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Entführt! Doch Imogen bleibt ganz cool. Als Tochter eines Kriminellen soll sie als Unterpfand dienen. Ihr Entführer, Ajax King, ist der Milliardär, der sich geschworen hat, Sydney vom organisierten Verbrechen zu befreien - und ganz nebenbei auch noch der heißeste Typ, den Imogen jemals gesehen hat. Sie träumt davon, mit ihm zum ersten Mal wilden, aufregenden Sex zu haben! Aber Ajax darf sie nicht anrühren, wenn er mit ihrem Vater verhandeln will. Wie lange er ihr wohl widerstehen kann, wenn sie sich in sexy Dessous für ihn rekelt?
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Seitenzahl: 270
MIRA® TASCHENBUCH
Copyright © 2021 by MIRA Taschenbuch in der HarperCollins Germany GmbH
© 2019 by Jackie Ashenden Originaltitel: „King’s Ransom“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DARE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V. / SARL Übersetzung: Peter Groth
Coverabbildung: Harlequin Books S.A./GeorgeRudy/iStock E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN E-Book 9783745752786
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Ajax
Ich war zehn Jahre alt, als mir zum ersten Mal der Verdacht kam, mein Vater könnte kriminell sein.
Als ich dreizehn war, hat er mir dann die Wahrheit erzählt.
Damals beschloss ich, ihm das Handwerk zu legen. Doch wenn man einen Mann wie Augustus King besiegen will, muss man es richtig tun. Man muss an alles denken und darf keine Fehler machen. Ein Verbrecherimperium ist wie eine Hydra – wenn man ihr einen Kopf abschneidet, dann wachsen ihr zwanzig neue.
Ich brauchte fast zwei Jahrzehnte, um alle Köpfe abzuschneiden. Dann hatte ich es geschafft und diesen Mistkerl für immer hinter Gitter gebracht.
Doch die Jahre als ältester Sohn des größten Verbrechers von Sydney hatten bei mir tiefe Narben hinterlassen.
Ich hatte mich daran gewöhnt und betrachtete die Narben als Erinnerung an mein Ziel – das große Ganze –, wozu die Sicherheit meiner Brüder und meiner Stadt gehörte. Deshalb achtete ich aufmerksam auf alle Gefahren und mögliche Bedrohungen.
Wie den gottverdammten William White, ein Feind meines Vaters und der letzte Kopf der Hydra.
Dad war seit fünf Jahren im Gefängnis, und ich lebte seitdem gesetzestreu und leitete eins der am schnellsten wachsenden Immobilienunternehmen in Sydney. Leider konnte ich diesen letzten Kopf nicht einfach abschneiden, wie ich es am liebsten getan hätte. Und es lag nicht daran, dass ich nicht ins Gefängnis gehen wollte.
Nein, ich musste andere Methoden anwenden.
Ich lehnte an der Wand des Ballsaals in einem der besten Hotels von Sydney und betrachtete die glanzvolle, elegant gekleidete Menge, die sich versammelt hatte, um die Gründung einer neuen Wohltätigkeitsorganisation zu feiern.
Man hatte mich nicht eingeladen – niemand würde einen King zu einem eleganten Ballabend einladen –, doch ich war trotzdem hier, denn sie hatten zu viel Angst, um mich abzuweisen.
Meine zwei Brüder und ich versuchten, die Vergangenheit der Kings zu überwinden, doch manchmal war sie ganz hilfreich. Ich konnte mich nicht davon freimachen, ebenfalls gelegentlich auf unseren Ruf zurückzugreifen, vor allem wenn es darum ging, der gesellschaftlichen Crème de la Crème von Sydney klarzumachen, dass die King-Brüder auf dem Weg nach oben und nicht mehr zu ignorieren waren.
Allerdings war das nicht der einzige Grund, weshalb ich hier war.
Der andere saß mir gegenüber auf der anderen Seite des Saals an einem Tisch mit Trotteln in Anzügen, die sich erfolglos darum bemühten, nicht wie Trottel in Anzügen auszusehen.
Miss Imogen White, William Whites Tochter und die bestbehütete Erbin der Stadt.
Das Mädchen war wie Rapunzel in ihrem Turm – niemand kam hinein. Wörtlich wie im übertragenen Sinne. Sie war der Augapfel ihres Vaters, und er achtete darauf, dass sie rein und unverdorben blieb, seine perfekte Prinzessin.
Pech für White, dass ich kurz davor war, das hübsche kleine Schloss seiner Tochter zu erstürmen und vollständig zu besudeln.
White war es irgendwie gelungen, sich beim Zusammenbruch von Dads Imperium dem Zugriff des Gesetzes zu entziehen, und wartete seitdem im Schatten. Still und heimlich versuchte er, das schmutzige Erbe von Augustus King zum Leben zu erwecken.
Ein Erbe, das ich endgültig zerstören würde.
Dieses Arschloch würde untergehen, und dafür würde ich seine Tochter benutzen.
Ich neigte den Kopf und betrachtete sie eingehend, wie sie da neben ihren Trotteln auf dem Stuhl saß.
Eins zweiundfünfzig groß und langes flachsblondes Haar. Große grüne Augen, mit denen sie den Saal und die Menschen darin beobachtete, als wäre das Ganze ein Käfig voller Tiger und sie eine angebundene Ziege.
Sehr interessant, dass ihr Vater eine Einladung für sie bekommen hatte und dass sie ohne ihn hier war. Was mich fast glauben ließ, dass sie tatsächlich die Rolle der angebundenen Ziege spielte.
Sie war ein Köder, der jemanden anlocken sollte.
Mich womöglich? Wahrscheinlich nicht. White war der Überzeugung, dass ich mit der Leitung von King Enterprises, meinem Immobilienunternehmen, viel zu beschäftigt war, um mir Gedanken um ihn zu machen – eine Tarnung, an der ich hart gearbeitet hatte, um meine wahren Beweggründe zu verbergen.
Wessen Köder auch immer sie sein sollte, in ihrem schlichten weißen Cocktailkleid war Imogen sehr hübsch. Ein perfektes kleines Püppchen. Blass und jungfräulich und rein. Allerdings nicht völlig unschuldig, nicht mit diesem rosafarbenen Schmollmund, der sich perfekt um einen Schwanz schließen könnte.
Ja, sie war bezaubernd, trotzdem war sie nichts anderes als ein Druckmittel.
Die Waffe ihres Vaters, die ich gegen ihn verwenden würde, um ihn zu zwingen, seine dunklen Machenschaften aufzugeben und Sydney zu verlassen.
Erst danach würde ich seine Tochter wieder freilassen.
Und falls er sich nicht darauf einließ? Dann würde ich Sex mit ihr haben und ihr die sorgfältig behütete Unschuld nehmen. Denn ich wusste genau, dass sich William White eher die Kehle durchschneiden würde, als zu akzeptieren, dass ein King seine Tochter berührte.
Vor allem ich. Denn für White war ich noch immer grob und brutal und nur wenige Schritte von der Gewalt entfernt, die mich zu dem gemacht hatte, der ich heute war.
Ganz sicher wollte er seine Tochter nicht in meiner Nähe wissen.
Als ich nach einem legalen Weg gesucht hatte, um diesen Mistkerl loszuwerden, hatte es sich als nicht so einfach herausgestellt, denn da war nichts, was ich gegen ihn verwenden konnte.
Also blieb nur seine Tochter. Sie war Teil meines Plans, all das zu schützen, was ich aufgebaut habe.
Vor zehn Jahren wäre ich einfach zu ihr rübergegangen und hätte sie mir über die Schulter geworfen, und niemand hätte mich aufgehalten. Selbst die Polizei hätte Abstand gehalten – sie wollten sich nicht mit einem King anlegen.
Doch die Zeiten hatten sich geändert. Auch wenn ich niemals in Erwägung gezogen hätte, wie Dad vorzugehen – immerhin war ich ein anderer Mann –, so stand zu viel auf dem Spiel, als dass ich eine Niederlage hätte riskieren wollen, und der Zweck heiligte ja bekanntlich alle Mittel.
Wie zum Beispiel die Entführung von William Whites Tochter aus einem Ballsaal voller Menschen.
Ach ja, und sich dabei nicht erwischen lassen.
Ich löste den Blick von der ängstlichen Prinzessin und sah zur Bar des Saals. Klar, dort saß mein jüngerer Bruder Leon mit seiner Frau Vita. Sie zogen viel Aufmerksamkeit auf sich, was auch der Grund dafür war, dass die beiden auf meine Bitte hin mit auf den Ball gekommen waren.
Sie konnten den Kopf hinhalten, während ich mich unbemerkt um meine Angelegenheit kümmerte.
Vermutlich würde Leon wütend werden, wenn er von meinen Plänen wüsste – vor allem wegen seiner eigenen Vergangenheit –, doch was er nicht wusste, das tat ihm auch nicht weh. Außerdem würde so alle Verantwortung bei mir liegen, wenn es schiefging.
Die einzige Person, die hier verletzt wurde, war der beschissene William White.
Ich veränderte meine Haltung und sah erneut zu Imogen.
Sie saß aufrecht und still da, hatte die Hände im Schoß gefaltet. Nur ein zierlicher Fuß in einem weißen Satinschuh wippte zur Musik, die im Saal erklang. Dann hörte sie damit auf, blickte an sich hinunter und errötete. Als hätte sie erst jetzt bemerkt, was sie getan hatte, und sich selbst dabei erwischt. Als ob es etwas Schlimmes wäre, mit dem Fuß zur Musik zu wippen.
Ein anderer Mann hätte vielleicht Mitleid mit ihr gehabt, wie sie da so allein saß und nicht einmal in der Lage war, die Musik zu genießen. Ich aber nicht. Das konnte ich mir nicht leisten. Für mich war sie nur ein Werkzeug, das ich benutzen würde. Das war alles.
Neben ihr auf dem Tisch stand ein Glas Eiswasser, das von der Bedienung immer wieder nachgefüllt wurde, wie ich es gegen Bezahlung gewünscht hatte. Da sie das Glas bereits mehrfach geleert hatte, würde es nicht mehr lange dauern, bis sie schließlich zur Toilette gehen musste, und dann …
Wie auf Kommando blickte sie zu ihren Bodyguards und stand auf, zeigte dann auf den Ausgang zu den Toiletten. Einer von ihnen nickte und machte eine Kopfbewegung zu dem anderen Mann neben ihm, und die beiden folgten ihr, als sie zur Tür ging.
Gut.
Es mit fünf Männern aufzunehmen wäre etwas schwieriger, aber zwei? Leichtes Spiel.
Ich löste mich von der Wand, schlüpfte durch eine Tür in der Nähe, die zu dem Gang mit den Toiletten führte, und erreichte die Damentoilette rechtzeitig, um Imogen darin verschwinden zu sehen. Ihre zwei Bewacher stellten sich davor.
Ich gab ihnen eine Minute, nahm eine Kappe aus der Tasche meiner Anzughose, zog sie mir tief ins Gesicht und ging los.
Ich schlug die beiden so schnell und leise wie möglich k. o., schob ihre reglosen Körper in die leere Herrentoilette, zog die Tür hinter mir zu und brach den Griff ab, damit sie nicht rauskonnten.
Danach ging ich zur Damentoilette und trat ein.
Zum Glück war sie leer, abgesehen von Whites kleiner Prinzessin, die an den Waschbecken gegenüber der Tür stand. Sie wusch sich gerade mit gesenktem Kopf die Hände.
Leise zog ich die Tür hinter mir zu und verschloss sie, lehnte mich dann dagegen und wartete, wie lange es dauern würde, bis Imogen mich bemerkte.
Ungefähr eine Minute, wie sich herausstellte.
Sie summte eine Melodie, einen fröhlich klingenden Popsong, und war vollkommen abgelenkt. Erst als sie die Hände abgetrocknet hatte und sich vorlehnte, um ihr Spiegelbild zu betrachten, sah sie mich im Spiegel.
Das Summen hörte auf, sie riss ihre grünen Augen auf und sah mich erschrocken an.
„Schrei nicht“, sagte ich ruhig. „Ich werde dir nicht wehtun. Doch ich könnte meine Meinung ändern, wenn du versuchen solltest, um Hilfe zu rufen. Hast du verstanden?“
Sie riss die Augen noch weiter auf, während ihr Mund ein weiches, rosiges O formte. Doch sie nickte leicht, um mir zu zeigen, dass sie verstanden hatte, und starrte mich weiter im Spiegel an, als wäre ich der Leibhaftige.
Ich starrte zurück.
Ihre Haut war hell wie Sahne, und ihre Wimpern hatten goldene Spitzen. Sie war von einer eher konventionellen Schönheit, die durch ihren äußerst sinnlichen Mund und dem direkt darüber befindlichen kleinen Muttermal davor bewahrt wurde, fade zu wirken.
Außerdem strahlte sie eine unglaubliche Energie aus.
Mein Interesse war geweckt.
Wie würde es sich wohl anfühlen, sie in die Arme zu ziehen und überall zu streicheln?
Scheiße, bei der Entführung ging es nicht darum, sie zu berühren, auch wenn ich ihrem Vater genau damit drohen würde. Außerdem hatten mich elfenhafte Prinzessinnen – Energie hin oder her – noch nie interessiert. Ich mochte Frauen, die sich mit dem Schwanz eines Mannes auskannten und nichts dagegen hatten, hart zuzupacken, keine Jungfrauen mit aufgerissenen Augen, so wie diese hier.
Schnell verdrängte ich diesen Gedanken. Jetzt hieß es erst mal, sie möglichst unauffällig aus diesem Gebäude zu bekommen.
„W…wo sind denn meine Bodyguards?“ Ihre Stimme klang ein wenig rau.
„Ich habe mich um sie gekümmert.“ Ich trat vom Türrahmen weg und richtete mich zu meiner ganzen Größe auf, wobei ihr Blick jeder meiner Bewegungen folgte.
Langsam wich der Schrecken aus ihrem blassen Gesicht, und es blieb ein Ausdruck, den ich nicht deuten konnte. „Um beide?“ Sie klang zweifelnd, als hätte ich etwas unglaublich Schwieriges vollbracht.
„Ja. Sie sind hinter der verschlossenen Tür auf der Männertoilette.“ Ich machte einen Schritt auf sie zu. „Sie werden nicht kommen, um dich zu retten, Kleines.“
Sie rührte sich nicht. „Du bist Ajax King.“
„Oh, du hast von mir gehört.“ Ich machte einen weiteren Schritt.
„Natürlich. Mein Dad hasst dich.“
„Das beruht auf Gegenseitigkeit.“ Ich war jetzt ganz nah, stand direkt hinter ihr und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel.
Sie senkte die Wimpern. Dann drehte sie sich und legte den Kopf zurück, um mich direkt anzusehen.
Sie war sehr klein, reichte mir kaum bis zur Schulter. Die blasse Haut ihrer Wangen hatte sich rosig gefärbt, und ihre grünen Augen funkelten.
Vielleicht war das der Moment, als ich ihren Ausdruck verstand. Es war nicht Angst oder Schock oder Ärger oder irgendeins der anderen Gefühle, die ich erwartet hatte, als ich eingetreten war.
Nein. Auf ihrem Gesicht sah ich unverhohlene Ehrfurcht.
Nicht gerade die Reaktion, die ich normalerweise gewohnt war. Entweder hatte man vor mir Angst, oder man verabscheute mich. Doch nicht diese grünäugige, jungfräuliche Prinzessin. Sie sah mich an, als wäre ich die Wiederkehr Jesu Christi.
Aus irgendeinem Grund schien das meinem Schwanz zu gefallen.
Scheiße. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Lust war kein Teil dieses Plans, und ich wollte auch nicht, dass sich das änderte. Das Ziel war es, meine Stadt und meine Brüder zu beschützen, und nicht, ein großäugiges niedliches Blondchen zu ficken.
Ich ignorierte meinen ehrlosen Schwanz und warf ihr den Blick zu, mit dem ich normalerweise Leute bedachte, die es wagten, mir zu widersprechen. „Okay, hör zu“, begann ich. „Du musst …“
„Warum bist du hier?“
Ich blinzelte, als sie mich unterbrach. Eine weitere Sache, die man besser nicht machte. „Was?“
„Ich meine, warum bist du hier? Auf der Frauentoilette?“
„Na ja, ich …“
„Du weißt aber schon, dass es die Frauentoilette ist, oder?“
„Ja, ich weiß, dass es …“
„Bist du meinetwegen hier?“
Ich biss die Zähne zusammen. „Hör auf, mich immer zu unterbrechen.“
Zwischen ihren seidigen Augenbrauen erschien eine Falte. „Tut mir leid, das wollte ich nicht. Ich wollte es nur wissen.“
Scheiße, was sollte das? Ich stand da und ließ mich mit sinnlosen Fragen bombardieren? Ich wollte sie entführen, verdammt noch mal.
„Ja“, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, machte noch einen Schritt vorwärts, sodass ich bedrohlich auf sie hinabblickte, und hoffte, sie würde endlich begreifen, dass sie Angst haben und mich nicht angucken sollte, als wäre ich der gottverdammte Captain America. „Ich bin deinetwegen hier.“
Jetzt funkelten ihre Augen noch mehr, als wäre ich der Mann ihrer Träume und hätte sie gerade zum Abendessen eingeladen.
„Jetzt guck nicht so erfreut“, schalt ich sie barsch. „Ich lade dich nicht zum Tanz ein. Ich bin hier, um dich zu entführen.“
Ihr umwerfender Mund öffnete sich weit. „Mich entführen?“, wiederholte sie und sah mich erstaunt an. Und dann, bevor ich noch etwas sagen konnte, grinste sie mich an. „Oh mein Gott, das ist ja großartig!“
Imogen
„Was meinst du mit ‚großartig‘?“ Ajax King hatte seine betörend blauen Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, und seine tiefe, raue Stimme klang verärgert.
Seltsam. Eigentlich hätte man doch annehmen können, dass er glücklich darüber sein würde, wenn ich ohne viel Ärger und Geschrei mit ihm ging.
Offenbar war er es aber nicht.
Andererseits hatte ich nicht die Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, ob er verärgert war oder nicht. Mir war jedoch bewusst, dass endlich – endlich! – die Gelegenheit gekommen war, auf die ich seit mehr als zwei Jahren gewartet hatte.
Die Gelegenheit, von meinem verdammten Vater wegzukommen.
Mein Herz raste, und ich spürte den Adrenalinstoß, der mich durchströmte.
„Dafür ist jetzt keine Zeit“, sagte ich eilig und neigte den Kopf zur Seite, um an seiner riesigen Gestalt vorbei zur Tür zu blicken. „Dads andere Jungs werden merken, dass ich nicht zurückgekehrt bin, und mich suchen. Wenn wir gehen wollen, dann sollten wir es jetzt tun.“
„Jetzt warte mal eine verdammte Minute …“
Doch ich hatte keine verdammte Minute.
Ich griff nach seiner Hand und zog ihn zur Tür. Oder zumindest versuchte ich es. Etwas schwierig, wenn er sich nicht ziehen ließ.
Verdammt.
Ich drehte mich zu ihm, und langsam mischte sich Furcht in meine Aufregung. „Bitte! Wenn du mich entführen willst, dann musst du es jetzt machen. Komm schon!“ Erneut zog ich an seiner Hand.
Er rührte sich nicht, nagelte mich nur mit seinem stahlharten Blick fest. „Du willst tatsächlich, dass ich dich entführe?“
Echt jetzt? War das der richtige Moment, mir blöde Fragen zu stellen?
„Würde ich dich sonst darum bitten?“ Ich zog wieder an seiner Hand. „Jetzt komm endlich.“
Doch es war so, als würde man versuchen, einen Berg zu bewegen. Der verfluchte Mensch rührte sich einfach nicht.
Meine Angst wurde stärker. Wenn wir jetzt nicht gehen würden, dann käme der Rest meiner Bodyguards und würde mich finden. Und dann würden sie versuchen, mich aufzuhalten, und meine Chance zur Flucht wäre dahin.
Ich würde weiter in meinem goldenen Käfig leben, wo ich keinen Finger rühren durfte, ohne dass fünf Bodyguards aufsprangen. Wo ich mein Verhalten so gewissenhaft kontrollieren musste, dass es angenehmer war, im Haus zu bleiben, als nach draußen zu gehen. Es war ein Käfig, von dem ich gar nicht bemerkt hatte, wie er mit den Jahren immer kleiner geworden war. Bis zu dem Tag, als ich erkannte, was für ein Mann mein Vater war und dass ich erdrückt werden würde, wenn ich noch länger blieb.
Ich würde wieder machtlos sein. Würde wieder benutzt werden. Würde wieder so einsam sein, dass es mir in der Seele wehtat.
Nein, das konnte ich nicht. Das würde ich nicht.
Hier war meine Gelegenheit zur Flucht, und ich würde sie nutzen.
Ajax King war der größte Feind meines Vaters, wer könnte mir also besser dabei helfen? Er hatte mich den ganzen Abend beobachtet – ich hatte es bemerkt, da ich nichts anderes zu tun hatte –, und jetzt wusste ich auch, warum.
Es hätte gar nicht perfekter kommen können.
In diesem Augenblick klopfte jemand an die Tür, und ich erstarrte.
„Miss White?“, vernahm ich eine Männerstimme. „Sind Sie da drin?“
Scheiße. Es war Colin, einer meiner Bodyguards.
Ich drehte mich wieder zu Ajax, der bei den Waschbecken stand und so groß war, dass er fast mit dem Kopf an die Decke stieß. Sein Gesichtsausdruck war teilnahmslos. Trotzdem waren seine maskulinen Züge unwiderstehlich. Ein markanter Kiefer und kräftige Nasenflügel. Hohe Wangenknochen. Diese beeindruckend blauen Augen. Nicht unbedingt hübsch. Aber sehr, sehr männlich, und dann der Blick, den er mir zuwarf …
Ich spürte, wie mich etwas durchfuhr. Ein Kribbeln auf der Haut, wie Elektrizität. Es kam unerwartet, war seltsam, und ich ignorierte es, da ich zu besorgt war über das, was er tun würde.
Würde er seine Meinung ändern? Mich einfach zurücklassen?
Mein Mund war ganz trocken, als ich schluckte und ihm einen flehenden Blick zuwarf. Bitte hilf mir. Bitte.
„Miss White?“, fragte Colin erneut, diesmal etwas schärfer. „Sind Sie da drin?“
Ajax warf einen Blick zur Tür und wieder zu mir.
Dann zog er mich plötzlich an sich, sodass ich nur noch Zentimeter von seinem muskulösen Körper entfernt war. Er senkte den Kopf und hielt den Mund an mein Ohr. „Mach, was ich dir sage“, murmelte er. „Und ich bring dich hier raus.“
Ich blinzelte. Seit Jahren war ich einem Mann nicht mehr so nah gewesen. Womöglich noch nie.
Es war seltsam. Er war sehr, sehr warm und roch gut. Ein würziger, holziger Duft, der mich dahinschmelzen ließ und meine wachsende Panik milderte.
„Streck jetzt die Arme aus. Und kein Wort!“
Sein Atem auf meiner Haut ließ mich erschauern, und ich bekam eine Gänsehaut, die sich über Hals und Schultern ausbreitete, wobei das kribbelnde Gefühl immer stärker wurde.
Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, deshalb streckte ich gehorsam die Arme aus. Schnell schlüpfte er aus seiner schwarzen Anzugjacke, und bevor ich mir noch einen Reim darauf machen konnte, hatte er sie schon über mich gelegt.
Fast hätte ich vergessen, dass ich nicht sprechen sollte, und öffnete den Mund, um ihn zu fragen, was er vorhatte. Doch er zog sich die Kappe vom Kopf und tat sie auf meinen, dann raffte er mit einer für einen Mann überraschenden Geschicklichkeit mein Haar zusammen und steckte es unter die Mütze, sodass man es nicht sehen konnte.
Ich blinzelte zu ihm auf. Weit nach oben.
Seine Augen waren von dem unglaublichsten Blau. Ein Farbton wie der Himmel an einem perfekten Wintertag. Zusätzlich wurden sie noch durch die geraden schwarzen Augenbrauen und dichten Wimpern betont.
Mein Herz hüpfte auf seltsame Weise.
Ich wusste nicht viel über ihn, nur, dass mein Vater ihn abgrundtief hasste, weil Dad und Augustus King Rivalen waren, bis Augustus ins Gefängnis gekommen war. Dad hatte gehofft, alles an sich reißen zu können, was von seinem Imperium übrig war, nachdem Augustus weg war – er war ziemlich opportunistisch.
Doch offensichtlich war ihm Ajax King in die Quere gekommen.
Vielleicht war das der Grund, weshalb ich nicht geschrien hatte, als Ajax auf der Toilette aufgetaucht war. Warum ich ihm glaubte, als er sagte, dass er mir nicht wehtun würde.
Womöglich war er mal der Erbe des größten Verbrecherimperiums in Sydney gewesen, doch jetzt war er das nicht, und jeder Feind meines Vaters war mein Freund.
Natürlich hatte ich nicht klar gedacht, als er plötzlich aufgetaucht war, und auch jetzt fiel es mir schwer, einen vernünftigen Gedanken zustande zu bringen, wenn ein Blick in seine Augen ausreichte, um mein Herz rasen zu lassen.
Ich vergaß, dass ich versprochen hatte, nichts zu sagen, öffnete den Mund, um ihn zu fragen, was los war, doch bevor ich das tun konnte, beugte er sich vor und hob mich hoch.
Mein Magen schlug Purzelbäume, und alles um mich herum begann sich zu drehen. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
War es vorher schon so heiß gewesen? Denn das war alles, was mir bewusst wurde. Eine intensive, überwältigende Hitze, ausgestrahlt von dem festen Oberkörper, an den ich gedrückt wurde, und den starken Armen, die mich umfingen.
Ich hielt die Luft an.
„Versteck dein Gesicht an meiner Brust“, murmelte Ajax, bevor er zur Tür ging.
Mein Verstand schien unfähig, die Anweisung zu verarbeiten. Mein Gesicht verstecken? Warum? Und was tat er überhaupt? Wusste er denn nicht, dass …
Plötzlich krachte es, als er die Tür auftrat, und ich konnte einen flüchtigen Blick auf Colin und den anderen Typen werfen – ein neuer Mann, an dessen Namen ich mich nicht erinnern konnte – und drehte mich instinktiv weg, verbarg mein Gesicht an Ajax’ breiter Brust, genau wie er es mir gesagt hatte.
Die Baumwolle seines Hemdes war ganz warm von der heißen Haut darunter, und sein Duft erfüllte meine Sinne. Sandelholz vielleicht und … Zeder? Doch was es auch war, er roch unglaublich gut. Ich drückte die Wange an den Stoff, spürte darunter seine festen Muskeln und atmete tief ein, sodass mir sein Geruch direkt in den Kopf stieg.
„Was ist los?“, wollte Ajax wissen, und seine tiefe Stimme ließ die Brust an meiner Wange vibrieren. „Geht mir verdammt noch mal aus dem Weg.“
Stille.
Ich hätte aufmerksamer darauf achten sollen, was geschah, doch ich war viel zu abgelenkt.
Seine Körperwärme drang durch mein dummes weißes Cocktailkleid, das mir Dad aufgezwungen hatte, und ich spürte genau, wie stark und muskulös Ajax war. Als wäre er aus Granit und würde nicht aus Fleisch und Knochen bestehen.
Meine innere Rastlosigkeit hatte sich gelegt. Als wüsste sie, dass er mich beschützen würde, wenn irgendwas passierte. Das war seltsam, denn ich wusste eigentlich, dass es in der Nähe von Männern nie besonders sicher war.
„Wir suchen Miss Imogen White“, sagte Colin. „Sie war in der …“
„Keine Ahnung, interessiert mich einen Scheiß“, erwiderte Ajax beiläufig, während er einfach weiterging, mit mir auf seinem Arm. „Geht rein, und überprüft die verdammte Toilette selbst. Da ist niemand.“
„Aber Sie müssen …“
„Falls ihr das nicht seht, ich bin gerade beschäftigt.“
Danach wurde es wieder still, und weil Ajax nicht stehen geblieben war, hatten die Bodyguards offenbar nicht bemerkt, dass ich in seinem Arm lag. Jetzt verstand ich auch die Bedeutung der Anzugjacke und der Mütze, womit er meine Identität verborgen hatte.
Ich hätte mich noch mehr entspannt, wenn ich nicht neugierig geworden wäre und schließlich den Kopf drehte, worauf er grimmig flüsterte: „Lass den Kopf da, wo er ist. Wir sind noch nicht aus dem Haus.“
Ich nickte und schloss die Augen, spürte seine Wärme, genoss das Würzige und den leichten Geruch von Waschpulver seines Hemdes. Unter meinem Ohr schlug sein Herz, und ich lauschte dem stetigen, starken Rhythmus.
Der ist wie er.
Schon seltsam, so über einen Mann zu denken, den ich gerade erst getroffen hatte und den ich nicht kannte. Vielleicht war ich ja betrunken. Vielleicht war ich auch high. Von ihm und seinem magischen Duft. Was auch immer es war, ich akzeptierte es ohne Protest.
Doch das spielte ohnehin keine Rolle. Er hätte auch Jack the Ripper sein können, und ich wäre damit einverstanden, wenn es ihm gelingen würde, mich ungesehen aus dem Haus zu schaffen.
Beim Gedanken an die zum Greifen nahe Freiheit wurde ich ganz aufgeregt, und wenn ich nicht so sicher in seinen Armen gelegen hätte, dann hätte ich mich bewegt.
Schon im normalen Zustand fand ich es schwierig, mich nicht zu bewegen, und es wurde ganz schlimm, wenn ich aufgeregt, wütend oder traurig war.
Eine zappelige Quasselstrippe – das hatten die Kindermädchen über mich gesagt.
Ein Schlamassel, so nannte es mein Vater und sah mich mit der Missbilligung an, die mir schon als Kind so wehgetan hatte, als ich mich nach seiner Zuneigung sehnte.
Meine Mutter war bei meiner Geburt gestorben, sonst wäre alles anders gekommen. Dad wäre anders gewesen. Doch sie war gestorben, und er war so, wie er war, und ich sehnte mich nach seiner Liebe.
Meine unersättliche Neugierde gefiel ihm nicht, und es missfiel ihm auch, dass ich immer in Bewegung war. Ich versuchte ständig, still zu bleiben und ihn nicht zu verärgern, indem ich nicht mit den Beinen wippte oder ein Lied summte oder Fragen stellte oder irgendwas anderes tat, das ihn wütend machte, doch es war ein ständiger Kampf.
Allerdings hatte meine mangelnde Selbstbeherrschung erst mit achtzehn Konsequenzen gehabt. Schreckliche Konsequenzen.
Seitdem versuchte ich, mich genau so zu verhalten, wie Dad es von mir erwartete, doch der Kampf gegen mein rastloses Wesen hörte niemals auf und war sehr erschöpfend.
Im Augenblick fühlte ich mich allerdings gar nicht erschöpft. Ich hätte den ganzen Tag ruhig und unbeweglich in Ajax’ Armen liegen können.
Gedankenverloren rieb ich mit der Wange über den Stoff seines Hemdes, wollte ihm näher kommen, worauf er ein undefinierbares Geräusch von sich gab. „Scheiße, beweg dich nicht, solange ich es dir nicht sage. Deine Haare rutschen raus, und man wird erkennen, wer du bist.“
Gehorsam bewegte ich mich nicht mehr. „Für wen halten sie mich denn jetzt?“
„Irgendein Mädchen, dass ich zum Vögeln in meine Höhle trage.“
Die Worte durchfuhren mich wie ein Stromstoß. „Wirklich? Trägst du oft Mädchen von Bällen weg, um sie zu vögeln?“
„Hör auf zu reden.“
„Aber was ist mit …“
„Sei still!“
In seiner Stimme lag ein autoritärer Unterton, der mich beruhigte, obwohl ich keine weitere Beruhigung benötigte. Ich war so ruhig, dass ich schon fast katatonisch war, eingelullt von seiner Hitze und dem Gefühl, behutsam und sorgfältig gehalten zu werden. Als wäre ich etwas Kostbares, das er nicht fallen lassen wollte.
Wir kamen an mehreren Leuten vorbei, die sich laut unterhielten, und dann strich mir kühle Luft um die nackten Beine, und das Licht der Neonreklamen und Straßenlaternen erhellte das Weiß von Ajax’ Hemd.
Offenbar waren wir draußen.
Es fühlte sich an, als würden wir ein paar Stufen hinuntergehen, und ich hörte Autos.
Mich erfasste ein Gefühl des Bedauerns. Da wir draußen waren, würde er mich bald runterlassen, und ich würde nicht länger in seiner Wärme und dem herrlichen Gefühl von Frieden schwelgen können.
Das wollte ich nicht. Ich wollte hierbleiben, in seinen Armen, an seiner festen Brust, und auf die Sicherheit seines Herzschlags horchen.
Plötzlich hörte ich eine Autotür, die geöffnet wurde, dann lösten sich seine Arme und entließen mich in den Fond eines schwarzen Vans.
„Los“, befahl Ajax dem Fahrer, nachdem er eingestiegen war und die Tür hinter sich schloss. Er drückte mich auf die Sitzbank und legte mir den Sicherheitsgurt an, als der Van mit quietschenden Reifen losfuhr.
Ich umklammerte den Gurt, als Ajax sich hinsetzte und ebenfalls anschnallte.
Die Wärme, in der ich mich so sicher und ruhig gefühlt hatte, verschwand und hinterließ ein Gefühl der Kälte, während der rastlose Teil in mir wieder lebendig wurde.
„Bitte sag mir, dass wir es geschafft haben.“ Ich blickte aus dem Fenster zu dem hinter uns zurückbleibenden Gebäude, und mein Herz raste, während ich befürchtete, dass meine Bodyguards herausgelaufen kamen. „Bitte sag mir, dass sie uns nicht folgen.“
„Oh, es könnte schon sein, dass sie noch kommen“, erwiderte Ajax ruhig. „Doch sie werden uns nicht finden.“
Ich drehte mich zu ihm und bemerkte, dass er mich anblickte, wobei ein Ausdruck von Genugtuung in seinen eisblauen Augen glitzerte.
Erneut stockte mir der Atem.
Er saß da in seiner beiläufigen, arroganten Haltung, die langen Beine ausgestreckt, der Stoff seines Hemdes straff an seinen muskulösen Schultern und über der Brust, als würde es ihn nicht kümmern, dass er so viel Platz wie möglich einnahm. Als würde er von mir erwarten, dass ich mich bewegte, wenn es mir nicht gefiele, denn er würde sicherlich nicht weichen.
Er war wie ein König auf seinem Thron und starrte mich an, als wäre ich ein neues Land, das er gerade erobert hätte.
Ich erschauerte.
Und plötzlich wurde mir bewusst, was gerade passiert war und was es bedeutete.
Ich war von meinem Vater befreit, doch ich war nicht wirklich frei. Denn ich war von Sydneys übelstem Milliardär entführt worden.
Und ich hatte keine Ahnung, was er mit mir vorhatte.
Ajax
Ich konnte es Imogen genau ansehen, als sie es endlich begriff. Als ihr langsam klar wurde, in was sie da reingeraten war. Und zum ersten Mal lag eine gewisse Skepsis in ihrem Blick.
Es war keine Angst, doch ich würde es Vorsicht nennen, was ohnehin längst fällig war.
Sie hatte sich in meinen Armen entspannt, warm und weich, als wäre ich ihr ganz persönlicher Held, der gekommen war, um sie zu retten. Doch so ein Scheiß würde sicherlich nicht passieren. Denn ich war kein gottverdammter Held, für niemanden.
Außerdem konnte ich nur noch an ihren verführerischen Mund mit diesem faszinierenden kleinen Muttermal direkt über der Oberlippe denken. Ich wollte ihn küssen, darüberlecken. Ich wollte ihr in die Unterlippe beißen, dann sanft daran saugen und zusehen, wie sie noch roter und voller wurde, als sie ohnehin schon war.
Allerdings würde ich das nicht tun. Möglich, dass sie sich als unerwartet verführerisch herausstellte, doch ich hatte einen Plan und würde keinen Schritt davon abweichen. Schließlich war ihre unversehrte Jungfräulichkeit ein wichtiger Teil davon.
Sie starrte mich an, und ihre hypnotisierende Energie hüllte sie ein, schien förmlich zu knistern.
Es war gut, dass sie vorsichtig war. Denn ich war tatsächlich gefährlich.
Jeder behandelte mich mit Vorsicht, die Nervöseren machten sogar einen Bogen um mich. Ich pflegte diesen Ruf, denn Dad hatte mir beigebracht, dass man die Menschen mit Angst besser unter Kontrolle halten konnte, als man es jemals mit Freundlichkeit vermochte.
Und es gab gute Gründe, mich zu fürchten. Ich wollte nicht, dass ein neuer Augustus King in der Stadt auftauchte, und die Angst davor, was ich mit jedem Anwärter auf Dads leeren Thron machen würde, hielt selbst die Ambitioniertesten auf Abstand.
„Na gut“, sagte Imogen und klammerte sich mit ihren langen, zarten Fingern am Sicherheitsgurt fest. „Das ist witzig.“ Dann besaß sie die Unverfrorenheit zu lächeln – ein wenig unsicher, aber trotzdem. „Erfahre ich auch, wohin du mich bringst? Und was du mit mir vorhast? Was ist mit Dad? Wird er nicht …“
Ich legte ihr einen Finger auf den samtweichen rosigen Mund und brachte sie zum Schweigen.
Sie riss die Augen auf – und sah unglaublich niedlich aus, wie sie mich anstarrte, eingepackt in mein viel zu großes Jackett und mit der tief über ihre blonden Haare gezogenen Kappe.
Noch immer spürte ich ihr Gewicht auf meinen Armen, die Wärme ihres Körpers, der an meine Brust gekuschelt war. Sie hatte dort so ruhig gelegen, dennoch hatte ich diese feine Vibration gespürt, die mir unter die Haut gedrungen und dort geblieben war. Womöglich war sie doch nicht das zerbrechliche kleine Ding, als dass sie zunächst erschienen war. Als sie auf der Toilette an meiner Hand gezogen hatte, konnte ich jedenfalls eine erstaunliche Stärke in ihrem Griff spüren. Und auch jetzt, nachdem ich sie entführt hatte, sah ich neben der Vorsicht noch immer Entschlossenheit in ihrem Blick.
Neben der unleugbaren körperlichen Anziehung verspürte ich eine wachsende Neugier. Doch beides unterdrückte ich mit Gewalt. Diese Frau war nur ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck, und ich durfte mir keine Ablenkungen erlauben, nicht jetzt.