SCHLACHTHAUS (Retreat 2) - Stephen Knight - E-Book

SCHLACHTHAUS (Retreat 2) E-Book

Stephen Knight

0,0

Beschreibung

Episode Zwei der spannungsgeladenen Serie RETREAT von drei der beliebtesten Zombie-Fiction-Autoren! Mit dem Lachen kommt der Tod … Die rauchenden Trümmer von Boston hinter sich lassend, führt Oberstleutnant Harry Lee das Erste Bataillon des 55. Infanterie-Regiments auf eine gefährliche Mission zu ihrer belagerten Heimatbasis Fort Drum. Auf dem Weg liegen ganze Legionen kranker Killer auf der Lauer und die Soldaten müssen sich grauenvoller Angriffe erwehren. Lee kämpft verbissen darum, das Bataillon zusammenzuhalten und durch diesen Wahnsinn zu lenken. ★★★★★ »Action vom feinsten« [Lesermeinung] ★★★★★ »Die Geschichte besticht durch ein rasantes Tempo. Beim Lesen hatte ich das Gefühl, nach Atem ringen zu müssen, da ein Ereignis dem anderen ohne größere Pause folgt.« [Lesermeinung] ★★★★★ »Es schließt perfekt an den ersten teil der Story an und lässt einem nicht los. Super Story in Perfektion.« [Lesermeinung]

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 289

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



SCHLACHTHAUS

Retreat – Band 2

Stephen Knight

RETREAT ist eine fiktive Geschichte. Die Schilderung der zehnten Gebirgsdivision der U.S. Army, der Nationalgarde von Massachusetts und der Stadt Boston sowie deren Umland sind frei erfunden. Es ist nicht beabsichtigt reale Personen, Organisationen oder Orte darzustellen.

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: SLAUGHTERHOUSE Copyright Gesamtausgabe © 2022 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Katrin Fahnert

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2022) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-724-2

Sie lesen gern spannende Bücher? Dann folgen Sie dem LUZIFER Verlag aufFacebook | Twitter | Pinterest

Sollte es trotz sorgfältiger Erstellung bei diesem E-Book ein technisches Problem auf Ihrem Lesegerät geben, so freuen wir uns, wenn Sie uns dies per Mail an [email protected] melden und das Problem kurz schildern. Wir kümmern uns selbstverständlich umgehend um Ihr Anliegen.

Der LUZIFER Verlag verzichtet auf hartes DRM. Wir arbeiten mit einer modernen Wasserzeichen-Markierung in unseren digitalen Produkten, welche Ihnen keine technischen Hürden aufbürdet und ein bestmögliches Leseerlebnis erlaubt. Das illegale Kopieren dieses E-Books ist nicht erlaubt. Zuwiderhandlungen werden mithilfe der digitalen Signatur strafrechtlich verfolgt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Inhaltsverzeichnis

SCHLACHTHAUS
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43

Kapitel 1

Boston brannte.

Dunkle Wolken schwebten über der Stadt, während der Donner in unregelmäßigen Abständen dröhnte. Es hörte sich an, wie ein geschwächtes Herz, das unregelmäßig schlug, bevor es nur Augenblicke später endgültig aussetzte. Aber die Wolken waren aus Rauch und das unregelmäßige Grollen wurde nicht von Donner hervorgerufen, sondern von Explosionen. Die Artillerie, die Königin der Schlacht, feuerte die letzten Salven, bevor sich der Vorhang senkte. Das Stück aus Mord, Tod und Wahnsinn war zu Ende. Boston verbeugte sich zum letzten Mal und die Menge tobte. Eine Wildheit, die aus lachendem Wahnsinn geboren wurde.

Die Infizierten tänzelten und huschten durch die verrauchte Dunkelheit, streckten ihre Zungen raus und versuchten die fallende Asche zu fangen, als ob es sich dabei um Schneeflocken handeln würde. Sie trugen grausige Trophäen – abgetrennte Hände, Köpfe, Brüste, Penisse. Sie kamen aus allen Bereichen des Lebens. Postangestellte. Feuerwehrleute. Ärzte. Saufbrüder. Schauspieler. Tischler. Kriminelle. Priester. Hausfrauen. Führungskräfte. Versicherungsvertreter. Alle lachten und gackerten vor unkontrollierbarer Freude, während sie diejenigen jagten, die schrien, versuchten zu kämpfen oder zu fliehen. Die Erwachsenen waren leicht zu fangen. Bei den Kindern war es schwerer, aber sie verdienten dadurch einen besonderen Platz unter den Klowns. Die Infizierten spießten die Jugendlichen auf und trugen sie an der Faneuil Hall vorbei, während sie sich wanden und schrien. Lebende Bildnisse der Beute, die sie jagten.

Die Klowns taten das, wovon die Briten Jahrhunderte zuvor nur geträumt hatten. In weniger als zwei Monaten war die Stadt Boston gemeuchelt worden und starb einen grausamen Tod durch tausende Schnitte, rostiger, salzverkrusteter Schwerter.

Kapitel 2

»Wizard Sechs, hier ist Tomcat Sechs. Over.«

Lieutenant Colonel Harry Lee konnte den leitenden Apache-Piloten über das Dröhnen der Doppelwellenturbinen und dem hämmernden Schlag der Rotorblätter kaum hören. Durch die Windschutzscheibe seines Humvees konnte er sehen, wie Kampfhubschrauber eine Meile entfernt ausschwärmten. Zwanzig AH-64D Apache Longbow wurden von vier kleineren OH-58D Kiowa Warrior flankiert. Der Konvoi hatte noch nicht einmal das Tor passiert und schon kreisten die Helikopter über der North Great Road.

Lee nahm den Hörer des AN/VRC-89-Funkgerätes und hielt ihn an sein Ohr. »Tomcat Sechs, Wizard Sechs. Over.«

»Wizard, hier ist Tomcat Sechs. Einige wenige Feindformationen auf der Route Zwei-Alpha, genau hinter der Phasenlinie Alpha, die von Osten nach Westen verläuft. Sieht aus, als wären es blockierende Streitkräfte. Sie haben Feuerwehrfahrzeuge und schwere Baumaschinen zur Kreuzung von … äh … Zwei-Alpha und dem Hanscom Drive gebracht. Wir würden sie jetzt gern unter Beschuss nehmen. Over.«

Lee zog eine Grimasse. Phasenlinie Alpha war der erste Wegpunkt des Konvois. Es war ein Schnittpunkt, der weniger als eine halbe Meile entfernt lag, dort wo der Hanscom Drive an der Route 2A endete. Das war eine zweispurige Strecke, die von Osten nach Westen verlief. Die Kampfhubschrauber hatten sie vor fünf Minuten passiert und berichtet, dass der Weg frei war. Mehrere Säulen schwarzen Rauchs stiegen in die Luft und bewiesen, dass die Apaches bereits eine kurze Trainingseinheit absolviert hatten. Aber die Klowns kamen wieder und dieses Mal mit anderen Vorrichtungen. Lee musste sich schnell etwas einfallen lassen.

Die Apaches und ihre leichter bewaffneten Späher waren die gepanzerte Faust der Einheit. Sie waren in der Lage, auf Ziele zu schießen, die Meilen entfernt waren. Sie könnten ein ganzes Hochhaus niederreißen, wenn es erforderlich war, und wurden sogar dazu benutzt, um Krankenhäuser, welche die Infizierten beherbergten, dem Erdboden gleichzumachen. Aber die Kampfhubschrauber waren eine endliche Ressource und sie wurden für die Langstrecke benötigt. Also konnte er sie nicht alles sprengen lassen, was sich auf der Straße befand und dann erwarten, dass sie ohne zu landen und sich wieder zu bewaffnen für den nächsten Kampf bereit waren. Der Hanscom-Luftwaffenstützpunkt verschwand im Seitenspiegel des Humvees und Lee wusste nicht, wo die nächste sichere Landezone sein würde. In der Luft waren die Helikopter der leibhaftige Tod. Am Boden waren sie ein leicht verwundbares Ziel. Wie dicke, alte Männer, die Muskelshirts trugen, welche am Bauch hochgerutscht waren. Eine schlaffe Bauchgegend, die entblößt war, sodass sie jedermann sehen konnte.

Lee betätigte das Mikrofon. »Tomcat, Wizard. Ein Durchgang. Macht den Weg für uns frei und sichert dann Phasenlinie Bravo. Over.«

»Roger, Wizard. Wir machen einen schnellen Durchgang und berichten über die Ergebnisse. Over.«

»Roger, Tomcat. Break. Bushmaster, hier ist Wizard. Over.«

»Hier Bushmaster. Over.«

»Marsh, Sie und Ihre Jungs sind dran. Was auch immer die Flieger uns übrig lassen, Ihr Team muss sich da durchboxen. Begeben Sie sich zur Phasenlinie Bravo und halten die Stellung, bis Chaos vorbeihüpft. Genau so ist der Plan. Over.«

»Roger, Wizard. Bushmaster ist in Bewegung. Over.«

»Ich bin froh, dass wir nicht an der Spitze sind, Sir«, sagte Staff Sergeant Michael Murphy. Er hielt weiter beide Hände am Lenkrad des Humvees und ausnahmsweise steckte einmal nicht der übliche Kautabak in seinem Mund.

Das war ganz in Lees Sinne. Er hatte immer gedacht, dass diese Angewohnheit ekelhaft war.

»Das wird sich früh genug ändern«, erzählte ihm Lee.

Bei jeder Phasenlinie würden ein paar Squads aus der Formation fallen, das Ziel sichern und diese Sicherheit bewahren, bis der Rest des Konvois vorbeigerollt war. Die Zeit würde kommen und Teile von Lees Führungstrupp würden anhalten müssen, um sich abzuwechseln. Lee hatte bereits beschlossen, dass er an der Operation teilnehmen würde. Auch wenn es für ihn wenig taktischen Sinn machte, das zu tun. Schließlich war das dezente Abzeichen des Lieutenant Colonel an seinem US-Army-Kampfanzug nicht wirklich seins. Er hatte sie dem ehemaligen Kommandeur des Bataillons, Lieutenant Colonel Prince, abgenommen. Etwas, das sowohl ordnungswidrig als auch illegal war. Ohne formale Beförderung hatte Lee kein Recht auf diesen Rang, aber die Welt hatte sich geändert. Boston war den Infizierten anheimgefallen und er war sich ziemlich sicher, dass Fort Drum ebenso untergegangen war. Lee hatte das Kommando über die Reste des Ersten Bataillons übernommen, weil der einzig verbliebene Offizier, Major Walker, sich für die Leitung als nicht geeignet erklärte. Nicht, dass Lee sich als besonders geeignet angesehen hätte. Nach weniger als fünfzehn Jahren im Dienst war sein offizieller Rang der eines Captains und er war nicht mal für die Beförderung zum Major vorgesehen gewesen. Den Übergang vom Kompanie-Rang zu einem kommandierenden Stabsoffizier zu schaffen, war ein verdammt großer Schritt. Lee wusste, dass mehr als ein paar Offiziere und Mannschaften durch die plötzliche Reorganisation nicht nur verwirrt waren, sondern es ihm auch übelnahmen. Prince – Gott hab ihn selig – war von der Army geprüft worden, bevor man ihm das Kommando über das Erste Bataillon, des 55zigstes Infanterieregiment gegeben hatte. Lee wurde es nicht, und auch wenn er einen hohen Dienstgrad hatte, musste er dem Rest des Bataillons immer noch etwas beweisen.

Eines der ersten Dinge, die er zu tun versucht hatte, nachdem er das Kommando übernommen hatte, war es, dem kommandierenden Offizier des Kampfhubschrauberbataillons die Hand zu reichen, einem Lieutenant Colonel namens Jacoby. Lee kannte den Mann nicht persönlich, obwohl er ihn sicherlich während Meetings für diverse Operationen gesehen hatte. Aber Jacoby war an demselben Tag gestorben, als seine AH-64D in einem Feuerball aufging. Der Executive Officer der Einheit, Major Fleischner, war nicht an Lees Problemen interessiert gewesen.

»Sie wollen ein Lieutenant Colonel sein, dann ran an die Buletten«, hatte ihm Fleischer gesagt. »Ich habe meine eigene Einheit zu leiten. Wir werden all die Luftunterstützung zur Verfügung stellen, die wir können. Aber wenn Sie den Rang eines anderen Mannes annehmen möchten, dann ist das Ihre Sache. Sie haben die Kontrolle über alles unter einer Höhe von viereinhalb Metern.«

»Werden Sie meine Anweisungen befolgen?«, fragte Lee.

Fleischer zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Soweit ich weiß, ist Wizard Sechs immer noch der gleiche Kerl, mit dem wir gestern noch gesprochen haben. Solange Sie uns nicht den Wölfen zum Fraß vorwerfen, werden wir da sein.« Fleischer hat absichtlich nicht das Wort Sir benutzt, aber das spielte für Lee keine Rolle. Alles, was er brauchte, war sicherzustellen, dass die Lufteinheiten den improvisierten Organisationsplan anerkannten.

Und das war es. Harry Lee wurde der kommandierende Offizier des Ersten Bataillons, des 55zigstes Infanterieregiment, einer der untergeordneten Einheiten der Zehnten Gebirgsdivision (Leichte Infanterie). Und wegen der unregelmäßigen Befehlskette, die er und Walker eingeführt hatten, fühlte Lee sich durch seine Ehre dazu verpflichtet, das Motto des Bataillons zu verkörpern: Vorrücken. Er musste seinen eigenen Beitrag leisten, während man nach Drum zurückging. Und wenn das bedeutete, sich selbst der Gefahr auszusetzen, dann war es das, was er zu tun hatte.

»Nun, lassen Sie es uns nicht zur Angewohnheit machen zu streiten, Colonel«, sagte Murphy. »Konzentrieren wir uns darauf, nach Drum zurückzukommen. Okay?«

»Genau das tun wir, Mike. Genau das tun wir.«

Foster ließ sich von der Kuppel des Humvees fallen, die er mit seinem großen M2 .50 Kaliber Maschinengewehr bestückt hat, das auf eine Zapfenbefestigung montiert war. »Hey, Murphy? Wenn wir endlich anhalten, tust du mir einen Gefallen?«

»Willst du tanzen, Liebling?«

»Hä? Nein, du kannst nicht mit mir Schritt halten und ich weiß, dass du die Art, wie ich führe, hasst. Aber wenn wir endlich anhalten, könntest du aussteigen und für eine Weile auf und ab springen?«

Murphy behielt seine Augen auf der Straße. »Wozu das denn, zum Teufel?«

»Ich hoffe nur, dass dir deine Eier irgendwann abfallen«, sagte Foster. »Du magst voller Kautabak sein, aber was die Kriegerethik anbelangt, bist du ein bisschen schwach, Kumpel.«

»Aufgepasst, Sir. Geben Sie einem Kerl eine .50 und plötzlich ist er eine Mischung aus Rambo und Patton«, sagte Murphy.

Lee lächelte flüchtig. »Gehen Sie zurück an die Waffe, Foster.«

Foster nickte. »Hooah.«

Kapitel 3

»Ein Sack voll Schwänze kommt hoch«, sagte Sergeant First Class Renner.

Captain Terrence Mash wog seinen M4-Karabiner in seinem Schoß, während der aufgerüstete M1116, ein leichtes, geländefähiges Fahrzeug der US-Army – im Militär besser bekannt als Humvee – die von Bäumen umsäumte Straße hinunterraste, die Hanscom Drive genannt wurde. Die Straße verband den Luftwaffenstützpunkt hinter ihnen mit der Route 2A, und auch wenn sie nicht nur militärischen Zwecken diente, hatte das Militär sie schon Wochen zuvor gesperrt. Nichtsdestotrotz war sie hier und dort von Kadavern übersät. Aufgeblähte Leichen, die von schwarzen Fliegenwolken umhüllt waren. Die sterblichen Überreste von Menschen, die auf dem Hanscom-Luftwaffenstützpunkt gelebt hatten, lagen zu ihrer Linken. Man hatte die Körper hinter einer Reihe dünner Bäume versteckt. Marsh wünschte, sie hätten die Bäume weggerissen, um eine bessere Sicht zu haben. Es war der Luftwaffe nicht gelungen, alle Familien von der Basis zu evakuieren. Viele von den Zurückgebliebenen waren wahrscheinlich infiziert worden und das Letzte, was Marsh wollte, war, in einen Kampf zu geraten, bevor sie überhaupt zur ersten Phasenlinie gekommen waren. Aus diesem Grund hatte er dem Schützen des MK19-Granatwerfers in der Kuppel seines Humvees befohlen, die linke Baumreihe unter Beschuss zu nehmen, welche die vierspurige Straße von der Wohnsiedlung abgrenzte.

»Dann mal los«, sagte Marsh, während er aus den kugelsicheren Fenstern des Humvees starrte.

Vor ihnen schwebten zwei Apache über die Kreuzung, die Nasen nach Westen zeigend. Licht flammte unter ihren Stummelflügeln auf und jeder Hubschrauber feuerte vier Mark 66 Raketen ab. Ausgestattet mit Sieben-Kilo-Sprengköpfen schwirrten die Raketen durch die Luft und zogen feine Säulen schwarzen Rauchs hinter sich her. Sie kurvten in Richtung Boden und verschwanden hinter den Bäumen, schlugen bei Zielen ein, die Marsh nicht sehen konnte.

»Der Kampf ist im Gange«, sagte Renner in einem Tonfall, als ob er über das Wetter diskutieren würde. Er fuhr das letzte Fahrzeug in der Kolonne, die aus vier Humvees und einem M925-Fünf-Tonnen-Lastwagen bestand. Der Lkw transportierte zwei Squads Lightfighter.

Zuerst würde Lieutenant Haberman seine Einheit direkt hinter der Einmündung des Hanscom Drive positionieren und den Concord Turnpike sichern, damit sich von Osten niemand nähern konnte. So sollte eine feindliche Invasion aus dieser Richtung verhindert werden. Marshs Humvee würde sich nach rechts wenden, weg von Habermans Einheit und weiter die Schnellstraße herunterfahren. Phasenlinie Alpha war die taktische Bezeichnung für den Kreisverkehr direkt hinter dem Concord, wo eine Kaserne der Staatspolizei vom Massachusetts Correctional Institute ihren Sitz hatte. Marshs drei Humvees und der M925-Lastwagen voller Lightfighter würden an der westlichen Seite des Kreisverkehrs anhalten und aussteigen. Mit ihren Fahrzeugen würden sie eine Straßensperre bilden und alle Fahrspuren, die in dem Kreisverkehr mündeten, zeitweilig abriegeln. Die Einheit direkt hinter Marsh – die auch Truppen der Bravo Kompanie einschloss – würde die östliche Seite des Kreisverkehrs sichern. Dies, gepaart mit Marsh Straßensperre, würde dazu beitragen, dass der Konvoi sicher durch das Gebiet fahren und dann nach Westen zum Union Turnpike gelangen konnte. Die Bravo Kompanie – die Bushmaster – würden die Position halten, bis die Fahrzeuge des Konvois hindurchgefahren wären. Marsh würde dann die Sperrung aufgeben und sich wieder der Formation anschließen. Bis zur nächsten Phasenlinie würden sie zunächst die Nachhut sein und sich durch die Kolonne nach vorne arbeiten, bis sie ihre nächste Position einnahmen. Das wäre bei Phasenlinie Golf, die ein paar Stunden entfernt war.

»Lasst uns hoffen, dass wir ein paar von ihnen kriegen«, sagte hinten einer der Soldaten, ein E-5 namens Weir. Er war ein kräftiger Junge aus Minnesota und sie nannten ihn ›Lars der Wikinger‹, wegen seiner breiten Statur, der käsigen Haut und dem blonden Haar.

»Lasst uns hoffen, dass es nicht so ist«, entgegnete Marsh. »Nach dem, was wir in Cambridge durchgemacht haben, wollen wir wahrscheinlich die Kugeln für den Moment sparen, an dem wir sie wirklich brauchen.« Die Bushmaster hatten Tage damit verbracht, sich in Harvard zu verschanzen. Danach war dem Kompaniechef nicht mehr nach Kämpfen, aber das Versteckspiel war noch schlimmer, weil man dauernd befürchten musste, eventuell entdeckt zu werden. Doch Kämpfen war auch kein Spaziergang durch den Park. Was Marsh wollte, wonach er sich jetzt sehnte, war Bewegung. Ständige Bewegung. Das nie endende Geräusch der großen, knorrigen Humvee-Reifen, die über das Pflaster heulten. Er dachte, sie würden Phasenlinie Alpha nicht mehr als zehn Minuten besetzen und Luftunterstützung von den Apaches bekommen. Drei weitere Einheiten würden zusammen mit ihnen anhalten, damit sie drei .50, zwei MK19 und fünfundzwanzig Lightfighter hätten, die auf ihrem Posten sind und sich um das kümmern, was auch immer die Klowns nach ihnen werfen. Jeder trug seine Waffe in Alarmbereitschaft. Also wenn die Klowns kommen würden, gäbe es keine Diskussion.

»In Ordnung. Volle Schutzkleidung«, sagte Marsh. Er nahm seinen Helm ab und zog seinen Overall und die Handschuhe an, die ihn vor chemischen und biologischen Angriffen schützen sollten. Schlussendlich streife er sich eine Gesichtsmaske über. Der Schütze in der Kuppel war bereits in voller MOPP-IV-Montur. Das war das höchste Maß an Schutz, das den Soldaten gegen atomare, biologische und chemische Angriffe zur Verfügung stand. Weil es die primäre Mission der Klowns war, die Infektion auszubreiten, wurde etwas mehr benötigt als eine schusssichere Weste. Zwar gewährte diese dem Schützen einen angemessenen ballistischen Schutz, aber nicht gegen eine biologische Kontamination. Das Bataillon hatte zahlreiche Truppen an die »schmutzigen Bomben« verloren, die von den Infizierten benutzt worden waren. Gewöhnliche Luftballons, die mit Pisse gefüllt waren. Es wurde beschlossen, dass Kämpfer an vorderster Front ihre Operationen nur unter MOPP-IV-Bedingungen durchführen durften.

Nur SFC Renner blieb unmaskiert, weil er nicht aus dem Fahrzeug aussteigen würde. Es sei denn, die Kacke war am Dampfen, und für diesen Fall lag seine Maske griffbereit. Die Truppen hatten ihre Ärmel hochgekrempelt, die Handschuhe angezogen und sichergestellt, dass ihre Hemden fest in ihren ACU-Hosen steckten und dass ihre Hosen an den Stiefeln befestigt waren. Ihnen lief trotz des klimatisierten Innenraums in dem Humvee der Schweiß am Körper herunter. Der bevorstehende schwüle Sommertag versprach nicht viel Erleichterung. Hydratisierung würde ein Hauptanliegen werden, weil das CBR X CamelBak Trinksystem, das den Truppen ausgegeben wurde, nur drei Liter Wasser fasste. Das würde wahrscheinlich bei der zunehmenden Hitze und der Luftfeuchtigkeit nicht lange reichen. Trotz des Schutzes vor Kontamination hatte die MOPP-IV-Ausrüstung eine erhebliche taktische Verschlechterung zufolge. Die sperrigen Outfits schränkten die Beweglichkeit, Sicht, manuelle Geschicklichkeit und die Fähigkeit zu kommunizieren ein, auch mit den Funkgeräten. Die Ausrüstung verschaffte ihnen gegen biologische Angriffe etwas Zeit, jedoch wurde es schwieriger für die Soldaten des Ersten Bataillons, die Klowns einfach zu erschießen.

Der Konvoi erreichte die Kreuzung und Habermans Einheit trennte sich und begab sich nach links. Dann kamen sie in der Mitte der Route 2A zum Stehen. Renner zog das Fahrzeug nach rechts und beschleunigte den Highway hinunter. Marsh sah aus seinem Fenster. Der Humvee schlingerte gefährlich nah an einer Leitplanke, die die Straße von einem brachliegenden Feld trennte. Dahinter stand in circa zweieinhalb Meter Entfernung eine Steinmauer. Diese endete abrupt und Marsh starrte auf eine Baumreihe, während der Humvee quälend langsam auf sechzig Kilometer pro Stunde beschleunigte.

Gottverdammte Humvees … ein VW Käfer Baujahr 1970 beschleunigt besser.

Er überprüfte den Seitenspiegel. Der Rest der Einheit wendete auf der Straße hinter ihm, während Habermans Leute ausstiegen. Über ihnen waren Rotoren zu hören, aber es klang nicht wie ein Apache oder Scout. Marsh schaute hoch und sah einen rot-blauen Helikopter über der Einheit. Eine große, stilisierte 5 schmückte den Rumpf des Hubschraubers und Licht reflektierte von einer drehbar aufgehängten Kamera, die unter der Nase des Helikopters befestigt worden war. Die Kamera war direkt auf die Humvees gerichtet.

»Hey, wir sind im Fernsehen«, sagte Weir. Seine Stimme war durch die Maske gedämpft.

Marsh schaltet das Funkgerät ein. »Wizard, hier ist Bushmaster Zwei-Sechs. Ein ziviler Nachrichten-Chopper beschattet uns. Over.«

»Roger, Bushmaster. Man kümmert sich bereits darum. Over.«

Kaum waren die Worte aus dem Kopfhörer gekommen, da tauchten zwei OH-58D Kiowa Warrior Hubschrauber auf. Einer positionierte sich zwischen den Konvoi und dem Nachrichten-Chopper, während der Zweite hinter den zivilen Vogel zog. Die Scouts waren mit einem modifizierten M2 .50-Kaliber, das an die linke Waffenaufhängung montiert war und einem Sieben-Schuss-Raketenrohr auf der rechten Seite bewaffnet. Die olivgrünen Hubschrauber hängten sich einige Augenblicke an den helleren zivilen Flieger, bevor der Typ, der den Nachrichten-Chopper flog, reagierte. Der Helikopter drehte langsam ab und wandte sich nach Süden. Die Kiowa Warrior hielten ihre Position noch etwas. Dann flogen sie mit donnernden Rotoren weg.

»Verdammt, ich habe meine Nahaufnahme nicht bekommen«, sagte Renner. Er fuhr mit beiden Händen am Lenkrad. Seine Augen waren schwer zu lesen, weil sie sich hinter seiner Sawfly-Sonnenbrille verbargen.

»Niemand will deine Fresse im Fernsehen sehen, Sergeant«, meinte Marsh.

»Das wurde mir bereits gesagt«, sagte Renner. »Von meiner eigenen Mutter.«

Trotz der wachsenden Anspannung lachte Marsh hinter seiner Gasmaske.

Bei dem ersten halben Kilometer der Reise war es trotz der MOPP-Ausrüstung leicht, so zu tun, als ob es einfach nur ein weiterer Tag war. Dann entdeckte Marsh vor ihnen dicke Rauchwolken. Sie stiegen langsam in den Himmel, schlängelten und wanden sich wie begriffsstutzige Schlangen. Die Kiowa Warrior umkreisten die Gegend auf neunzig Metern Höhe. Sie flogen im Uhrzeigersinn in einer Formation.

»Bushmaster, hier ist Birddog Fünf. Over.«

»Birddog, Bushmaster hört. Over.«

»Bushmaster, wir haben einige Autobrände auf einem Parkplatz, der etwa dreihundert Meter von deiner Position entfernt ist. Sieht so aus, als wäre es neben irgendeinem Park. Etwas ging dort runter. Viele Leichen, aber keine Aktivität. Vielleicht möchtest du die Bäume im Auge behalten. Durch unsere Wärmebildkamera sehen wir nichts, aber das ist keine Versicherungspolice. Over.«

Jeder Scout-Hubschrauber hatte ein eingebautes Wärmebildgerät über dem Hauptrotor. Marsh hatte sie unter die Lupe genommen und war von der Genauigkeit des Systems beeindruckt, besonders bei Nacht. Das System konnte auch Ziele mit einem Laser kennzeichnen, wodurch ein weiterer Hubschrauber mit Hellfire-Raketen oder anderer Munition angreifen konnte. Trotz ihres Alters, ihrer relativ langsamen Geschwindigkeit und recht kurzen Reichweite waren die kleinen, bewaffneten Scout-Hubschrauber dort ziemlich nützlich, wo Bodentruppen involviert waren. Auch wenn ihre abgerundeten, glotzäugigen und auf einem Masten montierten Kameras aussahen wie Kenny von South Park.

»Verstanden, Birddog. Wir halten die Augen offen. Over.«

Die Scouts brachen die Verbindung ab und surrten weiter. Während Renner den Humvee den verwaisten, zweispurigen Highway hinunterführte und sich einem alten Backsteinhaus mit vier Schornsteinen näherte, sah Marsh etwas am Straßenrand liegen. Er richtete sich auf und beugte sich zum Fenster. Es war eine enthauptete Leiche. Eigentlich war es sogar weniger als das – als der Humvee näherkam, sah er, dass es kaum mehr als ein blutiger Oberkörper war. Eine Patina aus Blut bedeckte die Straße. Er sah, dass die Tür zum Haus offenstand und weitere Leichen vor der Haustür lagen.

»McNeely, Augen auf!«, rief er dem Schützen in der Kuppel zu.

»Kann man wohl sagen, Sir!«, rief der Schütze zurück, während der Humvee an den Überresten vorbeirollte.

Die beiden Soldaten hinter Marsh rührten sich und er spürte, dass sie ihre Gewehre näher an sich heranzogen. Er tat das Gleiche.

Etwas brannte weniger als dreißig Meter von der Straße entfernt, auf einem Parkplatz auf dem Gebiet der ›Brooks Village Historical‹. Offenbar war es die Nachbildung einer alten, englischen Stadt, die im späten 17. Jahrhundert erbaut worden war. Marsh hatte keine Ahnung, was die Milizen des Unabhängigkeitskrieges von diesem Konflikt halten würden, in den Boston derzeit verwickelt war. Zur Hölle, Marsh wusste selbst nicht, was er davon halten sollte, und er hatte zu mehr Informationen Zugang, als die Soldaten aus dieser Epoche sich jemals hätten träumen lassen. Alles, was er wusste, war, dass es so schien, als hätte sich jede zweite Person im Bundesstaat Massachusetts in einen gackernden Verrückten verwandelt, der töten, verstümmeln und schänden wollte. Und infizieren. Immer infizieren. Marsh hielt mit den Fingern der rechten Hand seinen M4-Pistolengriff umklammert. Etwas würde passieren. Er konnte es instinktiv spüren und er suchte die Bäume auf beiden Seiten der Straße ab. Marsh wartete darauf, dass eine Menge bewaffneter Verrückter vor ihnen auf den Asphalt strömte.

An der Position von Renners Kiefer konnte er erkennen, dass er auch davon ausging, etwas würde schieflaufen. Aber als der Park mit seinen vielen brennenden Autos in der Ferne verschwand, zwang sich Marsh, zu entspannen. Er blickte nach unten und sah, dass sein rechter Zeigefinger schon fast am Abzug des Gewehrs lag und dass es entsichert war. Er erinnerte sich nicht daran, dies getan zu haben.

Verdammt. Er stellte den Hebel wieder auf SAFE.

Der Konvoi fuhr weiter den abgesperrten Concord Turnpike hinunter. Dort führte Marsh die Kolonne auf die linke Seite und blieb so weiter auf der Route 2A. Das würde sie am Stadtrand von Concord, Massachusetts, vorbeiführen. Sie wussten bereits, dass das Zentrum von Concord eine Welt des Schmerzes war, und sie wollten sich nicht in etwas verfangen, mit dem sie nicht bereit waren umzugehen. Obwohl das Bataillon bis an die Zähne bewaffnet war, war es das Ziel, den Kontakt zu den Killer-Klowns so lange wie möglich zu vermeiden.

Die Straße erstreckte sich auf vier Fahrspuren, zwei in jede Richtung und der Verkehr wurde dichter. Die Scout-Helikopter machten einige Tiefpässe über die Autos und Trucks und versuchten sie so auf eine Fahrspur zu treiben. Renner drangsalierte den Verkehr auf der rechten Fahrspur mit dem Humvee und zwang einige zivile Fahrzeuge an die Seite. Marsh lächelte. Es ging nichts darüber, einen gepanzerten Humvee voller Waffen im Rückspiegel zu sehen, der sich auf deinen Arsch stürzte. Vor ihnen zeichneten sich rauchende Gebäude ab. Marsh überprüfte seine Karte und sah, dass es die Überreste des Emerson Hospitals waren. Das machte ihn nervös. Die Scouts berichteten nicht von übermäßigen Aktivitäten, aber sie verrieten ihnen, dass der Verkehr sich in Richtung Kreisverkehr ein paar Kilometer vor ihnen langsam verdichten würde.

Der Konvoi rollte an dem ausgebrannten Krankenhaus vorbei, dessen Parkplätze bis auf ein paar vereinzelte Autos und Trucks leer waren. Und Leichen. Viele Leichen. Marsh hielt die Augen offen. Das Krankenhaus war zweifellos voller rasender Verrückter gewesen, bevor sie es bis auf die Grundmauern niedergebrannt hatten. Also waren sie wahrscheinlich noch in der Gegend. Irgendwo. Er überprüfte seine Karte wieder und vergewisserte sich über ihren Standort.

»Angriffsziel!«, schrie McNeely.

Marsh riss den Kopf hoch. Genau vor ihnen kreuzte eine weitere Straße die Schnellstraße und wurde von dunklen, inaktiven Verkehrssignalen überwacht. Als sich der Humvee dieser näherte, erschien ein ramponierter Schulbus. Er raste von rechts auf die Kreuzung zu und rammte Autos aus dem Weg. Seine gelbe Farbe war mit Blut bespritzt und mehrere seiner Fenster waren zerschlagen worden. An den Kühlergrill des Busses waren zwei nackte, verstümmelte Leichen gebunden. Sie hingen kopfüber am Bus. Das Weiß ihres blassen Fleisches wurde durch die dunklen Hohlräume in ihren Torsos wieder wettgemacht. Man hatte sie ausgeweidet. Auf der schmalen Brust eines der Leiber war das Wort GUTE mit etwas geschrieben, das aussah wie getrocknetes Blut oder vielleicht Exkremente. Auf der anderen Leiche stand FICKS. Als der Schulbus auf den Humvee zuraste, entledigte er sich allerlei Schmutz, der auf dem Dach lag – Zweige, Blätter, Gestrüpp. Alles, was man dazu verwendet haben könnte, die Umrisse des Fahrzeugs aus der Luft zu verschleiern und es unter den Blätterdächern der Bäume zu verstecken, die die Straße umgaben. Die Klowns, die das Fahrzeug besetzten, hatten gewartet, bis die Kiowas vorbeigeflogen waren. Dann waren sie in Position gekrochen und hatten gehofft, dass sie die Bushmaster in einen Hinterhalt locken konnten.

»Schieß!«, schrie Marsh.

Das Kommando ging in dem Getöse des vollautomatischen MK19-Granatwerfers unter, während McNeely das Feuer eröffnete. Hochexplosive Vierzig-Millimeter-Geschosse zerrissen die Vorderseite des Busses, sprengten dessen Kühlergrill und die grausigen Trophäen weg, die dort angebracht worden waren. Kunststoff, Blech und Fleischfetzen wirbelten durch die Luft. In weniger als einer Sekunde lag der Dieselmotor des Busses offen, nachdem der Motorraum, der ihn umgab, sich aufgelöst hatte. Als Nächstes taumelte der Motor selbst wie eine erschrockene Katze zurück. Er wurde durch helle, Funken sprühende, orange-graue Explosionen aus der Halterung gerissen, als die Granaten ihn pulverisierten.

Aber der Bus kam weiter auf sie zu. Er war ein Opfer seiner eigenen Dynamik. Marsh erhaschte einen Blick auf den Fahrer. Eine Frau war über das große Lenkrad gebeugt, das Gesicht mit Blut bemalt. Ihre Zähne strahlten brillant weiß gegen die Dunkelheit ihres breiten Mundes, als sie schallend lachte. Ihr Gesicht verschwand, als die .50 Kaliber des zweiten Humvee hinter ihnen zu hören war. Sie war selbst über die MK19 zu hören, während sie einen Schuss nach dem anderen in den Bus feuerte. Die Fahrerin explodierte regelrecht, als die großen Geschosse den Fahrgastraum aufschnitten und sie in Stücke rissen.

Der Bus rollte weiter, auch als McNeely woanders hin feuerte. Er hob den Lauf der MK19, bis sie genau in den Fahrgastraum des Busses feuerte. Die Granaten explodierten, sodass überall Sicherheitsglas auf die Straße herunterregnete. Marsh sah zu, wie die schwarze Stoßstange auf ihn zu zielen schien, immer größer und größer wurde.

Dann schoss der Humvee wie ein glückliches, dickes Schwein vorbei, das es auf wundersame Weise geschafft hatte, an einem anstürmenden Nilpferd ohne Verletzung vorbeizueilen. McNeely drehte sich in der Kuppel um und schoss weiter auf den Bus. Sekunden später hörte er damit auf. Entweder war dem Soldaten die Munition ausgegangen oder er hatte sich an seine Ausbildung erinnert und das Feuer eingestellt, um die Fahrzeuge hinter ihm nicht zu gefährden. Marsh hörte, wie die Vierzig-Millimeter-Geschosse auf dem Dach des Humvees herumrollten, während er in den Seitenspiegel schaute. Der Bus zog einen Rauchschweif hinter sich her, der aus dem verwüsteten Motorraum und dem schwelenden Fahrgastraum kam. Er raste wie ein tödlich verwundeter B-17 Bomber aus einem alten Zweite-Weltkrieg-Film über die Kreuzung und knallte in einer misstönenden Explosion gegen die Ampel auf der gegenüberliegenden Seite der Fahrbahn, wodurch zerbrochenes Glas und Blech durch die Luft flogen. Der Bus pflügte halb über einen Pick-up-Truck und kam abrupt zum Stehen. Sein quadratisches Hinterteil ragte in den Himmel. Eine Fahrspur in östlicher Richtung wurde von seinem Kadaver blockiert, aber die westlichen Fahrspuren waren komplett frei. Der Rest des Konvois wäre in der Lage durchzukommen.

»McNeely, nachladen!«, rief Renner. »Nachladen, nachladen, nachladen!«

Marsh sah wieder nach vorn, während Dutzende Menschen aus den Bäumen zu beiden Seiten der Schnellstraße auftauchten. Sie grinsten gehorsam, waren in den Griffen einer großen Heiterkeit gefangen. Ihre Augen strahlten hell und voller Wahnsinn. Einige waren nackt, mit Halsketten aus Fingern, Ohren, Händen und Füßen geschmückt. Andere trugen Kleidung, von Jeans und Turnschuhen bis hin zu Polizeiuniformen und Businessanzügen. Sie trugen alle Arten von Gerätschaften, von Kettensägen bis hin zu Baseballschlägern, Golfschlägern und Jagdgewehren. Die Gewehre fielen Marsh sofort auf.

»Wizard, Wizard, Bushmaster hat Feindkontakt!«, schrie er über Funk, während sich der Humvee auf die Menge stürzte.

»Nachgeladen!«, rief McNeely von der Kuppel aus.

Lee antwortete statt des erwarteten Funkers: »Bushmaster, hier ist Wizard. Geben Sie Ihre Position an. Over.«

Gleich hinter dem verdammten, brennenden Schulbus auf der Kreuzung, Kopernikus, wollte Marsh schreien. »Wizard, wir sind ungefähr vier Klicks westlich von Hanscom. Wir wurden aus dem Hinterhalt angegriffen, aber an dem ersten Element haben wir es vorbeigeschafft. Wir nähern uns jetzt dem zweiten Element.« Jemand trat aus dem Gestrüpp genau vor den Humvee und schleuderte etwas. Marsh erhascht einen Blick auf eine kleine Figur, die sich in der Luft immer wieder überschlug. Dann prallte sie gegen die Windschutzscheibe und hinterließ eine helle Blutspur.

»Haben die gerade ein verdammtes Baby nach uns geworfen?«, rief Weir durch seine Maske.

Marsh wollte nicht darüber nachdenken, aber die Vorstellung erschütterte ihn bis ins Mark. Er tastete nach seinem Mikrofon. »Wir brauchen ein paar Apaches hier oben. Wir sind gefährlich nah an einem Feindelement in der Größe eines Platoons. Over!«

»Bushmaster, Tomcat ist unterwegs. Over.«

»Was soll ich tun?«, fragte Renner.

»Was denkst du, möchte ich, dass du tust, Mann?«, schnauzte Marsh. »Fahr!«

Oben eröffnete die MK19 wieder das Feuer, als McNeely Geschosse in die Gruppe jagte, die wie tot vor ihnen stand. Die Klowns schienen es nicht einmal zu bemerken. Genau genommen heulten sie jedes Mal vor Lachen, wenn einer von ihnen fiel, ihm die Beine weggerissen wurden und der Körper durch ein Schrapnell auseinandergerissen wurde. McNeely schwang den automatischen Granatwerfer von einer Seite zur anderen, aber die Schussfrequenz war recht gering. Wenn es ein M2 gewesen wäre, hätte er sie mit nur ein paar Schwüngen niedermähen können. Obwohl die hochexplosiven Geschosse schreckliche Schäden verursachten, machte es die Geschwindigkeit des Humvees für den Schützen schwierig, sie alle lahmzulegen. Etwas anderes traf die Windschutzscheibe direkt vor Marshs Gesicht und riss einen großen Splitter aus dem Glas. Eine Kugel. Ein weiteres Geschoss prallte an der Motorhaube des Humvees ab und McNeely fluchte, als eine dritte Kugel in den Panzer einschlug, der seine Waffe umgab. Er feuerte weiter, aber trotz des Angriffs stürmten die Irren los und gackerten vor wahnsinniger Freude.

Marsh schob sich in seinem Sitz weiter nach hinten, als der Humvee mit fast hundert Stundenkilometern in die Menge brauste. Der erste Wegelagerer fand ein jähes Ende, als die verstärkte Stoßstange des Wagens gegen ihn knallte. Er wurde rückwärts in die Menge geschoben, bevor er aus dem Blickfeld verschwand. Die MK19 verstummte, und das Fahrzeug wackelte heftig. Renner fluchte und kämpfte gegen das Lenkrad, während er das Gaspedal weiter durchdrückte. Der Krach war fantastisch. Alles, was Marsh hören konnte, waren die schrecklichen Aufschläge, die nur von Schreien, Johlen und nie endendem Gelächter unterbrochen wurden. Der Seitenspiegel traf eine Frau, die eine Kettensäge hielt. Dadurch überschlug sie sich und der Seitenspiegel klatschte mit solcher Gewalt gegen die Tür, dass das Glas in Rahmen zersplitterte. Von hinten eröffnete die .50 Kaliber wieder das Feuer, was Marsh für ein gutes Zeichen hielt. Sie waren nicht von dem Rest des Trupps abgeschnitten und das war in positiver Weise herzerwärmend.

»Bushmaster, macht euch bereit für den Nahkampf!«, rief er über Funk. Er war sich ziemlich sicher, dass der Rest der Kolonne wusste, was vor sich ging, aber trotzdem wollte er sie warnen. Die Klowns griffen mit einer Begeisterung an, die er nie zuvor gesehen hatte. Sicherlich hatten sie in Cambridge ihr Bestes getan und versucht, die Lightfighters zu töten, aber noch nie hatte er gesehen, dass sie sich so leichtfertig selbst opferten.

Und dann waren sie durch.

»Wie steht es um den Humvee?«, fragte Marsh Renner.

»Er könnte eine Inspektion gebrauchen«, entgegnete Renner.

Marsh drehte sich in seinem Sitz, um nach den Soldaten hinter ihm zu sehen. Weir und Jacobs sahen ihn durch ihre MOPP-Masken hindurch an. Man konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten. McNeely hatte sich zwischen ihnen herunterfallen lassen und hielt sich mit beiden Händen am Rand der Kuppel fest. Als Marsh ihm in die Augen sah, schien der Soldat zu seufzen, bevor er auf seinen Posten hinter den Steuergriffen der MK19 zurückging. Hinter dem beschleunigenden Humvee waren noch mehr Schüsse zu hören, bevor sie von dem BUMM-BUMM-BUMM-BUMM der Apache-Kettenkanonen übertönt wurden.

Marsh richtete den Blick wieder nach vorne. Vor ihnen explodierten Bäume. Dort lagen noch mehr gackernde Spinner auf der Lauer, aber sie hatten sich zu früh gezeigt und nun teilten die Apache ihre weltberühmten Dreißig-Millimeter-Schmerzmittel aus. Marsh sah nicht weniger als zwanzig Personen, die unter der vernichtenden Feuerkraft der Kampfhubschrauber zerfielen.

Er ging wieder an den Funk. »Birddog, hier ist Bushmaster. Ihr Jungs müsst beim Ausspähen bessere Arbeit leisten. Wir waren zweimal beschäftigt! Over.«

Der leitende Kiowa-Pilot antwortete. Die .50 Kaliber des Fluggeräts rasselte im Hintergrund. »Verstanden, Bushmaster. Wir räumen die Kreuzung südlich von Phasenlinie Alpha frei. Lass dir sagen, dass die Zufahrt zum Kreisverkehr verbarrikadiert wurde, aber mit euren Big Foots kommt ihr wahrscheinlich durch, wenn ihr nicht drumherum fahren wollt. Over.«

Marsh grunzte. Die M925-Trucks hatten den Spitznamen Big Foot bekommen, da sie keine Zwillingsräder auf ihren Hinterachsen hatten, sondern einzelne Mammutreifen. »Roger, Birddog. Wir haben etwas Spielraum um die Barrikade herum? Over.«