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In diesem Buch wird die Thematik Schätzen auf die Projektwelt angewandt. Wer kennt sie nicht, die großen Bauprojekte, die meist deutlich teurer werden und länger dauern als geschätzt. Egal ob es sich um die Elbphilharmonie handelt, den Berliner Flughafen oder Stuttgart 21. Verschiebungen und Kostensteigerungen sind an der Tagesordnung. In der agilen Projektwelt verspricht man sich deutlich bessere Schätzungen als bei den klassischen Verfahren. Zum einen findet der klassische Projektplan im agilen Kontext keine Anwendung, zum anderen sind die Planungszyklen deutlich kürzer. Dieser Band konzentriert sich darauf, die Hauptursachen für Fehleinschätzungen zu beleuchten und Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität von Abschätzungen aufzuzeigen. Er ist mitnichten als ein Plädoyer gegen Abschätzungen zu verstehen, sondern steht ganz im Sinne Dwight D. Eisenhowers Aussage: Plans are useless, but planning is essential.
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Seitenzahl: 95
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Jörg Brüggenkamp / Peter Preuss / Tobias Renk
Schätzen in agilen Projekten
In der Lehre immer am Zahn der Zeit zu sein, wird in unserer schnelllebigen Zeit immer mehr zur Herausforderung. Mit unserer neuen fachübergreifenden Reihe nuggets präsentieren wir Ihnen die aktuellen Trends, die Forschung, Lehre und Gesellschaft beschäftigen – wissenschaftlich fundiert und kompakt dargestellt. Ein besonderes Augenmerk legt die Reihe auf den didaktischen Anspruch, denn die Bände sind vor allem konzipiert als kleine Bausteine, die Sie für Ihre Lehrveranstaltung ganz unkompliziert einsetzen können. Mit unseren nuggets bekommen Sie prägnante und kompakt dargestellte Themen im handlichen Buchformat, verfasst von Expert:innen, die gezielte Information mit fundierter Analyse verbinden und damit aktuelles Wissen vermitteln, ohne den Fokus auf das Wesentliche zu verlieren. Damit sind sie für Lehre und Studium vor allem eines: Gold wert! So gezielt die Themen in den Bänden bearbeitet werden, so breit ist auch das Fachspektrum, das die nuggets abdecken: von den Wirtschaftswissenschaften über die Geisteswissenschaften und die Naturwissenschaften bis hin zur Sozialwissenschaft – Leser:innen aller Fachbereiche können in dieser Reihe fündig werden.
Dipl. Inf. Jörg Brüggenkamp ist geschäftsführender Gesellschafter der PMC - ProjektManagement- und Controlling GmbH in der Schweiz. Er ist als Spezialist mit über 20 Jahren Erfahrung in den Bereichen Turnaround-/Interims-Management im klassischen und agilen Umfeld tätig.
Prof. Dr. Peter Preuss lehrt Wirtschaftsinformatik an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Stuttgart. Er ist zertifizierter Project Management Professional (PMP) nach PMI und Professional Scrum Master. Parallel zu seiner Lehrtätigkeit ist Peter Preuss geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung People Consolidated GmbH.
Dr. Tobias Renk ist Chief Information Officer (CIO) der Trafineo GmbH & Co. KG. Er ist als Experte und Keynote Speaker zu den Themen Künstliche Intelligenz, Innovation, kultureller Wandel und Digitale Transformation unterwegs. Außerdem ist er als Dozent für Digitale Wirtschaft & Geschäftsmodelle an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart tätig.
Umschlagabbildung: © wanderluster iStockphoto
DOI: https://doi.org/10.24053/9783381125128
© UVK Verlag 2024‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
ISBN 978-3-381-12511-1 (Print)
ISBN 978-3-381-12513-5 (ePub)
„Plans are useless, but planning is essential.“
Dwight D. Eisenhower, ehemaliger US-Präsident
Wir mögen es kaum glauben, aber Schätzen – ob nun bewusst oder unbewusst – spielt eine große Rolle in unserem Leben. Es beginnt schon am frühen Morgen, wenn der Wecker klingelt. Wir stehen auf und gehen ins Bad. Die Zeit im Bad will gut geschätzt sein. Danach wird gefrühstückt – den Blick immer wieder auf die Uhr richtend, um zu sehen, wie viel Zeit noch bleibt, bevor wir das Haus verlassen müssen, um rechtzeitig den Bus oder die Bahn zu erreichen. Oder aber wir fahren mit dem Auto. Bei längerer Strecke wird nicht selten noch einmal kurz die Strecke abgecheckt auf mögliche Staus. Auch während der Fahrt im Auto kommt es immer wieder zu Situationen, in denen wir schätzen müssen. Ist die Geschwindigkeit angemessen, sodass wir rechtzeitig an der Ampel zum Stehen kommen? Oder ist die Entfernung zur eben auf Orange umgeschalteten Ampel so kurz, dass es sich lohnt, noch einmal kurz auf das Gaspedal zu treten?
Ein weiteres Beispiel ist die Einladung von Gästen am Abend. Es müssen Getränke und Essen besorgt werden, damit der Abend auch gut gelingen kann. Hier wird es aber unter Umständen schon etwas komplizierter als beim vorherigen Beispiel, weil dieses Mal mehrere Menschen in die Abschätzung der richtigen Mengen mit einbezogen werden müssen. Und Menschen verhalten sich eben nicht jeden Tag gleich. Manchmal haben sie mehr Durst als sonst, manchmal Essen sie deutlich weniger als erwartet. Schätzen ist also überall, und wir sind mehrmals am Tag dazu gezwungen, Schätzungen vorzunehmen.
Dabei muss man zwischen zwei grundlegenden Arten der Schätzung unterscheiden, und zwar zwischen bewussten und unbewussten Schätzungen. Beim Heranfahren an eine Ampel denken wir üblicherweise nicht mehr viel darüber nach, was zu tun ist. Hier läuft die Abschätzung von Geschwindigkeit und Entfernung in Bezug auf den Zustand der Ampel unbewusst, ja fast schon automatisiert ab. Bei der Einladung von Gästen sieht das Ganze schon ein wenig anders aus. Hier werden bewusste Schätzungen durchgeführt, in denen gerne auch Erfahrungen aus vorherigen Einladungen mit in Betracht gezogen werden. Häufig liegen wir, ob nun unbewusst oder bewusst, mit Schätzungen im Alltag gar nicht so verkehrt, und das ist auch gut so.
Anders verhält es sich allerdings, wenn man die Thematik Schätzen auf die Projektwelt überträgt. Wer kennt sie nicht, die großen Bauprojekte, die meist deutlich teurer werden und länger dauern als geschätzt. Egal ob es sich um die Elbphilharmonie handelt, den Berliner Flughafen oder Stuttgart 21; die Liste ist beliebig erweiterbar. Verschiebungen im Projektplan sind, vor allem bei der klassischen Wasserfallmethode, an der Tagesordnung.
Aber warum ist das so? Wieso können wir in Projekten häufig nicht gut schätzen? Und wieso tun wir es dann trotzdem tagein tagaus?
Ein Grund liegt sicher in der Tatsache, dass wir häufig gezwungen werden, zu weit in die Zukunft zu schauen. Das ist einerseits natürlich nachvollziehbar, weil man eben gerne wüsste, wann das Projekt abgeschlossen sein wird (zumal die Definition eines Projektes unter anderem ja eben durch ein festes Start- und Enddatum begründet ist) und wie viel es dann gekostet haben wird. Zum anderen ist der Wunsch aber eben häufig nichts anderes als genau das, ein Wunsch bzw. das Denken, Projekte könnten vor Beginn bereits belastbar durchgeplant werden. Ein weiterer Grund liegt in der Tatsache begründet, dass die heutige Welt so komplex geworden ist, dass nicht alle Abhängigkeiten, die im Laufe eines Projektes auftreten werden, berücksichtigt werden können. Und dann gilt es auch noch, den Faktor Mensch einzubeziehen. Meist überschätzen wir uns und das, was wir in einem bestimmten Zeitraum zu leisten imstande sind. So entstand das in Projektkreisen bekannte Gesetz von Hofstadter, nach dem ein Projekt immer länger dauert als erwarten – und das auch, wenn man bei der Planung Hofstadters Gesetz mit einbezieht!
In der agilen Projektwelt verspricht man sich deutlich bessere Schätzungen als bei den klassischen Verfahren. Aber warum ist das so?
Zum einen findet der klassische Projektplan im agilen Kontext keine Anwendung. Damit ist eine Quelle ständiger Fehleinschätzungen nicht mehr vorhanden, die überdies häufig zu intensiven Diskussionen führt.
Zum anderen sind die Planungszyklen deutlich kürzer. Ein Sprint, der detailliert geplant wird, besteht meist nur aus zwei oder vier Wochen.
Zwar findet auch im agilen Kontext ein Blick in die weitere Zukunft statt, dieser ist aber deutlich weniger konkret (was bei agilen Projekten auch von allen so akzeptiert wird). Weiterhin werden Anforderungen erst dann geschätzt, wenn sie klar und verstanden sind. Sollte das nämlich nicht der Fall sein, so wäre es die Aufgabe des Product Owners, diese nicht in die Sprintplanung aufzunehmen. Im agilen Kontext besteht darüber hinaus die Möglichkeit, andere Schätzverfahren wie beispielsweise Planning Poker zu verwenden.
Zu guter Letzt können Anpassungen von Schätzungen basierend auf echten Performancedaten des Projektteams vorgenommen werden. Oder anders ausgedrückt: Wenn man weiß, was das Team zu leisten imstande ist, dann kann man auch deutlich belastbarere Schätzungen darüber abgeben, was das Team in einem gewissen Zeitraum erreichen kann.
Der vorliegende Text konzentriert sich darauf, die Hauptursachen für Fehleinschätzungen zu beleuchten und Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität von Abschätzungen aufzuzeigen. Er ist mitnichten als ein Plädoyer gegen Abschätzungen zu verstehen, sondern steht ganz im Sinne Dwight D. Eisenhowers Aussage: „Plans are useless, but planning is essential.“
München, im Juni 2024
Jörg Brüggekamp
Peter Preuss
Tobias Renk
Bevor wir uns dem eigentlichen Kern des Sprach- und Bedeutungswandels zuwenden können, möchte wir noch einige Informationen zur Lektüre und zum richtigen Umgang mit diesem Buch voranschicken.
Dieses Lehrbuch versteht sich als Arbeitsbuch und ist in erster Linie für das Selbststudium geschrieben. Wir haben versucht, Komplexes einfach darzustellen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Wissenschaftliche Unschärfe hier und da mögen uns unsere Fachkolleginnen und -kollegen nachsehen. Denn: Für diese Leserschaft ist dieses Buch nicht geschrieben worden. Der Anspruch an dieses Buch lautet: Es kann weitestgehend ohne Vorwissen gelesen werden. Dass eine diesem Anspruch verpflichtete Einführung nicht möglich ist, ohne das ein oder andere zu verkürzen und zu simplifizieren, ist klar – und eher eine Stärke als eine Schwäche dieses Buches.
Der besseren Lesbarkeit halber werden Personenbezeichnungen in diesem Buch in der maskulinen Form genannt. Verstehen Sie dies bitte einzig unter dem Aspekt der sprachlichen Ökonomie – die im Übrigen eine wichtige Bedingung für Sprachwandel ist. Auf einer Waage, die zwischen sprachlicher political correctness einerseits und guter Lesbarkeit von Texten andererseits pendelt, bevorzugen wir stets den Ausschlag zugunsten der Prägnanz.
Kaum ein Projekt scheint in der Vergangenheit mit klassischen Schätz- und Planungsmethoden erfolgreich gewesen zu sein. Fehleinschätzungen scheinen an der Tagesordnung zu sein. Als Lösung bietet sich zumindest im agilen Umfeld der Einsatz von Story PointsStory Points an, um einfach, schnell und qualitativ hochwertig schätzen zu können. Warum Schätzungen mit Story Points aber angeblich so gut funktionieren, scheint oft ein Rätsel zu sein. Im Folgenden werden daher kurz die Grundlagen agiler Schätzansätze am Beispiel von Scrum dargestellt und kritisch hinterfragt, bevor auf die eigentlichen Ursachen von Schätzfehlern näher eingegangen wird.
Bereits bei der ersten Recherche zu Story Points fällt auf, dass diese im Scrum Guide nicht erwähnt werden, die Meinungen dazu weit auseinandergehen und die Beschreibungen sehr uneinheitlich sind.1 Schon bei der Definition von Story Points und der Frage, ob es sich um eine Maßeinheit handelt, also messbar ist, wird es schwierig.
Um es vorwegzunehmen: Ron Jeffries, der in erster Linie als möglicher Erfinder der Story Points genannt wird, meinte mit Story Points den Aufwand – mehr nicht.
Im Mai 2019 erzählte er die Geschichte hinter den Story Points und bedauerte ein wenig, sie erfunden zu haben.2