt?«

»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Entweder sind sie bei Frau Waldner oder Ihre Tochter hat sie.« Sie lächelte. »Ich werde versuchen, es für Sie herauszufinden. Doch jetzt weiter.«

Sie trank wieder einen Schluck Kaffee.

Dann erzählte sie, dass Charlotte die Sache verarbeiten musste und sich in ein Hotel zurückgezogen hatte.

»Das ist verständlich«, sagte Monika leise. »Und wie ging es dann weiter?«

»Alle, die daran beteiligt waren, hielten zusammen und halfen bei der Zusammenführung von Großvater und Enkelin. Es war für beide ein sehr bewegender Moment, hat man mir erzählt. Aber ihre Herzen öffneten sich, und unter Tränen schlossen sie sich in die Arme. Seither verbringt Charlotte jede freie Minute bei ihrem Großvater. Er ist sehr glücklich mit dem Madl und präsentiert sie voller Stolz.«

»Wir dachten, sie macht Studien für Fachwerkhäuser und Lüftlmalerei«, bemerkte Emil.

»Das tut sie auch, aber nicht in dem Maße, wie Sie das vielleicht angenommen haben. Damit sie es leichter hat, haben Pfarrer Zandler und einige andere es eingefädelt, dass sie hier bei uns ein Praktikum machen kann. Unser Steinmetz ist begeistert von dem jungen Talent.«

»Ja, Lotte ist sehr begabt«, sagte Emil. »Wahrscheinlich hat sie die Neigung zur Kunst von ihrem Großvater Alois geerbt. Wenn wir im Winter im Tal waren, schnitzte mein Vater viele Figuren. Heute würde man sagen, es war sein Hobby.«

Emil schaute unter sich. Leiser sprach er weiter: »Wissen Sie, ob mein Vater uns auch sehen will? Uns alle? Ich könnte verstehen, wenn er voller Bitternis ist.«

Justina lächelte.

»So viel mir bekannt ist, tröstet er Charlotte sehr. Das Madl kann vieles noch nicht verstehen. Vielleicht wird sie die Zusammenhänge erst begreifen, wenn sie älter ist. Alois freut sich, dass er Charlotte hat und sagt, alles werde sich fügen. Charlotte bedrückt die Sache natürlich. Mir gegenüber gab sie zu, dass sie sich in einem tiefen Konflikt fühlt. Ich scheute mich davor, mit Ihnen zu sprechen. Es ist nicht leicht für ein Kind, wenn es hinter ein Familiengeheimnis kommt. Ihre Tochter liebt sie. Sie will Ihnen nicht wehtun und sie nicht tadeln. Aber ihr Wissen belastet sie. Auf der anderen Seite wünscht sie sich sehnlichst, dass ein Schlussstrich gezogen wird. Gleichzeitig hat sie Angst, dass es zu einem erneuten Bruch in der Familie kommen könnte. Nämlich zwischen Ihnen, Herr Holzer, und Ihrem Bruder Harald und seiner Familie.«

»Dann hat Lotte sich auch ihrer Cousine Sophie nicht anvertraut? Dabei standen sich die beiden Madln immer sehr nahe.«

»Nein, das hat sie nicht, Herr Holzer. Es ist wegen Sophies älteren Bruder, Kuno. Er sollte noch nichts davon erfahren. Sie fragt sich, wie er darauf reagiert.«

»Warum?«, fragte Monika.

Die Ordensfrau schmunzelte leicht.

»Nun, ich will es mal so sagen. Charlotte hat für ihr Alter erstaunlich viel Menschenkenntnis. Sie ist überzeugt, dass Kuno sehr nach seiner Mutter kommt. Sie hat wohl keine gute Meinung von ihrer Tante. Lotte erklärte mir, sie halte ihre Tante für kaltherzig, geldgierig und geizig. Genau das waren ihre Worte. Sie befürchtet, der Konflikt könnte weitergehen, da Harald unter dem Pantoffel seiner Frau stehe, der er alles verdanke. Und auch Kuno könnte kritisch reagieren. Charlotte will nicht, dass Alois zum zweiten Mal einen Sohn verliert und mittlerweile zwei Enkel. Das Madl hat Angst, dass Kunos krankhafter Ehrgeiz, seine grenzenlose Geldgier und Raffgier Unruhe auf die Berghütte bringen könnte. So hat sie es gesagt.«

Emil rieb sich das Kinn. Er schaute seine Frau an.

»Was sagst du dazu, Monika?«

»Emil, wir waren uns einig«, sagte Monika mit energischem Unterton in der Stimme. »Egal, wie dein Bruder reagiert, ganz gleich, was danach kommt, wir werden versuchen, die verlorene Zeit wieder gut zu machen, auch wenn das nicht wirklich möglich ist. Und sollte Harald, wahrscheinlich angestiftet von seiner Frau, Ärger machen, dann bekommen sie es nicht allein mit Alois zu tun. Alois hat dann uns und Charlotte. Und mich würde es nicht wundern, wenn sich Sophie auch auf unsere Seite schlagen würde und damit auf Alois Seite.«

»Ach, Monika, ich wollte, wir wären weiter«, seufzte Emil.

»Herr Holzer«, sagte Oberin Justina freundlich, »Sie sind weiter, viel weiter, als Sie annehmen. Sie wollen zu Alois halten. Was bei der Familienzusammenführung herauskommt, wie Ihr Bruder, seine Frau und die Kinder Sophie und Kuno sich verhalten, das hat keinen Einfluss mehr auf sie. Sie sind auf dem besten Weg, sich zu befreien aus den Verstrickungen, in die sie ihr Bruder und seine Frau hineingezogen haben.«

Emil Holzers Augen wurden feucht.

»Frau Justina, ich schäme mich. Das tut mir so unendlich leid. Heute kann ich nicht verstehen, wie ich mich so habe beeinflussen lassen. Wie konnte ich? Warum? Ich verstehe es nicht.«

»Seien Sie milde und nachsichtig mit sich selbst«, sagte Oberin Justina und berührte sanft Emils Unterarm. »Wichtig ist, dass Sie Ihren Fehler eingesehen haben.«

»Sie sind sehr nachsichtig, Frau Oberin«, sagte Emil mit bebender Stimme. »Es war Unrecht, was ich getan habe. Ich habe meine Frau und unser Madl hineingezogen. Spätestens als Charlotte auf die Welt kam, hätte ich Schluss mit der Familienfehde machen müssen.«

»Du hattest dich damals gerade selbstständig gemacht, Emil. Harald hat dir großherzig geholfen. Deshalb hattest du dich ihm verpflichtet gefühlt.«

»Moni, das stimmt alles. Aber ich habe dabei meine Seele verkauft, mein Herz.«

»Der Himmel freut sich über jeden reumütigen Sünder und jeden verlorenen Sohn, der heimfindet«, sagte Justina.

Sie legte ihm ein weiteres Stück Kuchen auf den Teller.

»Jetzt sprechen Sie zuerst einmal mit ihrer Tochter«, riet sie. »So wie ich das Madl einschätze, wird ihr ein großer Stein von der Seele fallen. Charlotte wird glücklich sein, Herr Holzer. Sie wird Ihnen verzeihen. Sie wird Sie verstehen. Außerdem wird sie einen Weg finden, Alois auf ein Zusammentreffen mit Ihnen vorzubereiten und wird zwischen ihnen vermitteln.«

»Hoffentlich, hoffentlich!«, stöhnte Emil.

»Überlegen Sie es sich, wie und wo Sie mit Ihrer Tochter sprechen möchten. Gern können Sie auch hier mit ihr reden. Wenn es Ihnen hilft, bin ich bereit, dabei zu sein. Sie müssen nicht sofort entscheiden. Besprechen Sie das mit Ihrer Frau. Sollten sie meine Hilfe benötigen, rufen Sie mich an!«

Emil Holzer dachte einen Augenblick nach. Er bedankte sich für das Vermittlungsangebot.

»Vielleicht können Sie Charlotte von unserem Besuch erzählen?«

»Das mache ich gern, Herr Holzer! Und hier habe ich noch etwas für Sie beide. Charlotte hat Ihnen einen Brief geschrieben. Sie gab ihn mir zu lesen. Lesen Sie ihn in Ruhe! Ich bin überzeugt, er wird Sie weiterbringen.«

Harald nahm den Brief entgegen. Er bedankte sich. Sie aßen noch das Stück Kuchen und tranken Kaffee. Dann brachte Oberin Justina das Ehepaar Holzer zum Auto. Sie sah ihnen nach, wie sie davonfuhren.

*

Es schüttete über Frankfurt am Main, als hätte der Himmel sämtliche Schleusen geöffnet. Die Passanten waren in Hauseingänge geflüchtet oder in Cafés. Sandra drängte sich mit den schweren Einkaufstaschen dicht an der Häuserwand vorbei. Das T-Shirt klebte an ihr. Der Regen hatte ihre Schuhe durchnässt. An ihren Haaren lief das Wasser herunter wie unter der Dusche.

Sie dachte an ihre Einkäufe, die in den Leinentaschen wohl völlig aufweichen würden.

Lautes Hupen schreckte sie auf. Ein Auto hielt auf der Straße.

»He, Sandra, komm, spring rein!«, rief eine ihr bekannte Stimme.

Sandra lief zum Auto.

»Hallo, Laura, danke für dein Angebot! Aber ich bin nass, als wäre ich gerade aus dem Main gezogen worden. Dein schönes Auto! Das tue ich dir nicht an. Es ist nicht mehr weit bis zur U-Bahnhaltestelle. Mach’s gut, ruf mich an!«

»Du spinnst! Ist doch nur Wasser«, schimpfte Laura.

Im strömenden Regen stieg sie aus dem Auto, riss Sandra die völlig durchnässten Einkaufstüten aus den Händen und stellte ihn vor die hintere Sitzbank. Dann drängte sie die Freundin in den Wagen, bevor sie selbst wieder einstieg. Sie griff nach hinten und reichte Sandra ein Sweatshirt, das auf dem Rücksitz lag.

»Damit kannst du dich abtrocknen.«

»Und du? Jetzt bist du auch ganz nass geworden. Der Autositz wird aufweichen. Das war doch nicht nötig.«

»Ich liebe Regen, das weißt du. Die paar Tropfen, die ich abbekommen habe, verkrafte ich locker.«

Laura stellte die Heizung auf die höchste Stufe und machte das Gebläse an.

»Jetzt fahre ich dich heim«, sagte Laura in einem Ton, der keinen Wiederspruch erlaubte.

Schnell steuerte Laura in Richtung Stadtautobahn. Der Verkehr war mäßig. Viele Autofahrer warteten bestimmt das Ende des Regenschauers ab. Sie kam zügig bis nach Kronberg durch.

Laura bediente die Tastenkombination der Tiefgarage unter dem luxuriösen Appartementhaus und reichte Sandra den Wohnungsschlüssel.

»So, jetzt gehst du vor und nimmst eine heiße Dusche! Du siehst erbärmlich aus. Ich komme mit den Sachen nach«, sagte Laura. »Du bist total unterkühlt. Mein Bademantel hängt im Badezimmer.«

Zwanzig Minuten später saßen die Frauen im Wohnzimmer der Penthouse-Wohnung. Der Himmel über dem Rhein–Main Gebiet war wieder klar. Ein strahlender Regenbogen überspannte die Hochhäuser der City von Frankfurt.

»Die Aussicht ist einfach grandios, Laura«, sagte Sandra.

Laura schenkte Sandra Kaffee nach.