Schattenruf - Klara Bellis - E-Book

Schattenruf E-Book

Klara Bellis

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Beschreibung

Aus den tiefsten Schatten seiner Seele kroch sie heran, die Erkenntnis: Heute Nacht würde er sterben – getötet von einem Vampir. »Sterben?«, raunte es zwischen seinen Gedanken. »Fühlt es sich für dich so an?«

 

Ein grausamer Tod wartet auf Jan. Dabei fing alles so wunderbar an. Endlich erfüllt sich sein Traum vom eigenen Garten. Und er lernt eine Frau kennen, die nicht nur clever, sondern auch geheimnisvoll ist. In sein langweiliges Leben kehrt das Glück zurück. Doch dann kommen die Albträume. In ihren Schatten lauert etwas – und es ruft.

 

Ein Spin-off der »Trywwidt«-Romane.

 

Leseprobe

 

In den nächsten Monaten arbeitete Jan jeden freien Nachmittag auf dem Jägergrundstück. Er hackte und mähte, stutzte und schnippelte. Die Frau stand fast jedes Mal an seiner Seite. Sie half ihm, Unkraut von Blumen zu unterscheiden, erklärte ihm, welche Pflanzen gut miteinander auskamen. Sie selbst arbeitete nie. Sie gab nur Anweisungen.

Als Jan sie einmal darauf ansprach, lachte sie und sagte: »Mein lieber Jan, Sie haben mich als Pflanzenkennerin eingestellt und nicht als Gärtnerin.« Dabei zupfte sie an ihrem weißen Kleid, als wollte sie verdeutlichen, warum sie auf keinen Fall in der Erde herumwühlen konnte.

Sie trug jedes Mal dasselbe Kleid und dieselbe Frisur, wenn sie im Garten erschien. Inzwischen hatte er von ihr erfahren, dass sie Sally Rosenblatt hieß – was für ein passender Name für eine Gartenliebhaberin, dachte er – und dass sie den Garten seit über zwanzig Jahren kannte. Viel mehr erfuhr er nicht. Wenn er sie auszufragen versuchte, über ihren Job oder ihre Familie, dann lachte sie nur und sagte: »Mein lieber Jan, Sie arbeiten hier als Gärtner und nicht als Detektiv.«

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Klara Bellis

Schattenruf

Für Beere und SchrumpelBookRix GmbH & Co. KG81371 München

Waschküche

Im Augenblick des Todes soll angeblich das ganze Leben an einem vorbeiziehen. Jan gingen nur die letzten Monate durch den Kopf. Wieder und wieder. Eine Dauerschleife des Glücks, das sich in Entsetzen verwandelte.

Da gab es den Garten. Die Ziegelwand. Und den Anruf. Warum nur hatte er diesen Arzt angerufen?

Er kniff die Augen zu und zwang sich, ruhig zu atmen. Vergeblich. Die Panik peitschte die Luft aus seinen Lungen, drückte sie durch die Nasenlöcher, die sofort gierig frischen Nachschub einsogen. Durch den mit Paketband verklebten Mund konnte er nicht atmen. An Händen und Beinen mit Kabelbindern gefesselt lag er, mit bloßen Füßen und im Pyjama, auf dem kalten Estrichboden einer Waschküche und wartete auf den Tod.

Das Wasser im Kessel erhitzte sich langsam. Neben dem Kessel stand der Eimer. Der Eimer mit der Asche. Jetzt fehlte nur noch eine Zutat, um das Aschenblut-Ritual perfekt zu machen – und das war Blut. Sein Blut. Er wimmerte vor Angst. 

Soeben hatten die beiden Männer die Waschküche betreten. Männer, die sich geschmeidig wie Raubkatzen bewegten und die nichts Menschliches an sich hatten, denn es waren keine Menschen. Ihnen folgte ein dritter Mann. Ein untersetzter Mittfünfziger, dessen Augen unsicher durch eine dicke Brille blinzelten. Er presste eine alte Hebammentasche aus braunem Leder gegen seinen Leib, als versuchte er, sich daran festzuhalten. Jan kannte seine Stimme. Er hatte sie schon einmal am Telefon gehört. Der Anruf bei Doktor Siebold. Die Stimme, die den Albtraum wahr gemacht hatte, der an einem Morgen im Mai als Traum begann.

Gefangen im Hamsterrad

An einem Freitagmorgen im Mai nahm das Verhängnis seinen Lauf. Wie jeden Tag fuhr Jan Böttcher mit dem Pendlerzug in die Großstadt. Eine Stunde hin, eine Stunde zurück und zwischendurch acht Stunden Langeweile, wenn er über den Akten brütete, die sich auf dem Schreibtisch im Grünflächenamt stapelten. Und auch an diesem Wochenende würde er, wie jedes Wochenende, vor dem Fernseher sitzen und von einem anderen Leben träumen. Er war geschieden, die Kinder längst ausgeflogen, fast dreißig Jahre im selben Job. Mit Anfang fünfzig hatte es sich ausgeträumt, da brauchte er sich nichts vorzumachen.

Lustlos blätterte er in der Zeitung. Die meisten Artikel überflog er. Seine Gedanken schwebten ohnehin in anderen Gefilden. Im Moment dachte er an Inka aus dem Sekretariat, die ihm gestern ein Kompliment für seinen getrimmten Vollbart gemacht hatte. »Der ist echt nice«, hatte sie mit einem verwegenen Zwinkern gesagt. Er hätte das glatt als Flirtversuch gewertet, wenn Inka nicht weitaus jünger als seine Tochter wäre. Sicher, für sein Alter sah er recht passabel aus, redete er sich zumindest ein. Zwar kniff seine Lieblingsjeans verdächtig am Bauch und auch mit seinem Haar sollte er mal was anderes anstellen. Trotz der grauen Farbe wuchs es im Vergleich zum schütteren Kopfschmuck der Kollegen noch recht üppig. Und was den Bauchansatz betraf, der sein neues Hemd verdächtig ausbeulte, der ließe sich bestimmt wegtrainieren. Anderseits hatte er vor zwei Jahren den Hometrainer verschenkt, der ihm lange Zeit treue Dienste als Staubfänger geleistet hatte.

Der Zug fuhr in den Bahnhof ein. Lustlos packte Jan seinen Kram zusammen. Schwerfällig erhob er sich vom Sitz und schlurfte zum Ausgang, wo sich die anderen Pendler schon drängten. Jeden Morgen der gleiche Trott. Vielleicht sollte er sich einen Hund anschaffen und nach der Arbeit raus an die frische Luft gehen, anstatt vorm Fernseher zu versauern. Oder noch besser, einen Garten. Kurz blitzten vor seinem inneren Auge schweißglänzende Muskeln auf und kräftige Hände, die sich an einen Spatengriff klammerten. Eigentlich pure Ironie, dachte er. Keinen Garten haben, aber im Grünflächenamt arbeiten. Mit einem verächtlichen Schniefen blies er das Gedankenbild weg. Für solche Mätzchen hatte er keine Nerven. Im Grunde war er schon jetzt erschöpft, dabei hatte er den Zug gerade erst verlassen, um sich mit dem Strom der Pendler in Richtung Innenstadt treiben zu lassen. Mit einem Seufzen ergab er sich einem weiteren Tag im Hamsterrad, und nur der Gedanke ans nahe Wochenende hielt seine Laune gerade so über dem Gefrierpunkt.

 

Haus und Garten

Auf der Rückfahrt nach Hause erreichte der Pendlererzug mit ein paar Minuten Verspätung den Kleinstadtbahnhof. Jan stieg aus. Befreit sog er die frische Frühlingsluft ein. Eine Wohltat nach dem säuerlichen Dunst im Zugabteil. Die Aktentasche baumelte locker zwischen seinen Fingern. Wie immer am Freitagnachmittag fühlte sie sich viel leichter an. Sein Heimweg führte ihn durch die Siedlungsstraße, gesäumt von luxuriösen Einfamilienhäusern. Eine der Parzellen stach heraus. Sie verweigerte sich schon seit Jahren dem Wettbewerb zwischen Protz und Einfallslosigkeit und glich eher einer Wildnis, in deren Zentrum ein baufälliges Häuschen stand. Im letzten Jahr hatte hier noch Friedrich Jäger gewohnt. Der schrullige Alte, der inzwischen zu seiner Familie in die Großstadt gezogen war, gehörte einer streng religiösen Gemeinschaft an. Angeblich praktizierten sie sogar Teufelsaustreibungen, munkelten die Leute in der Stadt. Was für ein Quatsch. Jan musste schmunzeln.

Der Nachbar, Ingolf Schröter, kümmerte sich um das Jägergrundstück. Gerade mähte er die Wiese. Jan versuchte, sich unauffällig vorbeizuschleichen, denn ein kurzer Plausch mit seinem ehemaligen Schulkameraden Ingolf artete meist in einen ellenlangen Monolog aus, in dem sich dieser ausschweifend über sämtliche Ungerechtigkeiten dieser Welt aufregte. Darauf hatte Jan so kurz vorm Wochenende überhaupt keine Lust. Er wollte einfach nach Hause, die Füße hochlegen und mit einem kühlen Bier vorm Fernseher versacken. Leider verriet ihn das Knirschen seiner Schritte auf dem Kiesweg. Sofort ließ Ingolf die Sense sinken und winkte ihn mit einer herrischen Geste heran.

»Hast du schon gehört?«, raunte er verschwörerisch, kaum dass Jan sich dem morschen Holzzaun auf zwei Meter genähert hatte. »Die Kinder vom alten Jäger suchen immer noch einen Käufer.« Ingolf nickte so heftig in Richtung des Wildwuchses, dass sein klischeehafter Strohhut wackelte. Sogar eine grüne Latzhose und gelbe Gummistiefel hatte er sich angezogen. Fast konnte man glauben, er wäre ein echter Gartenprofi und kein Frührentner mit Rückenproblemen. »Hoffentlich finden die bald einen Dummen. Lange mache ich das nicht mehr mit.« Er rieb sich den Rücken und ächzte, als hätte er Schmerzen. Die Gartenarbeit bekam ihm offenbar schlecht.

Jan schaute in das Grün und dachte an bloße Füße, die im weichen Gras versanken. Was, wenn das hier seine Chance wäre? Wenn er einfach die Sache übernahm? Vorausgesetzt Ingolf meinte es ernst mit seinem Gejammer. Andererseits war er auch nicht mehr der Jüngste. Und doch, so ein Garten wäre ein schöner Ausgleich. Das bisschen Gras mähen konnte doch nicht so schwer sein.

»Ich mach’s«, hörte er sich sagen, ohne zu wissen, ob er es wirklich wollte. »Ich spiele so lange Gärtner, bis einer das Grundstück kauft.«

»Echt jetzt?« Ingolf sah ihn mit großen Augen an.

»Warum nicht? Ein bisschen Bewegung an der frischen Luft.« Jan stellte die Aktentasche ab und schlenkerte mit den Armen. »Das tut mir sicher gut.«

»Ich nehme dich beim Wort.« Ingolfs Augen leuchteten auf. »Ich rufe gleich bei den Jägers an.« Er zog das Handy aus der Hosentasche. »Ach, was rede ich. Die heißen gar nicht Jäger, sondern irgendwie italienisch, glaube ich.« Ungelenk wischte er auf dem Display herum. »Das sind ja nicht die Kinder vom Alten, sondern der Sohn der Schwester und die Tochter eines …« Er brach mitten im Satz ab und begann, ins Handy zu sprechen.